Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung von Miete und Pacht

 

Normenkette

BGB §§ 535, 581

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juni 1990 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Brauerei, überließ durch „Unterpachtvertrag” vom 31. Januar/10. Februar 1978 den Beklagten Geschäfts- und Wohnräume in H. zum Betrieb der Gaststätte „Hofbräu-Eck”. Sie war nicht Grundstückseigentümerin; nach dem Inhalt des Vertrages wurde „Gaststätten-Großinventar” mitverpachtet. Im April/Mai 1985 wurden in der Gaststätte Umbauarbeiten durchgeführt. Am 31. Mai/7. Juni 1985 regelten die Parteien ihre Vertragsbeziehungen neu. Der schriftliche, wiederum als „Unterpachtvertrag” bezeichnete Vertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

§ 10

Die Unterpächter haben ihre gesamte Tätigkeit ausschließlich dem Gaststättenbetrieb zuzuwenden und sind verpflichtet, den Umsatz aller Getränke der Brauerei und ihrer Tochtergesellschaft, der WEG, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln – auch hinsichtlich der Preisgestaltung – zu fördern.

Die Unterpächter sind verpflichtet, den Gaststättenbetrieb bis Pachtende in der Zeit von 11.00 Uhr bis zur Polizeistunde täglich offen zu halten, mit Ausnahme eines allgemein üblichen wöchentlichen Ruhetages.

§ 13

Die Unterpächter werden das für den Betrieb der Gaststätte erforderliche Groß- und Kleininventar sowie die Kücheneinrichtungsgegenstände selbst beschaffen und den Kaufpreis vor Pachtbeginn in vollem Umfang entrichten. Demzufolge bestehen Rechte Dritter am Inventar und an den Kücheneinrichtungsgegenständen nicht.

Eine Verfügung über die Gaststätteneinrichtung und die Küchengeräte zugunsten Dritter durch Verkauf oder andere rechtsgeschäftliche Handlungen bedarf in jedem Fall der Genehmigung der Brauerei….

§ 17b

Zwischen der Brauerei und den Unterpächtern wird zusätzlich für die Beschaffung des Gaststätten-Großinventars sowie der Kücheneinrichtungsgegenstände ein Darlehns- und Bezugsvertrag über die Summe von 40.000 DM zu 6% Zinsen mit einer Laufzeit von 10 Jahren vereinbart. Die Auszahlung der Darlehnsmittel erfolgt im Oktober 1985….

Mit der im Frühjahr 1989 erhobenen Klage nahm die Klägerin die Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Objekts in Anspruch, weil sie das Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen wirksam gekündigt habe. Das Landgericht gab der Klage statt.

Gegen das landgerichtliche Urteil legten die Beklagten am 17. August 1989 Berufung ein. Sie begründeten ihr Rechtsmittel durch einen Schriftsatz, der beim Oberlandesgericht am 16. Oktober 1989 (Montag) einging. Auf gerichtlichen Hinweis vom gleichen Tage beantragten sie am 27. Oktober 1989 vorsorglich, ihnen gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Oberlandesgericht lehnte dies ab und verwarf die Berufung durch Urteil mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Die Frage, ob die Beklagten ihre Berufung rechtzeitig begründet haben, hängt davon ab, ob der Rechtsstreit Feriensache ist; ist das der Fall, ist die Begründungsfrist versäumt (§§ 519 Abs. 2, 223 Abs. 2 ZPO), wenn nicht, ist die Begründung rechtzeitig eingegangen (§ 223 Abs. 1 Satz 3 ZPO). § 200 Abs. 1 Nr. 4 GVG, wonach Streitigkeiten zwischen einem Vermieter und einem Mieter wegen Räumung usw. Feriensachen sind, findet keine Anwendung auf Pachtstreitigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1958 – VIII ZR 39/57 – NJW 1958, 588). Es kommt also entscheidend darauf an, ob das am 31. Mai/7. Juni 1985 begründete Rechtsverhältnis, das der Klage zugrunde liegt, als Miete oder als Pacht einzuordnen ist.

