Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 15.03.1973)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das am 15. März 1973 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 13. Juni 1965 kam es auf der Autobahn Köln-Aachen, nachdem wolkenbruchartige Regenfälle niedergegangen waren, zu Serien-Unfällen, an denen u.a. der Beklagte und der bei der Erstklägerin sozial versicherte L. (im folgenden L.), Ehemann der Klägerin zu 2) und Vater der Kläger zu 3) und 4), mit ihren Kraftfahrzeugen beteiligt waren.

L. fuhr mit seinem VW 1500 auf der Überholspur der Autobahn in Richtung Aachen. In seinem Fahrzeug befanden sich die Kläger zu 2) – 4). Er überholte den Beklagten mit seinem Ford 17 M, der auf die rechte Fahrspur ausgewichen war. Der Beklagte setzte sich sogleich auf die Überholspur und folgte L. Bei Frechen näherten sie sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h einer Stelle, an der es bereits zu einem Unfall gekommen war. Die darin verwickelten Fahrzeuge waren überwiegend bereits auf die Standspur geschafft worden; jedoch ragte der auf den Grünstreifen der Autobahn geratene VW Variant des H. (im folgenden H.) mit seinem Heck etwa 1 m in die Überholspur hinein. L. geriet bei dem Versuch, das in die Fahrbahn hineinragende Heck des VW Variant zu umfahren, in eine Schleuderbewegung nach rechts, streifte den auf der rechten Fahrspur fahrenden Wagen des M. (im folgenden M.) und stellte sich quer zur Fahrbahn. Unmittelbar darauf fuhr in seine rechte Breitseite der Wagen des Beklagten, wobei L. hinausgeschleudert und gegen die Leitplanken geworfen wurde. Er verstarb einige Tage später an den Unfallfolgen. Die Kläger zu 2) bis 4) wurden zum Teil schwer verletzt. Auch entstand erheblicher Sachschaden.

Die Erstklägerin, die Bundesknappschaft, hat aus Anlaß des Unfalls Leistungen erbracht und erbringt diese weiterhin. Sie hat im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Erstattung in Höhe von 50 % aus übergegangenem Recht begehrt. Die Kläger zu 2) bis 4) haben Schadensersatzansprüche (Sachschaden, Heilbehandlungs- und Pflegekosten) aus eigenem Recht und als Erben des verstorbenen L. unter Anrechnung seines hälftigen Mitverschuldens geltend gemacht. Ferner haben die Kläger zu 2) und 3) ein Schmerzensgeld und die Feststellung künftiger Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 1/2 begehrt.

Der Beklagte hat sich auf Verjährung berufen und geltend gemacht, auf den Wagen des L. aufzufahren, sei für ihn unabwendbar gewesen.

Das Landgericht hat die geltend gemachten bezifferten Ansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Entscheidung über die Feststellungsanträge hat es dem Schlußurteil vorbehalten. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Einrede der Verjährung nicht durchgreift.

Da das Berufungsgericht die Schadensersatzansprüche der Kläger aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) dem Grunde nach für gerechtfertigt hält, was – wie unter II dargelegt wird – zu bestätigen ist, war allein auf den Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB und nicht auch – wie das Berufungsgericht es tut – auf die 2-jährige Verjährungsfrist des § 14 Abs. 1 StVG abzustellen. Da die Kläger zu 2) und 3) auch Schmerzensgeld verlangen, konnte das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts nur bestätigen, wenn Ansprüche aus §§ 823, 847 BGB nicht verjährt waren.

