Leitsatz (amtlich)

Soll zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines gekauften Grundstücks ein Wegerecht an einem anderen Grundstück durch eine Grunddienstbarkeit gesichert werden, so hat der Notar im Rahmen seiner Pflicht, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des zu beurkundenden Kaufvertrages zu belehren, grundsätzlich auf ihm bekannte, im Grundbuch eingetragene Belastungen des anderen Grundstücks und deren Bedeutung hinzuweisen.

Zur Verjährung eines Ersatzanspruchs wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung eines Notars bei anderweitiger Ersatzmöglichkeit des Geschädigten.

 

Normenkette

BeurkG § 17 Abs. 1 S. 1; BGB § 852 Abs. 1; BNotO § 19 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.03.1992)

LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. März 1992 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger verlangen vom beklagten Notar Schadensersatz, weil er sie bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages nicht über die Rechtslage bezüglich vertraglicher Wegerechte belehrt habe (§ 19 BNotO).

Der Beklagte beurkundete am 8. August 1979 einen Vertrag, in dem die Pr. Gesellschaft für Exportfactoring J. Kl. KG (fortan: Pr. KG oder Verkäuferin) den Klägern eine – damals noch zu vermessende – Teilfläche von etwa 3.600 qm eines Industriegrundstücks für 830.000 DM verkaufte. Die Fälligkeit des Kaufpreises hing u.a. davon ab, daß die Gläubiger der in Abt. III/Nr. 2–11 des Grundbuchs eingetragenen Grundpfandrechte die Freigabe des verkauften Teilgrundstücks erklärten. Die Verkäuferin verpflichtete sich, diese Fläche von den genannten Belastungen freizustellen; „sämtliche Beteiligten” stimmten der Haftentlassung zu. Die Käufer übernahmen Rechte und Belastungen aus Grunddienstbarkeiten und persönlichen Dienstbarkeiten (Gleisnutzungs- und Wegerechte), die in der Vorkriegszeit im Grundbuch des ursprünglichen Gesamtgrundstücks eingetragen worden waren, soweit sie den verkauften Grundstücksteil betrafen; diese Rechte sicherten auch den Zugang des Gesamtgrundstücks zur öffentlichen Straße („alte Rechte”). Die Verkäuferin räumte dem jeweiligen Eigentümer des verkauften Teilgrundstücks, das ein „Hinterliegergrundstück” ist, u.a. Rechte zur Nutzung einer Gleisanlage auf dem – näher zur Straße hin gelegenen – Restgrundstück sowie bei diesem als Grunddienstbarkeiten einzutragende Wegerechte ein („neue Rechte”).

Nr. III 3 c des Vertrages lautet:

„Der Verkäufer räumt dem jeweiligen Eigentümer des verkauften Teilgrundbesitzes das Recht ein, die auf dem ihm verbleibenden Teilgrundbesitz vorhandene Wegfläche über die bisherigen Parzellen Flur 42 Flurstücke 43, 42, 44 und 41 zum Gehen und Fahren zu benutzen, um zu bzw. von dem berechtigten Grundbesitz zu gelangen und dieses Recht allen Personen zu gestatten, die zu bzw. von dem berechtigten Grundbesitz gelangen wollen, ferner die in diesen Grundstücken vorhandenen Versorgungs- und Entsorgungsleistungen mitzubenutzen.

Die Kosten für die Unterhaltung und Erhaltung dieser Einrichtungen tragen die beteiligten Eigentümer ratierlich entsprechend der Grosse ihrer Grundstücke im Verhältnis zu der Grosse der beteiligten Gesamtgrundstücke.

Diese Vereinbarung ist als Grunddienstbarkeit auf dem dem Verkäufer verbleibenden Teil der vorgenannten Grundstücke zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Kaufgrundbesitzes in das Grundbuch einzutragen.”

