Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hinweispflicht des Steuerberaters auf offensichtliche steuerliche Fehlentscheidungen des Mandanten außerhalb des Mandatsauftrages bezüglich einer Grunderwerbsteuerbefreiung bei der Bilanzerstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Steuerberater einen auf bestimmte Aufgaben beschränkten Auftrag erhalten, ist er nicht verpflichtet, Vorgänge, die ihm bei Gelegenheit dieser Tätigkeit bekannt werden, auf steuerliche Fragen zu überprüfen, die nicht in unmittelbarer Beziehung zu der von ihm übernommenen Aufgabe stehen.

2. Der Steuerberater hat den Mandanten dann auf eine außerhalb seines Auftrages liegende steuerliche Fehlentscheidung hinzuweisen, wenn sie für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich ist oder er aufgrund seines persönlichen Wissens die Sach- und Rechtslage positiv kennt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 675; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 24.11.1993; Aktenzeichen 25 U 63/91)

LG Bielefeld (Urteil vom 10.01.1991; Aktenzeichen 21 O 305/90)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. November 1993 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der als Unternehmer tätige Kläger verlangt vom beklagten Steuerberater Schadensersatz, weil er wegen dessen fehlerhafter Beratung keine Befreiung von der Grunderwerbsteuer für die Anschaffung eines Betriebsgrundstücks erlangt habe.

Auf Anraten des Beklagten nahm der Kläger im März 1980 eine Betriebsaufspaltung vor. Er gründete eine Produktions- und eine Handels-GmbH, deren Stammkapital jeweils von ihm zu 90 % und von seiner Ehefrau zu 10 % gehalten wurde. Das bis dahin geführte einzelkaufmännische Unternehmen blieb als Grundstückseigentümer erhalten und verpachtete das Betriebsgrundstück an die Produktions-GmbH.

Mit notariellem Vertrag vom 16. Juli 1981 erwarb der Kläger ein Fabrikgrundstück zum Preise von 1.450.000 DM, das er anschließend an die Produktions-GmbH zur Erweiterung ihres Betriebes verpachtete. Der Kläger beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer, die ihm durch Verfügung des Finanzamts vom 22. Oktober 1981 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1969 (GrEStStrukturG NW) gewährt wurde.

Nachdem das Finanzamt festgestellt hatte, daß das Grundstück nicht vom Kläger selbst, sondern von der Produktions-GmbH genutzt wird, setzte es mit Bescheid vom 20. November 1987 eine Grunderwerbsteuer von 97.090 DM fest. Dagegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruch beim Finanzgericht Klage erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der Kläger nimmt den Beklagten nunmehr auf Erstattung des Betrages von 97.090 DM in Anspruch. Er behauptet, der Beklagte habe selbst zum Erwerb des Betriebsgrundstücks geraten. Er habe das Antragsformular für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bearbeitet und dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt.

Das Landgericht hat der Klage, mit Ausnahme eines Teils der Zinsen, stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie zunächst auf die Verjährungseinrede des Beklagten hin abgewiesen. Der Senat hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (Urt. v. 10. Dezember 1992 – IX ZR 54/92, NJW 1993, 1137). Nunmehr hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil im wesentlichen bestätigt. Dagegen wendet sich die Revision des Beklagten, der weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt erneut zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung für verpflichtet, dem Kläger die nacherhobene Grunderwerbsteuer zu erstatten. Der Beklagte habe selbst dann pflichtwidrig gehandelt, wenn er von dem Grundstückskaufvertrag und dem Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung erst erfahren habe, als er Ende des Jahres 1983 für den Kläger die Bilanz des Jahres 1981 erstellte. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte hätte den Kläger zumindest zu diesem Zeitpunkt darauf hinweisen müssen, daß wegen der 10 %igen Beteiligung der Ehefrau keine Identität im Sinne der Grunderwerbsteuervorschriften zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Betreiber des Unternehmens bestehe und daher auf Dauer mit einer Grunderwerbsteuerbefreiung nicht habe gerechnet werden können.

II.

Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Nach der Behauptung des Beklagten bezweckte die auf seine Empfehlung hin im Jahre 1980 vollzogene Betriebsaufspaltung, die bei der Betriebsgesellschaft erzielten Gewinne mittels des vereinbarten Pachtzinses teilweise auf das verpachtende Einzelunternehmen zu verlagern, um auf diese Weise Gewerbesteuer einzusparen. Außerdem habe man damit erreichen wollen, daß die Grundstücke nicht für Verbindlichkeiten der Betriebsgesellschaften haften. Der Beklagte hat weiter vorgetragen, er sei weder beim Erwerb des Grundstücks mit Vertrag vom 16. Juli 1981 noch bei Beantragung der Grunderwerbsteuerbefreiung als Berater hinzugezogen worden. Er sei lediglich beauftragt gewesen, die Jahresabschlüsse sowie die Steuererklärungen zu erstellen. Im Zuge dieser Arbeiten habe er erst Ende des Jahres 1983 von den betreffenden Vorgängen erfahren. Da das Berufungsgericht hierzu keine tatrichterlichen Feststellungen getroffen hat, ist für die revisionsrechtliche Prüfung von der Darstellung des Beklagten auszugehen.

