Leitsatz (amtlich)

›1. Ein Familienangehöriger des Auftraggebers kann in den Schutzbereich eines Bauvertrags einbezogen sein. Das betrifft jedoch nur Schadensfälle, in denen der Geschädigte gerade als Familienangehöriger des Auftraggebers mit der Bauleistung in Berührung kommt (im Anschluß an BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 354/88 = BauR 1990, 501, 502 = ZfBR 1990, 178, 179).

Dagegen ist er wie andere vertragsfremde Dritte, die nach Abschluß des Bauvertrags Wohnungs- oder Teileigentum in dem betreffenden Haus erwerben, nicht allein aufgrund seiner Eigentümerstellung in den Schutzbereich des Bauvertrages einbezogen.

2. Hat ein Mieter wegen Schäden an seinem eingebrachten Eigentum, die durch einen Baumangel verursacht worden sind, Ansprüche gegen Bauunternehmer und Vermieter, so haften dem Mieter beide als Gesamtschuldner mit der Folge, daß ein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Bauunternehmer ach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt.‹

 

Tatbestand

Der Kläger zu 2 (künftig nur: "Kläger") und die Klägerin zu 1 klagen auf Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie von Schadensersatzansprüchen freizustellen, die ihre Mieterin, die Firma M., wegen Wasserschäden eingeklagt hat.

Mit Generalunternehmervertrag vom 15. April/1. Juli 1982 beauftragte der unter seiner Firma handelnde Kaufmann W. die Beklagte mit der schlüsselfertigen Erstellung eines Wohn- und Geschäftshauses in W. Die Abnahme erfolgte am 2. Januar 1984.

Der Kläger und die Klägerin zu 1 sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie Eigentümer von Sondereigentumseinheiten in dem genannten Haus. Der Kläger ist der Sohn der Klägerin zu 1. Diese ist Inhaberin der genannten Firma.

Am 20. Dezember 1988 traten in den Räumen im dritten Obergeschoß, die im Sondereigentum des Klägers und der Klägerin zu 1 stehen und von diesen an die Firma M. vermietet sind, Wasserschäden an Sachen der Firma M. auf. Ursache war die Verstopfung eines Balkonabflusses im vierten Obergeschoß. Die Räume, denen der Balkon zugeordnet ist, stehen ebenfalls im Sondereigentum des Klägers und der Klägerin zu 1 und sind ebenfalls vermietet.

Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob die Wasserschäden auf einen der Beklagten zuzurechnenden Baumangel zurückzuführen sind.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger und die Klägerin zu 1 haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Teilurteil die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Generalunternehmervertrag entfalte für den Kläger keine Schutzwirkungen. Obwohl der Kläger und die Klägerin zu 1 miteinander verwandt und Eigentümer der fraglichen Sondereigentumseinheiten seien, sei der Kläger gleichwohl nur insoweit in den Schutzbereich des Generalunternehmervertrags einbezogen, als der Schutz eigener absoluter Rechte in Frage stehe. Derartige Beeinträchtigungen mache der Kläger nicht geltend.

2. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Es kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt, mit der es eine Schutzwirkung des Generalunternehmervertrags zugunsten des Klägers verneint. Im allgemeinen hat die Rechtsprechung, vor allem in früheren Entscheidungen, zwar Ersatzansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nur zuerkannt, wenn es um den Ersatz von Personen- oder Sachschäden und deren Folgeschäden ging (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 261/75 = NJW 1977, 2073, 2074 m.Nachw.). Dem in den Schutzbereich eines Vertrags einbezogenen Dritten kann aber durchaus auch ein eigener Anspruch auf Ersatz reiner Vermögensschäden zustehen (vgl. BGH aaO. m.Nachw.).

b) Aus der familiären Beziehung zwischen dem Kläger und der Klägerin zu 1 kann eine Schutzwirkung des Generalunternehmervertrags zugunsten des Klägers hier nicht hergeleitet werden.

Familienangehörige des Auftraggebers können in den Schutzbereich eines Werkvertrags einbezogen sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1956 - VI ZR 58/55 = LM BGB § 254 (E) Nr. 2; Senat, Urteil vom 22. April 1965 - VII ZR 145/63 = Schäfer/Finnern Z 4.01 Bl. 40, 40 R; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 7. Aufl. Rdn. 1531). Die Einbeziehung eines Familienangehörigen in den Schutzbereich eines Bauvertrags ist aber nur für Schadensfälle von Bedeutung, in denen der betreffende Dritte gerade in seiner Eigenschaft als Familienangehöriger des Auftraggebers mit der Bauleistung des Auftragnehmers in Berührung kommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 354/88 = ZfBR 1990, 178, 179 = BauR 1990, 501, 502). Das war hier nicht der Fall. Der Kläger wurde nicht als Familienangehöriger, sondern als Eigentümer und Vermieter in Anspruch genommen.

