Leitsatz (amtlich)

Zu den Pflichten eines von dem Vermittler von Börsentermingeschäften eingeschalteten Rechtsanwalts, über dessen Treuhandkonto die Einzahlungen der Anleger zu deren "Sicherheit" weiterzuleiten waren.

 

Normenkette

BGB §§ 328, 675

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 29.11.2002)

LG Hamburg

 

Tenor

Die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des OLG Hamburg, 12. Zivilsenat, v. 29.11.2002 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin erteilte in der Zeit v. 12.10.1995 bis zum 22.8.1996 der M.H.F. in H. (im Folgenden: M.H.F.) eine Vielzahl von Aufträgen zur Vermittlung und Besorgung von Börsenspekulationsgeschäften. Sie investierte hierfür insgesamt 2.070.000 DM, die - bis auf eine Auszahlung von 12.278,28 DM - sämtlich verloren gingen. Bei der M.H.F. handelte es sich um ein betrügerisches Unternehmen: Sie erteilte zwar den Brokern Kaufaufträge, veräußerte aber die erworbenen Positionen alsbald wieder und verfügte über die Erlöse für eigene Zwecke, wobei sie den Anlegern durch manipulierte Kontoauszüge vorspiegelte, die betreffenden Ankäufe hätten zu Verlusten geführt. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten, einen Rechtsanwalt, der bei den Einzahlungen der Anleger als Treuhänder eingeschaltet war, auf Schadensersatz - wegen des am 9.2.1996 eingezahlten Betrages von 429.000 DM - in Anspruch.

In einem Prospekt der M.H.F. über die von ihr zu vermittelnden Geldanlagen hieß es unter dem Stichwort "Kapitaltransfer":

"... Grundsätzlich sind Ihre Zahlungen über ein Rechtsanwalts-Anderkonto bzw. Treuhandkonto zu leiten. Dies geschieht ... zu Ihrer Sicherheit!"

Danach folgte im Prospekt der Hinweis darauf, dass das Kapital auf ein unter dem Namen der M.H.F. beim Broker geführtes "Omnibus-Konto" weitergeleitet werde.

Vor den einzelnen Transaktionen übermittelte die M.H.F. der Klägerin (regelmäßig per Fax) jeweils eine formularmäßige - mit ihrem Briefkopf versehene - "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung", wonach die Zahlungen auf ein bestimmtes Rechtsanwaltsanderkonto des Beklagten zu leisten waren und der Beklagte angewiesen wurde, das Kapital umgehend an den von der M.H.F. beauftragten Broker weiterzuleiten. Weiter hieß es in diesem, von der Klägerin jeweils unterzeichneten Schriftstück:

"Die mit der vorbezeichneten Verwahrungstätigkeit des Rechtsanwalts verbundenen Gebühren und Auslagen einschließlich der Kontoführungsgebühren werden von der M.H.F. GmbH getragen.

Die Aufgabe des Rechtsanwalts erstreckt sich lediglich auf die weisungsgemäße Weiterleitung der Zahlungen. Der Rechtsanwalt haftet ausschließlich für die ordnungsgemäße Erfüllung des ihm erteilten Treuhandauftrages.

Dem Kunden zustehende Guthaben werden nach Vertragsabwicklung und Auszahlungsorder auf Grund von der M.H.F. GmbH unwiderruflich erteilter Weisung von dem Broker auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen. Der Rechtsanwalt wird den Betrag in voller Höhe unverzüglich an den Kunden weiterleiten. Die mit dieser Tätigkeit des Rechtsanwaltes verbundenen Gebühren und Auslagen werden von der M.H.F. GmbH getragen."

Die ab dem 31.1.1996 unterzeichneten Formulare enthielten den vorstehenden Absatz "Dem Kunden zustehende Guthaben ..." nicht mehr. Dieser Absatz war von da ab durch folgenden Passus ersetzt:

"Der Kunde wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluss auf Gewinnchancen und Verlustrisiken der vom Kunden beabsichtigten Spekulationsgeschäfte hat."

Die Klägerin sandte das unterschriebene Exemplar jeweils an die M.H.F., die es anschließend dem Beklagten übermittelte, von dem dann die Weiterleitung des Geldes vom Rechtsanwaltsanderkonto auf das Brokerkonto verfügt wurde.

