Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Steuerberater, der auch Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt ist. sekundärer Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt. Zinsschaden als Hauptforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Steuerberater zugleich Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt, ist bei Schadensersatzansprüchen die Verjährungsvorschrift derjenigen Berufsordnung zu entnehmen, die die Parteien für die Tätigkeit des Beraters erkennbar zugrunde legen wollten, oder – mangels feststellbaren Parteiwillens – die den Schwerpunkt seiner vertraglichen Verpflichtungen regelt.

2. Ein sekundärer Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt wegen Fristversäumung entsteht nur, wenn der Rechtsanwalt vor Vollendung der Verjährungsfrist hinsichtlich des Regreßanspruchs Anlaß hatte, den durch frühere Pflichtverletzung seinem Mandanten entstandenen Schaden zu erkennen und er ihn deshalb auf die Möglichkeit des Regresses und dessen drohende Verjährung hätte hinweisen müssen.

3. Der dem Mandanten des Steuerberaters entstandene Zinsschaden, weil er eine Forderung finanzieren mußte, hinsichtlich der er wegen der fehlerhaften Beratung seitens des Steuerberaters nicht erkannte, daß er sie in Wahrheit nicht schuldete, ist keine Nebenforderung im Sinne des § 224 BGB, sondern als Teil des Schadensersatzanspruchs Hauptforderung.

 

Normenkette

StBerG § 65; WiPrO § 51a; BRAO § 51; BGB §§ 675, 224

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 16.10.1985; Aktenzeichen 25 U 204/84)

LG Siegen (Urteil vom 29.05.1984; Aktenzeichen 1 O 217/79)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Oktober 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen zu spät gestellter Erlaßanträge hinsichtlich der von ihr nach dem Lastenausgleichsgesetz geschuldeten Vermögensabgabe. Die vier Beklagten bilden eine Sozietät als Steuerberater – der Beklagte zu 1) – als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater – die Beklagten zu 2) und 4) – und als Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt – der Beklagte zu 3) –. Sie berufen sich insbesondere auf Verjährung.

Die Beklagten hatten für die Klägerin seit langem unter anderem Steuererklärungen und Bilanzen erstellt sowie Buchführungsarbeiten erledigt. Die Klägerin erzielte, nachdem sie wegen Vermögensverfalls seit 1965 nicht mehr produziert, sondern nur noch vermietet hatte, keine Einnahmen mehr ab 1976, als das Mietverhältnis endete. Nach entsprechendem Hinweis des Finanzamtes stellten die Beklagten Ende 1977 für die Vermögensabgabe der Jahre 1971 bis 1976 einen Erlaßantrag. Dieser wurde zunächst abgelehnt. Das dagegen eingelegte Rechtsmittel führte zur Erstattung der Vermögensabgabe der Jahre ab 1971 am 25. Mai 1982. Inzwischen hatte die Klägerin mit Mahnbescheiden vom 19. Dezember 1978 den vorliegenden Rechtsstreit begonnen.

Mit ihrem am 12. Oktober 1983 zugestellten Schriftsatz vom 24. August 1983 erweiterte die Klägerin ihre Klage. Sie forderte nicht mehr wie ursprünglich Schadensersatz wegen der Vermögensabgabe für die Jahre 1969 bis 1973 nebst 7,5 % Zinsen seit dem 1. Januar 1974 abzüglich bislang nicht bezahlter Steuerberaterkosten. Sie machte vielmehr einen Gesamtbetrag von 99.255,14 DM nebst Zinsen geltend, den sie wie folgt berechnet:

  1. wegen Verwirkung nicht erstattete Vermögensabgabe für die Jahre 1969 und 1970 in Höhe von 25.009,36 DM
  2. Zinsschaden wegen dieser aus Krediten bezahlten Vermögensabgabe in Höhe von 25.230,17 DM
  3. Zinsschaden wegen der erstatteten, ebenfalls aus Krediten bezahlten Vermögensabgabe für die späteren Jahre in Höhe von 49.015,61 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nur zum Teil stattgegeben. Es hat alle Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 33.425,02 DM und darüber hinaus den Beklagten zu 3) zur Zahlung von weiteren 49.558,26 DM, jeweils nebst 8,75 % Zinsen seit dem 26. Mai 1982, verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.

Mit ihrer Revision begehren die Beklagten völlige Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

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Ohne Rechtsfehler führt das Berufungsgericht aus, die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten ergebe sich daraus, daß sie pflichtwidrig nicht auf die Erlaßmöglichkeit hingewiesen hätten, worauf der Schaden zurückzuführen sei. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Sie meint vielmehr, die Ausführungen zur Verjährung seien rechtsfehlerhaft.

