Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzögerte Kranarbeiten wegen Haltens im Halteverbot. Anspruch gegen Bauunternehmer und Subunternehmer aus § 823 BGB, § 45 StVO ausgeschlossen

 

Leitsatz (amtlich)

Halteverbote im Rahmen von Baustellen schützen nicht das Vermögen eines Bauunternehmers oder eines von diesem beauftragten weiteren Unternehmers.

 

Normenkette

BGB § 823; StVO §§ 12, 45

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 18.10.2002)

AG Merseburg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Halle v. 18.10.2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin führte am 6.12.1999 und an weiteren Tagen Kran- und Schwerlasttransportarbeiten für eine Bauunternehmerin zum Zweck von Bauarbeiten auf einem Privatgrundstück aus. Dazu war wegen der Größe des Krans die Sperrung der Straße notwendig. Mit Genehmigung der Stadt hatte die Klägerin daher ein Halteverbot durch Zeichen Nr. 283 zu § 41 StVO mit dem Zusatz "ab 6.12.1999 7.00 Uhr Krananfahrt" eingerichtet.

Am Morgen des 6.12.1999 parkte die Beklagte mit ihrem Pkw im Halteverbot und verhinderte dadurch die Anfahrt des Krans. Nachdem die Halterin des Fahrzeugs nicht ausfindig gemacht werden konnte, wurde dieses vom Ordnungsamt abgeschleppt.

Die Klägerin macht einen Schaden von 4.765 DM nebst Zinsen geltend, weil sie den Kraneinsatz wegen des Parkens der Beklagten erst verspätet habe durchführen können. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB scheitere schon daran, dass es an einem ihren Vermögensinteressen dienenden Schutzgesetz fehle. § 12 Abs. 1 Nr. 6 StVO schütze nicht die Vermögensinteressen Dritter, sondern lege nur fest, welche verkehrsregelnden Zeichen ein Halteverbot begründeten. Auch die konkrete Ausgestaltung des Halteverbots durch die behördliche Anordnung komme als Schutzgesetz nicht in Betracht. Auch wenn die Anordnung im Interesse des Bauunternehmers erfolge und die Interessen der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs hierbei kaum zu erkennen seien, so handele es sich doch um einen Verwaltungsakt und nicht um ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB. Der Verwaltungsakt konkretisiere auch nicht ein die Vermögensinteressen der Klägerin schützendes Gesetz; die als Rechtsgrundlagen in Betracht kommenden §§ 45 Abs. 1 S. 1 und Abs. 6 StVO schützten ausschließlich die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder § 45 Abs. 2 kämen als Rechtsgrundlagen nicht in Betracht, weil es sich nicht um Arbeiten im Straßenraum oder um sonstige Straßenbauarbeiten gehandelt habe.

Ergänzend hat das Berufungsgericht auf die Entscheidungsgründe des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. In diesem wird ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheide mangels eines betriebsbezogenen Eingriffs aus. Das Eigentum der Klägerin an ihrem blockierten Fahrzeug habe die Beklagte nicht verletzt. Eigentümer des Baugrundstücks sei die Klägerin nicht gewesen.

II.

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsurteil sei schon deshalb aufzuheben, weil es wegen der nicht erfolgten Wiedergabe der Berufungsanträge nicht erkennen lasse, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt habe (§§ 545 Abs. 1, 546, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zwar ist auch nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung der Zivilprozessordnung, welche vorliegend anzuwenden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO), eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil nicht entbehrlich. Der Antrag des Berufungsklägers braucht aber nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden. Es genügt, wenn aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts wenigstens sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urt. v. 26.2.2003 - VIII ZR 262/02, MDR 2003, 765 = BGHReport 2003, 629 = NJW 2003, 1743; Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, BGHReport 2003, 1128 = MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290 [1291]).

Hiernach ergibt sich aus dem Berufungsurteil, dass der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat. Dieses wird in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils genannt, auf die das Berufungsgericht verweist. Somit ist das Berufungsbegehren der Klägerin hinreichend deutlich zu erkennen.

2. Die Sachrüge der Revision bleibt gleichfalls ohne Erfolg.

a) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, auf den sich die Revision in erster Linie beruft, nicht zusteht. Die Beklagte hat kein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift verletzt. Weder dient die Straßenverkehrsordnung im Ganzen dem Vermögensschutz noch handelt es sich bei §§ 12 Abs. 1 Nr. 6a, 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 oder Abs. 6 StVO um Schutzvorschriften zu Gunsten der Vermögensinteressen der Klägerin.

