Leitsatz (amtlich)

BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 19 Abs. 1

Soll eine ungesicherte Vorleistung, die als solche nicht ohne weiteres erkennbar ist, vereinbart werden, so muß der Notar über die Folgen belehren, die im Falle der Leistungsunfähigkeit des durch die Vorleistung Begünstigten eintreten werden, und Wege aufzeigen, wie dieses Risiko vermieden werden kann.

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 01.06.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers und die Anschlußrevision des Beklagten wird das Schlußurteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Juni 1988 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem beklagten Notar Schadensersatz nach § 19 Abs. 1 BNotO.

Der Vater des Klägers veräußerte seine lastenfreie Eigentumswohnung in M… am 9. Oktober 1980 zu Urkunde des Beklagten (URNr. 1485/80) an den Kaufmann B… In diesem Vertrag ist unter anderem vereinbart:

3.

“Der Kaufpreis beträgt 130.000, – – einhundertdreißigtausend – Deutsche Mark. Dieser wird in voller Höhe mit dem Kaufpreis verrechnet, für den sich der Verkäufer in der Urkunde des amtierenden Notars vom heutigen Tage – URNr. 1486 für 1980 – verbürgt hat. Die Verrechnung wird wirksam, wenn die nachbewilligte Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist und dem Notar die vorerwähnten Löschungsunterlagen auflagenfrei vorliegen.

9.

Der Verkäufer erklärt sich bereit, ohne eine persönliche Schuldverpflichtung zu übernehmen, Grundpfandrechte nebst etwaigen Nebenrechten zur Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen unter der Voraussetzung, daß die Kaufpreisverrechnung gesichert ist.

Die Grundpfandrechte können auch zu einem höheren Betrag als dem Kaufpreis eingetragen werden, sofern die Zahlung des Kaufpreises, bzw. die Verrechnung sichergestellt ist.

Der Verkäufer bevollmächtigt hiermit unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB den Bürovorsteher …, die zur Eintragung der vorgenannten Grundpfandrechte nebst Nebenrechten erforderlichen Bewilligungen und Anträge zum Grundbuchamt abzugeben, ihn der sofortigen Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz zu unterwerfen, … überhaupt alle Erklärungen abzugeben, die für den vorgenannten Zweck erforderlich sein sollten.”

Am selben Tage verkaufte B… sein Wohnungseigentum (ein Reihenhaus) in W… dem Kläger. Der Grundbesitz war belastet durch eine nach § 800 ZPO vollstreckbare, am 12. Oktober 1979 eingetragene Grundschuld für die Sparkasse Koblenz über 225.000 DM nebst 12 % Zinsen sowie mit einer am 15. November 1979 eingetragenen Grundschuld zugunsten der We… V…bank eG über 100.000 DM nebst 5 % Nebenleistung und 15 % Zinsen. Der vom Beklagten beurkundete Vertrag (URNr. 1486/80) enhält in Nr. 3 folgende Regelung:

“Der Kaufpreis beträgt 320.000, – – dreihundertzwanzigtausend – Deutsche Mark.

In Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt der Käufer zur Entlastung des Verkäufers die vorbezeichnete Grundschuld in Höhe von 225.000,– DM zugunsten der Sparkasse K… in K… nebst Zinsen und Nebenleistungen, und zwar in Höhe der durch die Grundschuld gesicherten Forderung von 190.000,– DM Deutsche Mark, berechnet zum 31. Oktober 1980. Bezüglich der die Summe von 190.000,– DM übersteigende Valuta verpflichtet sich der Verkäufer, die Lastenfreistellung herbeizuführen.

Der Käufer unterwirft sich der Gläubigerin der übernommenen Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.

Der hiernach verbleibende Restkaufpreis von 130.000, – Deutsche Mark ist mit dem Kaufpreis gemäß der Urkunde des amtierenden Notars vom heutigen Tage – URNr. 1485 für 1980 – zu verrechnen. Die Verrechnung wird wirksam mit der Eintragung der Auflassungsvormerkungen für beide Kaufverträge und Lastenfreistellung des in der vorerwähnten Urkunde verkauften Wohnungseigentums.