Nach der Vermessung des verkauften Grundstücksteils beurkundete der Beklagte am 23. Juni 1980 die Auflassung und die Bewilligung der Eintragung der Grunddienstbarkeiten. Die Verkäuferin befreite diesen Grundstücksteil von Grundpfandrechten. Die Kläger zahlten den Kaufpreis und wurden als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Am 30. Mai 1980 beurkundete der Beklagte einen Vertrag, in dem die Pr. KG an den Kaufmann Mo. das – damals noch zu vermessende – Restgrundstück von etwa 9.026 qm für 1.760.000 DM verkaufte. Die Fälligkeit des Kaufpreises hing u.a. davon ab, daß die Gläubiger der in Abt. III/Nr. 2–11 eingetragenen Grundpfandrechte die Freigabe des Restgrundstücks erklärten. Die Verkäuferin verpflichtete sich, diesen Grundstücksteil von den genannten Belastungen freizustellen; „sämtliche Beteiligten” stimmten der Haftentlassung zu „bzw.” beantragten die Löschung „bzw.” die lastenfreie Abschreibung im Grundbuch. Der Käufer übernahm die in der Vorkriegszeit im Grundbuch des ursprünglichen Gesamtgrundstücks eingetragenen Rechte und Belastungen aus Grunddienstbarkeiten und persönlichen Dienstbarkeiten (Gleisnutzungs- und Wegerechte), soweit sie das Restgrundstück betrafen, sowie die von der Verkäuferin mit den Klägern vereinbarten Grunddienstbarkeiten. Nach der Vermessung dieses Grundstücks beurkundete der Beklagte am 3. Oktober 1980 die Auflassung und die Bewilligung der Eintragung der Grunddienstbarkeiten. Dieses (Rest-)Grundstück wurde nicht von den Grundpfandrechten, deren Gläubigerin die S.sparkasse D. war, befreit. Die zugunsten des (Teil-)Grundstücks der Kläger bewilligten Grunddienstbarkeiten wurden in der Zeit von August 1980 bis Februar 1981 im Grundbuch des Restgrundstücks im Range nach Grundschulden von insgesamt 1.880.000 DM eingetragen. Mottmann wurde am 27. Februar 1981 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Im Jahre 1982 wurde angeordnet, daß das Grundstück Mo. auf Antrag der S.parkasse D. wegen ihrer in Abt. III/Nr. 6 eingetragenen Grundschuld zwangsversteigert werden sollte. Am 13. März 1984 wurde das Eigentum der Gläubigerin zugeschlagen; die in der Vorkriegszeit eingetragenen, gegenüber den Grundpfandrechten vorrangigen Grundstücksbelastungen blieben bestehen, die den Klägern eingeräumten, im Range nach den Grundschulden eingetragenen Grunddienstbarkeiten am versteigerten Grundstück erloschen. Im Jahre 1987 wurde dieses Grundstück an die Se. KG veräußert.

Mit der im Januar 1991 erhobenen Klage haben die Kläger die Feststellung einer Ersatzpflicht des Beklagten wegen des Verlustes der Wegerechte begehrt. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage den Erfolg versagt. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Feststellungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe bei der Beurkundung des Grundstückskaufvertrages keine Amtspflicht verletzt; insoweit hat es sich den Erwägungen des Landgerichts angeschlossen. Dieses hat ausgeführt: Der Beklagte habe eine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht verletzt, da die Kläger nicht dargelegt hätten, daß sie dem Beklagten bei den Beurkundungen das Problem der alten und neuen Wegerechte zur Beratung unterbreitet hätten. Er habe auch nicht gegen seine Pflicht zur Belehrung über die rechtliche Tragweite des Geschäfts verstoßen. Er habe nicht dafür sorgen müssen, daß die neuen Wegerechte vorrangig und damit zuschlagsfest eingetragen wurden, weil dies mit einer Verletzung seiner Neutralitätspflicht verbunden gewesen wäre. Zwar habe die Beratung darüber, daß die neuen Wegerechte nur an rangbereiter Stelle hätten eingetragen werden können und deswegen nicht zuschlagsfest gewesen seien, die rechtliche Seite des zu beurkundenden Geschäfts betroffen. Über das sich aus einer solchen Eintragung ergebende Risiko hätte der Beklagte aber nur dann belehren müssen, wenn ihm die tatsächliche Bedeutung der neuen Wegerechte zuvor von den Klägern verdeutlicht worden wäre. Seine allgemeine Betreuungspflicht habe der Beklagte nicht verletzt, weil ihm keine besonderen Umstände bekannt gewesen seien, aus denen er hätte schließen müssen, daß einem Beteiligten ein Schaden drohe und sich der Beteiligte dieser Gefahr möglicherweise nicht bewußt sei.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Beklagte hat die ihm gegenüber den Klägern obliegende Amtspflicht verletzt, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des zu beurkundenden Kaufvertrages zu belehren (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG).