1. Zugunsten der Revision ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß die 3-jährige Verjährungsfrist bei Einreichen der beiden Klagen am 30. und 31. Januar 1969 abgelaufen gewesen war. Waren aber die aus unerlaubter Handlung geltend gemachten Ansprüche im Zeitpunkt des Schreibens des Haftpflichtversicherers des Beklagten vom 20. Dezember 1968 bereits verjährt, so konnten indes die Parteien (und der Haftpflichtversicherer des Beklagten) nachträglich rechtswirksam einen Verzicht auf Erhebung der Verjährungseinrede vereinbaren (RGZ 78, 130) und zwar auch in der Form, daß der Verzicht nur für einen gewissen Zeitraum (hier bis zum 31. Januar 1969) erklärt wird (s. Senatsurt. v.26. Juni 1962 – VI ZR 140/61 = VersR 1962, 809, 810). Davon, daß dies in seinem Schreiben vom 20. Dezember 1968 geschehen ist, hat sich das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise überzeugt.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist es auch nicht fehlerhaft, wenn das Berufungsgericht hier unter Heranziehung des entsprechend anzuwendenden § 261 b Abs. 3 ZPO dem Beklagten die Berufung auf Verjährung versagt.

a) Wie der Senat im Urteil vom 26. März 1974 (VI ZR 217/72 = VersR 1974, 862) inzwischen entschieden hat, ist § 261 b Abs. 3 ZPO sinngemäß anzuwenden, wenn der Schuldner gegenüber dem Gläubiger auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum Ablauf einer bestimmten Frist verzichtet hat. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen, die im wesentlichen dahin gehen, daß das Interesse des Schuldners an alsbaldiger Gewißheit darüber, ob der Gläubiger seinen Anspruch durchsetzen will, in Fällen der rechtsgeschäftlichen „Verzichtserklärung” ebenso zu bewerten ist wie in den in § 261 b Abs. 3 ZPO gesetzlich geregelten Fällen. Denn wollte man im Falle der Verzichtserklärung dem Kläger die „Wohltat” dieser Vorschrift nicht gewähren, würde der Zeitraum, auf den sich der Verzicht vereinbarungsgemäß erstreckt, in einer für die klagende Partei unzumutbaren Weise mit dem Risiko des gerichtlichen Geschäftsganges belastet, bei nur kurz bewilligten Fristen und vor allem bei einer wie hier erforderlichen Zustellung ins Ausland möglicherweise gegenstandslos gemacht. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, daß die Frist der Zustellung auf diplomatischem Wege sogar vom Datum des Schreibens vom 20. Dezember 1968 ab gerechnet erfahrungsgemäß nicht einzuhalten gewesen wäre, zumal in den Zeitraum bis zum 31. Januar 1969 noch zahlreiche Feiertage (Weihnachten und Neujahr) fielen. Da der Haftpflichtversicherer den erneuten Einredeverzicht u.a. aber gerade wegen dieser Feiertage gewährt hatte, konnten die Kläger dies ihrem Sinn nach unter Beachtung redlichen Geschäftsgebarens (§ 242 BGB) nur dahin verstehen, daß sie rechtlich so gestellt sein sollten, als liefe die Verjährungsfrist erst am 31. Januar 1969 ab. Dann aber wäre § 261 b Abs. 3 ZPO zu ihren Gunsten unmittelbar anwendbar. Infolgedessen können sie eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift verlangen.

b) Die Beanstandungen, die die Revision vor allem im Hinblick auf die Klage der Kläger zu 2) bis 4) gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts erhebt, die Zustellungen seien im Sinne des § 261 b Abs. 3 ZPO „demnächst” erfolgt, sind nicht begründet. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Tatrichter insoweit das ihm eingeräumte Ermessen unzutreffend ausgeübt hätte. Das Berufungsgericht stellt hierzu im einzelnen fest:

aa) Die Klage der Erstklägerin ging am 30. Januar 1969 bei Gericht ein. Gleichzeitig wurde der Gerichtskostenvorschuß bezahlt. Noch am selben Tage wurde Termin bestimmt und die Ladung des in Italien lebenden Beklagten auf diplomatischem Wege angeordnet. Unter dem 7. Februar 1969 – das entsprechende Schreiben ist am 11. Februar 1969 abgegangen – forderte das Gericht eine weitere Klageschrift und einen Vorschuß für die Übersetzungskosten an, der am 14. Februar 1969 eingezahlt wurde. Die Einreichung der weiteren Klageschrift unterblieb zunächst, so daß das Gericht am 19. Februar 1969 erinnerte. Am selben Tag bestellte sich indes der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten, dem daraufhin die Klage am 3. März 1969 zugestellt wurde.