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Der Anspruch auf Ersatz des mit der Position 1 geltend gemachten Schadens wegen Nichterstattung der Vermögensabgabe für die Jahre 1969 und 1970 in Höhe von 25.009,46 DM kann auch gegenüber dem Beklagten zu 3) verjährt sein.

1. Das Berufungsgericht hat den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag dahin ausgelegt, daß der Schwerpunkt der von den Beklagten vertraglich geschuldeten Tätigkeit im Bereich der Steuerberatung liege. Deshalb gelte nicht nur für den Beklagten zu 1), sondern auch für die Beklagten zu 2) und 4) die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG. Diese Frist, deren Lauf im vorliegenden Fall am 1. Januar 1974 begonnen habe, sei bei dem Erlaß der Mahnbescheide schon abgelaufen. Dagegen richte sich die Verjährung bezüglich des Beklagten zu 3) nach § 51 a WPO. Die darin festgelegte 5-jährige Verjährungsfrist, deren Lauf ebenfalls am 1. Januar 1974 begonnen habe, sei beim Erlaß des Mahnbescheides am 19. Dezember 1978 noch nicht verstrichen gewesen.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann für alle vier Beklagten eine Verjährungsfrist von drei Jahren seit dem Zeitpunkt gelten, in dem der Anspruch entstanden ist.

a) Ohne Erfolg versucht die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung, die Feststellungen des Berufungsurteils zum Inhalt der Parteivereinbarungen anzugreifen. Soweit sie meint, gegenüber den Beklagten zu 1), 2) und 4) sei Verjährung nicht eingetreten, können ihre Erwägungen an der rechtskräftigen Abweisung dieses Teils ihrer Klageforderung gegen diese Beklagten nichts ändern.

Die vom Berufungsgericht aufgrund seiner Vertragsauslegung getroffene Feststellung, der Schwerpunkt der Tätigkeit liege im Bereiche der Steuerberatung, gilt grundsätzlich auch für den Beklagten zu 3). Auslegungsfehler kann die Klägerin nicht aufzeigen. Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien, die von ihnen vorgelegten Unterlagen und die Beweiserhebung erster Instanz zu dieser Frage nicht in seine Auslegung einbezogen hat. Eines ausdrücklichen Eingehens auf jeden dieser Punkte bedurfte es nicht (BGHZ 3, 162, 175). Diese Auslegung entspricht sogar dem eigenen Tatsachenvortrag der Klägerin. Die Klägerin hat in zweiter Instanz, nachdem das Landgericht über die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses Beweis erhoben und danach auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ausschließlich § 68 StBerG angewendet hatte, selbst den geschlossenen Vertrag als Steuerberatungsvertrag und die gesamte Tätigkeit unter Auswertung des Schriftwechsels der Parteien als umfassende Steuerberatung bezeichnet. Sie hat lediglich gemeint, auf die steuerberatende Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters sei die Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer und damit § 51 a WPO anzuwenden. Die Steuerberatung nehme innerhalb der Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer einen wesentlichen Rang und Raum ein. Gleichwohl habe der Gesetzgeber in der nach dem Steuerberatungsgesetz erlassenen Wirtschaftsprüferordnung für die unterschiedlichen Tätigkeiten keine unterschiedlichen Verjährungsfristen eingesetzt.

Diese Rechtsansicht geht fehl. Die Verjährungsvorschrift ist, wenn der steuerliche Berater den Beruf des Steuerberaters, des Wirtschaftsprüfers und des Rechtsanwalts nebeneinander ausübt, derjenigen Berufsordnung zu entnehmen, die die Parteien für die Tätigkeit des Beraters erkennbar zugrunde legen wollten, oder – mangels feststellbaren Parteiwillens – die den Schwerpunkt seiner vertraglichen Verpflichtungen regelt (BGHZ 83, 328, 332).

b) Das Berufungsgericht hat ausreichende Feststellungen zum Parteiwillen nicht getroffen. Im vorliegenden Fall gelten für den Beklagten zu 3) als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer sowohl die Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer als auch die für Rechtsanwälte. Das Berufungsgericht hat lediglich mit Recht § 68 StBerG ausgeschlossen, dann jedoch ohne weiteres § 51 a WPO angewendet, ohne auf § 51 BRAO einzugehen, der wie § 68 StBerG eine dreijährige Frist festlegt. Es hätte einer Prüfung der Frage bedurft, ob nach dem Willen der Parteien der Beklagte zu 3) die vertragsmäßigen Dienste in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer oder in der als Rechtsanwalt leisten sollte. Da es sich hierbei um eine tatrichterliche Frage handelt, muß ihre Entscheidung dem Berufungsgericht überlassen bleiben.