Der Notar wird angewiesen, die Umschreibung beim Grundbuchamt erst zu beantragen, wenn der Kaufpreis bezahlt, bzw. die Verrechnung sichergestellt und die Schuldübernahme genehmigt ist.

Der Käufer verzichtet daher ausdrücklich auf sein eigenes Antragsrecht.

Für die Erfüllung des Kaufvertrages durch den Käufer übernimmt Herr … (Vater des Klägers) die selbstschuldnerische Bürgschaft.”

Die Auflassungvormerkung für Blum hinsichtlich des Grundbesitzes in M… wurde am 16. Oktober 1980, die Auflassungsvormerkung für den Kläger hinsichtlich des Grundbesitzes in W… am 22. Januar 1981 im Grundbuch eingetragen. Aufgrund der Bewilligung des vom Vater des Klägers bevollmächtigten Bürovorstehers vom 15. Oktober 1980 wurde auf den Grundbesitz in Mülheim zugunsten der W… V…bank eG eine erstrangige Grundschuld über 150.000 DM nebst 5 % Nebenleistung und 15 % Zinsen am 22. Oktober 1980 eingetragen.

Blum konnte seine Pflicht zur Freistellung des Grundbesitzes in Weitersburg von den Belastungen, die der Kläger nach dem Kaufvertrag nicht übernehmen sollte, nicht erfüllen. Darauf zahlte der Kläger an die Sparkasse K…, die die Übernahme der persönlichen Schuld durch den Kläger nicht genehmigt hatte, im Dezember 1980 50.000 DM und Ende November 1982 weitere 240.000 DM. Aufgrund dieser Zahlung nahm die Sparkasse ihren Antrag vom 2. April 1982, die Zwangsversteigerung anzuordnen, am 15. Dezember 1982 zurück und verzichtete auf die Rechte aus ihrer Grundschuld. Am 23. Dezember 1982 wurde der Kläger als Eigentümer des Grundbesitzes in Weitersburg eingetragen. Die Grundschuld über 100.000 DM zugunsten der W… V…bank eG war bereits am 19. Januar 1982 gelöscht worden.

Die W… V…bank betrieb jedoch aus der ihr im Oktober 1980 bewilligten Grundschuld über 150.000 DM die Zwangsversteigerung des M… Grundstücks. Auf die im Sommer 1983 erhobene Klage des Vaters des Klägers wurde B… am 11. Oktober 1983 rechtskräftig verurteilt, die Löschung der Vormerkung zur Auflassung des M… Grundstücks zu bewilligen. Die Verurteilung der W… V…bank eG vom 7. Februar 1984, die Löschung der am 22. Oktober 1980 eingetragenen Grundschuld über 150.000 DM zu bewilligen, sowie die Entscheidung des Landgerichts, daß die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom 15. Oktober 1980 unzulässig ist, änderte das Oberlandesgericht durch das rechtskräftig gewordene Urteil vom 14. Dezember 1984 ab und wies die Klage ab. Der W… V…bank eG wurde der Grundbesitz in M… am 28. Juni 1985 zugeschlagen. Aus dem Versteigerungserlös erhielt der Vater des Klägers nichts.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe nicht über die Folgen der Verknüpfung der beiden am 9. Oktober 1980 geschlossenen Kaufverträge belehrt. Er hätte sicherstellen müssen, daß die Verrechnung der Kaufpreise, aber auch die Belastung des Grundstücks des Vaters, erst wirksam werden würden, wenn Blum seine Pflicht zur Freistellung hinsichtlich eines Teils der das Grundstück in W… belastenden Grundpfandrechte erfüllt hätte. Weil das Grundstück in Mülheim im Oktober 1980 belastet worden sei, habe er, der Kläger, nicht vom Kaufvertrag mit B… über das Grundstück in We… zurücktreten können. Er habe deshalb 100.000 DM mehr als vereinbart aufwenden müssen. Der Vater des Klägers hat laut Urkunde vom 28. Januar 1985 seine Schadensersatzansprüche an den Kläger abgetreten.