2. Das Berufungsgericht hat einen Mietvertrag angenommen und hierzu ausgeführt: Die Frage sei danach zu entscheiden, ob die Klägerin den Beklagten nur den Gebrauch der überlassenen Räume oder daneben auch einen Fruchtgenuß zu gewähren verpflichtet gewesen sei. Letzteres sei nicht schon deshalb der Fall, weil die überlassenen Räume zum Betrieb einer Gaststätte geeignet gewesen seien und in ihnen bereits seit mehreren Jahren eine Gaststätte betrieben worden sei. Ebensowenig reiche aus, daß in den Gaststättenräumen bei Vertragsschluß tatsächlich Inventar vorhanden gewesen sei, welches dann von den Beklagten ersetzt worden sei. Entscheidend sei, ob die Klägerin nach dem Vertrag verpflichtet gewesen sei, die Einrichtungsgegenstände, die zum Betrieb einer Gaststätte erforderlich seien, den Beklagten zur Verfügung zu stellen. Eine derartige Verpflichtung der Klägerin habe nicht bestanden. Nach § 13 des schriftlichen Vertrages sei es vielmehr Sache der Beklagten gewesen, das zum Betrieb erforderliche Groß- und Kleininventar zu beschaffen. Ob der von den Parteien im Jahre 1978 geschlossene Vertrag ein Miet- oder ein Pachtverhältnis begründet habe, sei unerheblich, da die Parteien durch Neuregelungen in mehreren Punkten und das Unterlassen einer Bezugnahme auf den alten Vertrag zu erkennen gegeben hätten, daß sie einen neuen Vertrag schließen wollten.

3. Die Revision verweist demgegenüber auf Rechtsprechung des Reichsgerichts, wonach es für ein Pachtverhältnis genüge, daß Räume mit einer zur Fruchtziehung geeigneten Ausstattung überlassen würden, während es gleichgültig sei, ob diese Ausstattung mitgepachtet oder vom Pächter zu Eigentum erworben werde (RGZ 91, 310, 311). Die Parteien hätten im Jahre 1978 zweifelsfrei ein Pachtverhältnis begründet, weil seinerzeit das Großinventar der Gaststätte mitverpachtet gewesen sei. Nach dem Vertrag von 1985 hätten die Beklagten allerdings das erforderliche Groß- und Kleininventar sowie die Kücheneinrichtungsgegenstände selbst beschaffen müssen, in § 17b des Vertrages habe sich die Klägerin aber verpflichtet, hierfür ein zinsgünstiges Darlehen erheblichen Umfangs zur Verfügung zu stellen. Das zeige, daß nach wie vor der Fruchtgenuß Ziel und Gegenstand des vereinbarten Nutzungsverhältnisses gewesen sei. Von Bedeutung sei auch, daß die Beklagten durch § 10 des Vertrages eine Betriebspflicht übernommen hätten, die die Einhaltung bestimmter Öffnungszeiten, die ausschließliche Tätigkeit für die Gaststätte und die Förderung des Bierabsatzes der Klägerin umfaßt habe.

4. Der Senat, der den für die Zulässigkeit der Berufung maßgebenden Sachverhalt auch in tatsächlicher Hinsicht selbständig zu würdigen hat (vgl. etwa BGHZ 7, 280, 283 f.), pflichtet im Ergebnis der Revision bei.

