Leitsatz (amtlich)

›a) Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG, nach der der Verleger grundsätzlich - wenn nichts anderes vereinbart worden ist - nur zu einer Auflage berechtigt ist, findet auf den Bestellvertrag keine Anwendung.

b) Zum Umfang der Nutzungsrechtseinräumung bei einem Bestellvertrag (hier: Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht für weitere Auflagen).‹

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tatbestand

Der Kläger ist freischaffender Journalist und Schriftsteller. Er erstellte im Jahre 1979 aufgrund mündlicher Vereinbarungen mit dem Verlag Moderne Industrie, für den er bereits mehrfach als Autor tätig war, das Manuskript für das Buch "Ihr Baby im ersten Lebensjahr".

Der Verlag Moderne Industrie wiederum war von der Beklagten, einer bekannten Herstellerin von Kindernahrungsmitteln, mit der Herstellung des Buches beauftragt worden; der Verlag ist dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten als Streithelfer beigetreten. Das Buch war für junge Mütter nach der Niederkunft als Belehrung über das erste Lebensjahr und zugleich als Werbemittel für die Produkte der Beklagten bestimmt.

Das Buch ist, nachdem die Beklagte das Manuskript des Klägers bearbeitet und abgeändert hatte, im Verlag des Streithelfers in einer Erstauflage von ca. 200.000 Exemplaren erschienen. Sein Inhalt, der auch Textstellen anderer Autoren enthält, und das Bildmaterial sind weitgehend auf die Produkte der Beklagten abgestellt. Es wurde von der Beklagten kostenlos als Werbemittel an Interessenten verteilt.

Der Streithelfer war lediglich mit dem Druck der Erstauflage beauftragt worden. Danach sollten nach den zwischen ihm und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen alle Rechte - auch hinsichtlich weiterer Auflagen - an die Beklagte übergehen. Dementsprechend hat die Beklagte inzwischen selbst eine weitere Auflage von 200.000 Exemplaren veranstaltet. Dafür hatte sie vereinbarungsgemäß keine weitere Vergütung an den Streithelfer zu zahlen brauchen.

Der Kläger, der in keine vertraglichen Beziehungen zur Beklagten getreten ist, erhielt von dem Streithelfer für das Manuskript einschließlich der Bilderbeschaffung ein Honorar von 25.000 DM. Er hatte die Bildrechte vereinbarungsgemäß nur für eine Auflage von 200.000 Stück erworben.

Der Kläger sieht in der Veranstaltung der Zweitauflage durch die Beklagte eine Urheberrechtsverletzung und nimmt sie nunmehr auf Schadensersatz und Feststellung in Anspruch.

Er hat behauptet, seine Vereinbarung mit dem Streithelfer und damit auch sein Honorar habe sich nur auf eine Auflage von 200.000 Exemplaren bezogen. Er habe dem Streithelfer daher auch nur diejenigen Rechte eingeräumt, die für die Durchführung dieser Auflage erforderlich gewesen seien. Außerdem habe er dem Streithelfer auch nicht die erforderliche Zustimmung zur Weiterübertragung der Nutzungsrechte an die Beklagte erteilt. Der Inhalt der zwischen der Beklagten und dem Streithelfer getroffenen Vereinbarung sei ihm unbekannt gewesen. Sein Schaden belaufe sich auf 20.000 DM.

Hilfsweise hat sich der Kläger darauf berufen, die Beklagte sei zumindest gem. § 36 UrhG zum Vertragsabschluß verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 20.000 zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 3.10.1980 zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte dem Kläger DM 0,10 pro Exemplar des Buches "Ihr Baby im ersten Lebensjahr" zu zahlen hat, das sie über die gegenwärtig veranstalteten beiden Auflagen zu insgesamt 400.000 Exemplaren hinaus herstellt oder herstellen läßt,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger einen Vertrag abzuschließen, wonach die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die veranstaltete zweite Auflage zu 200.000 Exemplaren des Buches "Ihr Baby im ersten Lebensjahr" eine Vergütung von DM 20.000 und für weitere Auflagen eine Vergütung von DM 0,10 pro hergestelltem Exemplar zu zahlen.