1. Im Rahmen dieser Pflicht hat der Notar die Beteiligten insoweit zu befragen und zu belehren, als es notwendig ist, um eine ihrem Willen entsprechende, rechtswirksame Urkunde zu errichten. Dabei sind die Beteiligten über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen und die unmittelbaren rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt des beabsichtigten Rechtserfolges aufzuklären. Daher hat der Notar den Käufer regelmäßig auf Belastungen des Grundstücks und deren Bedeutung hinzuweisen (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 – IX ZR 8/91, WM 1992, 527, 529; v. 3. Februar 1984 – V ZR 190/82, WM 1984, 700; v. 19. Januar 1982 – VI ZR 182/80, WM 1982, 372, 373). Das gilt nach Sinn und Zweck der Amtspflicht zur Rechtsbelehrung entsprechend, wenn ein zugunsten des Kaufgrundstücks eingeräumtes Recht zur Benutzung eines anderen Grundstücks durch eine Grunddienstbarkeit am dienenden Grundstück gesichert werden soll (vgl. §§ 1018, 1019 BGB). In einem solchen Falle muß der Notar die Beteiligten grundsätzlich über ihm bekannte, im Grundbuch eingetragene Belastungen des anderen Grundstücks und deren Bedeutung belehren. Nur dann ist sichergestellt, daß die Beteiligten die Gefährdung des von ihnen angestrebten Rechtserfolgs erkennen, weil die Grunddienstbarkeit an dem anderen Grundstück durch den Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erlöschen kann (§ 91 ZVG), und daß sie rechtzeitig für Abhilfe sorgen können.

2. Im vorliegenden Falle entsprach es dem – offensichtlichen – Vertragswillen der Beteiligten, durch die vereinbarten (neuen) Wegerechte das – industriell zu nutzende – „Hinterliegergrundstück” der Kläger über das Restgrundstück an die öffentliche Straße anzubinden. Zu diesem Zwecke sollten die Rechte durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch des dienenden Grundstücks gesichert werden. Dieser beabsichtigte Rechtserfolg gehörte zu der rechtlichen Tragweite des zu beurkundenden Geschäfts. Seine Verwirklichung war gefährdet, wenn die Grunddienstbarkeit eingetragen wurde, ohne daß zuvor die auf dem (Rest-)Grundstück lastenden Grundschulden gelöscht worden waren oder ein Rangrücktritt der Grundschuldgläubigerin erfolgt war. In diesem Falle konnte die Grunddienstbarkeit – wie geschehen – durch den Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erlöschen (§ 91 ZVG). Deswegen mußte der Beklagte, nachdem er – gemäß eigenem Vorbringen (GA I 227) – das Grundbuch vor der Beurkundung eingesehen hatte, die Kläger darauf hinweisen, daß auf diese Weise die dingliche Sicherung ihrer neuen Wegerechte am Restgrundstück wegen der vorrangigen Grundpfandrechte entfallen konnte.

Mit einem solchen Hinweis hätte der Beklagte nicht gegen das Gebot der Unparteilichkeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) verstoßen, weil dadurch die Kläger nicht einseitig gegenüber der Verkäuferin bevorzugt worden wären. Vielmehr hätte die Erfüllung der Pflicht zur Rechtsbelehrung die Gefahr aufgezeigt, die das Erreichen des Vertragszwecks in Frage stellte, und den Beteiligten Gelegenheit zur Vorsorge gegeben.

3. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Kläger hat der Beklagte eine solche Aufklärung unterlassen. Ein – von ihm behaupteter (GA I 85) und von den Klägern bestrittener (GA I 172) – Hinweis, daß die Eintragung des Wegerechts nur an rangbereiter Stelle erfolgen könne, genügte für die erforderliche Belehrung nicht. Selbst wenn die Kläger gemäß dem Vorbringen des Beklagten (GA I 228) damals geschäftserfahrene Kaufleute waren, so bedurften sie doch der Rechtsbelehrung. Er durfte sich nicht bei der Beurkundung darauf verlassen, daß bei einem späteren Verkauf des Restgrundstücks die Grundschulden mit dem Kaufpreis gelöscht wurden und dann die Grunddienstbarkeiten zugunsten der Kläger Vorrang erhielten.