Die am 28. August 1985 eingereichte und am 30. September 1985 zugestellte Klage auf Schadensersatz wies das Landgericht ab, weil die Einrede der Verjährung begründet sei.

Die Berufung des Klägers wies das Oberlandesgericht durch Teilurteil vom 25. Februar 1987 zurück, soweit er mehr als 100.000 DM nebst Zinsen, nämlich aus abgetretenem Recht den Ersatz von Prozeßkosten seines Vaters in Höhe von 11.088,52 DM begehrt hatte. Durch Schlußurteil vom 1. Juni 1988 verurteilte das Oberlandesgericht den Beklagten, an den Kläger 32.500 DM nebst Prozeßzinsen zu entrichten, und wies die weitergehende Klage auf Zahlung von 67.500 DM nebst Zinsen ab. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen im Schlußurteil zurückgewiesenen Berufungsantrag weiter. Der Beklagte beantragt im Wege der unselbständigen Anschlußrevision, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsmittel der Parteien sind begründet.

1. Im Ergebnis zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Beklagte seine dem Kläger, aber auch dessen Vater gegenüber obliegende Amtspflicht im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO bei der Beurkundung der beiden Verträge vom 9. Oktober 1980 fahrlässig verletzt hat.

a) Die beiden Verträge waren durch die Vereinbarung, die Kaufpreise miteinander zu verrechnen, dergestalt miteinander verknüpft, daß die Wirksamkeit des einen von der des anderen abhängig war und der eine Vertrag nur vereinbarungsgemäß durchgeführt werden konnte, wenn auch die Verpflichtungen aus dem anderen Vertrag erfüllt wurden. Es handelte sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft, nämlich einen Grundstückstausch (mit Freistellungspflichten), dessen Regelungen deshalb vollständig in der durch § 313 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Form beurkundet worden sind (vgl. Senats-Urt. v. 17. März 1988 – IX ZR 43/87, NJW 1988, 2880). Davon geht auch das Berufungsgericht aus.