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe nicht nur die Pflicht gehabt, das von ihr überwiesene Geld auf eines der Broker-Konten weiterzuleiten, sondern auch, den ordnungsgemäßen Rückfluss der Gelder vom Broker auf die Anlegerkonten zu überwachen. Darauf habe sie vertraut; wenn sie gewusst hätte, dass der Beklagte keine Kontrolle über den Rückfluss der Gelder habe, hätte sie die Investitionen nicht getätigt.

Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr auf die Berufung der Klägerin i. H. v. 208.360,86 DM (= 106.533,21 EUR) zzgl. Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben und das Rechtsmittel im Übrigen - unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin - zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihren Klageantrag, soweit er abgewiesen worden ist, i. H. v. 208.360,86 DM (= 106.533,21 EUR) weiter.

 

Entscheidungsgründe

Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, durch die Art und Weise, in der die M.H.F. den Beklagten zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Anlageinteressenten eingeschaltet hatte, sei zwischen diesen beiden ein Vertrag zu Gunsten der Klägerin geschlossen worden:

Es habe zwischen der M.H.F. und dem Beklagten eine über einen längeren Zeitraum dauernde Geschäftsbeziehung bestanden, die auf entgeltliche Dienstleistungen gerichtet gewesen sei. Dabei habe die M.H.F. mit der Beauftragung des Beklagten zugleich ihre sich aus dem Prospekt ergebende Verpflichtung erfüllt, wonach die Zahlungen der Anleger zu deren "Sicherheit" über ein Rechtsanwaltsanderkonto hätten erfolgen sollen. Die Rechtsbeziehungen zwischen der M.H.F. und dem Beklagten seien im Zusammenhang mit der "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" zu sehen. Da mit dieser die zugesicherte Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto umgesetzt worden sei, sei durch sie für den Anleger ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden: Die unter dem 10.11.1995 und 7.12.1995 unterzeichneten Vereinbarungen hätten in ihrem dritten Absatz ausdrücklich den Rückfluss von Geldern geregelt. Auch dieser habe nach durch die M.H.F. unwiderruflich erteilter Weisung ebenfalls über ein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollen. Damit sei nach dem gewählten Text für den Kunden sichergestellt gewesen, dass die M.H.F. mit den Geldern, welche er zu investieren beabsichtigte und welche er als Erlös zu erhalten hoffte, überhaupt nicht in Berührung kommen konnte. Der Anleger wäre dann zwar den generell mit Börsentermingeschäften verbundenen Risiken ausgesetzt gewesen, nicht aber dem eines direkten Missbrauchs ihres Geldes durch die M.H.F. Das Sicherungsziel sei damit gerade auf das Risiko gerichtet gewesen, welches sich später verwirklicht habe; dass nämlich die M.H.F. bzw. die für diese tätigen Personen direkten Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten. Der Treuhandauftrag des Beklagten sei damit nicht nur darauf gerichtet gewesen, die Gelder ordnungsgemäß an den Broker weiterzuleiten, sondern auch darauf, dafür zu sorgen, dass rücklaufende Gelder gerade nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto überwiesen würden. Dies hätte dadurch geschehen können, dass der Beklagte mit den jeweiligen Brokern eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätte, dass diese sich zu einer Überweisung von Rückläufen ausschließlich an ihn verpflichtet hätten. Der Beklagte hätte weiter sicherstellen müssen, dass die M.H.F. den Brokern die weiter im vierten Absatz der "Vereinbarung" vorgesehene unwiderrufliche Weisung für dem Kunden zustehende Guthaben erteilt hatte. Aus diesem Zusammenspiel zwischen dem Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten und der jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" ergäben sich auch hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die vertragliche Beziehung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten als Vertrag zu Gunsten Dritter - hier zu Gunsten der Klägerin - zu qualifizieren sei.

Gegen die sich aus diesem Vertragsverhältnis ergebenden Verpflichtungen habe der Beklagte verstoßen, indem er die erforderlichen Sicherungsabreden mit dem Broker nicht getroffen und die Klägerin davon nicht unterrichtet habe. Darauf, dass spätestens seit dem 31.1.1996 der den Rückfluss betreffende Passus aus der "Vereinbarung" gestrichen und durch einen anderen Text ersetzt wurde, könne sich der Beklagte nicht berufen. Eine Veränderung in einem derart entscheidenden Punkt hätte die M.H.F., in gleichem Maße aber auch der Beklagte, der Klägerin anzeigen müssen; sich nunmehr, nachdem sich gerade das Risiko verwirklicht habe, welches durch die Vereinbarung habe ausgeschaltet werden sollen, auf diese Veränderung zu berufen, sei unredlich. Wäre die Klägerin von der Veränderung des Formulars in hinreichender Weise informiert worden, so hätte sie - davon ist das Berufungsgericht überzeugt - von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9.2.1996 Abstand genommen. Der Schaden der Klägerin belaufe sich also auf 429.000 DM abzgl. der an sie zurückgeflossenen 12.278,28 DM.