aa) Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben (BGH v. 21.10.1991 - II ZR 24/90, BGHZ 116, 7 [13] = MDR 1992, 350; v. 26.2.1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1 [3 f.] = MDR 1993, 540, jew. m. w. N.). Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausgeufert werden. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Dann allerdings kann eine im Gesetz angelegte drittschützende Wirkung der Norm auch zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn sie in Bezug auf die im Einzelfall zu erlassenden Ge- und Verbote noch der Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt bedarf (BGH BGHZ 62, 265 [266 f.]; v. 26.2.1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1 [3 f.] = MDR 1993, 540; Urt. v. 27.9.1996 - V ZR 335/95, MDR 1996, 1236 = VersR 1997, 367 [368]).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Straßenverkehrsordnung nicht im Ganzen ein Gesetz zum Schutz des Vermögens. Sie ist Teil des Straßenverkehrsrechts, durch welches die Teilnahme am Straßenverkehr geregelt und insbesondere dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleistet werden soll. Dieses dient als sachlich begrenztes Ordnungsrecht der Abwehr von typischen Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen (BGH BGHZ 60, 54 [60]; BGHSt 37, 366 [369]; Beschl. v. 4.12.2001 - 4 StR 93/01, NJW 2002, 1280 [1281], m. w. N.; BVerfG BVerfGE 40, 371 [379 f.]; v. 9.10.1984 - 2 BvL 10/82, BVerfGE 67, 299 [314, 322 f.], jew. m. w. N.; BVerwG BVerwGE 37, 112 [114 f.]; v. 3.9.1990 - 4 N 1/88, 4 N 2/88, BVerwGE 85, 332 [341 f.]). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einzelne Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zugleich dem Schutz von Individualinteressen dienen, namentlich der Gesundheit, der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums (BGH, Urt. v. 25.1.1983 - VI ZR 212/80, MDR 1983, 656 = VersR 1983, 438 [439]; Urt. v. 25.9.1990 - VI ZR 19/90, MDR 1991, 327 = VersR 1990, 1366 [1367], m. w. N.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der erk. Senat bereits darauf hingewiesen, dass dem Verkehrsteilnehmer, der durch eine auf einem Verkehrsverstoß beruhenden Verkehrsstockung einen Vermögensschaden erleidet, in Ansehung dieses Schadens kein Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. der verletzten Verkehrsvorschrift zusteht. Derlei Beeinträchtigungen müssen vielmehr von jedem Benutzer öffentlicher Straßen als schicksalhaft ersatzlos hingenommen werden (BGH, Urt. v. 21.6.1977 - VI ZR 58/76, VersR 1977, 965 [967]).

cc) Zu den hier als Schutznormen in Betracht kommenden §§ 12 Abs. 1 Nr. 6a, 45 StVO ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob bei Halteverboten im Rahmen von Baustellen das Vermögen eines Bauunternehmers und eines von diesem beauftragten weiteren Unternehmers - wie hier der Klägerin - geschützt ist (bejahend LG Berlin VersR 1972, 548, m. w. N.; LG München v. 24.9.1982 - 20 S 18965/81, NJW 1983, 288; AG Charlottenburg VersR 1971, 92; ZfS 1981, 2; AG Waiblingen v. 14.12.2001 - 13 C 1266/01, VersR 2003, 605 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, StVO, 37. Aufl., § 12 Rz. 29, m. w. N.; verneinend LG Berlin v. 26.3.1982 - 56 S 126/81, MDR 1982, 1018 = NJW 1983, 288 f.; LG Stuttgart v. 21.6.1985 - 6 S 397/84, NJW 1985, 3028 f.; AG Frankfurt/M. v. 5.1.1990 - 31 C 4029/89-16, NJW-RR 1990, 730 f.; Grüneberg, NJW 1992, 945 [947 f.]; Janssen, NJW 1995, 624 [626 f.]; Wussow-Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., 2002, Kap. 4, Rz. 14; LG München v. 21.1.1987 - 15 S 12232/86, NJW-RR 1987, 804 f.; LG Bonn Schaden-Praxis 2001, 85 f.).

Nach Abwägung der maßgeblichen Gesichtspunkte ist diese Frage zu verneinen. Zwar hat der Senat entschieden, dass das absolute Halteverbot des § 12 Abs. 1 Nr. 6a StVO nicht darauf beschränkt ist, den Ablauf des fließenden Verkehrs zu erleichtern, sondern auch die Gesundheit der die Fahrbahn überquerenden Fußgänger schützen kann (BGH, Urt. v. 25.1.1983 - VI ZR 212/80, MDR 1983, 656 = VersR 1983, 438 [439]). Da es in jenem Fall darum ging, dem Fußgänger eine bessere Übersicht über den Verkehrsablauf zu ermöglichen und ihn dadurch vor einer Schädigung zu bewahren, kann aus dieser Rechtsprechung aber keine Folgerung für den vorliegenden Fall gezogen werden, in dem es um den Ersatz eines Vermögensschadens geht. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB ist nämlich stets, dass der konkrete Schaden aus der Verletzung eines Rechtsguts entstanden ist, zu dessen Schutz die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH BGHZ 19, 114 [125 f.]; BGHZ 27, 137 [143]; BGHZ 39, 366 [367 f.]). Diese Voraussetzung ist bei dem hier geltend gemachten Vermögensschaden nicht erfüllt.