Die Kaufpreisforderung des Vaters des Klägers aus dem Verkauf des unbelasteten Mülheimer Grundbesitzes an B… in Höhe von 130.000 DM und der Kaufpreisanspruch des B… in derselben Höhe aus dem Verkauf seines belasteten Grundbesitzes in We… sollten durch Verrechnung erfüllt sein, wenn sowohl die Auflassungsvormerkung zugunsten von Blum im Grundbuch von M… als auch die Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Klägers gegen Blum auf Auflassung des Grundstücks in We… im Grundbuch eingetragen sein würden. Die Auflassungsvormerkungen wurden am 16. Oktober 1980 hinsichtlich des Grundbesitzes in M… und am 22. Januar 1981 im Grundbuch von We… eingetragen. In dem letztgenannten Zeitpunkt war mithin nach den Regelungen in dem über das Grundstück W… geschlossenen Vertrag die vereinbarte Verrechnung wirksam geworden. Damit hatte B… seine Verpflichtungen gegenüber dem Vater des Klägers aus dem Kauf des Grundstücks in M… erfüllt und der Kläger die seinen aus dem Kauf des Grundstücks in Weitersburg; die beiderseitigen Zahlungsverpflichtungen waren erloschen. Nicht erfüllt hatte dagegen B… seine Verpflichtung, den Grundbesitz in We… von Grundpfandrechten freizumachen, die diesen mit mehr als dem Kapitalbetrag von 190.000 DM nebst Zinsen ab 1. November 1980 hinaus belasteten. B… war außerstande, dieser Freistellungsverpflichtung nachzukommen. Deshalb war der Kläger nach § 326 BGB berechtigt, von dem Kauf des Grundstücks in Weitersburg zurückzutreten. Ein Rücktritt hätte die zum 22. Januar 1981 wirksam gewordene Verrechnung der Kaufpreisschulden von jeweils 130.000 DM rückgängig gemacht, also aufgehoben mit der Folge, daß B… den Kaufpreis für das Grundstück in M… und der Vater den von ihm aufgebrachten Kaufpreis für das Grundstück in We… zurückerhalten hätten. Auch der Vater wäre dann, weil B… den Kaufpreis von 130.000 DM für den Grundbesitz in M… nicht entrichten konnte, nach § 326 BGH zum Rücktritt befugt gewesen. Dann wären die Grundstücke in der Hand der Eigentümer geblieben und die Auflassungsvormerkungen gelöscht worden. Diesen die Interessen beider Seiten wahrenden Ablauf hat die Nr. 9 des Vertrags UR-Nr. 1485/80 verhindert. Darin war der Käufer B… ermächtigt worden, das von ihm erst noch zu erwerbende Grundstück in M… mit Grundpfandrechten zu belasten, deren Kapitalbetrag den Kaufpreis von 130.000 DM überstieg. Die einzige Einschränkung dieser Ermächtigung bestand darin, daß vor der Bewilligung des Grundpfandrechts die Zahlung des Kaufpreises, bzw. die Verrechnung sichergestellt sein sollte. Diese Sicherstellung war spätestens mit dem Wirksamwerden der Verrechnung der Kaufpreise in Höhe von 130.000 DM erreicht. Das war der Fall, als beide Auflassungsvormerkungen eingetragen waren, B… aber seine Pflichten aus dem Kaufvertrag mit dem Kläger noch nicht erfüllt haben mußte. Auf Veranlassung von B… hat der Beklagte schon am 15. Oktober 1980 die Bewilligung der Grundschuld auf dem Grundstück des Vaters des Klägers in M… beglaubigt und ihre Eintragung am 22. Oktober 1980 bewirkt. Damit war die lastenfreie Rückgewähr des Grundstücks in M… nicht mehr möglich, weil unstreitig der Käufer Blum zahlungsunfähig geworden war. Wie das Berufungsgericht richtig sieht, hat der Vater des Klägers dadurch, daß er Blum die Belastung seines Grundstücks in M… über dessen Wert hinaus gestattete, eine durch nichts gesicherte Vorleistung erbracht. Sie mußte nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des B… zum Verlust des M… Grundstücks führen, wenn die seinen Wert übersteigende dingliche Belastung nicht abgelöst und deshalb der Grundbesitz versteigert werden würde. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger und (oder) sein Vater vom Vertrag zurücktraten oder Erfüllung verlangten.

b) Das hätte der Beklagte erkennen müssen. Er hat die ihm nach § 17 Abs. 1 BeurkG obliegende Pflicht zur Belehrung fahrlässig verletzt. Nach dieser Vorschrift muß der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll der Notar darauf achten, daß unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Über die rechtliche Tragweite der Vereinbarung, wie sie in Nr. 9 des Vertrags UR-Nr. 1485/80 wiedergegeben ist, hat der Beklagte unstreitig nicht belehrt. Es fehlt der Hinweis, daß der Vater des Klägers mit der Ermächtigung zur Belastung seines Grundstücks eine Vorleistung erbringe, die im Falle der Leistungsunfähigkeit des Vertragspartners B… den Verkäufer des M… Grundstücks durch dessen Verlust über Gebühr benachteilige. Auf diese Gefahren hätte der Beklagte hinweisen müssen (vgl. Senats-Urt. v. 6. Oktober 1988 – IX ZR 142/87, WM 1988, 1752).