Im Hinblick auf ein Mitverschulden der Klägerin sei jedoch die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes auf die Hälfte zu reduzieren: Es könne nicht übersehen werden, dass die Klägerin durch sorgfältige Lektüre des ihr übersandten Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" hätte erkennen können, dass die bisher gehandhabte Praxis sich verändert hatte. Zwar sei es seitens der M.H.F. unredlich gewesen, der Klägerin ohne weitere Erläuterung ein auf den ersten Blick unverändertes Formular zu übersenden. Indes habe doch "eine gewisse Warnfunktion" darin gelegen, ihr jeweils ein neues Formular zu übersenden und dieses für jede Investition von ihr unterschreiben zu lassen. Die Klägerin könne sich daher nicht völlig auf die mangelnde Information durch die M.H.F. und den Beklagten berufen, sondern müsse sich ihren Leichtsinn im Umgang mit derart hohen Summen zurechnen lassen.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Revision des Beklagten

a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht "überdehne" den Inhalt der zwischen der M.H.F. und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung sowohl in Bezug auf deren persönliche als auch deren sachliche Reichweite. Weder sei die Vereinbarung ein echter Vertrag zu Gunsten der Klägerin oder ein solcher mit Schutzwirkung zu Gunsten der Klägerin, noch liege eine Pflichtverletzung des Beklagten vor. Durchgreifende Rechtsfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revision hierbei jedoch nicht auf.

aa) Die Auslegung der Vereinbarung zwischen der M.H.F. und dem Beklagten über die Abwicklung der Einzahlungen durch den Tatrichter als Vertrag zu Gunsten der Einzahler/Anleger (§ 328 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1994 - III ZR 93/93, NJW 1995, 1025; und v. 30.10.2003 - III ZR 344/02, BGHReport 2004, 92 = MDR 2004, 345 = WM 2003, 2382 [2383]) oder jedenfalls als Vertrag mit Schutzwirkung zu deren Gunsten (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2001 - III ZR 288/00, BGHReport 2004, 92 = MDR 2004, 345 = WM 2001, 2262 [2266]; OLG Hamburg v. 28.4.2000 - 11 U 65/99, WM 2001, 299 [302]; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 328 Rz. 16 ff., 17a, 34) ist möglich. Der Tatrichter durfte aus dem "Zusammenspiel" zwischen dem Vertrag der M.H.F. mit dem Beklagten und den jeweils neu unterzeichneten "Vereinbarung(en) über die Zahlungsabwicklung" die erforderlichen Anhaltspunkte für den Willen der Vertragsparteien (der M.H.F. und des Beklagten) entnehmen, dass dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis eines Dritten Rechnung getragen werden sollte. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze oder das Außerachtlassen wesentlichen Verfahrensstoffs durch das Berufungsgericht wird von der Revision nicht dargelegt. Sie versucht im Kern lediglich ihre eigene Auslegung - der Beklagte sei in Bezug auf die Zahlungsabwicklung lediglich "der weisungsabhängige Erfüllungsgehilfe der M.H.F." gewesen; eine selbstständige Aufgabe sei ihm nicht zugekommen - in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. An der Auslegung des Berufungsgerichts führt schon deshalb nichts vorbei, weil der wesentliche Grund für die Einschaltung des Beklagten (eines Rechtsanwalts) und die Einrichtung eines Treuhandkontos nicht darin lag, die M.H.F. bei der Weiterleitung für Börsenspekulationen bestimmter eingehender oder ggf. an die Anleger zurückfließender Gelder zu entlasten, sondern darin, den Anlageinteressenten eine "Sicherheit" der Art bereitzustellen, wie sie in dem Prospekt der M.H.F. ausdrücklich angesprochen wurde. Diese "Sicherheit" war den Anlageinteressenten - auch und gerade, um die Anlagebereitschaft zu fördern - in erster Linie im Blick auf ein etwaiges Fehlverhalten (und eine etwaige anschließende Zahlungsunfähigkeit) des unmittelbaren Vertragspartners der Anleger, also der Vermittlerfirma selbst, zu geben. Schon deshalb verfängt die Argumentation der Revision nicht, die Klägerin sei - was ein maßgebliches Kriterien für einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der Klägerin angeht - überhaupt nicht schutzwürdig gewesen, weil sie ggf. eigene vertragliche Ansprüche gegen ihre Vertragspartnerin, die M.H.F., habe. Dem Drittschutz, den das Berufungsgericht dem vorliegenden Vertrag zwischen der M.H.F. und dem Beklagten entnimmt, steht in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht die (teilweise) Gegenläufigkeit der Interessen des Vertragschließenden (Auftraggebers) und des Dritten entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994 - III ZR 50/94, BGHZ 127, 378 = MDR 1995, 354; v. 20.3.1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 [168 f.] = AG 1995, 368 = GmbHR 1995, 665; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 328 Rz. 34).

