Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 21.05.1969)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 1969 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Ausweislich des schriftlichen Kaufvertrages vom 4. März 1968 kaufte die Klägerin von „Alfred D. in M.-R-S, G.straße …” ein gebrauchtes Kraftfahrzeug, für das sie 4.400 DM zahlte. Unter der angeführten Anschrift wohnen Vater und Sohn D., die den gleichen Vornamen „Alfred” tragen.

Die Klägerin hat den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises von 4.400 DM nebst Zinsen erhoben. Die Klageschrift wurde im Wege der Ersatzzustellung „der Mutter” übergeben. Es fand eine Beweisaufnahme statt, in der die Zeugen Re. und St. bekundeten, „der Vater des Beklagten” habe an den Kauf Verhandlungen teilgenommen und von dem Beklagten als dem Verkäufer des Autos gesprochen, Nachdem die Klägerin den Klageantrag auf 3.839,14 DM ermäßigt hatte, hat das Landgericht den Beklagten nach diesem Antrage verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten namens des Beklagten Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründungsschrift hat er ausgeführt, „richtiger” Beklagter sei Alfred D. sen. In der mündlichen Verhandlung hat er erklärt, er trete für diejenige Person auf, auf die sich das erstinstanzliche urteil als den Beklagten beziehe. Für diesen Beklagten sei die Berufung eingelegt und begründet worden. Er hat diese Erklärung weiterhin dahin erläutert, daß er für „Alfred D. jun.” auftrete und für ihn die Berufung eingelegt und begründet habe.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage, hilfsweise die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

Die Klägerin hat vom Prozeßbevollmächtigten des Beklagten die Vorlage einer Öffentlich beglaubigten Prozeßvollmacht verlangt, die dieser beigebracht hat. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

I. Gegen die ordnungsmäßige Bevollmächtigung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten hat die Klägerin nach Vorlage der öffentlich beglaubigten Vollmachtsurkunde keine Bedenken mehr erhoben, Der Senat hält die Prozeßbevollmächtigung daher für nachgewiesen. Damit erweist sich die Revision des Beklagten als zulässig.

II. Das Berufungsgericht hält die Berufung deshalb für unzulässig, weil die Berufungsbegründung in eindeutiger Weise nicht für den Beklagten, sondern für dessen, den gleichen Vornamen tragenden Vater abgegeben sei. In der Berufungsbegründungsschrift werde der Vater als der „richtige” Beklagte bezeichnet, und zwar nicht nur in dem Sinne, daß er anstelle des Sohnes hätte verklagt werden müssen, sondern erkennbar auch als der in dem „Prozesse Befangene”. Eine Berufungsbegründung müsse eindeutig erkennen lassen, von welcher Person sie abgegeben werde. Man könne nicht für oder gegen denjenigen, den es angehe, prozessieren.

III. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß dem Alfred D. jun. die Klage zugestellt worden ist und daß dieser von Anfang an der Beklagte dieses Rechtsstreits gewesen und diejenige Person ist, die von dem Urteilsausspruch erfaßt worden ist. Für ihn ist auch der Prozeßbevollmächtigte des ersten Rechtszuges aufgetreten, dessen Vollmacht unbestritten geblieben ist.

Aber auch die Berufung ist von dem für den zweiten Rechtszug bestellten Prozeßbevollmächtigten im Namen von Alfred D. jun. eingelegt worden, weil die Erklärungen in der Berufungsschrift für den Beklagten abgegeben worden sind, als der, wie ausgeführt wurde, nur Alfred D. jun, in Betracht kam. Das war für Gericht und Gegner eindeutig erkennbar. Zweifel konnten nicht entstehen. Die in der Rechtsprechung des öfteren behandelte Frage, welche rechtliche Bedeutung einer Parteiverwechslung oder der nicht eindeutigen Identifizierung des Rechtsmittelklägers zukommt (vgl. hierzu RGZ 96, 118; 144, 315; 125, 240; BAG in NJW 1960, 1319 und BGHZ 21, 168, 173), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Die Berufung ist, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, somit wirksam eingelegt worden.

Ist aber davon auszugehen, daß die Identität des Rechtomittelklägers feststeht, so besteht von vornherein die Vermutung dafür, daß sich die im Anschluß an die Berufungseinlegung eingereichte Berufungsbegründung auf diesen Rechtsmittelkläger bezieht und nicht auf einen Dritten, der nicht prozeßbefangen ist und den in den Rechtsstreit einzuführen, der bisherige Beklagte überhaupt keine rechtliche Handhabe besaß. An dieser Beurteilung würde sich auch dann nichts ändern, wenn der für den Rechtsmittelkläger auftretende Prozeßbevollmächtigte geglaubt haben sollte, Alfred D. sen. sei prozeßbefangen und damit auch: der Beklagte und die durch das angefochtene Urteil beschwerte Person, Solche subjektiven Vorstellungen des Prozeßbevollmächtigten wären für die nach objektiven Gesichtspunkten auszulegenden Erklärungen der Berufungsbegründung ohne Bedeutung.