Weiter hätte der Beklagte die Vertragspartner des B… darüber aufklären müssen, daß das geschilderte Risiko vermieden werden könne. Es wäre vermieden worden, wenn die Ermächtigung des B…, das Grundstück in M… vor seiner Eintragung als Eigentümer zu belasten, davon abhängig gemacht worden wäre, daß er allen seinen Pflichten aus dem in der Sache einheitlichen Rechtsgeschäft vom 9. Oktober 1980 nachgekommen war, nämlich dem Notar die Löschungsbewilligungen für die Belastungen des Grundbesitzes in We… vorlagen, soweit sie den Kapitalbetrag von 190.000 DM nebst Zinsen ab 1. November 1980 überstiegen. Eine solche Einschränkung der Ermächtigung wäre wirksam gewesen (vgl. BGH, Urt. v. 28. Oktober 1988 – V ZR 14/87, ZIP 1989, 12). Dann wäre ein benachteiligender Zugriff Dritter auf das Grundstück des Vaters des Klägers vermieden worden.

c) Die Belehrungs- und Hinweispflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG bestand nicht nur gegenüber dem Vater des Klägers als Eigentümer des Grundstücks in M…, sondern gegenüber beiden Vertragspartnern des B…. Denn beide waren durch die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Ermächtigung des B… in Nr. 9 der Urkunde Nr. 1485/80 betroffen. Sie hinderten den Kläger am Rücktritt, weil dieser zur Rückgewähr der verrechneten Kaufpreise und zum Wegfall der Pflicht des Klägers, Schulden des B… zu übernehmen, aber auch zum ersatzlosen Verlust des Grundstücks in M… führen mußte, dessen wirtschaftlichen Wert der Vater dem Kläger in den Verträgen vom 9. Oktober 1980 unentgeltlich zugewendet hatte. Diese unentgeltliche Zuwendung ergibt sich unmittelbar aus dem unstreitigen Wortlaut der Urkunden des beklagten Notars Nrn. 1485/80 und 1486/80. Daß eine dahingehende ausdrückliche Feststellung im Berufungsurteil fehlt, ist entgegen der Meinung der Anschlußrevision ohne Belang.

2. Die schuldhafte Verletzung der Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG kann einen vom Beklagten zu ersetzenden Schaden verursacht haben.

Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden eine Pflichtverletzung des Notars zur Folge hat, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Pflichtenverstoß nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt worden wäre (Senatsurt. v. 16. Juni 1988 – IX ZR 69/87, WM 1988, 1454). Zu fragen ist also, wie sich das Vermögen des Betroffenen im Vergleich zum tatsächlichen Ablauf entwickelt hätte, wenn der beklagte Notar zutreffend belehrt und auf die Möglichkeiten, die in einer Vorleistung liegende Gefahr zu vermeiden, hingewiesen hätte.

a) Davon geht das Berufungsgericht nur im Ansatz aus. Es nimmt ohne Rechtsfehler und insoweit von der Revision unbeanstandet gemäß § 287 ZPO an, aufgrund einer zutreffenden Belehrung durch den Beklagten hätten der Kläger (und sein Vater) auf einer Absicherung (in den Verträgen vom 9. Oktober 1980) bestanden, die eine Verrechnung der Kaufpreise erst wirksam werden ließ, wenn B… die ihm obliegende Freistellungspflicht erfüllte; dann wären der Kläger (und sein Vater), als B… die Belastungen auf dem Grundstück in Weitersburg nicht ablöste, aus wirtschaftlichen Gründen vom Vertrag zurückgetreten. In diesem Fall hätte der Kläger das Grundstück in We… nicht erworben, aber auch keine Grundschulden ablösen müssen und der Vater sein lastenfreies Grundstück in M… behalten.

Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß der Kläger am Vertrag festgehalten hat, weil das nach den gegebenen Umständen, also nach den tatsächlich getroffenen Vereinbarungen, günstiger (als ein Rücktritt) gewesen sei. Dabei geht der Tatrichter offensichtlich von der richtigen Überlegung aus, daß das Festhalten am Vertrag trotz des Zwangs, statt nur eine Grundschuld im Kapitalbetrag von 190.000 DM nebst Zinsen ab 1. November 1980 auch die weiteren Belastungen letztlich in Höhe von zusätzlichen 100.000 DM übernehmen zu müssen, vorteilhafter erschienen ist als die Rückgewähr des Reihenhauses im damaligen Wert von 340.000 DM an B… und der in jedem Fall eintretende Verlust des Wohnungseigentums in M…. Danach hat die mangelnde Belehrung durch den Notar und die von ihm zu verantwortende Fassung der Ermächtigung in Nr. 9 des Vertrags Nr. 1485/80 den Entschluß des Klägers herausgefordert, die zum Erwerb des Grundstücks in Weitersburg notwendigen Aufwendungen zu machen (Senatsurt. v. 29. Oktober 1987 – IX ZR 181/86, NJW 1988, 1143, 1145; v. 7. Januar 1988 – IX ZR 7/87, NJW 1988, 1262).

b) Zum Umfang des Schadens führt das Berufungsgericht aus: Der Beklagte habe nicht dafür einzustehen, daß Blum nicht leistungsfähig gewesen und nicht sofort zum 31. Oktober 1980 seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die Vorleistung von 130.000 DM habe sich nicht in voller Höhe als Schaden des Klägers ausgewirkt. Durch seine Vereinbarung mit der Sparkasse K… sei es dem Kläger 1982 gelungen, mit einem Aufwand von insgesamt 420.000 DM ein Grundstück zu erhalten, das damals 340.000 DM wert gewesen sei. Von der Wertdifferenz seien noch diejenigen Zinsen abzusetzen, die der Kläger nach dem Vertrag ohnehin hätte leisten müssen, nämlich 12 % ab 1. November 1980 auf die Grundschuld der Sparkasse in Koblenz in Höhe eines Teilbetrages von 190.000 DM. Es verbleibe damit ein Schaden von 80.000 DM – 47.500 DM = 32.500 DM. Zinsnachteile wie Bereitstellungszinsen, die der Kläger erlitten habe, weil B… nicht in dem vereinbarten Umfang die Grundstücksbelastung abgelöst habe, seien nicht als Schaden zu ersetzen, weil sie keine Folgen der Amtspflichtverletzung des Bekagten seien. Nur die Differenz zwischen den zur Ablösung der Grundschuld der Sparkasse K… erforderlichen 290.000 DM und der Summe der Beträge, die der Kläger als Grundschuldkapital von 190.000 DM nebst 47.500 DM Zinsen, insgesamt 237.500 DM hätte tragen müssen, könne der Schadensberechnung zugrundegelegt werden, mithin 52.500 DM. Von dieser Schadenssumme sei der Wertzuwachs abzusetzen, der sich daraus ergebe, daß der Kläger das Grundstück in We… mit einem Wert von 340.000 DM erhalten habe. Dieser sei um 20.000 DM höher, als der Vertragspreis von 320.000 DM. Nach Abzug des Wertzuwachses verbleibe eine Schadenssumme von nur 32.500 DM. Der Grundstückswert von 340.000 DM zum Ende des Jahres 1982 ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen.

Dagegen wenden sich die Revision und im Ergebnis auch die Anschlußrevision zu Recht.