2. Auf dieser Grundlage ist der gegen ihn erhobene Vorwurf einer Pflichtverletzung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar.

a) Die Aufgaben eines Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urt. v. 4. März 1987 – IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662). Folglich ist er verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urt. v. 28. April 1966 – VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; v. 6. Dezember 1979 – VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309). Müßte der Steuerberater Vorgänge, die ihm lediglich bei Gelegenheit des erteilten Auftrags bekannt geworden sind, jedoch in keiner unmittelbaren Beziehung zu der von ihm übernommenen Aufgabe stehen, jeweils daraufhin untersuchen, ob sie Veranlassung zu einem Rat oder Hinweis an den Mandanten geben, würde das zu einer erheblichen Ausweitung der geschuldeten Tätigkeit und damit gerade auf dem komplexen und unübersichtlichen Gebiet des Steuerrechts zu einer untragbaren Verschärfung der Anforderungen an die vertraglichen Hauptleistungen führen. Von einer jeweils auf den Inhalt des konkreten Auftrags bezogenen Verpflichtung geht auch das Senatsurteil vom 7. Mai 1992 (IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1111) aus. Der Aufgabenkreis des Steuerberaters bestimmt sich somit in solchen Fällen ebenso wie derjenige eines Anwalts, welcher ein auf eine konkrete Tätigkeit beschränktes Mandat erhalten hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29. April 1993 – IX ZR 101/92, NJW 1993, 2045).

Danach war der Beklagte Ende des Jahres 1983 nicht verpflichtet, den Erwerb des Grundstücks nachträglich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer vorlagen, wenn er damals lediglich den Auftrag hatte, den Jahresabschluß zu erstellen. Hierbei hat er die handelsrechtlichen und die diese ergänzenden steuerrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu beachten (vgl. § 5 Abs. 1 EStG). Der Jahresabschluß eines Unternehmens erfaßt aber oft auch zahlreiche andere Vorgänge, die steuerlich bedeutsam sind. Wäre der Steuerberater verpflichtet, sie bei Erstellung der Bilanz im einzelnen steuerrechtlich zu überprüfen, würde ihm ein unzumutbares, auch durch eine Versicherung kaum abzudeckendes Haftungsrisiko aufgebürdet. Der Beklagte erfüllte daher die ihm obliegenden Aufgaben grundsätzlich schon dadurch, daß er die zunächst gewährte Steuerbefreiung bei der Darstellung der Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) beachtete. Das ist unstreitig geschehen.

b) Der Steuerberater hat allerdings im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflicht, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB), auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutageliegen, hinzuweisen (BGH, Urt. v. 7. Mai 1991 – IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1304).

Der Beklagte hat in der von ihm Ende des Jahres 1983 gefertigten Bilanz zum 31. März 1982 das erworbene Grundstück ohne Grunderwerbsteuer aktiviert, also die Verfügung des Finanzamts vom 22. Oktober 1981, die die Befreiung von der Grunderwerbsteuer zunächst gewährte, gekannt. Die Verpflichtung zu Hinweisen an den Kläger erwuchs daraus indessen nur dann, wenn für einen durchschnittlichen Steuerberater auf den ersten Blick ersichtlich war oder der Beklagte aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse positiv wußte, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht gegeben waren und infolgedessen eine steuerliche Fehlentscheidung vorlag. Die dafür erforderlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStStrukturG NW wird der Erwerb eines Grundstücks, das unmittelbar zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte verwendet werden soll, von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, wenn hinsichtlich Lage und Funktion der Betriebsstätte weitere – hier nicht streitige – Voraussetzungen erfüllt sind. Ist ein Betrieb bereits vorhanden und wird er auf das erworbene Grundstück ausgedehnt, so liegt eine Erweiterung der Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift vor. Daß auf dem erworbenen Grundstück Baumaßnahmen durchgeführt werden, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn die dort vorhandenen Einrichtungen für die Unternehmensvergrößerung verwendet werden (Joachim Lange, Grunderwerbsteuer Nordrhein-Westfalen 6. Aufl. Rdnr. 230; Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen vom 28. Juli 1981 – S 4511-5-35, DB 1981, 2301, 2302). Der Kauf des Grundstücks diente einem solchen vom Gesetz begünstigten Zweck. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung setzt eine Steuerbefreiung entsprechend dieser Vorschrift allerdings weiter voraus, daß der Erwerber selbst das Grundstück zur Errichtung oder Erweiterung einer eigenen Betriebsstätte verwenden will (BFH BStBl II 1975, 391; 1980, 755, 756; FG Münster EFG 1972, 600). Daher ist der Erwerber, der das Grundstück einer Kapitalgesellschaft als Betriebsstätte zur Verfügung stellt, in der Regel selbst dann nicht von der Steuer befreit, wenn er an der Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist (BFH BStBl II 1980, 755, 756). Dieses zusätzliche Erfordernis ergibt sich indessen nicht aus dem Wortlaut der Befreiungsbestimmung des § 1 GrEStStrukturG NW. Die Rechtsprechung leitet es vielmehr aus § 3 GrEStStrukturG NW her, wonach der Erwerber eines Grundstücks, der Steuerfreiheit in Anspruch nimmt, versichern muß, daß „er” das erworbene Grundstück für den steuerbegünstigten Zweck verwenden wird.