Bei dieser Sachlage kann ohne weiteres eine „demnächstige” Zustellung angenommen werden, wie es das Berufungsgericht tut.

bb) Die Klage der Kläger zu 2) bis 4) ging am 31. Januar 1969 ein. Mit Schreiben vom 3. Februar 1969, abgeschickt am 5. Februar 1969, wurde der Kostenvorschuß nach dem errechneten Streitwert angefordert. Dieser ging ausweislich der Akten am 12. Februar 1969 ein. Als die Nachricht hierüber vorlag, wurde am 20. Februar 1969 Termin bestimmt und ebenfalls die Ladung des Beklagten auf diplomatischem Wege angeordnet. Am 3. März 1969 wurde ein Vorschuß für die Übersetzungskosten in Höhe von 360 DM angefordert, der am 18. März 1969 einging. Nachdem sich am 20. März auch hier der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bestellt hatte, hob der Vorsitzende die Ladung des Beklagten auf diplomatischem Wege auf, die Klageschrift wurde dem Prozeßbevollmächtigten am 27. März 1969 zugestellt. Erst nachdem dieser in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – und zwar abweichend von seinem Verhalten in dem von der Erstklägerin eingeleiteten Rechtsstreit –, keine Vollmacht zu haben, wurde erneut die Ladung des Beklagten auf diplomatischem Wege veranlaßt. Am 9. Mai 1969 reichte der Klägervertreter die vom Gericht unter dem 29. April 1969 angeforderte weitere Abschrift der Klageschrift ein. Am 31. Juli 1969 wurde dem Beklagten dann schließlich auf diplomatischem Wege die Klageschrift zugestellt.

cc) Der Schutzgedanke des § 261 b Abs. 3 ZPO trifft auch hier zu, obwohl die Klageschrift erst 6 Monate nach ihrer Einreichung zugestellt wurde. Diese Vorschrift will durch die Fristwahrung den Kläger vor Nachteilen schützen, die ohne sein Zutun eintreten; es soll durch die Rückbeziehung vermieden werden, daß ihm durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes Nachteile entstehen, die er selbst bei gewissenhaftester Prozeßführung nicht vermeiden kann, weil die Zustellung von Amts wegen erfolgt, daher seinem Einfluß entzogen ist (s. BGHZ 31, 342, 346; Senatsurt. v. 12. Oktober 1971 – VI ZR 59/70 = LM ZPO § 261 b Nr. 16 m.w. Nachw.). Erhebliche schuldhafte Verzögerungen der Kläger zu 2) bis 4) oder ihrer Prozeßbevollmächtigten, die der Annahme der „demnächstigen” Zustellung entgegenständen (vgl. BGH Urt. v. 25. Februar 1971 – VII ZR 181/69 = LM ZPO § 693 Nr. 4 = NJW 1971, 891), sind nicht erkennbar. Die Kläger durften die Anforderung des Gebührenvorschusses abwarten (BGH Urt. v. 23. Mai 1966 – II ZR 23/64 = VersR 1966, 675, 676). Auch ist der Auslagenvorschuß für die Übersetzungskosten nicht unter einer den Klägern zuzurechnenden erheblichen Verzögerung eingezahlt, zumal hierbei die nicht geringe Höhe von 360 DM mitberücksichtigt werden muß, die die Witwe aufzubringen hatte und binnen 2 Wochen nach Aufforderung einbezahlt hat. Daß eine von der klagenden Partei verschuldete geringfügige Zustellurigsverzögerung im Sinn von § 261 b Abs. 3 ZPO unvermeidlich ist, hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes erneut bestätigt (s. Urt.v.24. Juni 1974 – III ZR 105/72 = VersR 1974, 1106).

