Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzugsbegründende Verbindung von Fälligstellung und Mahnung beim Verbraucherdarlehen. Anspruchsverjährung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gesetzeszweck von § 497 BGB a.F. gebietet keine Auslegung von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend, dass Fälligstellung und Mahnung nicht verzugsbegründend verbunden werden können.

 

Normenkette

BGB § 497 Abs. 3 S. 3, § 284 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1.5.2000, § 286 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1.1.2002

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 15.01.2010; Aktenzeichen 12 S 1336/09)

AG Landshut (Entscheidung vom 09.04.2009; Aktenzeichen 2 C 2055/08)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Landshut vom 15.1.2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um die Verjährung eines Anspruches auf Rückzahlung eines Dispositionskredits.

Rz. 2

Mit Verbraucherdarlehensvertrag vom 26.4.2000 räumte die Klägerin der Beklagten einen Dispositionskredit i.H.v. 4.100 EUR für ein bei ihr geführtes Girokonto ein. Die Beklagte nahm diesen Kredit ab dem 6.8.2002 über den vereinbarten Rahmen hinaus in Anspruch. Nachdem sie mehreren Aufforderungen der Klägerin zur Rückführung der Kontoüberziehung nicht nachgekommen war, sandte ihr die Klägerin unter dem 30.10.2002 ein Schreiben, dessen Zugang die Beklagte bestreitet. Darin wies die Klägerin auf die bestehende Überziehung des Kredits hin und kündigte das Girokonto zum 18.12.2002. Die Klägerin übermittelte der Beklagten ferner am 20.12.2002 ein vor Jahresende 2002 zugegangenes Schreiben, in dem sie unter dem Betreff "Beendigung der Geschäftsverbindung und Mahnung" mitteilte, dass sie das Girokonto aufgelöst und die sich daraus ergebende Forderung einem Rechtsanwalt zum Einzug übergeben habe.

Rz. 3

Am 31.7.2008 erwirkte die Klägerin einen Mahnbescheid, der der Beklagten am 2.8.2008 zugestellt wurde. Nach Widerspruch der Beklagten begehrt die Klägerin den Ausgleich der im Schreiben vom 20.12.2002 bezifferten Forderung in unstreitiger Höhe von 4.431,99 EUR nebst Zinsen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht hat seine in juris veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Rz. 5

Die Klägerin habe gem. § 607 Abs. 1 BGB a.F. Anspruch auf Rückzahlung des Dispositionskredits. Der Anspruch sei nicht verjährt. Das Vertragsverhältnis der Parteien sei durch das Schreiben der Klägerin vom 20.12.2002, das der Beklagten, wie diese zugestanden habe, Ende des Jahres 2002 zugegangen sei, aus wichtigem Grund wirksam außerordentlich gekündigt worden, nachdem die Beklagte mehreren Aufforderungen zum Ausgleich ihres Kontos nicht nachgekommen sei. Die gem. § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist für den Rückzahlungsanspruch der Klägerin habe mit Ablauf des 31.12.2002 zu laufen begonnen. Auf den am 1.1.2002 noch bestehenden Darlehensvertrag der Parteien sei ab diesem Zeitpunkt jedoch die Vorschrift des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. mit der Folge anzuwenden, dass die Verjährung des Rückzahlungsanspruches vom Eintritt des Verzuges der Beklagten an gehemmt sei. Der Eintritt des Verzuges i.S.v. § 497 BGB a.F. sei nach § 286 BGB zu bestimmen, wonach der Schuldner durch eine nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgende Mahnung des Gläubigers in Verzug komme. Der Gläubiger könne jedoch die Mahnung mit seiner die Fälligkeit begründenden Handlung verbinden. Eine hiervon abweichende Handhabung des Verzuges i.S.v. § 497 BGB a.F. unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes sei nicht geboten, denn § 286 Abs. 1 BGB regele keine zwingende Reihenfolge von Fälligstellung und Mahnung; beide könnten vielmehr zusammenfallen. Der von § 497 BGB a.F. bezweckte Schuldnerschutz erfordere nur, dass der Darlehensnehmer Klarheit darüber erlange, dass er zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sei. Dies könne durch ein einziges Schreiben des Darlehensgebers, das die Kündigung des Darlehens und die Mahnung enthalte, erreicht werden. Diese Voraussetzungen erfülle das Schreiben vom 20.12.2002, in dem die Klägerin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie den Darlehensvertrag kündige und gleichzeitig den Sollsaldo zur Zahlung anmahne.

II.

Rz. 6

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg, so dass sie zurückzuweisen ist.

Rz. 7

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 607 Abs. 1 BGB a.F. auf Rückzahlung des Dispositionskredits in der unstreitigen Höhe von 4.431,99 EUR nicht verjährt ist, weil die Verjährung gem. § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. gehemmt ist, seitdem der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 20.12.2002 vor Ablauf des Jahres 2002 zugegangen ist.

Rz. 8

1. Nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der vorbezeichnete Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin mit dem Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 20.12.2002 noch vor dem 31.12.2002 gem. §§ 609 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB a.F. analog entstanden und fällig geworden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 199 Rz. 4).

Rz. 9

Dies ist - wovon das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend ausgegangen ist - nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung zu beurteilen, denn bei dem Kreditverhältnis der Parteien handelt es sich um ein vor dem 1.1.2003 beendetes Dauerschuldverhältnis und der Rückzahlungsanspruch der Klägerin war vor dem 31.12.2002 zu erfüllen. Auf derartige Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des BGH ungeachtet der Überleitungsvorschrift in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB weiterhin das vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 geltende Recht anzuwenden (BGH, Urt. v. 13.7.2007 - V ZR 189/06, WM 2007, 2124, Tz. 9).

