Leitsatz (amtlich)

Die formlose Einwilligung des vertragsmäßig bedachten Vertragspartners eines Erbvertrages in eine seine Rechte beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen ist nicht geeignet, eine solche wirksam werden zu lassen (Abweichung von RGZ 134, 325, 327). Eine derartige Einwilligung nimmt ihm auch nicht den Schutz des § 2287 BGB. Sie kann aber ausnahmsweise den Arglisteinwand begründen.

 

Normenkette

BGB §§ 2289, 2287

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Teilurteil vom 15.04.1988)

LG Trier

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. April 1988 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Aufgrund Erbvertrages vom 28. November 1954 ist der Kläger Alleinerbe seiner am 30. April 1985 verstorbenen Ehefrau (Erblasserin). Der Kläger und seine Ehefrau waren Miteigentümer zu je 1/2 eines Hausgrundstücks in B., auf dem die Familie bis Oktober 1984 gemeinsam lebte; danach zog die Erblasserin zusammen mit ihrer Tochter (Beklagte zu 2)), deren Ehemann (Beklagter zu 1)) und deren Kindern nach Tr. Zu der Trennung war es gekommen, nachdem die Erblasserin ihren Hälfteanteil an dem genannten Grundstück aufgrund Übergabevertrages vom 18. März 1983 unter Nießbrauchsvorbehalt unentgeltlich zu gleichen Teilen an die Beklagten übereignet hatte. Mit Vertrag vom 16. Januar 1985 schenkte die Erblasserin den Beklagten ferner ihren Hälfteanteil an einem weiteren Grundstück in Beuren.

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Auflassung der Grundstücksbruchteile an sich, sowie Umschreibungsbewilligung, zuletzt gegen die Beklagte zu 2) Zug um Zug gegen Zahlung eines Pflichtteils von 15.000 DM. Die Beklagten bestreiten, daß die Erblasserin in der Absicht gehandelt habe, den Kläger zu benachteiligen; sie hätten die Erblasserin von 1983 bis 1985 gepflegt und versorgt. Außerdem habe der Kläger sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß die Erblasserin ihren Hälfteanteil an dem Hausgrundstück an die Beklagten übereignet habe. Ferner berufen die Beklagten sich auf Gegenansprüche, die sie insbesondere aus Verwendungen auf das Haus ableiten (Bl. 117, 154, 242 d.A.).

Das Landgericht hat die Klage für unbegründet gehalten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit dieser Auflassung und Umschreibung bezüglich der Anteile an dem Hausgrundstück begehrt. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Übereignung der Anteile der Beklagten an dem Hausgrundstück aus § 2287 BGB, weil der Kläger die Verfügung seiner Ehefrau zugunsten der Beklagten gutgeheißen habe. Diese Feststellung stützt das Berufungsgericht maßgeblich auf die Aussage des Zeugen T., der eidlich bekundet habe, anläßlich des 50. Geburtstages des Beklagten zu 1) habe die Erblasserin im Familienkreis die Sprache darauf gebracht, daß dieser trotz langjähriger Mitarbeit im Betrieb des Klägers noch ungesichert sei; deshalb wolle sie ihm ihren Hausanteil übertragen. Darauf habe der Kläger gesagt, es sei sehr schön, wenn seine Frau die Hälfte auf den Schwiegersohn überschreibe. Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.

1. Die Erblasserin war durch den Erbvertrag mit dem Kläger vom 28. November 1954 auf die dort vereinbarte (vertragsmäßig verfügte) Erbfolge festgelegt; spätere Verfügungen der Erblasserin von Todes wegen wären, soweit sie die Rechte des zum Vertragserben eingesetzten Klägers beeinträchtigt hätten, gemäß § 2289 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen. Wollte die Erblasserin sich von dieser Bindung nachträglich wieder lösen und ihre Testierfreiheit – ganz oder teilweise – wieder erlangen, dann bedurfte es dazu einer entsprechenden Aufhebung des Erbvertrages nach § 2290, § 2291 oder § 2292 BGB. Eine solche Aufhebung ist nicht zustande gekommen.