(1) Weder aus dem allgemein gehaltenen Wortlaut des § 12 Abs. 1 Nr. 6a StVO noch aus den Gesetzgebungsmaterialien (BR-Drucks. 420/70, 46, 60 f.; Bundesrat, Bericht über die 357. Sitzung v. 23.10.1970, S. 241 ff.) lässt sich ein über die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hinausgehender Schutzzweck dieser Norm entnehmen.

(2) Auch die Zusammenschau mit § 45 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 StVO sowie § 45 Abs. 6 StVO führt zu keinem anderen Ergebnis.

§ 45 Abs. 1 S. 1 StVO ordnet ausdrücklich an, dass die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken können. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StVO gewährt ihnen dasselbe Recht zur Durchführung von - hier nicht vorliegenden - Arbeiten im Straßenraum. Dazu stehen ihnen Verkehrszeichen (einschließlich der auf eine Baustelle hinweisenden Zusatzschilder) und Verkehrseinrichtungen zur Verfügung (§ 45 Abs. 4 StVO). Die Entscheidung, welche Verkehrszeichen anzubringen sind, obliegt den Straßenverkehrsbehörden als Amtspflicht im Interesse und zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer, die die Straße nach Art ihrer Verkehrsöffnung benutzen dürfen. Inhaltlich ist sie darauf gerichtet, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen und die Einrichtungen für die Regelung des Verkehrs so zu gestalten, dass sie ihrem Zweck gerecht werden, den Verkehr zu erleichtern und Verkehrsgefahren zu verhüten (BGH, Urt. v. 24.3.1988 - III ZR 104/87, MDR 1988, 842 = VersR 1988, 697, m. w. N.). Diesem Normzweck entspricht auch die systematische Stellung des § 45 StVO im III. Abschnitt der Straßenverkehrsordnung unter den Durchführungs-, Bußgeld- und Schlussvorschriften.

Soweit Befürworter eines Schadensersatzanspruchs wegen erlittener Vermögenseinbußen argumentieren, das Halteverbot diene vor allem dem Schutz des Bauunternehmers, da es die ungehinderte Durchführung der Bauarbeiten gewährleisten solle, wird dies dem in § 45 Abs. 1 StVO genannten Zweck nicht gerecht. Aus Wortlaut und Sinn dieser Norm ergibt sich vielmehr eine Befugnis zum Aufstellen von Halteverbotsschildern um sicherzustellen, dass der Straßenverkehr durch die Bauarbeiten nicht über Gebühr beeinträchtigt wird, indem etwa wartende Baustellenfahrzeuge die Fahrbahn blockieren oder der Verkehrsablauf durch die Baumaßnahmen länger als unbedingt erforderlich behindert wird. Deshalb handelt es sich bei den Vorteilen für den Bauunternehmer nur um einen Reflex der im Allgemeininteresse getroffenen Maßnahmen.

Aus § 45 Abs. 6 StVO ist nichts Anderes zu entnehmen. Diese Vorschrift regelt lediglich die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde im Zusammenspiel mit den Aufgaben des Bauunternehmers. Dies ergibt sich aus ihrem Wortlaut, dem Gesetzgebungsverfahren und dem Umstand, dass in § 49 Abs. 4 Nr. 3 StVO derjenige mit einem Bußgeld bedroht wird, der entgegen § 45 Abs. 6 StVO mit Arbeiten beginnt, ohne zuvor Anordnungen eingeholt zu haben, diese Anordnungen nicht befolgt oder Lichtzeichenanlagen nicht bedient. So heißt es in den Motiven des Gesetzgebers zu § 45 Abs. 6 StVO als Grund für den Erlass der Vorschrift, es sei angezeigt, die Aufgaben zwischen der Behörde und dem Bauunternehmer - hier Anordnung, dort deren Ausführung - klar zu scheiden, weil die Beschilderung von Baustellen weithin im Argen liege (BR-Drucks. 420/70, 86 f.).

Aus den als Schutzgesetz in Betracht kommenden Normen ergibt sich demnach kein Hinweis darauf, dass diese zumindest auch dem Schutz der Vermögensinteressen des Bauunternehmers oder der von ihm - wie die Klägerin - beauftragten Unternehmen dienen sollen. Die bloße Reflexwirkung der im Allgemeininteresse getroffenen Maßnahmen zu Gunsten der Vermögensinteressen der beteiligten Unternehmen reicht für die Annahme eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB jedoch nicht aus.

