Gesetzestext

 

1Abweichend von § 19 Absatz 2 Satz 1 der Insolvenzordnung ist zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 anstelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten zugrunde zu legen, wenn die Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. 2Dies wird vermutet, wenn

1. der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war,
2. der Schuldner in dem letzten, vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
3. der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.

1. Grundlagen

 

Rn 1

In § 4 war ursprünglich die Verordnungsermächtigung für das BMJV zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorgesehen. Diese Ermächtigung wurde allerdings mit dem Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 25. September 2020[1] wieder aufgehoben, da die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 in § 1 Abs. 2 COVInsAG ausdrücklich geregelt wurde, sodass es der Verordnungsermächtigung nicht mehr bedurfte. Die Aufgabe dieses Konzepts der Verlängerung der Aussetzung durch das BMJV mag aufgrund der nunmehr erfolgenden Verlängerung der Aussetzung durch ein parlamentarisches Gesetz verfassungsrechtlich vorzugswürdig sein. Allerdings wird damit auch eine gewisse Flexibilität aufgegeben.

 

Rn 2

Der derzeitige Regelungsgehalt des § 4 geht zurück auf das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG)[2] vom 22. Dezember 2020.

[1] BGBl. I, S. 2016.
[2] BGBl. I, S. 3256.

2. Verkürzung des Prognosezeitraums bei der Überschuldungsprüfung auf vier Monate (Satz 1)

 

Rn 3

Durch Satz 1 wird der Prognosezeitraum bei der Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO für das gesamte Jahr 2021 von zwölf auf vier Monate verkürzt. Damit soll ausweislich der Gesetzesbegründung eine Erleichterung verbunden sein, da in Pandemiezeiten erhebliche Prognoseunsicherheiten bestünden.[3] Ob Satz 1 tatsächlich eine Erleichterung für die betroffenen Unternehmen begründet, muss allerdings bezweifelt werden. Die mit Satz 1 in Bezug genommene kürzere Prognose kann bei einem fehlenden Ende der Pandemie verheerend wirken. Während der Schuldner bei einer einjährigen Prognose das Ende der Pandemie und damit ein Funktionieren seines Geschäftsmodells berücksichtigen kann, dürfte dies bei einer Prognose mit einem Zeithorizont von vier Monaten oftmals nicht gelingen. Damit ist ein nicht unerhebliches Problem in der Anwendung von § 4 angesprochen. Bei diesem ist nicht völlig klar, welchen Zweck er eigentlich haben soll. Dieser könnte zum einen darin gesehen werden, den Geschäftsleitern bei der Prüfung der Überschuldung einen verlässlicheren Rechtsrahmen an die Seite zu stellen, um zu belastbareren Prognosen zu kommen. Zum anderen könnte man in § 4 aber auch eine Regelung sehen, die dazu dient, die Insolvenzantragspflicht bei der Überschuldung zu relativieren und somit deren Druck auf die Geschäftsleiter abzumildern. Auch wenn die Gesetzesbegründung eher ersteres nahelegt[4], dürfte letzterem Aspekt bei der Auslegung von § 4 Rechnung zu tragen sein.

 

Rn 4

Voraussetzung für die Verkürzung des Prognosezeitraums ist die Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie für die Überschuldung. Auf welche Art und Weise die Ursächlichkeit nachgewiesen werden soll, gibt § 4 mit Ausnahme von Satz 2 (Rdn. 5 ff.) nicht vor. Jenseits von Satz 2 dürfte der Nachweis aber gelingen, wenn man unter Heranziehung der Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre nachweisen kann, dass bei einer normalen Geschäftsentwicklung ohne die COVID-19-Pandemie keine Überschuldung vorgelegen hätte. Daher muss eine (negative) Überschuldungsprüfung für den Zeitpunkt vor Beginn der COVID-19-Pandemie und eine hypothetische und auf den Geschäftsdaten der vergangenen Jahre basierende (negative) Überschuldungsprüfung für den jeweiligen Zeitpunkt im Jahr 2021 vorgenommen werden. Nur wenn beide Überschuldungsprüfungen negativ sind, ist Satz 1 anwendbar.

[3] Begr RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 213.
[4] Begr RegE SanInsFoG, BT-Drs. 19/24181, S. 213.

3. Vermutung der Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie (Satz 2)

 

Rn 5

Die nach Satz 1 geforderte Ursächlichkeit der COVID-19-Pandemie für die Überschuldung wird nach Satz 2 vermutet, wenn die in den Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Mit dieser Vermutung liegt die Beweislast für die in den Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen bei demjenigen, der sich auf die Überschuldung beruft.

3.1 Fehlende Zahlungsunfähigkeit am 31. Dezember 2019 (Satz 2 Nr. 1)

 

Rn 6

Voraussetzung ist zunächst, dass der Schuldner zum 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war. Dies ist durch eine gesonderte Zahlungsunfähigkeitsprüfung festzustellen. Über eine solchen dürften viele Schuldner aber wegen § 1 Abs. 1 Satz 3 schon verfügen, da diese Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von März bis September 2020 war. Auch wenn Nr. 1 für diese Prüfung keine formalen Vorgaben aufstellt, dürfte insofern eine Zahlungsunfähig...

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