bb) Ebenfalls um eine rechtsfehlerfreie und damit im Revisionsverfahren bindende tatrichterliche Beurteilung handelt es sich, soweit das Berufungsgericht annimmt, nach dem ursprünglichen Text der von der M.H.F. in den Verkehr gebrachten und auch von den Parteien verwendeten "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" sei der Treuhandauftrag des Beklagten auch darauf gerichtet gewesen, dafür zu sorgen, dass rücklaufende Gelder nicht an die M.H.F., sondern an ihn auf sein Rechtsanwaltsanderkonto, überwiesen würden, und die Klägerin habe auf Grund der unter dem 10.11. und 7.12.1995 unterzeichneten Vereinbarungen auf die Einhaltung dieser Verpflichtung - eines wesentlichen Bestandteils des gesamten "Sicherungssystems" - vertrauen dürfen.

Die Revision versucht auch in diesem Zusammenhang vergeblich, ihre eigene Auslegung, der Beklagte habe lediglich "dafür zu sorgen (gehabt), dass die bei ihm eingehenden Gelder ordnungsgemäß weitergeleitet werden", an die Stelle der Auslegung des Tatrichters zu setzen. Sie übergeht hierbei insb., dass der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in ein Sicherungssystem eingebunden worden war, wie es jedenfalls die Anlageinteressenten nach der Eigendarstellung der M.H.F. erwarten durften. Darauf, ob und in welchem Umfang der Beklagte tatsächlich in der Lage war, die von den Anlegern erwartete nötige "Sicherheit" für die von ihnen eingelegten Gelder zu gewährleisten, kommt es nicht entscheidend an. Wenn der Beklagte insoweit eine Sicherungslücke sah, hätte er sich in ein derartiges Sicherungssystem nicht einbinden lassen dürfen.

cc) Folgerichtig hat das Berufungsgericht den Beklagten für verpflichtet angesehen, nach der Änderung des für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" verwendeten Formulars - die nach dem Vortrag des Beklagten auf seinen eigenen Wunsch erfolgt sein soll, nicht mehr mit von den Brokern zurückfließenden Geldbeträgen befasst zu werden - die Klägerin, die sich auf dieses "Sicherungssystem" eingestellt hatte, darüber zu informieren, dass die Abwicklung der Rückläufe nicht mehr über das Anderkonto erfolgen werde.

Zu Unrecht meint die Revision, die Klägerin sei über diese Veränderung informiert worden, nämlich durch den geänderten Text des Formulars "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung". Ein hinreichender - deutlicher - Hinweis darauf, dass damit aus dem gesamten Sicherungssystem ein wesentlicher Bestandteil herausgenommen worden war, ergab sich hieraus nach dem Zusammenhang der Feststellungen des Berufungsgerichts für die Klägerin nicht. Zwar fehlte in dem neuen Formular der Passus betreffend die Behandlung der von dem Broker zurückfließenden Gelder. Die Streichung erfolgte aber ohne jede (warnende) Erläuterung. Der als "Ersatz" eingesetzte Passus, wonach die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Rechtsanwaltsanderkonto keinen Einfluss auf Gewinnchancen und Verlustrisiken derartiger Spekulationsgeschäfte habe, sagte in dieser Richtung überhaupt nichts aus.

b) Hätte der Beklagte die Klägerin über die besagte Veränderung in hinreichender Weise informiert, so hätte, wie das Berufungsgericht in tatrichterlich einwandfreier Würdigung feststellt - wogegen die Revision auch keine begründeten Einwände erhebt -, die Klägerin von der Überweisung des hier in Rede stehenden Betrages von 429.000 DM am 9.2.1996 Abstand genommen.

