Leitsatz (amtlich)

1. Hat das Berufungsgericht in einem Urteil irrtümlich die Berufung der Klägerin "als unzulässig verworfen, über die Berufung des Streithelfers" dagegen sachlich entschieden, so ist auf Revision der Klägerin das Berufungsurteil insgesamt aufzuheben.

2. Die auf Antrag des Streithelfers gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkt auch zugunsten der Hauptpartei.

3. Haben die Hauptpartei und ihr Streithelfer zulässigerweise Berufung eingelegt, gibt es nur eine Berufung.

Haben die Hauptpartei und ihr Streithelfer zulässigerweise Berufung eingelegt, gibt es nur eine Berufung. Die auf Antrag des Streithelfers gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wirkt auch zugunsten der Hauptpartei.

Hat das Berufungsgericht in einem Urteil irrtümlich die Berufung der Klägerin "als unzulässig verworfen, über die Berufung des Streithelfers" dagegen sachlich entschieden, so ist auf Revision der Klägerin das Berufungsurteil insgesamt aufzuheben.

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 18.02.1981)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Februar 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt aus eigenem Recht Zahlung von Verzugszinsen aus einem Grundstückskaufvertrag (2 404,57 DM) und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes 10 % des Erlöses für von der Beklagten verkaufte Winterbauteile (2 731,70 DM). Die Beklagte verneint den Zinsanspruch und rechnet hilfsweise dagegen mit einer Forderung in Höhe von 2 653 DM für Lagerung und sonstige Auslagen beim Verkauf der Winterbauteile auf. Sie bestreitet den Anspruch auf Erlöszahlung dem Grunde und der Höhe nach nicht, rechnet aber insoweit mit einer Schadensersatzforderung aus einem Grundstückskaufvertrag in Höhe von 12 716,25 DM auf und verlangt widerklagend Zahlung von 9 085,55 DM.

Das Landgericht hat mit Teil- und Grundurteil die Klage abgewiesen und die Widerklage dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Dem Rechtsstreit ist auf Seiten der Klägerin (entsprechend einer Streitverkündung aus I. Instanz) Dipl.-Kfm. Z. als Streithelfer beigetreten und hat gleichzeitig Berufung eingelegt. Auch die Klägerin hat das landgerichtliche Urteil mit der Berufung angegriffen. Auf Antrag des Streithelfers hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Frist zur Berufungsbegründung mit Verfügung vom 26. August 1980 bis zum 15. Oktober 1980 verlängert. Sowohl die Klägerin als auch der Streithelfer haben Berufungsbegründungen eingereicht. Das Oberlandesgericht hat "die Berufung der Klägerin" als unzulässig verworfen, "die Berufung des Streithelfers" aber als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es die Berufung als unzulässig verworfen hat, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Der Rechtsstreit ist unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I.

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Sie ist statthaft (§ 547 ZPO), weil das Berufungsgericht "die Berufung der Klägerin" als unzulässig verworfen hat. Dem steht nicht entgegen, daß gleichzeitig "die Berufung des Streithelfers" als unbegründet zurückgewiesen worden ist; denn im vorliegenden Fall gibt es nur eine Berufung, nämlich die der Klägerin. Haben die Hauptpartei selbst und der Streithelfer Berufung eingelegt, so erklärt dieser zunächst nur, jene unterstützen zu wollen. Eine selbständige Berufung ist diese Erklärung nicht, unabhängig davon, daß der Rechtsmittelschriftsatz des Streithelfers zeitlich vor dem der Hauptpartei bei Gericht einging (RGZ 147, 125, 126; 158, 95, 100; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 67 B II. e 2; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 13. Aufl. § 47 VI 2 S. 255).

Auch sonst ist die Revision zulässig, insbesondere ordnungsgemäß begründet. Die Klägerin greift das Berufungsurteil deshalb an, weil es ihre Berufungsbegründung als verspätet behandelt. Es genügt, daß dies aus der Revisionsbegründung ersichtlich ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO 11. Aufl. § 547 Anm. 1 m.w.N.), wobei u.a. § 519 ZPO als verletzte Rechtsnorm bezeichnet ist (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO).

II.

Die Revision ist begründet.

Die Frist zur Berufungsbegründung (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) war am 2. Oktober 1980 nicht abgelaufen, weil der Vorsitzende des Berufungsgerichts auf Antrag des Streithelfers mit Verfügung vom 26. August 1980 die Frist zur Berufungsbegründung bis 15. Oktober 1980 verlängert hatte. Das wirkte auch zugunsten der Klägerin (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 67 Rdn. 13; Wieczorek a.a.O. § 67 B II. e 2; Zöller/Vollkommer, ZPO 13. Aufl. § 67 II. 2; Rosenberg/Schwab a.a.O. § 47 IV 3 c).

Damit ist im vorliegenden Fall (in dem das Berufung gericht in einem Urteil nicht nur die Berufung im Blick auf die Klägerin verworfen, sondern über sie mit Blick auf den Streithelfer auch sachlich entschieden hat), ungeachtet der zu engen Fassung des Revisionsantrags der Klägerin, das Berufungsurteil in vollem Umfang aufzuheben. Es gibt nur eine Berufung, über die nur einmal entschieden werden kann. Die vom Berufungsgericht vorgenommene "Zweiteilung" war unzulässig. Mit der Aufhebung der Berufungsverwerfung wird für die Klägerin zwingend der Berufungsrechtszug neu eröffnet. Daneben kann das Berufungsurteil im übrigen nicht bei Bestand bleib weil das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vortra der Klägerin völlig neu in der Sache entscheiden muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018813

NJW 1982, 2069

NJW 1982, 2069 (Volltext mit amtl. LS)

JZ 1982, 429

JZ 1982, 429 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1982, 744-745 (Kurzinformation)

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