Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 14.04.1972)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 14. April 1972 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Firma „Otto M. KG”, deren persönlich haftender Gesellschafter Otto M. und deren Kommanditisten dessen Söhne Günter und Horst waren, verkaufte durch Vertrag vom 25. September 1969 einen Teil ihres Müllabfuhrbetriebes zum Preise von 527.500,– DM an die Klägerin. § 1 Buchst. e des Vertrages enthält folgende Bestimmung:

„die Verkäuferin verpflichtet sich, weder selbst noch mit einem Unternehmen, an dem er beteiligt ist, weder direkt noch indirekt eine Müllabfuhr außer der Container-Müllabfuhr in Stadt-L. und Umgebung, und zwar ca. 20 km nach Norden (einschließlich Meppen und Haselünne), ca. 40 km nach Süden (einschließlich Bu. und Em.), ca. 20 km werstlich (einschlißlich N.) und ca. 20 km östlich (einschließlich F.) zu betreiben.”

Der Vertrag ist beiderseits abgewickelt.

Die beklagte KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Sohn Horst M. und deren Kommanditisten der Vater Otto Marthen und der Sohn Günter M. sind, machte der Stadt Lingen auf ein Schreiben vom 15. Oktober 1970 ein Angebot über die Sperrmüll ab fuhr der Stadt L. für die Jahre 1971–1974.

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot und hat eine vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten dahin erwirkt, es bei Vermeidung einer Geld- oder Haftstrafe zu unterlassen, in der Stadt L. und Umgebung, und zwar 20 km nach Norden, ca. 40 km nach Süden und ca. 20 km nach Osten und Westen Angebote für Sperrgutabfuhr an Stadtverwaltungen und Gemeinden abzugeben oder für die Durchführung der Sperrgutabfuhr in den genannten Gebieten zu werben.

In der Berufungsinstanz hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage zeitlich beschränkt und um Abweisung gebeten, soweit sie über den 6. November 1972 hinaus zur Unterlassung verurteilt worden ist.

Sie bestreitet ihre Passivlegitimation und ist der Ansicht, ein Wettbewerbsverbot dürfe nur zeitlich begrenzt ausgesprochen werden.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, die mit der Revision ihren Antrag aus der Berufungsinstanz weiterverfolgt. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung (BU 8), es komme nicht entscheidend darauf an, ob die Otto M. KG nach Abschluß des Kaufvertrages vom 25. September 1969 mit den bisherigen Gesellschaftern fortbestanden habe oder nicht. Beide Gesellschaften, d.h. die Otto M. KG und die Beklagte hätten als Gesellschafter dieselben Personen und für die Frage, ob und wieweit diese Personen durch das Wettbewerbsverbot in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit Beschränkungen unterlägen, spiele es keine Rolle, welche Person in der einen oder in der anderen Gesellschaft jeweils als persönlich haftender Gesellschafter auftrete.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht angenommen, daß auch die Beklagte an das Wettbewerbsverbot des Vertrages gebunden ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, inwieweit die Gesellschafter persönlich auf Erfüllung einer Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen werden können, danach zu beantworten, in welchem Umfang die Erbringung dieser Leistung zu den gesellschaftlichen Pflichten der Gesellschafter gehört (BGHZ 23, 302). Im Streitfall ist eine solche Pflicht der Gesellschafter zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots zu bejahen; denn auch den Grundsätzen des § 242 BGB wäre es ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten der Gesellschafter, die Erfüllung des von der Gesellschaft abgeschlossenen Vertrages in einem wesentlichen Punkt zu verhindern, nämlich soweit er die Sicherung des Kaufobjekts gegen eine Entwertung durch ein Konkurrenzunternehmen betrifft.

Diesem Anspruch können die Gesellschafter sich nicht dadurch entziehen, daß sie nicht persönlich, sondern als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft tätig werden (vgl. BGHZ 59, 64, 68); der Unterlassungsanspruch kann daher gegen die Beklagte geltendgemacht werden.

II. 1. Das Berufungsgericht legt im einzelnen die gegenständliche und örtliche Beschränkung des Wettbewerbsverbots dar und kommt zu dem Ergebnis, angesichts dieser Beschränkungen nach Gegenstand und Raum werde auch bei einem zeitlich unbegrenzten Verbot die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Beklagten und ihrer Gesellschafter nicht unbillig beeinträchtigt und der Klägerin werde andererseits nicht mehr als erforderlich zugebilligt. Das Wettbewerbsverbot sei daher voll wirksam.