Das Berufungsgericht durfte danach von einem ursächlich auf die Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführenden Schaden der Klägerin in dieser Größenordnung - abzgl. an die Klägerin zurückgeflossener 12.278,28 DM - ausgehen.

Auf der Grundlage des Tatbestandes des Berufungsurteils - wonach die Klägerin die genannten Millionenbeträge über die M.H.F. investierte und verlor -, stellt die Revision auch ohne Erfolg zur Überprüfung, ob der Klägerin überhaupt ein Schaden entstanden sei.

2. Revision der Klägerin

a) Die Revision beanstandet, die Begründung des Berufungsgerichts trage nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens gegen die Klägerin. Wenn, wovon revisionsrechtlich auszugehen sei, das neue Formular für die "Vereinbarung über die Zahlungsabwicklung" den maßgeblichen Pflichtenumfang des Beklagten nicht geändert habe und der Beklagte weiterhin verpflichtet gewesen sei, auch den Geldrückfluss zu kontrollieren, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass die M.H.F. bzw. die dort Tätigen direkt Zugriff auf das Geld bzw. seinen Rücklauf nehmen konnten, sei begründungsbedürftig, wieso die Klägerin - die auch nach der Ansicht des Berufungsgerichts nicht etwa von einer veränderten Pflichtenstellung ausgegangen sei - einen veränderten Pflichtenumfang hätte annehmen müssen. Eine Obliegenheitsverletzung, die zur Minderung des Anspruchs nach § 254 BGB führe, könne nicht vorliegen, wenn der Geschädigte die an ihn gerichtete Mitteilung nicht anders verstehe, als es ein als Kollegialgericht besetztes Gericht nach Auslegung für richtig halte.

b) Diese Erwägungen treffen nicht den Kern der Begründung des Berufungsgerichts für das von ihm angenommene Mitverschulden der Klägerin.

Während das Berufungsgericht die schadensursächliche Pflichtverletzung des Beklagten darin sieht, dass er die Klägerin nicht darüber informiert hat, dass die Abwicklung der Rückläufe nicht (mehr) über sein Rechtsanwaltsanderkonto erfolgen sollte, lastet es der Klägerin als Mitverschulden an, dass sie mangels sorgfältiger Lektüre des ihr übersandten (neuen) Formulars die Veränderung der bisher gehandhabten Praxis - fahrlässig - nicht erkannt hat.

Letzteres steht nicht in Widerspruch zu der vorausgehenden Würdigung des Berufungsgerichts, wonach sich - -der Sache nach - aus der bisherigen Vertragsgestaltung und der bisher gehandhabten Praxis für die Klägerin eine gewisse "Vertrauensgrundlage" in Richtung auf die Behandlung (auch) zukünftiger Einzahlungen ergeben hatte. Wenn nach dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts eine solche "Vertrauensgrundlage" für die Klägerin (weiter-) bestand, so schließt dies nicht den nach § 254 BGB relevanten Vorwurf an diese aus, sie hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus der Änderung des Formulars erkennen können, dass die bisherige Praxis sich verändert hatte. Es handelt sich um unterschiedliche Zurechnungsebenen, vergleichbar etwa der Rechtslage bei Amtshaftungsansprüchen wegen Erteilung einer rechtswidrigen behördlichen Genehmigung: Die Eignung einer solchen rechtswidrigen Genehmigung als amtshaftungsrechtlich relevante Vertrauensgrundlage (etwa für Aufwendungen des Begünstigten, die sich dann als fehlgeschlagen erweisen) - und die darauf gründende grundsätzliche Bejahung des haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhangs zwischen der Amtspflichtsverletzung und dem Schaden - lässt die Möglichkeit einer (teilweisen) Risikoüberwälzung auf den Begünstigten nach § 254 BGB unberührt (vgl. nur BGH v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, BGHZ 134, 268 [296 f.] = MDR 1997, 352).

Die Gewichtung des Mitverschuldens im Übrigen ist Sache des Tatrichters. Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1162567

DStZ 2004, 463

BGHR 2004, 1133

EBE/BGH 2004, 198

NJW-RR 2004, 1356

WM 2004, 1287

WuB 2004, 869

ZIP 2004, 1154

VersR 2005, 562

ZBB 2004, 318

BRAK-Mitt. 2004, 263

JWO-VerbrR 2004, 201

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