Rn 4

§ 113 gilt seit dem 01.10.1996 für alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht förmlich beendeten und alle neu eröffneten Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren (Art. 6 ArbRBeschFG).[13]

 

Rn 5

Wie sich dem Wortlaut ("Insolvenzverwalter") sowie der systematischen Stellung der Vorschrift im zweiten Abschnitt des dritten Teils der InsO entnehmen lässt, ist § 113 erst ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. nach Ernennung des Insolvenzverwalters und Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses (§§ 27, 30), anwendbar. Auf den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 findet die Vorschrift weder unmittelbare noch – mangels planwidriger Regelungslücke im Gesetz – analoge Anwendung.[14] Soweit ein derartiger "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter Arbeitsverhältnisse kündigen will, ist er an die vertraglich vereinbarten bzw. für den Arbeitgeber gemäß § 622 BGB gültigen Kündigungsfristen gebunden.[15]

 

Rn 6

§ 113 setzt keine Frist für die Ausübung des Kündigungsrechts. Der Insolvenzverwalter muss die Kündigung daher nicht bei der ersten Gelegenheit aussprechen. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung, sofern ein Kündigungsgrund besteht, jederzeit mit der Frist des § 113 Satz 2 kündbar.[16] Kündigt der Insolvenzverwalter nicht unmittelbar nach Verfahrenseröffnung, ist hierin kein Verzicht auf die Kündigungsbefugnis zu sehen.[17] Nach dem Sinn und Zweck des § 113 kann die Anwendung der abgekürzten Kündigungsfrist indes dann ausgeschlossen sein, wenn ein Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Betriebsauflösung über mehrere Jahre hinweg mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt wird und dadurch der Insolvenzbezug der Kündigung fehlt.[18]

 

Rn 7

Soweit der Arbeitgeber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hat, deren Kündigungsfrist im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch läuft, kann der Insolvenzverwalter mit der kurzen Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 erneut kündigen.[19] In einer derartigen "Nachkündigung" liegt keine unzulässige Wiederholungskündigung. Dies gilt auch dann, wenn die erste Kündigung durch den Insolvenzschuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgesprochen worden ist und der vorläufige Insolvenzverwalter später zum Insolvenzverwalter ernannt wurde.[20] Eine erneute Kündigung ist auch dann möglich, wenn die ursprüngliche Kündigung wegen Ablaufs der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam gilt. Andernfalls würde das Kündigungsrecht des § 113 Satz 1 auf die Fälle beschränkt, in denen nicht bereits vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner oder vom vorläufigen Insolvenzverwalter gekündigt worden ist. Der dadurch entstehende Druck auf den Schuldner und den vorläufigen Insolvenzverwalter, notwendige Kündigungen möglichst bis zur Insolvenzeröffnung hinauszuzögern, um nicht die Insolvenzmasse unnötig zu schmälern, ließe sich mit dem Ziel des § 113, Arbeitsverhältnisse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums beenden zu können, nicht vereinbaren.

 

Rn 8

§ 113 ist nicht nur auf Arbeitsverhältnisse anwendbar, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestanden haben, sondern gilt auch für Arbeitsverhältnisse, die erst durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind.[21]

[13] BGBl. I 1996 S. 1478; vgl. zum ArbRBeschFG auch Gaul/Gaul, AktuellAR 1996, 330 (336 ff.).
[15] BAG 20.01.2005, 2 AZR 134/04; BAG 18.04.2002, 8 AZR 346/01.
[16] Nerlich/Römermann-Hamacher, 42. Lfg. 2021, § 113 Rn. 32; Berscheid, ZInsO 1998, 115 (118).
[17] ErfK-Müller-Glöge, 21. Aufl. 2021, § 113 InsO Rn. 7b.
[18] ArbG Kiel 29.03.2016, 5 Ca 170d/16.
[19] BAG 22.04.2010, 6 AZR 948/08; BAG 20.01.2005, 2 AZR 134/04.
[21] LAG Berlin 11.07.2007, 23 Sa 450/07.

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