Die Beklagte und ihr Streithelfer sind dem entgegengetreten. Sie haben behauptet, zwischen dem Kläger und dem Streithelfer sei abgesprochen worden, daß die Leistungen des Klägers mit dem gezahlten Honorar endgültig abgegolten sein sollten, damit das Buch seinem Zweck entsprechend künftig unbeschränkt als Werbemittel verwendet werden könne. Dem Kläger seien die zwischen der Beklagten und dem Streithelfer getroffenen Vereinbarungen weitgehend bekannt gewesen; er habe insbesondere gewußt, daß der Streithelfer selbst nur eine einmalige Vergütung erhalten habe. Über die Auflagenhöhe sei nur im Zusammenhang mit den Kosten für das Bildmaterial gesprochen worden. Im übrigen habe der Kläger aufgrund früherer Aufträge des Streithelfers gewußt, daß er für weitere Auflagen nur dann eine Vergütung erhalte, wenn diese von dem Streithelfer hergestellt würden und dieser so in der Lage sei, einen weiteren Erlös zu erzielen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme mit den Hauptanträgen stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht bewiesen, daß sie vom Kläger die erforderlichen Nutzungsrechte für weitere Auflagen erworben habe.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Klaganträge weiter. Die Beklagte und der Streithelfer beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche des Klägers gemäß § 97 Abs. 1 UrhG verneint, weil die Beklagte zur Veranstaltung weiterer Auflagen berechtigt gewesen sei. Sie habe von dem Streithelfer das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht ohne Beschränkung auf eine bestimmte Auflagenzahl erworben; der Streithelfer habe diese Nutzungsrechte zuvor vom Kläger vertraglich eingeräumt erhalten. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Es könne offenbleiben, ob der Kläger mit dem Streithelfer die Einräumung der Nutzungsrechte ohne Auflagenbeschränkung ausdrücklich vereinbart habe. Denn eine solche Nutzungsrechtseinräumung ergebe sich zumindest im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung. Zwar sei die Auslegungsregel des § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG, wonach der Verleger nur zu einer Auflage berechtigt sei, nicht anwendbar, da der zwischen dem Kläger und dem Streithelfer abgeschlossene Vertrag nicht als Verlags-, sondern als Bestellvertrag zu beurteilen sei. Der Umfang der Rechtseinräumung ergebe sich aber aus dem Zweckübertragungsgedanken: Der auch dem Kläger erkennbare Zweck des Vertrages sei gewesen, ein kostenlos zu verteilendes, dauerhaftes Werbemittel herzustellen. Die Gesamtumstände ließen erkennen, daß es für die Beklagte von entscheidender Bedeutung gewesen sei, das Buch als wiederholt verwendbares Werbemittel zu erhalten, ohne Gefahr zu laufen, in der weiteren Verwendung dieses Werbemittels und darüber hinaus in der Werbung in dieser Buchform nach Verteilung der Erstauflage von der weiteren Mitwirkung einzelner Beteiligter abhängig zu sein. Demgegenüber sei das eigene Interesse des Klägers, die weitere Verwertung des Buches durch spätere Auflagen zu kontrollieren, als sehr gering anzusehen. Er sei in keiner Weise als Autor des unter maßgeblicher Beteiligung der Beklagten erstellten Buches in Erscheinung getreten.

II. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG durch das Berufungsgericht wendet. Diese Bestimmung, nach der der Verleger grundsätzlich - wenn nichts anderes vereinbart ist - nur zu einer Auflage berechtigt ist, ist unmittelbar nur auf den Verlagsvertrag anzuwenden. Die zwischen dem Kläger und dem Streithelfer getroffene Vereinbarung kann nicht als ein solcher Vertrag gewertet werden. Es fehlt an der nach § 1 Satz 2 VerlG erforderlichen Verpflichtung zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes.