Bei der nachzuholenden Prüfung wird das Berufungsgericht unter anderem zu bedenken haben, daß der Beklagte zu 3) nicht allein tätig, sondern in einer Sozietät mit drei Steuerberatern verbunden ist, von denen zwei gleichzeitig Wirtschaftsprüfer sind. Wird eine solche Sozietät für steuerliche Beratung in Anspruch genommen, dann geht der Parteiwillen möglicherweise dahin, daß der einzige in ihr tätige Rechtsanwalt in dieser Eigenschaft gewählt wird und beraten will. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater in a l l e n Rechtsangelegenheiten unter Einschluß insbesondere der steuerrechtlichen Fragen (§ 3 Nr. 2 StBerG). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme scheint auch der Beklagte zu 3) persönlich die Klägerin lediglich beraten zu haben, als diese in eine KG umgewandelt wurde.

3. Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterstattung der Vermögensabgabe für die Jahre 1969 und 1970 wurde erstmals mit dem Antrag auf Erlaß der Mahnbescheide gerichtlich geltend gemacht. Diese hat die Klägerin am 18. Dezember 1978 eingereicht. Demgemäß konnte erst an diesem Tag die Verjährungsfrist unterbrochen werden (§§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 693 Abs. 2 ZPO), da die Bescheide „demnächst” zugestellt worden sind. In diesem Zeitpunkt war aber die Verjährung bereits eingetreten, wenn die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt.

Es ging um rückwirkenden Erlaß. Die Klägerin hatte unstreitig die acht Vierteljahresraten der Vermögensabgabe für die Jahre 1969 und 1970 in Höhe von jeweils 3.126,17 DM pünktlich gezahlt. Der nach der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Erlaßpraxis der Finanzbehörden hier maßgebliche dreijährige Erlaßzeitraum umfaßte demgemäß die Jahre 1969 bis 1971. Der Antrag auf Erlaß der Vermögensabgabe mußte nach dieser Praxis spätestens mit Ablauf des zweiten Jahres nach dem dreijährigen Erlaßzeitraum gestellt werden. Anderenfalls gingen die Finanzbehörden von Verwirkung aus. Demgemäß war der Schaden der Klägerin entstanden im Sinne von § 51 BRAO (und § 68 StBerG), als bis zum Ablauf des 31. Dezember 1973 noch kein Erlaßantrag gestellt worden war.

Auch insoweit kann die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung das Berufungsurteil nicht mit Erfolg angreifen. Allerdings handelt es sich bei den Entscheidungen der Finanzbehörden über den Erlaß der Vermögensabgabe nach § 203 Abs. 5 LAG um Ermessensentscheidungen mit dem Ziel, unbillige Lösungen zu vermeiden. Dieses Ermessen hatte sich im Hinblick auf die sie betreffenden Richtlinien – im fraglichen Zeitraum galt die Verwaltungsanordnung vom 19. November 1963 (BStBl. 1963 I 798 ff.), die ihrerseits die bereits seit 1954 gültige Praxis kaum verändert hatte – und die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zur Verwirkung von Steuerforderungen (BStBl. 1964 III 201; 1965 III 654 und 1970 II 793) in der Praxis verfestigt. Danach konnten jedenfalls in den 70er Jahren entgegen der Ansicht der Klägerin die vom Berufungsgericht als maßgeblich angesehenen Erlaßzeiträume und Antragsfristen nicht mehr mit Erfolg angegriffen werden (vgl. z.B. den Erlaß vom 5.12.1973 – BStBl. 1973 I 733 = RLA 1974, 30, in dem die Antragsfrist als Ausschlußfrist bezeichnet wird). Das zeigen auch der in den die Klägerin betreffenden Vermögensabgabeakten des Finanzamtes befindliche Abdruck eines Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 22. Juli 1974 – IV A 5 – LA 2831 – 40/74 und die spätere Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 7. Oktober 1977 (BStBl. 1978 II 283).