aa) Das Berufungsgericht hat die Höhe des Schadens nicht nach seinem an sich zutreffenden rechtlichen Ansatz ermittelt. In der Regel und so auch hier ist die Schadensentwicklung bis zum prozessual spätestmöglichen Zeitpunkt in die Schadensberechnung einzubeziehen (BGH, Urt. v. 26. Februar 1988 – V ZR 234/86, NJW 1988, 1837, 1838). Zunächst fehlt eine begründete Feststellung, wie sich die Vermögensverhältnisse des Klägers und seines Vaters bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht tatsächlich entwickelt haben. Dazu wäre erforderlich gewesen, die zum Erwerb und zur Unterhaltung des Reihenhauses in Weitersburg gemachten Aufwendungen, nämlich 290.000 DM nebst Zinsen für Bereitstellung und Inanspruchnahme eines Kredits in dieser Höhe sowie die Ausgaben des Vaters für die Miete einer anderen Wohnung zu ermitteln. Von der Summe dieser Einbußen wäre der Wert des Weitersburger Reihenhauses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzusetzen gewesen. Dem sich daraus ergebenden Vermögensstand des Klägers und seines Vaters hätte ihr Vermögen gegenübergestellt werden müssen, wie es sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatrichters ergeben hätte, wenn aufgrund der geschuldeten Belehrung durch den Beklagten der Grundstückstauschvertrag entsprechend gefaßt und der Kläger und sein Vater wegen der Leistungsunfähigkeit des B… etwa Anfang 1981 vom Vertrag zurückgetreten wären: Der Kläger und sein Vater hätten die Kosten des Rücktritts von den Verträgen vom 9. Oktober 1980 tragen und der Kläger die Miete für eine Wohnung aufbringen müssen. Andererseits wäre ohne Aufwendungen der Grundbesitz in M… erhalten geblieben; sein Wert zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter hätte der Berechnung zugrunde gelegt werden müssen. Soweit danach die Vermögenslage des Klägers und seines Vaters im Falle des Rücktrittes günstiger gewesen wäre, als sie tatsächlich ist, hätte ein Schaden festgestellt werden können.

bb) Diesen kann der Kläger im vorliegenden Verfahren geltend machen; denn sein Vater hat ihm seine Ansprüche gegen den Beklagten in der Urkunde vom 28. Januar 1985 abgetreten. Die Echtheit der Unterschrift des Vaters des Klägers hat der Beklagte zwar im ersten Rechtszug ohne einleuchtende Gründe bezweifelt, ist aber darauf im Berufungsverfahren nicht mehr zurückgekommen. Weil die erforderlichen Feststellungen fehlen, kann das Revisionsgericht nicht beurteilen, ob überhaupt ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist. Andererseits ist es durchaus möglich, daß die Höhe des Schadens die eingeklagte Summe von 100.000 DM erreicht. Deshalb muß das Berufungsurteil, soweit es die Klage abgewiesen hat, auf die Revision des Klägers und, soweit es den Beklagten verurteilt hat, auf dessen Revision aufgehoben werden.

3. Die Anschlußrevision hat keinen Erfolg, soweit sie die Verjährung der Klageforderung geltend macht.

Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung eines Notars verjähren nach § 19 Abs. 1 BNotO in Verbindung mit §§ 839, 852 BGB in drei Jahren. Gemäß § 852 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit der Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen. Für den Verjährungsbeginn ausreichend ist im allgemeinen eine Kenntnis, die es dem Verletzten erlaubt, eine hinreichend aussichtsreiche und ihm daher zumutbare Feststellungsklage zu erheben (st. Rspr.; BGHZ 102, 246, 248): Daß der Kläger Ende 1980 eine solche Kenntnis hatte, muß das Revisionsgericht unterstellen. Denn das Berufungsgericht hält es für unerheblich, ob der Beklagte schon Ende 1980 erfahren habe, daß Blum leistungsunfähig gewesen und dadurch ein Schaden entstanden sei.

Hat der Notar, wie der Beklagte, sich nur einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung schuldig gemacht, so ist von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen, weitere Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis des Geschädigten von dem Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit. Das beruht darauf, daß bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung das Fehlen der anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO eine zur Klagebegründung gehörende Voraussetzung darstellt. Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt allerdings nicht jede denkbare Möglichkeit in Betracht, sondern nur eine, die begründete Aussicht auf Erfolg bietet (BGHZ 102, 246, 248, 249 m.w.N.).

