Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfassende Hinweispflicht des zu Verhandlungen über einen steuersparenden Lebensversicherungsvertrag zugezogenen Steuerberaters

 

Leitsatz (amtlich)

Verhandelt der Mandant über den Abschluß eines Vertrages, der dazu dienen soll, Steuern zu sparen, so muß der zu diesem Gespräch hinzugezogene Steuerberater grundsätzlich von sich aus alle Voraussetzungen erläutern, die erforderlich sind, um den beabsichtigten steuerlichen Zweck zu erreichen.

 

Normenkette

BGB § 675; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.07.1994; Aktenzeichen 15 U 123/93)

LG Karlsruhe (Urteil vom 24.11.1992; Aktenzeichen 7 O 542/89)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Juli 1994 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war Alleininhaber der Anteile an der R.-M.-Parkgaragen Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. A. KG (nachfolgend: Parkgaragen A.) und der Parkgaragen GmbH P. (nachfolgend: Parkgaragen P.). Außerdem gehörten ihm 95 % des Kapitals der R.-M.-Parkgaragen GmbH & Co. KG K. (nachfolgend: Parkgaragen K.).

Im Jahre 1986 erzielten diese Gesellschaften hohe Gewinne; daher sollte nach einem Weg gesucht werden, die zu erwartende steuerliche Belastung zu vermindern. Im Herbst 1986 führte der Kläger ein Gespräch mit dem Geschäftsführer einer Versicherungsmaklerin, der Beklagten zu 1), an dem auch der beklagte Steuerberater (Beklagter zu 2) teilnahm. Dieser erledigte für den Kläger seit Jahren die Buchhaltung und die Steuererklärungen und beriet ihn in steuerlichen Angelegenheiten.

Auf Vorschlag der Beklagten zu 1) unterzeichnete der Kläger später einen auf den 8. Dezember 1986 datierten Lebensversicherungsantrag, in dem er als Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter im Erlebensfall eingetragen war, während die Bezugsberechtigung im Todesfall der Parkgaragen A. zustehen sollte. Vereinbart wurde eine jährliche Prämie von 264.000,30 DM auf die Dauer von 25 Jahren. Die Versicherungssumme betrug im Erlebensfall 4 Mio DM, im Todesfall 5 Mio DM. Die Versicherung nahm den Antrag an. Als Vertragsbeginn wurde der 1. Oktober 1986 festgelegt. Die Parkgaragen K. leistete in den Jahren 1986 bis 1988 die Jahresprämien. Diese wurden bei der Parkgaragen P. verbucht, die mit der Parkgaragen K. als Organträger durch einen Ergebnisabführungsvertrag verbunden ist.

Bei einer Betriebsprüfung für das Jahr 1986 erkannte das Finanzamt die Prämie nicht als Betriebsausgabe an, sondern wertete sie als verdeckte Gewinnausschüttung an den Kläger. Nachdem ein daraufhin unternommener Versuch, den Versicherungsvertrag steuerlich wirksam zu ändern, gescheitert war, stellte der Kläger den Vertrag beitragsfrei. Dieser besitzt aufgrund der Prämienzahlungen für drei Jahre einen Rückkaufswert von 274.000,25 DM.

Mit der im Dezember 1989 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Rückzahlung der Prämien abzüglich des Rückkaufswerts der Versicherung, also in Höhe von 518.065 DM (nicht: 518.000,65 DM), wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch genommen. Die Erstbeklagte wurde rechtskräftig zur Zahlung von 99.266,25 DM verurteilt. Das Landgericht hat der Klage gegen den Zweitbeklagten in Höhe weiterer 297.798,75 DM stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dem Beklagten zu 2) könne keine falsche Beratung über die Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit der Prämien als Betriebsausgabe vorgeworfen werden. Zwar sei davon auszugehen, daß der Zweitbeklagte den Kläger in dieser Hinsicht habe beraten müssen. Jedoch sei es nicht seine Aufgabe gewesen, ein bestimmtes Finanzierungskonzept zu entwerfen oder die steuerlich günstigste von mehreren denkbaren Varianten zu erläutern. Vertragliche Pflichten des Beklagten hätten nur insoweit bestanden, als es um die Frage gegangen sei, ob die gewünschte Steuerersparnis mit dem zur Debatte stehenden Modell zu erreichen war. Diese Voraussetzungen seien aber gegeben gewesen, und zwar dann, wenn als Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter ausschließlich Firmen, nicht aber Privatpersonen, bestimmt wurden. Während der Besprechung sei auf die Notwendigkeit, eine Firma als Bezugsberechtigte für den Todesfall einzusetzen, ausdrücklich hingewiesen worden. Dagegen habe man nicht die Frage behandelt, wer Versicherungsnehmer werden solle. Für den Beklagten zu 2) habe kein Anlaß bestanden anzunehmen, daß eine Privatperson Versicherungsnehmer werde. Ein Versicherungsformular habe damals nicht vorgelegen, so daß der Kläger vom Beklagten keine Ausgestaltung des Lebensversicherungsvertrages in allen Einzelheiten habe erwarten können. Es sei vielmehr Sache des Klägers gewesen, dem Beklagten den Vertrag vor der Unterzeichnung zur Prüfung vorzulegen, was unstreitig nicht geschehen sei.

II.

Diese Ausführungen sind, wie die Revision zutreffend rügt, rechtlich nicht haltbar.

1. Zutreffend erkennt das Berufungsgericht allerdings, daß der Beklagte zu 2) vertraglich verpflichtet war, den Kläger in den mit dem Abschluß des Lebensversicherungsvertrages zusammenhängenden steuerlichen Fragen zu beraten. Das Berufungsgericht geht aufgrund einer rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Beweisergebnisses davon aus, das Interesse des Klägers sei auf die steuerliche Abzugsfähigkeit des Prämienaufwands als Betriebsausgabe gerichtet gewesen. Eben deshalb hatte er den Beklagten, der seit Jahren seine steuerlichen Angelegenheiten erledigte und ihn in dieser Hinsicht beriet, zu dem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Versicherungsmaklerin hinzugezogen. Für den Beklagten war infolgedessen ohne weiteres ersichtlich, daß er im Rahmen des ihm allgemein erteilten Auftrags dem Kläger nunmehr die Hinweise und Erläuterungen zu geben hatte, die zur Erreichung des angestrebten Ziels, die Steuerlast zu vermindern, erforderlich waren.

2. Das Berufungsgericht hat jedoch den Aufgabenbereich des Beklagten wesentlich zu eng gezogen.

a) In den Grenzen des ihm erteilten Auftrags hat der Steuerberater den Auftraggeber auch ungefragt über die bei sachgerechter Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1979 – VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; v. 26. Januar 1995 – IX ZR 10/94, WM 1995, 721, 722, z. V. b. in BGHZ 128, 358), weil grundsätzlich davon auszugehen ist, daß dieser die notwendigen Kenntnisse nicht besitzt. Beabsichtigt der Mandant, mit dem Abschluß eines Vertrages steuerliche Vorteile zu erzielen, so muß der Steuerberater deshalb die verschiedenen in Frage kommenden rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und deren Folgen gegebenenfalls von sich aus erläutern (BGH, Urt. v. 7. November 1991 – IX ZR 288/90, WM 1992, 238, 239; v. 7. Mai 1992 – IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1111).

b) Demzufolge war der Beklagte gehalten, den Kläger bei dem maßgeblichen Dreiergespräch genau darüber aufzuklären, unter welchen Voraussetzungen mit dem Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages die Anerkennung der Prämien als Betriebsausgaben durchgesetzt werden konnte. Bei den Gesprächen hatte der Geschäftsführer der Erstbeklagten lediglich die Person des Bezugsberechtigten im Todesfalle angesprochen und erklärt, dies müsse aus steuerlichen Gründen eine Firma sein. Das begründete die Gefahr, daß der Kläger die erhaltene Auskunft als erschöpfend ansah und die Steuerersparnis bereits bei Beachtung dieses Punktes für gesichert hielt (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 1993 – IX ZR 109/92, WM 1993, 1511, 1512). Schon deshalb hätte der Zweitbeklagte den Kläger bereits damals darüber aufklären müssen, daß nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das angestrebte Ziel mit hinreichender Sicherheit nur erreichbar war, wenn als Versicherungsnehmer und als Bezugsberechtigter im Erlebens- und Todesfall ausschließlich eine Kapitalgesellschaft eingesetzt wurde (vgl. BFHE 75, 407; Gauggel BB 1982, 1786, 1787; Reuter, Die Lebensversicherung im Steuerrecht 6. Aufl. 1984, S. 174 f). Bei jeder anderen Vertragsgestaltung war zu befürchten, daß die Finanzverwaltung die Lebensversicherung nicht als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 EStG) wertete, sondern als Abdeckung eines persönlichen Risikos des Betriebsinhabers und damit privat veranlaßt behandelte (vgl. BFHE 83, 417; 145, 52, 55; 150, 342, 343; 157, 152, 153; 161, 440, 442). Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung hat der Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet, den Kläger bei dem Dreiergespräch mit dem Makler darüber belehrt zu haben, daß der erstrebte steuerliche Vorteil nur bei Einsetzung der Parkgaragen P. GmbH als Versicherungsnehmer erlangt werden konnte.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts werden damit die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des steuerlichen Beraters nicht überspannt. Wie die Revision zutreffend bemerkt, war für die Gestaltung des vorgesehenen Lebensversicherungsvertrages in steuerlicher Hinsicht lediglich von Bedeutung, wer als Versicherungsnehmer sowie Bezugsberechtigter im Erlebens- und Todesfall eingesetzt wurde. Nur auf diese konkreten Punkte bezog sich die Beratungsaufgabe des Beklagten; mit der näheren Ausgestaltung des Versicherungsvertrages hatte er nichts zu tun. Die Notwendigkeit, den Kläger über die steuerlich bedeutsamen Punkte zu belehren, ergab sich unabhängig von den versicherungsvertraglichen Einzelheiten des beabsichtigten Vertrages. Der Beklagte hat selbst nicht substantiiert behauptet, daß in dieser Hinsicht noch Fragen offen waren, die für seine Beratung Bedeutung gewinnen konnten. Daher entlastet es ihn nicht, daß im Zeitpunkt der Besprechung kein Vertragsformular vorlag. Er durfte auch nicht erwarten, der Kläger werde ihm ohne weiteres die Urkunde vor Unterzeichnung nochmals zur Prüfung vorlegen. Der Beklagte war zu dem Gespräch mit der Versicherungsmaklerin hinzugezogen worden, um die steuerlichen Fragen der vorgesehenen Vertragsgestaltung vorab zu klären. Da er gegenüber dem Vorschlag des Geschäftsführers der Erstbeklagten weder Einwendungen noch Vorbehalte erhoben hatte, entstand für den Kläger nach Abschluß der Verhandlung der Eindruck, in steuerlicher Hinsicht gebe es keine klärungsbedürftigen Fragen mehr.