a) Das Berufungsgericht hebt entscheidend darauf ab, daß die Klägerin nicht verpflichtet gewesen ist, den Beklagten die zum Betrieb der Gaststätte erforderlichen Einrichtungsgegenstände zur Verfügung zu stellen, diese vielmehr die Einrichtung selbst hätten beschaffen sollen. Das Reichsgericht, das in zahlreichen, eher einzelfallgeprägten Entscheidungen zur Abgrenzung von Pacht und Miete Stellung genommen hat (vgl. die Nachweise bei BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl. Rdnr. 211 vor § 535), hat indessen mehrfach Pacht auch in Fällen angenommen, in denen der Raumnutzer Inventar nicht mitgepachtet, sondern vom Raumeigentümer oder einem Dritten zu Eigentum erworben hatte (vgl. RGZ 91, 310; 114, 243, 244; WarnRspr 1924 Nr. 103; 1926 Nr. 45). Dies wird vom Schrifttum teils akzeptiert (vgl. BGB-RGRK/Gelhaar a.a.O.; Soergel/Kummer BGB 11. Aufl. Rdnr. 29 vor § 535), teils für bedenklich gehalten (vgl. Bub/Treier/Reinstorf, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete Teil I Rdnr. 18; Staudinger/Emmerich BGB 12. Aufl. Rdnr. 32 vor § 535). Vereinzelt wird der Standpunkt des Reichsgerichts sogar als zu eng angesehen und vertreten, daß Pacht immer dann anzunehmen sei, wenn nach dem von den Parteien gewollten Vertragszweck der Übernehmer die Sache nicht nur gebrauchen, sondern auch gewerblich nutzen und mit ihr verdienen solle, ohne daß der Frage des Inventars ausschlaggebende Bedeutung zukomme (Voelskow NJW 1983, 910 sowie in MünchKomm 2. Aufl. Rdnrn. 6 ff. vor § 535).

b) Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Beschluß vom 17. Dezember 1980 (VIII z.B. 51/85 – WM 1981, 226) ausgeführt, Miete und Pacht seien danach abzugrenzen, ob nach dem objektiven Inhalt aller Vertragsbestimmungen nur der Gebrauch der überlassenen Sache oder ob Gebrauch und Fruchtgenuß zu gewähren sei. Bei der Überlassung von Räumen komme es darauf an, ob diese mit einer zur Fruchtziehung geeigneten Ausstattung überlassen werden sollten. An Räumen, die nicht mit einer zur Nutzung erforderlichen Einrichtung versehen seien und durch denjenigen, der die Räume überlasse, auch nicht zur Fruchtziehung ausgestattet werden müßten, sei nur Miete möglich. In dem entschiedenen Fall – es ging um die Überlassung von Räumen und Grundstücksflächen für einen Kraftfahrzeugbetrieb mit Abschleppdienst – wurde Pacht verneint, weil das Vertragsobjekt für den vorgesehenen Betrieb weder bereits eingerichtet noch vom Überlasser einzurichten war. Was gegolten hätte, wenn die erforderliche Einrichtung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorhanden gewesen wäre, ohne daß sie gerade dem Überlasser des Objekts gehört hätte, läßt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen. Eine Stellungnahme zu dieser Frage findet sich auch nicht in anderen Entscheidungen des VIII. Senats; im wesentlichen wird gesagt, Pacht scheide jedenfalls aus, wenn Vertragsgegenstand lediglich leere Räume seien, die als Quelle für Erträgnisse erst hergerichtet werden müßten (vgl. Urteile vom 26. März 1969 – VIII ZR 76/67 – ZMR 1969, 206 und vom 4. April 1979 – VIII ZR 118/78 – NJW 1979, 2351, 2352).

