Leitsatz (amtlich)

Zumindest bei größeren Bauaufträgen muß jede in – auch gegenüber einem Kaufmann verwendeten – Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vereinbarung einer Vertragsstrafe, deren Höhe sich nach einem bestimmten Vomhundertsatz der Auftragssumme je Kalender-, Werk- oder Arbeitstag richtet, auch wenn der Vomhundertsatz verhältnismäßig niedrig ist (hier 0, 15% je Werktag), eine Begrenzung nach oben aufweisen, wenn sie der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalten soll (im Anschluß an Senatsurteile BGHZ 85, 305; NJW 1987, 380).

 

Normenkette

AGBG §§ 9, 24

 

Verfahrensgang

LG Augsburg

OLG München

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des Oberlandesgerichts München – 27. Zivilsenat in Augsburg – vom 9. April 1986 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 17. Dezember 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 299.488, 32 DM (wegen Aufrechnung mit einem Vertragsstrafenanspruch) abgewiesen worden ist.

Die Beklagte hat an die Klägerin über Ziff. I des landgerichtlichen Urteils hinaus 299.488, 32 DM nebst 5% Zinsen seit 23. Januar 1984 zu zahlen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 3/7, die Beklagte 4/7 zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 1/20, die Beklagte 19/20 zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte übertrug der Klägerin 1982 die Bauhauptarbeiten für eine Eigentumswohnanlage. Der vorläufige Auftragewert betrug brutto 3.914.879,25 DM- Vertragsgrundlage wurden die „Besonderen Vertragsbedingungen” der Beklagten, die in § 4 Abs. 4 u.a. folgende Regelung enthalten:

„Wird der vereinbarte Fertigstellungstermin durch verschulden des Auftragnehmers überschritten, so ist der Auftraggeber berechtigt, vom Auftragnehmer die Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Werktag der Terminüberschreitung zu verlangen. Diese Vertragsstrafe beträgt je Werktag der Überschreitung bei Bauverträgen mit einem Gesamtvolumen bis DM 100.000,00 2 Promille vom Auftragswert. Bei Bauaufträgen mit einem Gesamtvolumen von über DM 100.00000 beträgt sie je Werktag 1, 5 Promille des Auftragswerts”.

Die Klägerin hat eine restliche Werklohnforderung von insgesamt 653.113,86 DM errechnet und – unter Berücksichtigung eines Sicherheitseinbehalts von 207.500,00 DM – die Zahlung von 455.613, 86 DM nebst 8, 5% Zinsen seit 23. Januar 1984 verlangt. Die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts hat sie Zug um Zug gegen Übergabe einer vertraglich vereinbarten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines deutschen Bank- oder Sparkasseninstituts gefordert.

Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 70.424,84 DM nebst 5% Zinsen seit 23. Januar 1984 Zug um Zug gegen Übergabe der o. a. Bürgschaft stattgegeben.

Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Mit ihrer Revision begehrte sie die Zahlung von – insgesamt – 398.493,21 DM nebst 8, 5% Zinsen seit 23. Januar 1984. Hilfsweise fordert sie einen Teilbetrag hiervon (in Höhe des Sicherheitseinbehalts) nur Zug um Zug gegen Übergabe der bereits erwähnten Bürgschaft. 299.488,32 DM des geforderten Betrages betreffen von beiden Vorinstanzen zugebilligte Vertragsstrafenansprüche, die die Beklagte zur Aufrechnung gestellt hat, 28.580,05 DM aberkannte Mehrkosten für die Monate März und April 1983.