Bei der Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten kommt der Vermutung, daß derjenige, der die Berufung eingelegt hat, auch die von seinem Prozeßbevollmächtigten eingereichte Begründung der Berufung abgeben will, ausschlaggebende Bedeutung zu. Um diese Vermutung zu widerlegen, bedarf es ganz gewichtiger Anhaltspunkte, die in erster Linie aus dem Inhalt der Berufungsbegründung zu entnehmen wären. Dabei ist zu bedenken, daß eine Erklärung des Prozeßbevollmächtigten, sei es in der Berufungsbegründungsschrift, sei es in einem späteren Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung, der Rechtsmittelkläger, für den er die Berufung eingelegt habe, sei gar nicht prozeßbefangen, er, der Prozeßbevollmächtigte, trete jetzt für einen Dritten auf, auf die Erklärung hinausliefe, die eingelegte Berufung werde nicht weiter verfolgt, ein Verhalten, das sinnwidrig wäre, wenn bedacht wird, daß die Berufung gerade dann Erfolg haben muß, wenn nicht der bisherige Beklagte, sondern eine andere Person als für den Rechtsstreit passiv legitimiert anzusehen ist. Es ist nicht angängig, dem Prozeßbevollmächtigten ein sinnwidriges Verhalten zu unterstellen. Da im übrigen Gericht und Gegner auch bei mißverständlicher Ausdrucksweise in der Berufungsbegründung bis zur ausdrücklichen Erklärung des Gegenteils nach Treu und Glauben nicht als berechtigt angesehen werden können, ein solch sinnwidriges Verhalten zu unterstellen, muß, wenn nicht der Inhalt der Berufungsbegründungsschrift dem eindeutig entgegensteht, dem Prozeßbevollmächtigten Gelegenheit gegeben werden, wie das Berufungsgericht das im übrigen auch getan hat, sich deutlich zu erklären.

Auch wenn eine solche erläuternde Erklärung, wie das hier der Fall ist, nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist abgegeben wird, muß sie entgegen der Annahme des Berufungsgerichts berücksichtigt werden. Dem steht nicht entgegen, daß die Rechtsprechung die zur Parteiidentifizierung notwendigen Erklärungen oder Urkunden bei der Prüfung des Berufungseinlegungsaktes nur berücksichtigt, wenn sie innerhalb der Berufungsfrist abgegeben werden oder eingehen (vgl. für die Vorlage des angefochtenen Urteils und den Eingang der Gerichtsakten die oben zitierten Urteile des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes). Denn vor Einlegung der Berufung steht der Rechtsmittelkläger noch nicht fest, während das in Fällen der vorliegenden Art gerade der Fall ist, so daß, wie ausgeführt wurde, bis zum Beweise des Gegenteils angenommen werden muß, daß als Urheber der Berufungsbegründung kein anderer infrage kommt als der Rechtsmittelkläger selbst.

Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung lasse keine andere Deutung als die von ihm angenommene zu, ist nicht zu folgen.

Wenn der Prozeßbevollmächtigte ausführt, Alfred D. sen, sei der richtige Beklagte, so läßt das zwanglos die Auslegung zu, es solle die Passivlegitimation des fälschlich verklagten Alfred D. jun, bestritten werden. Wenn alsdann an anderer Stelle der Beklagte Alfred D. jun. als Zeuge benannt wird, so ist auch hieraus nicht eine jeden Zweifel ausschließende Erklärung zu entnehmen, der Prozeßbevollmächtigte des Rechtsmittolklägers, dem, wie seine Ausführungen unter 2 d S. 2 der Berufungsbegründungsschrift erkennen lassen, bewußt war, daß Alfred D. jun. der Beklagte ist, wolle die Berufung für seinen Mandanten nicht weiter verfolgen. Deshalb ist die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, er trete für D. jun. auf, zu berücksichtigen. Sie ist geeignet, eindeutig klar zu stellen, daß die Berufungsbegründung von dem Rechtsmittelkläger ausgeht.

IV. Das Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haften. Es war aufzuheben und der Rechtsstreit war zur Verhandlung und Entscheidung in der Sache selbst an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Da die Entscheidung über die Kosten der Revision von der Sachentscheidung des Berufungsgerichts abhängt, war sie dem Berufungsgericht zu übertragen.

 

Unterschriften

Dr. Haidinger, Dr. Gelhaar, Dr. Messner, Mormann, Dr. Hiddemann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502288

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