4. Jedoch kann der Klägerin, wenn ihr Anspruch gegen den Beklagten zu 3) gemäß § 51 BRAO verjährt ist, ein sekundärer Schadensersatzanspruch zustehen. Ein solcher Anspruch setzt seinerseits eine neue Pflichtverletzung voraus. Er entsteht also nur, wenn der Rechtsanwalt vor Vollendung der Verjährungsfrist hinsichtlich des Regreßanspruches Anlaß hatte, den durch die frühere Pflichtverletzung seinem Mandanten entstandenen Schaden zu erkennen, und wenn er ihn deshalb auf die Möglichkeit des Regresses und dessen drohende Verjährung hätte hinweisen müssen (BGHZ 94, 380, 386 ff.).

Da die mit dem Verwirkungseintritt am 31. Dezember 1973 beginnende Verjährungsfrist des § 51 BRAO am 31. Dezember 1976 abgelaufen war, kommt es darauf an, ob der Beklagte zu 3) in dieser Frist Anlaß hatte, den der Klägerin durch den Nichterlaß der Vermögensabgabe entstandenen Schaden und die für diesen Schaden ursächliche Pflichtwidrigkeit der Beklagten zu erkennen. Dazu hat das Berufungsgericht ausreichende Feststellungen nicht getroffen. Allerdings hat es unter I. 3. b) auf Seite 9 seines Urteils darauf hingewiesen, daß die Beklagten in den Gewinn- und Verlustrechnungen und in einigen Schreiben die Vermögensabgabe erwähnt haben. Ob schon das ein ausreichender Anlaß im Sinne der Rechtsprechung (BGHZ 94, 380, 388) gewesen ist, bedarf näherer Nachprüfung. Möglicherweise wurde auch die von dem Zeugen Wrede bei dessen Aussage erwähnte Frage der Klägerin, ob ihre schlechte Ertragslage nicht Grund für ein Loskommen von der Vermögensabgabe sein könnte, in dieser Frist gestellt. Diese als Anlaß sicherlich ausreichende Frage wurde nämlich nach der Aussage des Zeugen anläßlich der Gespräche gestellt, die wegen der Umwandlung der Klägerin geführt wurden. Diese Umwandlung geschah zwar zum Jahresende 1972. Das schließt aber angesichts der vorgelegten Korrespondenz nicht aus, daß das fragliche Gespräch erst später stattgefunden hat.

II.

Auch hinsichtlich des von der Klägerin mit den Schadenspositionen 2 und 3 geltend gemachte Zinsschadens ist das Berufungsurteil rechtsfehlerhaft.

1. Das Berufungsgericht hat für diese Beträge § 224 BGB angewendet und entsprechend seiner Ansicht zu den maßgeblichen Verjährungsbestimmungen hinsichtlich des Beklagten zu 3) den Zinsschaden ab 1. Januar 1974 und hinsichtlich der übrigen Beklagten den Zinsschaden ab 1. Januar 1976 für nicht verjährt angesehen. Demgemäß hat es den zu ersetzenden Zinsschaden für den Beklagten zu 3) einerseits und die übrigen Beklagten andererseits unterschiedlich berechnet. Schon wegen der Anwendung des § 224 BGB ist diese Berechnung falsch. Darüber hinaus sind dem Berufungsgericht weitere Rechtsfehler unterlaufen.

2. Die Anwendung des § 224 BGB für den Zinsschaden ist rechtsfehlerhaft. Der Zinsschaden ist keine Nebenforderung des Erstattungsbetrages. Er ist auch nicht mit dem Verzugsschaden (RGZ 156, 113, 121) gleichzusetzen. Er entsteht, weil der Mandant des Steuerberaters eine Forderung finanzieren muß, hinsichtlich der er wegen der fehlerhaften Beratung seitens des Steuerberaters nicht erkennt, daß er sie in Wahrheit nicht schuldet. Der Zinsschaden ist selbst Hauptforderung, nämlich ein selbständiger Teil des Schadensersatzanspruches (BGHZ 83, 17, 22 oben und 96, 290, 298 unter 5.; weiter Urteil vom 1.10.1981 – III ZR 13/80 – VersR 1982, 42 = LM BGB § 284 Nr. 25 = NJW 1982, 1277). Dieser Rechtsfehler wirkt sich aus bei der Frage, wann hinsichtlich der Schadenspositionen 2 und 3 Verjährung eingetreten ist. Denn das Berufungsgericht hat zur Verjährungsunterbrechung den Umstand übersehen, daß die Klägerin erst mit dem am 12. Oktober 1983 zugestellten Schriftsatz vom 24. August 1983 nach der Aussetzung wegen des Steuerbeschwerdeverfahrens den Anspruch ausdrücklich so geltend gemacht hat, daß er alle drei Schadenspositionen umfaßte. Die Revision meint, daß deshalb alle Zinsschadensansprüche verjährt seien. So liegt es aber nicht.

