Leitsatz (amtlich)

Die Zustellung an eine nicht vertretungsberechtigte Behörde unterbricht nicht die Verjährung.

 

Normenkette

BGB a.F. § 209 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.08.2002)

LG Wiesbaden

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 29.8.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn. Im Streit ist noch der Nachtrag N 11i. H. v. 554.141,94 DM.

Die Klägerin war von der Beklagten mit den Bauleistungen für eine Bundesstraße beauftragt. Im Verlauf des Vorhabens kam es zu mehreren Nachträgen. Nach Abnahme erstellte die Klägerin am 25.9.1996 die Schlussrechnung und übersandte diese an das Hessische Straßenbauamt in B. Dieses lehnte am 30.12.1997 die Begleichung des Nachtrages N 11 ab. Die von der Klägerin dagegen angerufene vorgesetzte Dienststelle, das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen, lehnte die Anerkennung des Nachtrags erstmals am 18.5.1998 ab und nach weiteren Widersprüchen erneut am 27.10.1998 und am 7.12.1998.

Am 24.12.1998 beantragte die Klägerin gegen die Beklagte, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, dieses vertreten durch die Straßenbauverwaltung des Landes Hessen, endvertreten durch das Amt für Straßen- und Verkehrswesen B., den Erlass eines Mahnbescheids. Der Mahnbescheid v. 7.1.1999 wurde dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen B. am 11.1.1999 zugestellt. Dieses legte am 18.1.1999 Widerspruch ein und teilte unter Angabe der Anschrift mit Schreiben vom gleichen Tage mit, dass das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen in W. endvertretende Behörde sei. Dieses Schreiben wurde auf Anforderung der Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten am 5.2.1999 übersandt, der es am 10.2.1999 erhielt.

Mit Schriftsatz v. 4.10.2000 hat die Klägerin unter erneuter Bezeichnung des Hessischen Amtes für Straßen- und Verkehrswesen B. als endvertretende Behörde den Anspruch begründet. Nach gerichtlichem Hinweis hat die Klägerin das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen W. als endvertretende Behörde benannt, der die Anspruchsbegründung am 17.11.2000 zugestellt wurde.

Nach Verweisung an das LG W. hat dieses die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Klägerin war ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die rechtliche Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen.

Der Senat ist gem. § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO an die Zulassung der Revision gebunden, obwohl ein Zulassungsgrund nicht genannt und auch nicht erkennbar ist.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Schlussrechnung v. 25.9.1996 sei unstreitig einige Tage später zugegangen. Daher sei die Klageforderung zwei Monate später, jedenfalls Anfang Dezember 1996 fällig geworden. Dass die Beklagte erst unter dem 30.11.1998 den Prüfvermerk auf die Schlussrechnung angebracht habe, ändere am Eintritt der Fälligkeit nichts. Objektive Gründe für ein Hinausschieben der Fälligkeit lägen nicht vor. Das Amt B. habe seit 13.5.1996 die Möglichkeit der Prüfung des Nachtrags N 11 gehabt. Auch wenn über die Genehmigung einzelner Nachträge noch nicht entschieden gewesen sei, sei von einer einheitlichen Fälligkeit auszugehen.

Die am 1.1.1997 beginnende Verjährungsfrist sei nicht durch die Beantragung des Mahnbescheids am 24.12.1998 unterbrochen worden. Der Mahnbescheid sei an die falsche endvertretende Behörde zugestellt worden. Die Zustellung an die vertretungsberechtigte Behörde, das Hessische Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen, am 17.11.2000 könne nicht mehr als "demnächst" i. S. d. § 270 Abs. 3 ZPO angesehen werden (gemeint i. S. v. § 693 Abs. 2 ZPO). Bei der Verzögerung der Zustellung habe ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin mitgewirkt. Ihr sei seit Mitteilung des Schreibens v. 18.1.1999 im Februar 1999 bekannt gewesen, dass das Amt in B. nicht endvertretende Behörde sei. Ohne Erfolg mache die Klägerin geltend, Adressat des Schreibens v. 18.1.1999 sei das Gericht gewesen. Dass eine Heilung durch Weiterleitung des Mahnbescheids gem. § 187 ZPO eingetreten sei, sei nicht dargetan.