Die infolge der Umständlichkeit der Zustellung auf diplomatischem Wege (hier in Italien) eingetretene Verzögerung von 6 Monaten führt ebensowenig dazu, die Zustellung nicht mehr als „demnächst” erfolgt anzusehen. Sofern eine solche Verzögerung nicht von den Klägern zu vertreten ist, kann sie auch nach längerem Zeitablauf noch die Rückwirkung nach § 261 b Abs. 3 ZPO auslösen, wenn die Gegenpartei dadurch nicht unbillig belastet wird (vgl. BGHZ 25, 250, 255, wo es sich um eine durch diplomatische Zustellung in Südamerika bedingte Verzögerung von 10 Monaten handelte). Eine unbillige Belastung des Beklagten ist insbesondere im Streitfall nicht ersichtlich. Die durch die Zustellung in Italien bedingte Verzögerung beruhte gerade auf den in seiner Person liegenden besonderen Umständen. Dem hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherer war schon unter dem 31. Januar 1969 eine Abschrift der Klageschrift zugesandt worden. Dieser wußte also, daß sich die Kläger zu 2) bis 4) zur gerichtlichen Geltendmachung der behaupteten Forderung entschlossen hatten, was auch daraus hervorgeht, daß er aufgrund seiner Vollmacht nach § 10 Abs. 5 AKB die Bestellung des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten veranlaßte.

Aus alldem folgt, daß beide Klagen rechtzeitig erhoben worden sind.

II.

Das Berufungsgericht hält die von den Klägern zur Hälfte geltend gemachten Schadenersatzansprüche, nicht nur nach §§ 7, 17 StVG, sondern auch aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) dem Grunde nach für gerechtfertigt. Es führt hierzu aus, schon der erste Anschein spreche für ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten; das Auffahren auf das Fahrzeug des L. beweise, daß er diesem mit einem zu geringen Abstand gefolgt sei. Zudem sei seine Geschwindigkeit von etwa 80 km/h unter Berücksichtigung der Verkehrslage und des vorausgegangenen wolkenbruchartigen Regens zu hoch gewesen. Er werde auch nicht dadurch entlastet, daß L. durch sein Auffahren auf ein anderes Fahrzeug den Bremsweg verkürzt gehabt habe, denn er habe diese Möglichkeit in Betracht ziehen müssen.

Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht zuzustimmen.

1. Soweit sich die Revision dagegen wendet, daß das Berufungsgericht die Nichteinhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises festgestellt hat, besagt das Berufungsurteil bei richtigem Verständnis nicht, das unfallursächliche Fehlverhalten des Beklagten liege darin, daß er den für den Regelfall vorgesehenen Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe. Hierbei könnte dem Beklagten in der Tat zugute kommen, daß das Fahrzeug des L. unter erheblicher Verkürzung des eigentlichen Bremsweges zum Stehen kam, worauf sich ein Kraftfahrer bei Bemessung des „normalen” Sicherheitsabstandes in aller Regel nicht einzurichten braucht (s. Senatsurt. v. 3. November 1967 – VI ZR 90/66 – VersR 1968, 51). Vielmehr macht das Berufungsgericht dem Beklagten zum Vorwurf, bei Bemessung des Sicherheitsabstandes nicht dem Umstand Rechnung getragen zu haben, daß L. in eine Unfallstelle mit bereits liegengebliebenen Fahrzeugen einfuhr, was auf der dort geraden Strecke bei gehöriger Aufmerksamkeit auch für ihn, den Beklagten, auf einige Entfernung hin erkennbar gewesen sei. Das ist rechtlich einwandfrei. Ein Kraftfahrer muß nämlich nicht nur das vor ihm fahrende Kraftfahrzeug, sondern auch sonst die Fahrbahn aufmerksam beobachten (BGH Urt. v. 3. März 1966 – III ZR 12/65 = VersR 1966, 589). Bei einer erkennbaren Unfallstelle gebietet ihm die pflichtgemäße Sorgfalt, äußerste Vorsicht anzuwenden und die Geschwindigkeit so einzurichten, daß er sein Fahrzeug auf kürzeste Entfernung zum Halten bringen kann (s. Senatsurt. v. 11. März 1969 – VI ZR 273/67 = VersR 1969, 570).