Rz. 10

2. Anders verhält es sich jedoch - wovon auch das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - hinsichtlich der Frage der Verjährung des hier in Rede stehenden Rückzahlungsanspruches. Diese ist gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung zu beurteilen. Die Verjährungsfrist für den Rückzahlungsanspruch der Klägerin betrug folglich gem. § 195 BGB drei Jahre. Sie hat, da die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB noch vor dem 31.12.2002 vorlagen, mit Ablauf dieses Tages begonnen und hätte ohne das Hinzutreten weiterer Umstände mit Ablauf des 31.12.2005 geendet.

Rz. 11

3. Einen solchen Umstand hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision rechtsfehlerfrei darin gesehen, dass § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. auf den streitgegenständlichen Darlehensrückzahlungsanspruch anzuwenden ist und dessen Verjährung deshalb zumindest seit dem 1.1.2003 gehemmt war.

Rz. 12

a) Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien über die Einräumung des Dispositionskredits unterfällt dieser Vorschrift, denn die Beklagte ist Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB.

Rz. 13

b) Anders als die Revision meint, ist die Beklagte durch die Mahnung, die nach der unangegriffenen tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts in dem Kündigungsschreiben der Klägerin vom 20.12.2002 enthalten ist, wirksam i.S.v. § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verzug gesetzt worden. Insbesondere gebietet der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des Verbraucherdarlehensrechts verfolgte Schuldnerschutz keine Auslegung von § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend, dass Fälligstellung und Mahnung im Rahmen von § 497 BGB a.F. nicht verzugsbegründend verbunden werden können.

Rz. 14

aa) Es entspricht der heute ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass es zur Herbeiführung des Schuldnerverzuges einer Mahnung des Gläubigers bedarf, die zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit wirksam erfolgen kann, jedoch ausnahmsweise mit der die Fälligkeit begründenden Handlung des Gläubigers verbunden werden darf (RGZ 50, 255, 261; BGHZ 174, 77, Tz. 11; BGH, Urt. v. 14.7.1970 - VIII ZR 12/69, WM 1970, 1141; v. 4.7.2001 - VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012, 2014; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rz. 16; Erman/Hager, BGB, 12. Aufl., § 286 Rz. 34; PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 5. Aufl., § 286 Rz. 11; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 286 Rz. 20; Ernst in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 286 Rz. 52; Unberath in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 286 Rz. 24; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 284 Rz. 29; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2009), § 286 Rz. 43).

Rz. 15

bb) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes von § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F.

Rz. 16

Zweck dieser Vorschrift ist es, für den Bereich fälliger nicht titulierter Darlehensrückzahlungsansprüche sowie nicht titulierter Ansprüche auf Rückstände von Zinsen zu vermeiden, dass der Darlehensgeber allein zur Verhinderung der kurzen dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB die Titulierung betreibt, was die Schuldenlast des Darlehensnehmers noch weiter erhöhen würde (BT-Drucks. 14/6857, 66). Das hat mit der hier in Rede stehenden Frage des Verzugseintritts ersichtlich nichts zu tun.

Rz. 17

c) Anders als die Revision meint, ist das Berufungsgericht überdies auch zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus dem Urteil des III. Zivilsenats des BGH vom 25.10.2007 (III ZR 91/07, BGHZ 174, 77 ff.) nichts anderes ergibt, soweit die streitige Rückzahlungsforderung aus einem Verbraucherdarlehensvertrag resultiert.

Rz. 18

aa) Nach dieser Entscheidung, die im Übrigen die oben (unter II. 3. a) aa)) angeführte ganz herrschende Meinung ausdrücklich gutheißt, vermag allein die erstmalige Zusendung einer Rechnung über eine Entgeltforderung i.S.v. § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der einseitigen Bestimmung eines Zahlungszieles durch den Gläubiger den Schuldnerverzug eines Verbrauchers nicht zu begründen, wenn die Rechnung keinen Hinweis auf den Verzugseintritt oder ähnliche Zusätze enthält (BGHZ 174, 77, Tz. 11).

Rz. 19

bb) Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar, denn hier beruft sich die Klägerin nicht auf einen Verzug der Beklagten 30 Tage nach Fälligkeit und Rechnungszugang, sondern auf ihre im Schreiben vom 20.12.2002 nach der unangegriffenen tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts neben der Fälligstellung enthaltene Mahnung. Die Beklagte wurde damit durch eine Mahnung gem. § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 286 Abs. 1 BGB) in Verzug gesetzt. Dies entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach durch die Neuregelung von § 286 BGB - anders als durch die in § 284 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. geregelte Ausnahme - auch für Geldforderungen wieder das Mahnungssystem gelten und dieses durch die 30-Tage-Regelung lediglich ergänzt werden soll. Der Verzug kann mithin nach der ab dem 1.1.2002 geltenden Rechtslage bei einer Geldforderung wieder durch Mahnung eintreten (BT-Drucks. 14/6040, 146).

Rz. 20

4. Die Verjährung des Darlehensrückzahlungsanspruches der Klägerin ist damit ab dem 1.1.2003 gehemmt. Durch die Zustellung des Mahnbescheides am 2.8.2008 ist die Verjährung zusätzlich gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2372708

BB 2010, 1994

NJW 2010, 2940

EBE/BGH 2010, 261

EWiR 2010, 733

JurBüro 2010, 669

WM 2010, 1596

WuB 2010, 719

ZIP 2010, 1635

MDR 2010, 1134

VuR 2011, 16

BKR 2010, 483

ZBB 2010, 430

FMP 2011, 22

Kreditwesen 2011, 79

LL 2010, 719

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