Die vorstehende Wertung steht nicht in Widerspruch zu der von der Revision ins Feld geführten Entscheidung des BVerwG zu § 4 Abs. 1 S. 1 StVO i. d. F. v. 29.3.1956/30.4.1964 (BGBl. I, 1956, 327; BGBl. I,1964, 305), die in BVerwGE 37, 112 veröffentlicht worden ist. Die Besonderheit jenes Falles lag darin, dass der Verkehr, dessen Behinderung der Kläger jenes Verfahrens geltend machte - nämlich die freie Ein- und Ausfahrt bei der Benutzung seiner Garage -, zu dem von der Straßenverkehrsordnung geregelten und in Bezug auf Sicherheit und Leichtigkeit geschützten öffentlichen Straßenverkehr gehörte, wenn das die Garage verlassende Fahrzeug bereits in der Ausfahrt öffentlichen Verkehrsgrund erreicht oder bei der Einfahrt noch nicht die öffentliche Straßenfläche verlassen hatte. Für diesen Fall hat das BVerwG entschieden, dass der Einzelne einen Anspruch auf Erlass eines verkehrsregelnden Verwaltungsakts zum Schutz seiner eigenen straßenverkehrsrechtlichen Belange und der verkehrlichen Nutzbarkeit seines Grundstücks haben kann. Es ging also nicht um die Frage, ob die Vorschrift auch den Vermögensinteressen des Betroffenen diente.

dd) Da die in Betracht kommenden Normen schon keinen Willen des Verordnungsgebers erkennen lassen, das Vermögen des Bauunternehmers zu schützen, gibt der vorliegende Fall keinen Anlass zu entscheiden, ob ein solcher Schutz durch die Ermächtigungsgrundlage des § 6 StVG gedeckt wäre.

b) Zutreffend haben die Vorinstanzen auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB verneint. Zwar kann die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine Sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgen, etwa wenn ein Fahrzeug jede Bewegungsmöglichkeit verliert und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen wird (BGH BGHZ 55, 153 [159]). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn wie hier ein Fahrzeug nur wenige Stunden an der konkret geplanten Weiterfahrt gehindert und dadurch seine wirtschaftliche Nutzung vorübergehend eingeengt wird (BGH v. 15.11.1982 - II ZR 206/81, BGHZ 86, 152 [154 f.] = MDR 1983, 731).

c) Auch ein Anspruch der Klägerin aus Verletzung ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nicht gegeben. Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Dabei kann das Erfordernis der Betriebsbezogenheit sinnvoll nur dahin verstanden werden, dass der Eingreifende solche Verhaltenspflichten verletzt haben muss, die ihm im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis des Gewerbebetriebs oblagen. Es ist nämlich nicht der Sinn dieses besonderen Rechtsinstituts, dem Gewerbetreibenden einen Schadensersatzanspruch für solche Vermögensschäden zu gewähren, die ein anderer unter sonst gleichen Umständen ersatzlos hinnehmen müsste, im Streitfall also eine vorübergehende Behinderung des Gemeingebrauchs an einer Straße. Dieser Grundsatz darf nicht auf dem Umweg über den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs außer Kraft gesetzt werden. Deshalb ist auch eine spezifische Betriebsbezogenheit eines solchen Eingriffs zu verneinen. An dieser fehlt es, wenn auch jeder andere Rechtsträger einer entsprechenden Behinderung ausgesetzt sein kann und sie dann nach den das Haftungsrecht prägenden wertenden Zurechnungsgrundsätzen entschädigungslos hinnehmen müsste. Das aber ist bei einer vorübergehenden Behinderung der Straßenbenutzung der Fall (BGH, Urt. v. 21.6.1977 - VI ZR 58/76, VersR 1977, 965 [967]; BGHZ 55, 153 [160 f.]; v. 15.11.1982 - II ZR 206/81, BGHZ 86, 152 [156 ff.] = MDR 1983, 731, jew. m. w. N.).

d) Die vom Berufungsgericht festgestellten Umstände geben keinen Anlass zu prüfen, ob eine absichtliche Blockade von Bauarbeiten eine sittenwidrige Schädigung des Bauunternehmers nach § 826 BGB darstellen könnte.

III.

Die Revision ist demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090796

NJW 2004, 356

NWB 2004, 37

BGHR 2004, 587

EBE/BGH 2004, 27

JurBüro 2004, 453

ZAP 2004, 161

ZfIR 2004, 129

DAR 2004, 77

JuS 2004, 545

MDR 2004, 274

NZV 2004, 136

VersR 2004, 255

ZfS 2004, 111

IVH 2004, 43

NZBau 2004, 157

RÜ 2004, 61

RdW 2004, 119

RdW 2004, 32

VRA 2004, 58

ZGS 2003, 444

JT 2004, 120

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