a) Die Revision weist demgegenüber auf die schlechten Sichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt hin. Sie sützt sich dabei vor allem auf die Feststellung des Berufungsurteils, daß das Fahrzeug des L. infolge seiner Fahrgeschwindigkeit in einem solchen Ausmaß Spritzwasser um sich verbreitete, daß es „wie ein Tragflächenboot” daherzukommen schien.

Derartige schlechte Sichtverhältnisse schließen jedoch nicht die Möglichkeit eines rechtzeitigen Erkennens der Unfallstelle aus, zumal wenn wie hier dem Beklagten die auffallend geringe Geschwindigkeit der rechten Fahrzeugkolonne von nur 40 km/h Veranlassung geben mußte, mit möglichen Hindernissen auch auf seiner Fahrbahn zu rechnen.

b) Vor allem aber hat das Berufungsgericht dem Beklagten zu Recht als Verschulden angelastet, mit einer für derartige schlechte Wetter- und Sichtverhältnisse zu hohen Geschwindigkeit gefahren zu sein. Es war ein wolkenbruchartiger Regen vorausgegangen, so daß das Wasser 5–10 cm auf der Fahrbahn stand. Dafür war die vom Beklagten eingehaltene Geschwindigkeit von etwa 80 km/h erheblich übersetzt. Es bedarf keiner Erörterung, ob dadurch auch die Gefahr des „Aufschwimmeffektes” (aquaplaning) bestand, wie das Berufungsgericht annimmt. Jedenfalls mußte der Beklagte mit dem Vorhandensein größerer Wasserlachen und der damit verbundenen Gefahr, daß das vor ihm fahrende Fahrzeug des L. in eine solche geriet und dadurch seine Sicht durch aufspritzendes Wasser weiter beeinträchtigte, rechnen. Auch ist es eine jedem Kraftfahrer bekannte Erfahrungstatsache, daß bei solchen Witterungsverhältnissen des Bremsverhalten eines Kraftfahrzeugs überaus ungünstig beeinflußt wird, so daß es ins Schleudern geraten kann.

Diese tragenden Gesichtspunkte des Berufungsurteils rechtfertigen die Feststellung eines schuldhaften Fahrverhaltens des Beklagten.

2. Soweit sich die Revision gegen die Bemessung der Unfallbeiträge durch das Berufungsgericht wendet, kann sie ebenfalls keinen Erfolg haben.

Die Abwägung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, § 17 StVG ist im wesentlichen Ausübung tatrichterlichen Ermessens, Sie ist vom Revisionsgericht nur hinsichtlich der rechtlichen Erheblichkeit und vollständigen Erfassung der Abwägungselemente zu prüfen. Das Berufungsgericht hat das schwere Mitverschulden des tödlich verunglückten L. nicht verkannt. Wenn es zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Unfallbeiträge des L. und des Beklagten gleich hoch zu bewerten seien, so hält sich dies im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die Revision irrt, wenn sie meint, der Beklagte habe sich darauf verlassen dürfen, L. werde ihn durch sein Fahrverhalten auf etwaige vor diesem auftauchende Hindernisse aufmerksam machen. Bei der gegebenen Sachlage hatte der Beklagte zu einer solchen Annahme keinen Anlaß.

III.

Die Revision des Beklagten war daher zurückzuweisen. Das Landgericht wird nunmehr über die Höhe der bezifferten Klageansprüche und über die Feststellungsanträge, die es noch nicht beschieden hat, zu befinden haben.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Nüßgens, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502186

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