4. Das Unterlassen der Belehrung darüber, daß die dingliche Sicherung des vereinbarten Wegerechts der Kläger wegen der vorrangigen Grundpfandrechte nicht zuschlagsfest war, beruht auf Fahrlässigkeit des Beklagten (§ 276 BGB). Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte er die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Kläger vermeiden können und müssen.

5. Nach dem Klagevortrag besteht der – gemäß § 287 ZPO festzustellende – haftungsausfüllende Ursachenzusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 5. November 1992 – IX ZR 260/91, WM 1993, 260, 263; v. 27. Mai 1993 – IX ZR 66/92, z.V.b.). Die Kläger haben im einzelnen dargelegt, daß die alten Wegerechte für die Straßenanbindung ihres Grundstücks nicht ausreichten und dieses ohne das vereinbarte neue Wegerecht einen erheblichen Minderwert aufweise (GA I 23, 78, 80, 93 f, 98 f, 101, 188, 206, 218, 242, 248). Die Kläger haben behauptet, sie hätten, wenn der Beklagte sie pflichtgemäß belehrt hätte, die Grundschuldgläubigerin zu einem Rangrücktritt veranlaßt, weil diese aus den Veräußerungserlösen habe befriedigt werden sollen (GA I 31, 76, 181, 184); darauf bezieht sich der hauptsächliche Feststellungsantrag (GA I 191 f, 202 f). Hilfsweise haben sie vorgebracht, sie hätten bei ordnungsmäßiger Belehrung den Kaufvertrag nicht geschlossen (GA I 76, 203); darauf bezieht sich der Hilfsantrag (GA I 191 f, 202 f).

6. Der Schaden der Kläger infolge des Verlustes des vereinbarten Wegerechts wird nicht ausgeglichen durch ihr gesetzliches Notwegrecht (§ 917 BGB). Es erlaubt nur die notwendige Benutzung des Verbindungsgrundstücks; die Richtung des Notwegs und der Umfang der Benutzung sind notfalls durch Urteil zu bestimmen. Der Nachbar muß durch eine Geldrente entschädigt werden.

Am Schaden der Kläger ändert es nichts, daß nach ihrem Vorbringen (GA I 206, 218, 242) das Nachbargrundstück inzwischen eine Baulast trägt, die die öffentliche Zufahrt ihres Grundstücks im Sinne des § 4 BauO NW zum Gegenstand hat. Eine solche Baulast gewährt den Klägern keinen hinreichenden Schadensausgleich. Sie beruht auf einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Grundeigentümers gegenüber der Baubehörde, die auf die daraus folgende Berechtigung verzichten kann (§ 78 BauO NW). Den Klägern als begünstigten Grundeigentümern verleiht die Baulast, die im vorliegenden Falle nur die Bebauung des Grundstücks ermöglicht, kein eigenes Recht (vgl. BGHZ 88, 97, 99 ff; BGH, Urt. v. 19. April 1985 – V ZR 152/83, NJW 1985, 1952 f).

III.

Die Kläger haben allerdings bisher nicht vorgetragen, daß sie nicht auf andere Weise Schadensersatz erlangen können (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO).

1. Das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ist vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Negative Anspruchsvoraussetzungen sind solche Ersatzmöglichkeiten, die sich aus dem Sachverhalt selbst ergeben, demselben Tatsachenkreis entsprungen sind, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars ergibt, und begründete Aussicht auf Erfolg bieten. Kommt eine solche andere Ersatzmöglichkeit in Betracht, so ist die Klage gegen den Notar als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGH, Urt. v. 14. Mai 1992 – IX ZR 292/91, WM 1992, 1533, 1537).