3. Der Beklagte hat das Versäumnis, die gebotenen Hinweise zu erteilen, auch zu vertreten; denn es sind keine Umstände vorgetragen, die geeignet wären, ihn persönlich zu entlasten.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit nunmehr geprüft wird, ob die Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden ursächlich ist und in welcher Höhe er gegebenenfalls besteht. Der Senat sieht Veranlassung, dazu auf folgendes hinzuweisen:

1. Der Kläger hat zunächst geltend gemacht, er hätte bei richtiger Belehrung keinen Lebensversicherungsvertrag geschlossen, so daß die gezahlten Prämien nicht angefallen wären. Auf dieser Grundlage ist das rechtskräftig gewordene Berufungsurteil gegen die Erstbeklagte und auch das erstinstanzliche Urteil gegen den Beklagten zu 2) ergangen. Der Kläger hat aber im Berufungsverfahren sein Vorbringen umgestellt und nunmehr behauptet, bei sachgerechter Beratung durch den Zweitbeklagten hätte er die Lebensversicherungsverträge geschlossen, die sich als steuerlich wirksam erwiesen, also dazu geführt hätten, daß die Prämien als Betriebsausgaben anerkannt worden wären. In diesem Falle läge der Nachteil des Klägers ausschließlich in den entgangenen Steuervorteilen. Diesen Schaden hat der Kläger jedoch bisher nicht hinreichend substantiiert dargelegt, insbesondere nicht aufgezeigt, wieso er geschädigt ist, wenn die Steuerersparnis der GmbH entging. Die Revision kann indessen nicht aus diesem Grunde zurückgewiesen werden; denn das Berufungsgericht hat den Kläger – von seinem Standpunkt aus zu Recht – auf die Ergänzungsbedürftigkeit seines Vorbringens nicht hingewiesen. Er muß deshalb noch Gelegenheit erhalten, seine Klagebegründung insoweit zu ergänzen.

2. Im Regelfall spricht der Anscheinsbeweis dafür, daß der Mandant die gebotenen rechtlichen Hinweise beachtet hätte (BGHZ 123, 311; vgl. auch BGH, Urt. v. 10. Februar 1994 – IX ZR 103/93, NJW 1994, 1472, 1475; v. 20. Oktober 1994 – IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451). Das gilt jedoch nicht, wenn verschiedene Ursachenabläufe ernsthaft in Betracht kommen. In diesem Fall muß das Berufungsgericht die Gesamtumstände unter Beachtung von § 287 ZPO würdigen. Sollte es danach zu der Auffassung gelangen, daß der Kläger entweder keine oder aber eine steuerlich wirksame Lebensversicherung abgeschlossen hätte, bringt das Beweisergebnis jedoch hinsichtlich dieser beiden Möglichkeiten keine Klärung, ist von der für den Kläger ungünstigeren Alternative auszugehen.

 

Fundstellen

BB 1995, 2609

NJW 1996, 312

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