Eine derartige Kenntnis des Geschädigten vom Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit hatten der Kläger und sein Vater nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht innerhalb von drei Jahren vor Erhebung der vorliegenden Klage (30. September 1985) erlangt. Auf die am 7. Juni 1983 eingereichte und am 22. Juli und 11. August 1983 zugestellte Klage hat das Landgericht durch Urteil vom 7. Februar 1984 die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde vom 15. Oktober 1980, in der die Grundschuld über 150.000 DM zugunsten der W… V…bank eG auf dem Grundstück in M… bewilligt worden war, für unzulässig erklärt und diese Bank weiter verurteilt, der Löschung der Grundschuld auf dem Grundbesitz des Vaters in M… zuzustimmen. Bis zur Aufhebung dieser Entscheidungen und Abweisung der Klage gegen die W… V…bank eG durch das Urteil des Oberlandesgerichts vom 14. Dezember 1984 durften der Kläger und sein Vater erwarten, den Grundbesitz in M… aufgrund eines Rücktritts von den Verträgen vom 9. Oktober 1980 zurückzuerhalten und das Grundstück in We… nur gegen Erstattung der Aufwendungen zurückgewähren zu müssen, die der Kläger zur Ablösung der vom Verkäufer B… zugunsten der K… Sparkasse bestellten Grundpfandrechte gemacht hatte. Wären diese Erwartungen eingetroffen, hätten der Kläger und sein Vater keinen ins Gewicht fallenden Schaden erlitten. Erst aufgrund des Urteils vom 14. Dezember 1984 erkannten sie, daß das Grundstück in M… wegen der von der Grundpfandgläubigerin betriebenen Zwangsversteigerung für sie verloren und keine Zuteilung aus dem Versteigerungserlös zu erwarten ist.

a) Die Anschlußrevision wendet vergeblich ein, die Klage des Vaters des Klägers gegen die W… V…bank auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld habe keine begründete Aussicht auf Erfolg und alsbaldige Verwirklichung geboten. Selbst wenn den Geschädigten Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könnte, weil sie dies nicht erkannt haben, wäre das unerheblich. Die positive Kenntnis, wie sie § 852 Abs. 1 BGB verlangt, hatten sie nicht. Sie berufen sich mit Recht darauf, daß das Landgericht ihrer Klage am 7. Februar 1984 gegen die W… V…bank eG in vollem Umfang stattgegeben hat, weil die Geschäftsgrundlage für die Bestellung der Grundschuld weggefallen sei. Danach war die Durchsetzung der Ansprüche gegen die W… V…bank eG nicht von vornherein aussichtslos, vielmehr eine Ersatzmöglichkeit, die der Vater des Klägers ausschöpfen durfte. Er mußte das auch tun, um dem Vorwurf zu entgehen, daß eine Ersatzmöglichkeit versäumt worden sei und deshalb die Schadensersatzforderung gegen den Notar entfalle (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27. Februar 1957 – V ZR 104/55, LM BGB § 839 (Fi) Nr. 5).

b) Die Anschlußrevision meint weiter, da der Kläger und sein Vater die Zahlungsunfähigkeit des B… schon Ende 1980 erkannt hatten, seien sie verpflichtet gewesen, alsbald nach einer anderen Ersatzmöglichkeit zu suchen; sie hätten also die Klage gegen die W… V…bank eG früher erheben müssen. Die Rüge greift nicht durch. Der Vater des Klägers und dieser selbst hatten auch nach 1980 keine Kenntnis davon, daß die Ersatzmöglichkeit, die sich aus der Löschung der Grundschuld der W… V…bank eG ergeben konnte, nicht bestand. Es kann ihnen kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß die Klage, die eine Ersatzmöglichkeit eröffnen sollte, erst im Sommer 1983, also innerhalb von drei Jahren seit der Kenntnis von der Person des Schädigers erhoben wurde. Nach alledem hat die am 28. August 1985 eingereichte und am 30. September zugestellte Schadensersatzklage die ab 14. Dezember 1984 laufende Verjährungsfrist unterbrochen.

 

Unterschriften

Merz, Henkel, Fuchs, Gärtner, Schmitz

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384496

DNotZ 1990, 58

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