Nach der vorgelegten Vertragsurkunde kann die ernsthafte Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß die Kläger gegen die Verkäuferin einen Anspruch auf Ersatz ihres Schadens haben; diese Möglichkeit bestand auch schon zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit (vgl. BGH, Urt. v. 5. November 1992 – III ZR 91/91, DAR 1993, 184, 186, z.V.b. in BGHZ, zu § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Ersatzanspruch der Kläger gegen die Verkäuferin kann sich aus deren Verpflichtung in Nr. III 3 c des Kaufvertrages ergeben. Der Inhalt dieser Klausel ist bisher nicht geklärt.

a) Sie kann dahin gewertet werden, daß die Verkäuferin sich schlechthin und auf Dauer verpflichtet hat, den Klägern und deren Rechtsnachfolgern die vereinbarte Nutzung des Nachbargrundstücks zu ermöglichen. Dafür kann zunächst der Wortlaut des ersten Absatzes sprechen; danach hat sich die Verkäuferin gegenüber den Klägern – ohne zeitliche Beschränkung – verpflichtet, dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks das Wegerecht an dem anderen – zunächst im Eigentum der Verkäuferin verbliebenen – (Rest-)Grundstück einzuräumen. Außerdem hatten die neuen Wegerechte nach der Feststellung des Berufungsgerichts den Zweck, die alten, infolge der Grundstücksteilung nicht mehr ausreichenden Wegerechte zu ergänzen.

Bei einer solchen Auslegung hinge die – selbständige – schuldrechtliche Verpflichtung der Verkäuferin gegenüber den Klägern nicht vom rechtlichen Schicksal der Grunddienstbarkeit ab, die gemäß dem letzten Absatz der Vertragsklausel im Grundbuch des dienenden Grundstücks einzutragen war. Dann hätte die Verkäuferin ihre Vertragspflicht nicht schon mit der Eintragung dieses Rechts erfüllt; der kaufvertragliche Anspruch der Kläger gegen die Verkäuferin wäre unberührt geblieben, als seine dingliche Sicherung erlosch. Die Verkäuferin hätte zur Erfüllung einer solchen Verpflichtung gegenüber den Klägern dafür zu sorgen gehabt, daß der jeweilige Eigentümer zur Straßenanbindung seines Grundstücks das Nachbargrundstück nutzen konnte; dies hätte die Verkäuferin bei einer Veräußerung dieses dienenden Grundstücks berücksichtigen und sicherstellen müssen. Ihre Pflicht könnte die Verkäuferin nicht mehr erfüllen, weil die neue Eigentümerin des Nachbargrundstücks die vertragliche Verpflichtung der Verkäuferin gegenüber den Klägern nicht übernommen hat und die früher zugunsten der Kläger bestehende Grunddienstbarkeit an diesem Grundstück erloschen ist. Deswegen könnte die Klägerin gegen die Verkäuferin einen Ersatzanspruch haben aus §§ 325, 433, 440 Abs. 1 BGB, falls die Verpflichtung der Verkäuferin – wegen der Bedeutung für das Gelingen des Vertrages – zu ihrer vertraglichen Hauptleistung gehörte, oder wegen Verletzung einer vereinbarten Nebenpflicht (§§ 275, 276, 280, 282 BGB).

b) Dieses rechtliche Ergebnis würde sich auch dann einstellen, wenn die Vertragsklausel wegen ihres ersten und letzten Absatzes dahin auszulegen wäre, daß die Verkäuferin sich verpflichtet hätte, dem jeweiligen Eigentümer des verkauften Grundstücks das vereinbarte Wegerecht am Nachbargrundstück einzuräumen, und die Erfüllung dieser kaufvertraglichen Pflicht durch eine vorrangige und damit zuschlagsfeste Grunddienstbarkeit dinglich gesichert werden sollte. Eine Grunddienstbarkeit, die Vorrang durch Löschung der Grundschulden oder Rangrücktritt der Grundschuldgläubigerin erlangt hätte, ist nicht eingetragen worden.

c) Anders wäre die Rechtslage, falls die Vertragsklausel dahin zu werten wäre, daß die schuldrechtliche Verpflichtung der Verkäuferin, dem jeweiligen Eigentümer des verkauften Grundstücks die vereinbarte Nutzung des Nachbargrundstücks einzuräumen, nach dem Willen der Vertragspartner lediglich durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit an rangbereiter Stelle erfüllt werden sollte. Einer solchen Pflicht ist die Verkäuferin nachgekommen.