Das im Streitfall vorliegende Vertragsverhältnis rechtfertigt aber auch keine entsprechende Heranziehung des § 5 Abs. 1 Satz 1 VerlG. Der auf die Herstellung eines bestimmten Buches mit genau festgelegten Eigenschaften gerichtete Vertrag des Klägers mit dem Streithelfer hat den Charakter eines Werkvertrages besonderer Art. Er ist seiner Rechtsnatur nach zugleich - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - als Bestellvertrag im Sinne des § 47 Abs. 1 VerlG zu beurteilen. Maßgebend für das Wesen des Bestellvertrages ist seine enge Einbindung in die vom Besteller gezogenen Grenzen (vgl. RGZ 140, 103 ff.; v. Gamm, GRUR 1980, 531, 532; E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, S. 434). Diese ist vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt worden; danach waren die Grundzüge des Inhalts des Babybuches und die Art und Weise der Darstellung dem Kläger durch den Streithelfer und der mit diesem zusammen arbeitenden Beklagten vorgeschrieben, außerdem war der Kläger bei seiner Tätigkeit zu enger Abstimmung mit den Auftraggebern gehalten und hatte deren Korrekturen hinzunehmen. Auf einen Bestellvertrag, bei dem die für den Verlagsvertrag notwendige Auswertungspflicht fehlt, sind aber wegen seiner andersgearteten Interessenlage die verlagsrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar (v. Gamm, GRUR 1980, 531, 533; für § 5 Abs. 1 VerlG ausdrücklich Bappert-Maunz, VerlR, 1952, § 47 Rdn. 21).

2. Dagegen läßt sich die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei zur Vervielfältigung und Verbreitung berechtigt gewesen, mit der gegebenen Begründung nicht halten.

a) Der Umfang der Nutzungsrechtseinräumung bestimmt sich nach dem Vertragsinhalt. Fehlt eine ausdrückliche vertragliche Regelung, so ist auf den von den Parteien nach dem gesamten Vertragsinhalt - übereinstimmend verfolgten Vertragszweck und den danach vorausgesetzten Bedürfnissen der Vertragspartner zurückzugehen und zu fragen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang zur Erreichung des Vertragszwecks die Einräumung von Nutzungsrechten erforderlich ist. Für den Regelfall kann davon ausgegangen werden, daß die Rechte, die die Erreichung des Vertragszwecks erst ermöglichen, bereits stillschweigend mit übertragen werden. Daraus ergibt sich umgekehrt, daß ein Urheber, der diese Rechte nicht mit übertragen will, einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt zu machen hat (vgl. BGH, Urt. vom 22.2.1974 - I ZR 128/72 = GRUR 1974, 480, 483 - Hummelrechte). Für die über den Vertragszweck hinausgehenden Rechte bedarf es einer ausdrücklichen oder zumindest stillschweigenden Rechtseinräumung. Einer solchen stillschweigenden Rechtseinräumung steht nicht der zugunsten des Urhebers entwickelte Grundsatz entgegen, daß die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte nur angenommen werden kann, wenn ein dahingehender Parteiwille unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist; denn ein solcher Parteiwille kann sich auch aus dem Vertragszweck, aus den Begleitumständen und dem schlüssigen Verhalten der Beteiligten ergeben (vgl. BGHZ 24, 55, 70 - Ledigenheim).

b) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob die Beklagte Nutzungsrechte des Klägers erworben hat. Die Nutzungsberechtigung der Beklagten an dem streitigen Buch setzt zweierlei voraus: Einmal, daß der Kläger dem Streithelfer die Nutzungsrechte an dem Buch ohne Auflagenbeschränkung eingeräumt hat; sodann, daß der Kläger dem Streithelfer die nach § 34 Abs. 1 UrhG erforderliche Zustimmung zur Weiterübertragung der Nutzungsrechte an die Beklagte erteilt hat.