Der Senat hat durch Beschluß vom 25. Juni 1987 die Revision lediglich im Kostenpunkt und insoweit angenommen, als die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung, weiterer 299.488,32 DM nebst 5% Zinsen seit dem 23. Januar 1984 begehrt. Die Klägerin verfolgt ihr Rechtsmittel in diesem Umfang weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Nach der beschränkten Annahme der Revision geht es nur noch darum, ob der Beklagten die vom Berufungsgericht zuerkannten Vertragsstrafenansprüche zustehen.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts schuldet die Klägerin der Beklagten wegen einer um mindestens 51 Tage verspäteten Erstellung des Werks gemäß § 4 Abs. 4 der „Besonderen Vertragsbedingungen” eine Vertragsstrafe je Werktage von 1, 5% der Auftragssumme von 3.914.879,15 DM - 299.488,32 DM. Diesen Anspruch könne die Beklagte dem Werklohnanspruch der Klägerin entgegensetzen. Daß die als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehenden „Besonderen Vertragsbedingungen” keine zeitliche Begrenzung der Vortragsstrafe enthielten, stelle im Hinblick auf die Höhe der Auftragssumme und die darauf bezogene Promillezahl des werktäglichen Vertragsstrafensatzes noch keine so unangemessene Strafregelung dar, daß der Auftragnehmer schon bei üblichen und absehbaren Verzögerungen Gefahr laufen würde, seinen Werklohnanspruch zu wesentlichen Teilen zu verlieren.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Senat hatte sich schon wiederholt mit der Frage zu befassen, ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vertragsstrafenregelungen wirksam sind. Wahrend er dabei zunächst (in Fällen, die zeitlich vor dem Inkrafttreten des AGBG lagen) Klauseln unbeanstandet ließ, in denen die Höhe der Vertragsstrafe lediglich durch einen Teilbetrag der Auftragssumme von 2% Je Werktag (BGHZ 72, 222, 224) oder 3% je Arbeitstag (Urteil vom 1. April 1976 – VII ZR 122/74 = BauR 1976, 279) bestimmt wurde, hat er bereits in seinem Urteil vom 12. März 1981 (NJW 1981,1509, 1510), also vor dem Abschluß des hier zu beurteilenden Vortrags, die für eine Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG geltenden Maßstäbe präzisiert. Er hat dabei vor allem herausgestellt, daß es bei der erforderlichen Abwägung nach § 9 Abs. 1 AGBG von besonderer Bedeutung ist, ob die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „verankerte” Vertragsstrafe völlig unabhängig von den Verzugsauswirkungen im Einzelfall und ohne jede Begrenzung nach oben hin festgesetzt wird.

Diesen Ansatz hat der Senat dann schließlich dahin weiterentwickelt, daß es – jedenfalls bei größeren Aufträgen wie hier – unzulässig ist, Bauverträge mit einer formularmäßigen Strafklausel zu versehen, die jedwede Differenzierung nach den in Betracht kommenden Verzugsauswirkungen vermissen läßt und keine Begrenzung nach oben aufweist (BGHZ 85, 305, 314; vgl. auch Senatsurteil NJW 1987, 380).

b) Mit diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, ist das Berufungsurteil nicht zu vereinbaren. Sie gelten auch für geringere Vomhundertsätze, als sie der Senat bisher zu beurteilen hatte. Eine angemessene Begrenzung der Vertragsstrafe nach oben ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schlechthin unverzichtbar, um der Gefahr vorzubeugen, daß ein von vornherein nicht überschaubarer Teil des Werklohns – in welchem Zeitraum auch immer – durch eine etwa verfallene Vertragsstrafe aufgezehrt werden könnte. Nur mit einer solchen Begrenzung benachteiligt eine derartige Vertragsstrafenvereinbarung den Vertragspartner des Verwenders im kaufmännischen Verkehr nicht unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG).

Daß hier der – vom Berufungsgericht festgestellte – Verzug von 51 Tagen „nur” zu einem „Werklohnverlust” von ca. 8% führen würde, ändert an dem Erfordernis einer sachgerechten Begrenzung der Vertragsstrafenklausel schon in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts. Vielmehr ist gerade bei Bauverträgen mit hoher Auftragssumme (wie hier) wegen des erheblichen Risikos, das für den klauselunterworfenen Unternehmer mit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenklausel verbunden ist, auf eine vernünftige „Einengung” des Klauselgehalts zu achten (vgl. dazu auch Senatsurteil BGHZ 85, 305, 313).

3. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es noch der Nachprüfung unterliegt. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§ 565 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO).

Soweit das Landgericht der Klägerin 70.424,84 DM lediglich Zug um Zug gegen Übergabe einer Bürgschaft zugesprochen hat, muß es dabei verbleiben, da die Klägerin der Anordnung der Zug-um-Zug-Leistung im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten ist. Dagegen bestehen keine Bedenken, der Revision hinsichtlich der jetzt erfolgreich durchgesetzten Forderung uneingeschränkt stattzugeben. Daß die Beklagte berechtigt wäre, gemäß S 7 IV ihrer „Besonderen Vertragsbedingungen” den geschuldeten Werklohn auch nach Ablauf der dort vorgesehenen Zweijahresfrist einzubehalten, hat sie selbst nicht behauptet.

Bezüglich der Zinsen muß es bei dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Zinssatz von 5% sein Bewenden haben, da die Revisionsbegründung diesen Punkt nicht aufgreift.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609621

ZIP 1988, 169

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