2. Die Parteien und das Berufungsgericht haben bisher zu der Frage, wie der Kaufvertrag auszulegen ist, nicht Stellung genommen. Anläßlich der erneuten Verhandlung werden die Parteien hierzu Gelegenheit haben. Das Berufungsgericht wird dann prüfen müssen, ob die Klage zur Zeit unbegründet ist, weil für die Kläger die ernsthafte Möglichkeit besteht, von der Verkäuferin Ersatz zu erlangen.

IV.

Besteht eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit, so kann – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht davon ausgegangen werden, daß ein Ersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten verjährt ist (§ 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 852 BGB).

1. Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Kläger spätestens am 24. September 1984 Kenntnis von dem Schaden, der durch das Erlöschen der Grunddienstbarkeit infolge des Zuschlages im März 1984 und durch den damit verbundenen Verlust des Wegerechts entstanden ist (§ 91 ZVG), und der Person des Ersatzpflichtigen gehabt haben.

Die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis hat der Geschädigte, wenn er die Vermögensbeeinträchtigung und deren Ursache in ihrer wesentlichen Gestaltung kennt; dann kann er mit hinreichend sicherer Aussicht auf Erfolg eine Ersatzklage, sei es auch nur auf Feststellung einer Ersatzpflicht, erheben. Das Schadensbild nach Umfang und Höhe sowie Einzelheiten des schadenstiftenden Ereignisses und des weiteren Ursachenverlaufs braucht der Geschädigte nicht zu kennen (BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 258). Entscheidend ist eine Kenntnis der Tatsachen, die bei richtiger Verknüpfung und rechtlicher Einordnung die Feststellung der Ersatzpflicht einer bestimmten Person erlauben; ob der Geschädigte die ihm bekannten Tatsachen zutreffend rechtlich würdigt, ist dagegen unerheblich (BGH, Urt. v. 15. Dezember 1987 – VI ZR 285/86, VersR 1988, 465, 466; v. 19. März 1991 – VI ZR 248/90, NJW 1991, 2351).

a) Das Berufungsgericht hat den Schriftwechsel aus der Zeit vom 27. Juni 1984 bis 24. September 1984 (Sonderband – SB – I/W 22 ff) rechtsfehlerfrei dahin gewertet, daß dieser den Klägern die entsprechende Kenntnis spätestens am 24. September 1984 verschafft hat.

Im Schreiben der Sparkasse D. vom 27. Juni 1984 wurden die Kläger darauf hingewiesen, daß ihre Wegerechte infolge des Zuschlags erloschen waren; dies hatte die Sparkasse schon mit Schreiben an die Kläger vom 28. Oktober 1982 (SB I/W 14) angekündigt. Die Kläger baten den Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 1984, „die Neueintragung des Wegerechtes zu veranlassen”. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 28. August 1984 unter Beifügung eines Grundbuchauszugs, eine Neueintragung des Wegerechts sei nicht erforderlich, weil die Zufahrt „durch die alten im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeiten abgesichert ist”. Mit Schreiben vom 5. September 1984, von dem die Kläger eine Kopie erhielten, bat der Beklagte die Sparkasse D., die in Abteilung II Nr. 7 des Grundbuchs eingetragene und nach dem Zuschlag gelöschte Grunddienstbarkeit – betreffend ein Recht zur Mitbenutzung einer Gleisanlage – zugunsten der Kläger wieder eintragen zu lassen. Das lehnte die Sparkasse mit Schreiben an die Kläger vom 7. September 1984 ab. Daraufhin teilten die Kläger mit Schreiben vom 24. September 1984 (SB I Bl. 90 – hinter W 28 –) – unter Beifügung des Schreibens der Sparkasse vom 7. September 1984 – dem Beklagten mit, sie sähen selbst keine Möglichkeit, die Sparkasse zu einer grundbuchlichen Absicherung des Gleisbenutzungs- und Wegerechtes zu veranlassen. Sie verstünden nicht und seien darüber verärgert, daß bei Abschluß des Kaufvertrages ihre Rechte nicht besser gesichert worden seien, sie hätten sich damals auf den Notar verlassen. Abschließend baten sie den Beklagten, „alles zu unternehmen, um den Fehler zu korrigieren”. Danach hatten die Kläger das Schreiben des Beklagten vom 28. August 1984 nicht mißverstanden und wußten, daß die „grundbuchliche Absicherung” des kaufvertraglichen (neuen) „Gleisbenutzungs- und Wegerechtes” noch ausstand und durch einen „Fehler” des Beklagten „bei Abschluß des Kaufvertrages” versäumt worden war.

b) Die dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision sind unberechtigt.