Im Streitfall bedurfte es danach zunächst einmal einer Klärung der vom Berufungsgericht letztlich offengelassenen Frage, ob der Kläger dem Streithelfer die Nutzungsrechte ausdrücklich nur für eine Auflage von 200.000 Exemplaren - so der Kläger - oder gegen Zahlung eines einmaligen Honorars unbeschränkt - wie die Beklagte behauptet - eingeräumt hat. Läßt sich dies nicht klären, so wird zu prüfen sein, ob sich aus dem Zweck des vorliegenden Bestellvertrages und den danach vorausgesetzten Bedürfnissen des Streithelfers und der Beklagten einschließlich aller sonstigen Begleitumstände ein unzweideutiger Parteiwille entnehmen läßt. Insoweit begegnet es Bedenken, daß das Berufungsgericht ohne Beweiserhebung zu einer vom Landgericht abweichenden Beweiswürdigung gelangt ist. Im Rahmen der weiteren Aufklärung wird auch zu beachten sein, wie der Kläger und der Streithelfer ihre Verträge in vorangegangenen vergleichbaren Fällen gestaltet haben. Soweit das Berufungsgericht angeführt, der Kläger habe in früheren Verträgen die Rechte an sämtlichen Auflagen übertragen, wird zu berücksichtigen sein, daß diese Verträge eine zusätzliche Vergütungsregelung für weitere Auflagen enthielten. Dabei wird gegebenenfalls auch festzustellen sein, ob die weiteren Auflagen in früheren Fällen stets vom Streithelfer oder auch von dessen Auftraggeber veranstaltet worden sind.

Das Berufungsgericht hat weiter nicht hinreichend festgestellt, daß der Kläger einer Weiterübertragung der Nutzungsrechte an die Beklagte zugestimmt hat. Auch wenn das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger dem Streithelfer die Nutzungsrechte ohne Auflagenbeschränkung eingeräumt hat, so folgt daraus noch nicht ohne weiteres, daß auch die Weiterübertragung sämtlicher Rechte an die Beklagte notwendig war. Die Beklagte bedurfte zwar zur weiteren Nutzung des Buches als Werbeschrift einer Übertragung des Verbreitungs-, nicht aber auch zwingend des Vervielfältigungsrechts, wenn dieses - wie hier - dem Streithelfer als Verleger übertragen worden und dieser zum Druck von Neuauflagen bereit war. Das Berufungsgericht hat keine Anhaltspunkte festgestellt, die darauf hindeuten könnten, daß der Kläger sich auch mit der Weiterübertragung dieses Rechts an die Beklagte einverstanden erklärt haben könnte. Eine solche Rechtsübertragung war nach dem mit der Herstellung der Werbebroschüren verfolgten Zweck nicht ohne weiteres geboten. Eine andere Beurteilung könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Kläger - wie der Beklagte und der Streithelfer behaupten - von vornherein gewußt hat, daß vom Streithelfer nur die erste Auflage und von der Beklagten alle eventuellen weiteren Auflagen hergestellt werden sollten. In diesem Falle könnte in Betracht kommen, daß der Kläger die nach § 34 Abs. 1 UrhG erforderliche Zustimmung zur Weiterübertragung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts zumindest stillschweigend erteilt hat. Auch insoweit kann die Handhabung in vorausgegangenen vergleichbaren Fällen von Bedeutung sein.

3. Ergibt die erneute Verhandlung und Entscheidung eine Verletzung des Vervielfältigungs- und/oder Verbreitungsrechts, so wird das Berufungsgericht, das offensichtlich von der Urheberrechtsschutzfähigkeit des Buches ausgegangen ist, für den Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG weiter die von den Vorinstanzen bislang unerörtert gebliebene Frage zu prüfen haben, ob die Beklagte ein Verschulden trifft.

III. Das Berufungsgericht war nach alledem aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992731

GRUR 1984, 528

AfP 1984, 178

MDR 1984, 1002

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