c) Auch aus der Eigentümerstellung des Klägers kann sich eine Schutzwirkung nicht ergeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Mieter nicht in den Schutzbereich des Bauvertrags einbezogen, der zwischen Vermieter und Auftragnehmer geschlossen wird und die Errichtung des Hauses zum Gegenstand hat, in dem sich die Mieträume befinden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 354/88 = ZfBR 1990, 178, 179 = BauR 1990, 501, 502). Für eine solche Einbeziehung besteht kein Bedürfnis, weil der Mieter regelmäßig durch seine vertraglichen Ansprüche gegen den Vermieter (§ 538 BGB) ausreichend geschützt ist (vgl. BGH aaO.). Außerdem würden bei anderer Betrachtung die vertraglichen Pflichten des Auftragnehmers in einer für ihn unzumutbaren Weise ohne die Möglichkeit einer klaren, nach objektivierbaren Maßstäben vorzunehmenden Abgrenzung auf für ihn nicht erkennbare Risiken ausgedehnt (vgl. BGH aaO.).

Daher scheidet auch eine Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Generalunternehmervertrags aufgrund seiner Eigentümerstellung aus. Eine Fallgestaltung wie in der Entscheidung BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 - VI ZR 315/52 = LM BGB § 328 Nr. 6) liegt hier nicht vor.

II. Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagten erbrachte, nach der Behauptung des Klägers mangelhafte Bauleistung sei keine Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB komme nur dann in Betracht, wenn bei Gelegenheit der werkvertraglichen Bearbeitung ein schon vorhandener Bauteil oder eine andere Sache zu Schaden komme, auf die sich die Herstellungsverpflichtung des Auftragnehmers nicht erstrecke. Der Kläger leite aus einer Beeinträchtigung seines Eigentums infolge der nach seiner Behauptung mangelhaften Bauleistung keine Schadensersatzansprüche her.

Das wird von der Revision nicht infrage gestellt und läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

III. Das Berufungsgericht hat aber übersehen, daß nach dem Sachverhalt, den der Kläger vorgetragen hat, ein Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt.

1. Steht einem Mieter wegen eines Schadens an eingebrachten Sachen, der durch einen Baumangel verursacht worden ist, ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter und gegen einen Bauunternehmer zu, so haften beide dem Mieter als Gesamtschuldner mit der Folge, daß ein Ausgleichsanspruch des Vermieters gegen den Bauunternehmer nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1986 - VI ZR 254/85 = NJW 1987, 1013, 1014 = ZfBR 1987, 75 = BauR 1987, 116, 117). Nach ständiger Rechtsprechung entsteht der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erst, wenn ein Gesamtschuldner an den Gläubiger leistet, sondern von vornherein mit dem Zustandekommen des Gesamtschuldverhältnisses (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 - IX ZR 96/85 = NJW 1986, 3131, 3132 m.Nachw.). Jeder mithaftende Gesamtschuldner kann schon vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger von den anderen Gesamtschuldnern verlangen, daß sie ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirken und dadurch so handeln, daß es später nicht mehr zu einem Ausgleich im Wege des Rückgriffs gemäß § 426 Abs. 2 BGB zu kommen braucht. Nimmt der Gläubiger wegen seiner fälligen Forderung einen der Gesamtschuldner in Anspruch, so kann dieser von den Mitschuldnern verlangen, ihn von der Verbindlichkeit in der Höhe zu befreien, die der jeweiligen internen Ausgleichspflicht entspricht (BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 aaO.).

2. Nach diesen Grundsätzen wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger, die Klägerin zu 1 und die Beklagte der Firma M. für den von dieser geltend gemachten Schaden gesamtschuldnerisch haften und zu welchem Anteil die Beklagte dem Kläger gegebenenfalls zur Freistellung verpflichtet ist.

Ein Schadensersatzanspruch der Firma M. gegen die.Beklagte kann sich nach dem Vortrag des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Bauunternehmer, der ein Haus vorwerfbar mangelhaft errichtet und dadurch Wasserschäden an Sachen eines Mieters auslöst, diesem aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 354/88 = ZfBR 1990, 178 = BauR 1990, 501).

Ein Schadensersatzanspruch der Firma M. gegen den Kläger und gegen die Klägerin zu 1 kann sich insbesondere aus § 538 BGB ergeben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (BU 8) haben der Kläger und die Klägerin zu 1 der Firma M. die Räume im dritten Obergeschoß vermietet. Erleidet ein Mieter infolge eines Baumangels an eingebrachten Sachen einen Schaden, so steht ihm regelmäßig ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter nach § 538 BGB zu (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 - VI ZR 354/88 = ZfBR 1990, 178, 179 = BauR 1990, 501, 502; Senat, Urteil vom 11. Oktober 1990 - VII ZR 120/89 = ZfBR 1991, 17, 18 = BauR 1991, 111, 112).

IV. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht möglich. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993264

BB 1994, 1454

NJW 1994, 2231

LM § 328 BGB Nr. 89

BGHR BGB § 328 Drittschutz 11

BGHR BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichung 10

BauR 1994, 621

DRsp I(125)419d (Ls)

DRsp I(125)419d

DRsp I(128)209d

DRsp I(138)715Nr. I.7.

FamRZ 1994, 1021

WM 1994, 1724

MDR 1994, 1010

ZfBR 1994, 209

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