Selbst wenn man wegen der Korrespondenz hinsichtlich des Nachtrags N 11 den Zeitraum v. 19.1. bis zum 27.10.1998 als Hemmungszeitraum einrechne, sei die Verjährung am 17.11.2000 abgelaufen gewesen.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Ohne Erfolg beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Parteien stillschweigend eine Verlängerung der in § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 VOB/B vorgesehenen Prüfungsfrist vereinbart hätten.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Werklohnforderung gem. § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B zwei Monate nach Zugang der prüffähigen Schlussrechnung v. 25.9.1996 fällig geworden ist. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 22.4.1982 - VII ZR 191/81, BGHZ 83, 382 = MDR 1982, 842 m. w. N.), dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Fälligkeit eintritt.

Die Parteien haben keine davon abweichende Vereinbarung über die Fälligkeit getroffen. Aus dem Verhalten der Parteien lässt sich weder ein stillschweigender Antrag auf einvernehmliche Änderung der Fälligkeit noch die Annahme eines derartigen Antrags entnehmen. Die Parteien haben lediglich über die Berechtigung der in der Schlussrechnung geltend gemachten Nachtragsforderungen verhandelt. Die Beklagte hat die Nachtragsforderungen geprüft und, soweit sie diese für berechtigt gehalten hat, jeweils ausbezahlt. Darin liegt keine stillschweigende Vereinbarung, die Fälligkeit der Werklohnforderung hinauszuschieben.

Soweit die Revision einen übereinstimmenden Willen daraus herleiten will, dass keine Verzugszinsen gezahlt oder verlangt worden seien, ist das unrichtig. Die Klägerin hat im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids Zinsen von 6,5 % seit 26.11.1996 und in erster Instanz 6,5 % Zinsen seit dem 30.12.1997 verlangt. In der Klagebegründung hat sie dazu ausgeführt, die Forderung sei zwei Monate nach Zugang der Schlussrechnung zu leisten gewesen und die Beklagte sei seit ihrer endgültigen Zahlungsverweigerung am 30.12.1997 in Verzug.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob die Verjährung durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids v. 24.12.1998 unterbrochen worden ist, davon ausgegangen ist, dass die Anspruchsbegründung nicht "demnächst" i. S. d. § 693 Abs. 2 ZPO zugestellt worden ist.

Gemäß § 693 Abs. 2 ZPO wäre die verjährungsunterbrechende Wirkung des Mahnbescheids bereits mit dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids am 24.12.1998 eingetreten, wenn dessen Zustellung "demnächst" erfolgt wäre. Nachdem der Mahnbescheid nicht der zuständigen Behörde zugestellt worden ist, hätte die Verjährung allenfalls durch die der zuständigen Behörde am 17.11.2000 zugestellte Anspruchsbegründung unterbrochen werden können.

Diese Zustellung ist nicht mehr als "demnächst" i. S. d. § 693 Abs. 2 ZPO anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 21.3.2002 - VII ZR 230/01, BGHZ 150, 221 = BGHReport 2002, 801 = MDR 2002, 1085) schadet eine geringfügige Verzögerung selbst dann nicht, wenn sie auf Nachlässigkeit einer Partei beruht. Die Klägerin hat eine erhebliche Verzögerung der Zustellung schuldhaft verursacht. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin war seit der am 10.2.1999 zugegangenen Mitteilung des Amtes für Straßen- und Verkehrswesen B. v. 11.1.1999 bekannt, dass dieses nicht die endvertretende Behörde war. Die Klägerin konnte ab diesem Zeitpunkt die Zustellung an die zuständige Behörde veranlassen. Dies ist nicht unverzüglich erfolgt.

Ohne Erfolg macht die Revision unter Bezug auf die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 17.3.1983 - III ZR 154/81, MDR 1983, 1002) geltend, ein für die Verzögerung mitursächliches Verhalten des Zustellungsempfängers liege vor, so dass das der Klägerin zurechenbare Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) unschädlich sei. Die Beklagte hat zu der Verzögerung nicht beigetragen. Das Amt für Straßen- und Verkehrswesen B. hat die zuständige endvertretende Behörde angegeben, so dass es der Klägerin möglich gewesen wäre, eine wirksame Zustellung alsbald zu veranlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1131025

DB 2004, 1725

BGHR 2004, 857

BauR 2004, 1002

EBE/BGH 2004, 1

EBE/BGH 2004, 122

FamRZ 2004, 861

NVwZ 2005, 847

IBR 2004, 304

WM 2004, 1647

ZfIR 2004, 610

DÖV 2005, 35

MDR 2004, 959

VersR 2004, 1278

ZfBR 2004, 451

BrBp 2004, 391

NJW-Spezial 2004, 72

NZBau 2004, 388

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