c) Der erkennende Senat folgt zwar nicht der Ansicht von Voelskow, daß schon die Überlassung leerer Räume zum Betriebe eines gewerblichen Unternehmens Pacht und nicht Miete sei; die von ihm vertretene Konsequenz, es gebe letztlich keine Geschäftsraummiete, sondern nur Geschäftsraumpacht (NJW a.a.O. S. 911), ist schwerlich mit dem Wortlaut des § 581 BGB in Einklang zu bringen, der die Überlassung des Gebrauchs eines Gegenstandes nicht genügen läßt, sondern zusätzlich die Gewährung eines Fruchtgenusses i. S. von § 99 BGB fordert. Wenn Räume zum Betrieb eines Unternehmens überlassen werden, sind die durch dieses Unternehmen erzielten Erträge Frucht nicht der Räume, sondern des Unternehmens als eines weit komplexeren Inbegriffs von Sachen und Rechten (so auch Larenz, Schuldrecht 13. Aufl. Bd. II/1 § 49 I S. 279 f.). Bei der Beurteilung der Frage, ob in solchen Fällen neben der Verschaffung des Besitzes an Geschäftsräumen auch ein Fruchtgenuß im Sinne von § 581 BGB „gewährt” wird, ist aber eine enge Betrachtungsweise nicht angebracht, sondern sind vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. So wird vertreten, daß auch die zusätzliche Überlassung anderer „Geschäftswerte” als Inventar von Bedeutung ist (Larenz a.a.O.). Was die Frage des Inventars betrifft, kennzeichnet zwar dessen gleichzeitige Überlassung den Normalfall der Pacht; dies ist aber nicht immer erforderlich. Nach Auffassung des Senats muß etwa auch genügen, wenn für den Geschäftsbetrieb geeignetes Inventar tatsächlich in den Räumen vorhanden ist, und der Vertragspartner dazu wesentlich beigetragen hat. Das ist z.B. der Fall, wenn eine günstige Bezugsquelle nachgewiesen oder auch ein günstiger Anschaffungskredit bereitgestellt worden ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Klägerin hat sich in § 17b des Vertrages u.a. verpflichtet, für die Beschaffung des betrieblichen Inventars ein Darlehen von 40.000 DM zu 6% Zinsen mit einer Laufzeit von 10 Jahren zur Verfügung zu stellen. Nach § 13 des Vertrages bedarf eine Verfügung über die Inventargegenstände ferner der Genehmigung der Klägerin. Hätten die Beklagten das Inventar im Hinblick auf die Darlehensgewährung an die Klägerin sicherungsübereignet, hätte eine Fallgestaltung vorgelegen, die sogar dem Normalfall der Gaststättenpacht nahekäme. Wirtschaftlich besteht zu dieser Gestaltung aber kein wesentlicher Unterschied. Ferner hat die Klägerin neben den Gewerberäumen den Beklagten die Nutzung der offenbar eingeführten Unternehmensbezeichnung „Hofbräu-Eck” überlassen. Insgesamt schuldete sie danach nicht nur die Überlassung und Instandhaltung von für den Betrieb einer Gaststätte baulich geeigneten Räumen, sondern darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht Leistungen, die den Gaststättenbetrieb dauerhaft fördern sollten (vgl. auch Esser/Weyers, Schuldrecht 6. Aufl. Bd. II § 23 I 3 S. 181, wonach die „gleichzeitige Übertragung sonstiger Betriebsvoraussetzungen” genügt). Schließlich spricht für ein Pachtverhältnis auch der Gesichtspunkt der Kontinuität. Das im Jahre 1978 begründete Rechtsverhältnis der Parteien war Pacht, da den Beklagten eine betriebsfertig eingerichtete Gaststätte mit jedenfalls teilsweise von der Klägerin gestelltem Inventar zur unmittelbaren Erzielung gewerblicher Einkünfte überlassen worden war. Der Vertragsabschluß im Jahre 1985 war auf die Fortsetzung des Betriebs der gleichen Gaststätte mit der gleichen Bezeichnung gerichtet, ohne daß sich an der wirtschaftlichen Interessenlage wesentliches geändert hätte.

5. Nach allem ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, daß das vorliegende Verfahren Feriensache ist und die Beklagten die Frist zur Begründung ihrer Berufung versäumt haben. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben und der Rechtsstreit zur sachlichen Entscheidung über das Rechtsmittel an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

BB 1991, 2399

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge