Leitsatz (amtlich)

a) Von der Aufhebung eines Berufungsurteils, das keinen Tatbestand enthält, kann abgesehen werden, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen ergeben.

b) Zur Unterbrechung der Verjährung durch ein gegen Bauhandwerker von Wohnungseigentumserwerbern angestrengtes Beweissicherungsverfahren, denen die Gewährleistungsansprüche des Bauträgers abgetreten worden sind.

 

Normenkette

BGB § 212 Abs. 1, § 639 Abs. 1; ZPO § 485 ff., § 543 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 12.05.1981; Aktenzeichen 9 U 180/80)

LG Köln (Urteil vom 20.08.1980; Aktenzeichen 4 O 431/79)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Mai 1981 in vollem Umfang und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. August 1980 – einschließlich Verfahren – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 1) in Höhe von 32.383,75 DM nebst der gesetzlichen Mehrwertsteuer und gegen den Beklagten zu 2) in Höhe von 17.730,20 DM nebst der gesetzlichen Mehrwertsteuer auf 13.192,58 DM jeweils zuzüglich Zinsen sowie die gegen beide Beklagten gerichtete Feststellungsklage abgewiesen worden ist.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittelzüge, an das Landgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft M… Straße in S…. Die Beklagten zu 1 und 2 sind am Bau der Wohnungseigentumsanlage beteiligte Auftragnehmer der RB-GmbH und Co. KG (RBB).

Den Aufträgen der Bauträgerin von 1972 liegen Besondere Angebots- und Auftragsbedingungen (BAAB) zugrunde; außerdem gilt – bei Vorrang des BGB – die VOB/B. Gemäß Nr. 6 BAAB beträgt die Gewährleistungsfrist 5 Jahre und beginnt mit der Inbetriebnahme des fertigen Gebäudes; sie wird durch schriftliche Mängelrüge gehemmt. Die drei Häuser wurden Ende Juli 1973 bezogen.

In den Veräußerungsverträgen mit den Wohnungserwerbern trat die RBB wegen aller im Übergabeprotokoll nicht festgehaltenen Baumängel „die ihr gegen die am Bau beteiligten Unternehmer, Handwerker, Ingenieure und Architekten zustehenden Gewährleistungsansprüche mit befreiender Wirkung hiermit an den Käufer zur Geltendmachung im eigenen Namen ab”. Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 24. Juni 1976 rügten die Eigentümer gegenüber den beiden beklagten Unternehmern Baumängel und forderten deren Beseitigung. Diese wie auch spätere Aufforderungen blieben erfolglos. Im April 1977 strengte die „Eigentümergemeinschaft” zunächst beim Amtsgericht Köln, dann beim Amtsgericht Kerpen (6 H 20/77) u. a. gegen die RBB und die beiden Beklagten ein Beweissicherungsverfahren an. Darin erstattete der Sachverständige G… unter dem 11. November 1977 ein Gutachten über die notwendigen Nachbesserungsarbeiten und deren Kosten. Das Gutachten ging den Beklagten nicht vor dem 20. Januar 1978 zu.

Der Kläger hat im Auftrag der Eigentümergemeinschaft mit der am 12. September 1979 eingereichten und alsbald zugestellten Klage von dem Beklagten zu 1 48.000 DM nebst Mehrwertsteuer und Zinsen und von dem Beklagten zu 2 20.000 DM nebst Mehrwertsteuer und Zinsen verlangt. Beide Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage als unsubstantiiert abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger vom Beklagten zu 1 noch 36.593,64 DM (32.383,75 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer) und vom Beklagten zu 2 noch 19.445,24 DM (17.730,20 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer auf 13.192,58 DM), jeweils nebst Zinsen, verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten weitere Mängelbeseitigungskosten zu erstatten haben.

Das Oberlandesgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsurteil enthält keine Darstellung des Tatbestands, obwohl das Berufungsgericht von einer Beschwer von 58.113 DM für den Kläger ausgegangen ist und die Revision gegen das Berufungsurteil stattfindet (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das rügt die Revision zu Recht.

In der Regel ist ein revisibles Berufungsurteil aufzuheben, wenn der Tatbestand fehlt (BGHZ 73, 248; BGH NJW 1981, 1848). Davon kann aber abgesehen werden, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben (BGH, Beschluß vom 11. Dezember 1978 – II ZR 71/78 –, Urteil vom 11. Mai 1981 – II ZR 25/80 –, Beschluß vom 8. Oktober 1981 – VII ZR 358/80 –). So ist es hier. Wären die Klageansprüche auf Kostenvorschuß für die Mängelbeseitigung und auf Feststellung weiterer Kostenerstattungspflicht der Beklagten verjährt, so brauchte das Berufungsurteil nicht aufgehoben zu werden.

II.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß nach den Bauverträgen die bloßen Mängelrügen der Wohnungseigentümer die Verjährung nur hätten hemmen, nicht aber unterbrechen können. Selbst bei großzügiger Bemessung der Hemmungszeiten sei die fünfjährige Gewährleistungsfrist bei Klageerhebung abgelaufen gewesen, falls die Verjährung nicht durch Beweissicherungsverfahren unterbrochen worden sei.

Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, das von der Eigentümergemeinschaft beim Amtsgericht Kerpen angestrengte Beweissicherungsverfahren habe die Verjährung nicht gemäß §§ 477 Abs. 2, 3, 639 Abs. 1 BGB unterbrochen. Die Eigentümergemeinschaft habe es nämlich unterlassen, bei Einleitung oder im Verlauf des Verfahrens ihr rechtliches Interesse an der Feststellung der Baumängel und der Beseitigungskosten gegenüber den Beklagten darzulegen und glaubhaft zu machen. Den nur der RBB verpflichteten Beklagten hätten die Wohnungserwerber und der Inhalt der Kaufverträge nicht bekannt zu sein brauchen. Eine Anzeige der Abtretung der Gewährleistungsansprüche an die Wohnungserwerber könne nicht angenommen werden; der Kläger habe sie erst in der Berufungsinstanz vorgetragen. So gesehen habe das Amtsgericht Kerpen dem Antrag auf Sicherung des Beweises seitens dieser Antragsteller gar nicht stattgeben dürfen. Wenn es dies dennoch getan habe, so könne die Eigentümergemeinschaft im Hinblick auf die Unterbrechung der Verjährung daraus für sich nichts herleiten. Mangels Kenntnis der Rechtsbeziehungen zwischen der RBB und den Wohnungserwerbern hätten die Beklagten nicht annehmen müssen, durch das Beweissicherungsverfahren könne die Verjährung der Gewährleistungsansprüche unterbrochen werden. Das Bestehen der Klagebefugnis allein, möge sie nun auf gewillkürter Prozeßstandschaft oder auf Rechtsinhaberschaft infolge Abtretung beruhen, reiche nicht aus, die Verjährung zu unterbrechen. Vielmehr müßten sich die Antragsteller auf das Recht zur Verfolgung des jeweiligen Anspruchs auch berufen und darlegen, woraus sie es herleiten.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Ob – wie das Berufungsgericht meint – dem Antrag vom 30, März 1977 auf Sicherung des Beweises mangels Darlegung der Sachbefugnis der Antragsteller (Wohnungseigentümer) nur nach Ergänzung der Angaben gemäß §§ 485, 487 ZPO hätte stattgegeben werden dürfen, kann dahinstehen. Mängel, die zur Unzulässigkeit des Antrags auf Beweissicherung führen können, stehen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung der Verjährung grundsätzlich nicht entgegen, wenn der Antrag nicht als unstatthaft zurückgewiesen worden ist (§ 212 Abs. 1 BGB; vgl. BGHZ 39, 287, 291; 53, 43, 46; 78, 1, 5; vgl.a. OLG Hamburg MDR 1978, 845).

2. Im übrigen genügte der Beweissicherungsantrag vom 30. März 1977 den gesetzlichen Anforderungen. Er war durchaus geeignet, den Beklagten vor Augen zu führen, daß sie von den Wohnungseigentümern als Berechtigten auf Gewährleistung in Anspruch genommen würden.

a) Vorangegangen war ein Schriftwechsel des Prozeßbevollmächtigten der Wohnungseigentümer mit Handwerkern, an deren Leistungen Mängel festgestellt worden waren. Mit Schreiben vom 24. Juni 1976 wurde diesen ein Gutachten des Sachverständigen G… vom 13. April 1976 zugesandt, das in einem allein gegen die RBB gerichteten Beweissicherungsverfahren beim Amtsgericht Köln (117 H 3005/76) über Baumängel erstattet worden war. In den Anschreiben wurde auf die Veräußerung von 54 Wohnungen durch die RBB sowie auf die Gewährleistungsbestimmungen der Bauverträge Bezug genommen; die Beklagten wurden aufgefordert, bis zum 10. Juli 1976 verbindlich zu erklären, ob und bis wann sie bereit wären, die festgestellten Mängel auf ihre Kosten zu beseitigen.

Schon damit war für die Beklagten hinreichend deutlich gemacht, daß die Wohnungseigentumserwerber die Gewährleistungsansprüche der Bauträgerin selbst geltend machten und Mängelbeseitigung aus übergegangenem Recht forderten.

b) In der Begründung des Antrags der als Antragsteller bezeichneten Wohnungseigentümer, vertreten durch den Kläger als Verwalter, ist ferner ausgeführt, sie hätten bereits in einem früheren Beweissicherungsverfahren gegen die RBB ein Gutachten einholen und die Handwerker auf der Grundlage dieses Gutachtens zur Mängelbeseitigung auffordern lassen, doch hätten diese nicht reagiert. Die Antragsteller seien deshalb nunmehr gezwungen, die ihnen gesetzlich zustehenden Rechte geltend zu machen, um weitere Mängelbeeinträchtigungen an den Häusern auszuschließen.

Damit konnte für die Beklagten als Antragsgegner kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß die Antragstellerihnen zustehende Gewährleistungsansprüche durchsetzen wollten. Dabei verstand sich den Umständen nach von selbst, daß die Bauträgerin ihre Gewährleistungsansprüche gegen die am Bau Beteiligten wie üblich an die Wohnungseigentumserwerber abgetreten hatte, und zwar auch soweit sie gemeinschaftliches Eigentum betreffen, was keinen Bedenken unterliegt. So hat ersichtlich auch keiner der neben der RBB in das Beweissicherungsverfahren einbezogenen Antragsgegner Zweifel an der Sachbefugnis der Antragsteller gehegt. Der Beklagte zu 1 hat lediglich die Vertretungsbefugnis des Verwalters und die Prozeßführungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft für das Sondereigentum der Antragsteller in Frage gestellt.

Die in dem Antrag genannte „Eigentümergemeinschaft der Häuser S… Straße gemäß beigefügter Liste” war und ist jedoch keine Rechtsperson, sondern nur der Sammelbegriff für die angegebenen Eigentümer der 54 Wohnungen (vgl. BGH NJW 1977, 1686; BGHZ 78, 166, 173; vgl. zur Verwendung von Kurzbezeichnungen auch sonst BGHZ 76, 86, 90 m.N.). Antragsteller waren hier – auch so bezeichnet – die Wohnungseigentümer, die Gewährleistungsansprüche für ihr Sondereigentum wie für das Gemeinschaftseigentum geltend zu machen berechtigt waren. Sie haben auch den Kläger als Verwalter zur vorliegenden Klage im eigenen Namen ermächtigt (vgl. BGHZ 81, 35), so daß die von ihm eingeklagten Ansprüche, mögen sie Sonder- oder Gemeinschaftseigentum betreffen, nicht verjährt sind.

Somit kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

III.

Das Berufungsgericht hält das Verfahren des Landgerichts für fehlerhaft, so daß die Sache gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen sei, falls nicht die Einrede der Verjährung durchgreife. Dem ist beizupflichten.

Durch richterliche Verfügung vom 14. November 1979 ist der Kläger auf die Unvollständigkeit seines Vortrags hingewiesen worden. Nach Ablauf der dafür gesetzten Frist, aber noch vor der nächsten mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen ergänzt. Durch Beschluß vom 14. Mai 1980 ist der Kläger dann darauf aufmerksam gemacht worden,

„daß nach § 9 der notariellen Kaufverträge die Ansprüche wegen Mängel gegen die am Bau beteiligten Handwerker und Unternehmer hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums – die nunmehr ausreichend substantiiert sein dürften – nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer abgetreten worden sind, ….”

In der letzten mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 1980 sind dem Kläger erneut Hinweise zur Sohlüssigkeit des Klagevorbringens gegeben worden. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 25. Juli und 18. August 1980 seinen Vortrag weiter ergänzt und beantragt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Das Landgericht hat, ohne diesen Antrag zu bescheiden, die Klage als unsubstantiiert abgewiesen.

Zu Recht ist das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht hätte versagt werden dürfen. Trotz der Verspätung seines Ergänzungsvortrags durfte der Kläger aufgrund des Beschlusses vom 14. Mai 1980 davon ausgehen, daß das Landgericht seinen Sachvortrag nunmehr für ausreichend substantiiert halte. Auf die für ihn überraschenden neuen Hinweise in der mündlichen Verhandlung hätte er Gelegenheit erhalten müssen, zu antworten. Die zwar nicht nachgelassenen, aber durch die neuen Hinweise angeregten Schriftsätze vom 25. Juli und 18. August 1980 hätten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.

IV.

Nach alledem ist sowohl das Berufungsurteil in vollem Umfang als auch das Urteil des Landgerichts einschließlich des Verfahrens aufzuheben, soweit der Kläger Berufung eingelegt hat. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittelzüge, an das Landgericht gemäß §§ 565, 539 ZPO zurückzuverweisen, das sich nunmehr mit den vom Kläger geltend gemachten Mängeln zu befassen haben wird.

 

Unterschriften

G, R, D, B, W

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.01.1983 durch Werner, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512615

NJW 1983, 1901

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