Dies alles brauchte einem Steuerberater, der nur den Jahresabschluß zu erstellen hatte, nicht gegenwärtig zu sein. Daß der Beklagte entsprechende Kenntnisse tatsächlich besaß, hat der Kläger nicht substantiiert behauptet. Das Berufungsgericht ist wie selbstverständlich vom Gegenteil ausgegangen, ohne die Gründe aufzuzeigen, die für diese Überzeugung leitend gewesen sind (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

bb) Wie der Senat bereits im Urteil vom 10. Dezember 1992 ausgeführt hat (aaO S. 1138), bestanden zwei Möglichkeiten, um die Grunderwerbsteuerbefreiung zu erlangen. Zum einen hätte die Produktions-GmbH das Grundstück selbst erwerben können. Das hätte aber den mit der Betriebsaufspaltung verfolgten Zielen widersprochen. Davon abgesehen gewährte die Finanzverwaltung bei Verpachtung des Grundstücks an eine aus der Teilung des Unternehmens hervorgegangene Schwestergesellschaft Steuerbefreiung, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen beteiligt sind. Kleine Abweichungen im Beteiligungsverhältnis schaden nicht (Erlasse des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen v. 25. Februar 1971 – S 4511-17-VC 4, u. v. 20. Mai 1974 – S 4511-17-VA 2, zitiert nach Joachim Lange aaO, S. 162 f, 168). Der Kläger hätte danach mindestens zu 95 % an der Betriebsgesellschaft beteiligt sein müssen. Er hätte also die Grunderwerbsteuerbefreiung erhalten, wenn er weitere 5 % des Stammkapitals der Produktions-GmbH von seiner Ehefrau übernommen hätte.

In der Sache handelt es sich insoweit um eine Befreiung von der Steuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO). Diese allein aus Erlassen der Finanzverwaltung folgenden steuerlichen Besonderheiten brauchte der Beklagte erst recht nicht gegenwärtig zu haben, als er den Jahresabschluß 1981 für den Kläger erstellte.

c) Der Beklagte hat auch keine nachwirkende Nebenpflicht aus dem Beratungsvertrag betreffend die Betriebsaufspaltung verletzt. Diese sollte der Ersparnis von Gewerbesteuer sowie der Herausnahme des Grundstücks aus der Haftung für Verbindlichkeiten der Produktions- und der Vertriebsgesellschaft dienen. Nur soweit sich aus späteren Vorgängen Tatsachen ergaben, die diesen Zielen zuwiderliefen, kam eine entsprechende Beratungspflicht des Beklagten in Betracht. Die steuerlichen Erwägungen, aus denen heraus die Betriebsaufspaltung vorgenommen wurde, standen jedoch in keiner Beziehung zu der später aufgetretenen Frage der Befreiung von der Grunderwerbsteuer.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Das Berufungsgericht wird nunmehr aufzuklären haben, ob die unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers zutrifft, er habe den Beklagten vor dem Erwerb des Grundstücks und der Stellung des Grunderwerbsteuerbefreiungsantrags als steuerlichen Berater hinzugezogen, und dazu insbesondere den vom Kläger benannten Zeugen vernehmen müssen.

Sollte das Berufungsgericht danach erneut die Haftung des Beklagten bejahen, so ist der Schaden des Klägers nicht deshalb geringer, weil die nacherhobene Grunderwerbsteuer die Anschaffungskosten für das Grundstück erhöht und dadurch eine höhere Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG ermöglicht. Zwar bilden die erhöhten Anschaffungskosten einen Vorteil, der grundsätzlich auszugleichen ist; andererseits ist eine Schadensersatzleistung des Beklagten als Ertrag steuerpflichtig, was den Vorteil der erhöhten Abschreibungsmöglichkeit im Regelfall aufwiegt (BGHZ 74, 103, 114 ff; 79, 337, 347; BFHE 169, 123).

 

Fundstellen

BGHZ, 358

BB 1995, 537

NJW 1995, 958

JZ 1996, 310

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