Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung von Maßnahmen der Dienstaufsicht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Durchführung dienstordnungsrechtlicher (disziplinarrechtlicher) Vorermittlungen kann grundsätzlich nicht im Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG angefochten werden.

 

Normenkette

DRiG § 26 Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 10.12.1979)

OLG Koblenz (Urteil vom 07.12.1979)

OLG Zweibrücken

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das den Parteien am 7. und 10. Dezember 1979 zugestellte Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Richter am Amtsgericht. Er ist als Strafrichter am Amtsgericht Koblenz tätig. Mit Schreiben vom 28. April 1978 übersandte der Stadtoberrechtsdirektor der Stadt Koblenz dem Präsidenten des Landgerichts Koblenz einen Bericht zweier städtischer Beamter über eine Hauptverhandlung in einer Bußgeldsache vor dem Amtsgericht Koblenz am 9. März 1978. Wegen der in dem Bericht enthaltenen Behauptungen über das Verhalten des Klägers als Richter in der Hauptverhandlung begann der Präsident des Landgerichts noch am 28. April 1978 mit Vorermittlungen. Dies eröffnete er dem Kläger, der in der Zwischenzeit an die Deutsche Richterakademie abgeordnet war, am 16. Mai 1978, wobei er ihm die erhobenen Vorwürfe im einzelnen bekanntgab. Am 23. Juni 1978 beantragte der Kläger schriftlich, die Vorermittlungen einzustellen und legte „gegen die Anordnung der Vorermittlungen Widerspruch ein mit dem Antrag, die Anordnung dienstordnungsrechtlicher Vorermittlungen wegen des … am 16. Mai 1978 mitgeteilten Vorwurfs für unzulässig zu erklären.” Der Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. Juni 1978 zurück.

Am 13. Juli 1978 rief der Kläger das Dienstgericht für Richter an. Er behauptete, durch die Vorermittlungen werde seine Unabhängigkeit als Richter verletzt und beantragte,

unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids die Durchführung dienstordnungsrechtlicher Vorermittlungen wegen der ihm am 16. Mai 1978 mitgeteilten Vorwürfe für unzulässig zu erklären.

Das Dienstgericht wies die Klage ab. Es hielt sie für zulässig, aber unbegründet, weil die Durchführung der Vorermittlungen den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt habe. Der Dienstgerichtshof hielt die Klage für unzulässig, wies die Berufung des Antragstellers zurück und ließ die Revision zu.

 

Entscheidungsgründe

I.

Mit Recht hat der Dienstgerichtshof das Prüfungsverlangen nach § 26 Abs. 3 DRiG, § 45 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e Landesrichtergesetz für Rheinland-Pfalz (LRiG Rhld-Pf), das gemäß § 67 Abs. 2 LRiG Rhld-Pf in Form einer Klage erhoben worden ist, für unzulässig gehalten.

Ob Aufnahme und Durchführung dienstordnungsrechtlicher (disziplinarrechtlicher) Vorermittlungen (§ 26 Dienstordnungsgesetz Rheinland-Pfalz – DOG Rhld-Pf; § 57 LRiG Rhld-Pf) Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG sind, kann hier offen bleiben. Denn die Unzulässigkeit des Prüfungsbegehrens ergibt sich aus der – in den Richtergesetzen des Bundes und der Länder im wesentlichen einheitlichen – Ausgestaltung des Dienstordnungsverfahrens (Disziplinarverfahrens) gegen Richter.

1. Die den Richterdienstgerichten im Sinne des § 40 VwGO ausdrücklich zugewiesenen Sachen, zu denen das Dienstordnungsverfahren gehört, sind in § 45 LRiG Rhld-Pf (§§ 62, 78 DRiG) aufgezählt. Mit dieser – durch die Rechtsprechung ergänzten (vgl. BGHZ 67, 159; 73, 312) – Aufzählung und § 70 Abs. 3 LRiG Rhld-Pf (§ 68 Abs. 3 DRiG) ist der möglichst umfassende Schutz der richterlichen Unabhängigkeit ausschließlich den Dienstgerichten übertragen (vgl. BGHZ 67, 159, 161). Diesem Schutz dient nicht nur das Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG, §§ 45 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, 67 LRiG Rhld-Pf, sondern auch die Zuweisung der anderen Verfahren an die Dienstgerichte und die Ausgestaltung dieser Verfahren durch die Richtergesetze.

2. Auch die besondere Ausgestaltung des Dienstordnungsverfahrens (Disziplinarverfahrens) trägt der Eigenart des Richterdienstverhältnisses, insbesondere der richterlichen Unabhängigkeit, Rechnung. Das Verfahren und die zulässigen Entscheidungen liegen weitgehend in der Hand des zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit berufenen Dienstgerichts. Durch Dienstordnungs-(Disziplinar-)Verfügung kann nur ein Verweis ausgesprochen werden (§ 58 Abs. 1 LRiG Rhld-Pf; § 64 Abs. 1 DRiG). Bleibt der Widerspruch gegen eine solche Verfügung erfolglos, kann der Richter das Dienstgericht – mindestens in zwei Rechtszügen (§ 79 Abs. 1 DRiG) – anrufen (§§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 57, 61 LRiG Rhld-Pf, § 31 DOG Rhld-Pf). Alle über einen Verweis hinausgehenden Dienstaufsichts-(Disziplinar-)maßnahmen können nur im förmlichen Dienstaufsichtsverfahren durch das Dienstgericht verhängt werden. Schon über die Einleitung dieses Verfahrens entscheidet das Dienstgericht; ebenso über die vorläufige Dienstenthebung und die vorläufige Einbehaltung der Dienstbezüge (§§ 59 Abs. 1, 60 LRiG Rhld-Pf). In allen Fällen findet die Revision an das Dienstgericht des Bundes nach Maßgabe der §§ 81, 82 DRiG statt (§ 62 LRiG Rhld-Pf). Die Nichtzulassung der Revision durch den Tatrichter kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden, über die, wenn ihr nicht abgeholfen wird, das Dienstgericht des Bundes entscheidet. Dieser umfassende, auf Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit ausgerichtete Rechtsschutz durch die Dienstgerichte kann hinsichtlich der dem Richter zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nur eine abschließende Regelung sein.

Ein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Prüfungsverfahren gemäß § 26 Abs. 3 DRiG, § 45 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e LRiG Rhld-Pf besteht in aller Regel nicht. Die die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens bejahende Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf DRiZ 1968, 103 betrifft die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Richter durch Verfügung der obersten Dienstaufsichtsbehörde, was seinerzeit nach der Gesetzeslage noch zulässig war. Dem Rechtsschutzbedürfnis, dem das Landgericht Düsseldorf entsprochen hat, tragen jetzt die Vorschriften Rechnung, nach denen über die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens das Dienstgericht entscheidet. Ob und inwieweit richterliche Tätigkeit im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit zum Gegenstand eines Dienstordnungsverfahrens gemacht werden darf, ist in diesem Verfahren zu entscheiden, und zwar, wenn der Dienstvorgesetzte das Verfahren nicht einstellt, schließlich durch das Dienstgericht, bei dem die erlassene Disziplinarverfügung angefochten oder die Eröffnung des förmlichen Dienstordnungsverfahrens beantragt worden ist.

Gegen Vorermittlungen (§ 26 DOG Rhld-Pf, § 26 BDO) ist ein Rechtsbehelf nicht vorgesehen. Er ist auch im Dienstordnungsverfahren gegen Richter weder durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten noch sonst erforderlich. Mit Vorermittlungen wird noch nicht in die Rechtsstellung des Richters eingegriffen. Sie bereiten nur eine Entscheidung des Dienstvorgesetzten vor, die – wenn sie nicht auf Einstellung des Verfahrens lautet – als Eingriff in die Rechtsstellung des Richters durch Disziplinarverfügung dienstgerichtlicher Kontrolle unterliegt oder in dem Antrag an das Dienstgericht besteht, das förmliche Disziplinarverfahren zu eröffnen.

3. Es ist allerdings denkbar, daß ein Dienstvorgesetzter Vorermittlungen vorschützt oder mißbraucht, um den betroffenen Richter in seiner der Unabhängigkeitsgarantie (Art. 97 Abs. 1 GG) unterstehenden Tätigkeit zu beeinflussen. Diese fernliegende Möglichkeit kann es jedoch nicht rechtfertigen, auf die unsubstantiierte Behauptung des Richters, seine Unabhängigkeit sei beeinträchtigt, ein Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG gegen dienstordnungsrechtliche Vorermittlungen zuzulassen. Ob Vorermittlungen die Unabhängigkeit des betroffenen Richters beeinträchtigen, ließe sich nur auf Grund einer tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung ihres Gegenstandes entscheiden. Damit würde nicht nur das Dienstordnungsverfahren behindert, sondern mindestens zum Teil auch vorweggenommen, ohne es auch immer gegenstandslos zu machen. Eine solche Verfahrenshäufung ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn sich aus der Art und Weise der Vorermittlungen konkrete Anhaltspunkte für den Versuch einer Beeinträchtigung der sachlichen Unabhängigkeit des betroffenen Richters durch eine Dienstaufsichtsbehörde ergeben, wenn der Antragsteller derartiges mindestens konkret behauptet.

Von konkreten Anhaltspunkten für einen unzulässigen Beeinflussungsversuch kann hier keine Rede sein. Welche Absichten die Stadtverwaltung Koblenz mit ihrem Schreiben an den Präsidenten des Landgerichts verfolgt hat, ist ohne Belang, Aus den Behauptungen des Klägers ergibt sich kein Anhalt dafür, daß der Landgerichtspräsident etwas anderes beabsichtigt haben könnte als dienstordnungsrechtliche Vorermittlungen mit der dabei gebotenen Beschleunigung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 154 Abs. 2 VwGO.

III.

Der Streitwert wird auf 4.000 DM festgesetzt (§§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GKG).

 

Unterschriften

Salger, Dr. Bauer, Dr. Thumm, Schauenburg, Ruß

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502506

BGHZ

NJW 1981, 1100

Nachschlagewerk BGH

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