Soweit sie geltend macht, den Klägern seien bei Vertragsschluß die alten Wegerechte unbekannt gewesen, kann sich das Rechtsmittel nicht auf einen entsprechenden Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen stützen. Das Berufungsgericht hat das Gegenteil verbindlich festgestellt, weil dies dem Klagevortrag (GA I 78) entspricht und die alten Grunddienstbarkeiten im Kaufvertrag genannt wurden. Zumindest am 24. September 1984 waren diese Rechte den Klägern bekannt, weil sie darauf durch das Schreiben des Beklagten an die Sparkasse D. vom 10. November 1982 (SB I/W 16), von dem sie eine Kopie erhalten hatten (SB I/W 17), hingewiesen worden waren.

Für die einen Verjährungsbeginn auslösende Kenntnis ist es unerheblich, ob die Kläger, wie die Revision geltend macht, erst im Jahre 1988 erfahren haben, daß die alten Wegerechte nicht die gleiche Absicherung bedeuteten wie die neuen, und erst im Jahre 1989 festgestellt haben, daß nicht zu allen Parzellen ihres Grundstücks eine Zufahrt aufgrund von Wegerechten besteht. Diese Punkte betreffen den Schadensumfang, dessen genaue Kenntnis für den Verjährungsbeginn unmaßgeblich ist (BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, a.a.O. 258).

Entgegen der Ansicht der Revision betraf das Schreiben der Kläger an den Beklagten vom 24. September 1984 nicht nur das Gleisbenutzungsrecht, sondern auch das Wegerecht.

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Verjährungseinrede widerspreche nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB), wird von der Revision ohne konkrete Rüge und zu Unrecht beanstandet.

Der Beklagte hat die Kläger nicht, sei es auch nur unabsichtlich, von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten (vgl. BGHZ 9, 1, 5; 86, 96; BGH, Urt. v. 6. Dezember 1990 – VII ZR 126/90, NJW 1991, 974, 975). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Kläger sich eben nicht mit der Auskunft des Beklagten in seinem Schreiben vom 28. August 1984, es bedürfe wegen der alten Wegerechte keiner Neueintragung, zufrieden gegeben, sondern in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 24. September 1984 eine Nachholung der unterbliebenen „grundbuchlichen Absicherung” des kaufvertraglichen „Gleisbenutzungs- und Wegerechtes” verlangt haben.

3. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß – als Folge der Subsidiärhaftung des Notars (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) – die Verjährung eines Ersatzanspruchs wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung eines Notars grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Geschädigte Kenntnis davon erlangt, daß er nicht auf andere Weise vollen Ersatz erlangen kann (BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, a.a.O. 259 m.w.N.). Ausnahmsweise beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte sich im Prozeßwege oder auf sonstige Weise hinreichende Klarheit verschaffen konnte, daß ihm kein anderer Ersatzanspruch zusteht; dies soll verhindern, daß der Geschädigte durch Untätigkeit den Verjährungsbeginn entgegen § 225 Satz 1 BGB mißbräuchlich hinausschiebt (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1992 – III ZR 114/91, NJW 1993, 933, 934 m.w.N.).

Zur Frage, wann die Verjährung eines Ersatzanspruchs der Kläger gegen den Beklagten mit Rücksicht auf eine mögliche vertragliche Haftung der Verkäuferin gegenüber den Klägern begonnen hat, haben sich die Parteien bisher nicht geäußert. Dazu muß ihnen noch Gelegenheit geboten werden, weil das Berufungsgericht auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht hingewiesen hat (§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO).

V.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO); dabei wird von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

 

Unterschriften

Brandes, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Fundstellen

Haufe-Index 2143621

NJW 1993, 2741

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