a) Die Klägerin hatte mit den Mahnbescheiden gegen jeden der Beklagten geltend gemacht:

Schadensersatzforderung aus schuldhaftem Unterlassen der Stellung von Erlaßanträgen bezügl. d. Vermögensabgabe für die Erlaßzeiträume vom 1.1.1969 – 31.12.1973 (64.151,– DM) abzüglich Steuerberatungskosten (3.731,55 DM) Hauptforderung 60.419,45 DM, Zinsen 7,5 % seit dem 1.1.1978 zzgl. 12 % MWSt auf die Zinsen.

Mit der Klageschrift kündigte sie dann eine Zinsforderung ab 1. Januar 1974 an. Sie nehme Bankkredit in Anspruch in laufender Höhe mindestens des Klagebetrages. Diesen Antrag stellte sie in dem Termin vom 30. März 1979. Auf den dort gegebenen Hinweis, 7,5 % Verzugszinsen könne sie nicht ab 1. Januar 1974 verlangen, reagierte die Klägerin nicht weiter.

Der als Position 2 geltend gemachte Zinsschaden für die Position 1 umfaßt den Zeitraum vom 1. Januar 1971 bis zur Vermögensabgabeerstattung am 25. Mai 1982. Mit der Position 3 verlangt die Klägerin die Zinsen, die sie für die Finanzierung der in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis letztmalig am 10. Februar 1976 geleisteten Vermögensabgaberaten in dem Zeitraum vom 1. Januar 1971 bis zu deren Erstattung am 25. Mai 1982 aufwenden mußte.

b) Möglicherweise hat die Klägerin dadurch, daß sie ursprünglich mit ihrer Klage 7,5 % Zinsen ab 1974 forderte, bereits den ab 1. Januar 1974 ihr entstandenen Zinsschaden geltend gemacht. Sowohl in den Mahnbescheiden als auch in der Klagebegründung werden die Zinsen allerdings nicht ausdrücklich als Hauptforderung bezeichnet. In beiden Fällen sprechen Wortlaut und Aufbau der Anträge und ihrer Begründung eher dafür, daß es um eine Nebenforderung geht. Gerichtskosten sind nur für die ausdrücklich in den Mahnbescheiden und später in der Klageerweiterung als Hauptforderung aufgeführten Beträge angefordert und bezahlt worden. Ob unter diesen Umständen das Klagebegehren der Klägerin ihrer wirklichen Interessenlage entsprechend dahin ausgelegt werden kann, daß sie 7,5 % Zinsen als Zinsschaden und damit als Hauptforderung geltend machen wollte, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Vielmehr ist den Parteien gemäß § 278 Abs. 3 ZPO Gelegenheit zu geben, zu dieser bislang nicht erörterten Frage ergänzend vorzutragen.

c) Möglicherweise wurde danach der Zinsschaden erstmals mit dem am 12. Oktober 1983 zugestellten Schriftsatz vom 24. August 1983, eingereicht am 29. August 1983, gerichtlich geltend gemacht. Ob der Klägerin gemäß § 270 Abs. 3 ZPO eine Rückwirkung hinsichtlich der Verjährung auf den 29. August 1983 zugute kommen muß, ob also die demnächstige Zustellung bejaht werden kann, vermag der Senat auch hier nicht abschließend zu entscheiden. Vielmehr muß hier ebenfalls gemäß § 278 Abs. 3 ZPO den Parteien Gelegenheit gegeben werden, weiter dazu vorzutragen, wie es dazu gekommen ist, daß die Klageerweiterung erst am 12. Oktober 1983 zugestellt wurde. Erst danach kann beurteilt werden, ob für den Fall der erstmaligen gerichtlichen Geltendmachung durch diesen Schriftsatz für die Berechnung des nicht verjährten Zinsschadens der 29. August oder der 12. Oktober 1980 der Anfangstermin ist.

3. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Klägerin schon in den Mahnbescheiden und in der Klagebegründung sich Beratungsgebühren in Höhe von 3.731,55 DM, die noch offen standen, hat abziehen lassen wollen.

4. Schließlich ist auch in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob ein sekundärer Schadensersatzanspruch besteht (BGHZ 94, 380 und 96, 290 sowie Urteil vom 20.1.1982 – IVa ZR 283/80 – LM StBerG Nr. 15 = VersR 1982, 397).

 

Fundstellen

NJW 1987, 3136

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