a) Soweit darüber hinaus die Auffassung vertreten wird, auch die formlose Einwilligung des vertragsmäßig bedachten Vertragspartners in eine seine Rechte beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen sei geeignet, den Erblasser von seiner Bindung zu befreien und weitere Verfügungen von Todes wegen – im Rahmen der Einwilligung – trotz § 2289 Abs. 1 BGB wirksam werden zu lassen, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Die Frage ist umstritten. Während das Reichsgericht (RGZ 134, 325, 327; DJ 1938, 1368, 1369) und im Ergebnis im entschiedenen Falle auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes – dieser unter Zuhilfenahme des Arglisteinwandes – (Urteil vom 28. April 1958 – III ZR 98/56 – LM BGB § 2271 Nr. 7) eine formlose Zustimmung haben ausreichen lassen, hat der erkennende Senat die Frage im Anschluß an die Rechtsprechung des früheren IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 7. Dezember 1977 – IV ZR 20/76 LM BGB § 1829 Nr. 5) ausdrücklich offengelassen (BGHZ 83, 44, 49). Er entscheidet die Frage nunmehr dahin, daß die formlose Zustimmung insoweit nicht ausreicht.

Die gegenteilige Rechtsprechung des Reichsgerichts nimmt nicht genügend Bedacht darauf, daß das Gesetz sowohl die Aufhebung eines Erbvertrages als auch den Verzicht auf berechtigte Erberwartungen (§ 2348 BGB) an die Einhaltung strenger Formvorschriften knüpft. Diesem Gesichtspunkt hat der Bundesgerichtshof besonderes Gewicht beigelegt. Demgemäß hat der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bereits in seiner in BGHZ 26, 204 veröffentlichten Grundsatzentscheidung ausgesprochen, daß die Freistellungsklausel, durch die dem Erblasser in einem Erbvertrag vorbehalten wird, über die Vergabe seines Nachlasses in bestimmtem Rahmen anders zu verfügen, als in dem Erbvertrag vorgesehen ist, der Form des § 2276 BGB bedarf. An dieser Entscheidung, die allgemeine Zustimmung gefunden hat (vgl. z.B. Coing, NJW 1958, 689, 692), ist im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit uneingeschränkt festzuhalten. Mit dieser Linie wäre es aber nicht vereinbar, RGZ 134, 325 aufrechtzuerhalten und die Bindung des Erblassers an seine vertragsmäßig verfügten Anordnungen bereits mit einer formlosen Zustimmung des Erbvertragspartners oder des Bedachten enden zu lassen (ebenso z.B. MK-Musielak, BGB § 2289 Rdn. 18; a.M. z.B. Erman/Hense, BGB 7. Aufl. § 2289 Rdn. 5).

b) Die hieran anschließende weitere Frage, ob die formlose Einwilligung des Vertragserben in eine ihn benachteiligende Schenkung unter Lebenden im Sinne von § 2287 BGB ihm jedenfalls (stets) den Schutz nach dieser Vorschrift nimmt, ist ebenfalls zu verneinen (vgl. dazu Nachweise in BGHZ 83, 44, 49). Gewiß ist es richtig, daß der Vertragserbe die Möglichkeit haben muß, auf den Schutz des § 2287 BGB auch vor dem Erbfall zu verzichten. Jedoch gebietet es die Nähe eines solchen Verzichts zum Erbverzicht (§§ 2346, 2352 BGB), insoweit auf die Einhaltung der Form des § 2348 BGB abzustellen. Diesen Weg ist der Senat bereits für die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung gemäß § 2347 Abs. 1 BGB gegangen (BGHZ 83, 44, 49f.). Auch der vorliegende Fall zeigt, daß es sowohl im Interesse der Rechtsklarheit als auch des Schutzes des (angeblich) Verzichtenden vor unüberlegten Äußerungen der notariellen Form bedarf.

c) Damit ist freilich nicht gesagt, daß dem Bedachten, der sich auf den Erbvertrag beruft, seine Zustimmung zu der ihn beeinträchtigenden späteren Verfügung nicht in einem Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Arglisteinwandes mit Erfolg entgegengehalten werden könnte (vgl. z.B. Staudinger/Kanzleiter, BGB 12. Aufl. § 2289 Rdn. 19).

3. Unter diesen Umständen muß die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob dem Kläger ausnahmsweise der Einwand der Arglist entgegengehalten werden kann. Dazu bedarf es einer weiteren Aufklärung insbesondere der Vorgänge am 10. März 1983 einschließlich der Vorgeschichte und der nachfolgenden Entwicklung. Sollte der Arglisteinwand im vorliegenden Fall nicht greifen, dann werden die Voraussetzungen des § 2287 BGB zu prüfen sein.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Rottmüller, Dr. Lang, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Zopfs

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 252

NJW 1989, 2618

FamRZ 1991, 552

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1990, 803

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