2. Dem hält die Revision entgegen, da nur ein Teil des Unternehmens veräußert worden sei, komme es auch nur darauf an, ob die Beklagte ihre früheren geschäftlichen Beziehungen, soweit sich diese auf die Müllabfuhr mit Eimern bezögen, habe aufrechterhalten können; das sei nicht der Fall. Die Teilveräußerung müsse notwendig zu einer zeitlichen Begrenzung führen, weil sonst das Wettbewerbsverbot in seinen Folgen wesentlich gravierender sei, als wenn die damalige Otto M. KG ihr gesamtes Müllunternehmen veräußert hätte. Wenn die Vorteile aus der früheren Tätigkeit entfallen seien und wenn nicht mehr an alte geschäftliche Kontakte angeknüpft werden könne, dann habe die Beklagte ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt und der Klägerin die Stellung verschafft, die sie innegehabt habe. Falle das Interesse des Begünstigten weg, dann entfalle auch das Wettbewerbsverbot. Der Auftragsbestand der Klägerin sei heute geringer als zum Zeitpunkt der Übertragung des Unternehmens; daraus folge, daß die Klägerin nicht daran interessiert sei, den erworbenen Betrieb voll weiterzubetreiben, nach Treu und Glauben könne sie daher nicht verbieten, wenn die Beklagte sich um eine Ausdehnung bemühe.

3. Diese Ausführungen der Revision haben keinen Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 53, 154; RG WarnRspr 1928 Nr. 7 und 1929 Nr. 75), die der Bundesgerichtshof fortgeführt hat (BGH WuW/E 1957, 653; Urteil v. 30. 4. 57 – VIII ZR 201/56 S. 9, insoweit nicht in BGHZ 24, 165 abgedruckt, BGH WM 57, 320; BGH GRUR 60, 261, 262 – Hörgeräte), darf die vertraglich übernommene Beschränkung nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen nicht als unbillig und unangemessen erscheinen. Die Beschränkung muß nach Zeit, Ort und Gegenstand so begrenzt sein, daß sie nicht zu einer übermäßigen Beschränkung der Bewegungsfreiheit, insbesondere nicht zu einer wirtschaftlichen Vernichtung des Verpflichteten führt (§ 138 BGB); allerdings ist nicht in jedem Falle eine Begrenzung des Verbots nach allen drei Richtungen erforderlich; so kann auch ein örtlich oder zeitlich unbeschränktes Verbot gegenständlich derart begrenzt sein, daß die Beschränkung der Bewegungsfreiheit nicht unbillig erscheint.

Bei der Abwägung ist auch von besonderer Bedeutung, ob das Wettbewerbsverbot – unbeschadet der Sondervorschriften der §§ 74 ff, 90 a HGB, 133 f GewO – einem Angestellten oder jedenfalls wirtschaftlich Abhängigen auferlegt wird oder ob es Gegenstand eines Veräußerungsvertrages über ein Unternehmen oder eines Auseinandersetzungsvertrages unter Gesellschaftern ist, wobei jedenfalls regelmäßig in dem Kaufpreis oder in der Auseinandersetzungs-Abfindung der wirtschaftliche Wert auch des Wettbewerbsverbotes mit einkalkuliert ist. Es erscheint gerechtfertigt, daß der Verkäufer den gegen Bezahlung übertragenen Wert des Geschäfts einschließlich der Kundenbeziehungen dem Erwerber nicht durch eine eigene unmittelbare Konkurrenztätigkeit später entziehen oder entscheidend beeinträchtigen darf. Das Berufungsgericht hat diese Gesichtspunkte bei seiner Abwägung beachtet. Der Umstand, daß nur ein bestimmter, gegenständlich genau abgrenzbarer und abgegrenzter Teil des Unternehmens der Verkäuferin veräußert worden ist, führt entgegen der Auffassung der Revision nicht notwendigerweise zu einer zeitlichen Begrenzung; im Gegenteil, weil die Beklagte in einem gegenständlich naheliegenden Bereich weiter tätig sein darf und tätig ist, erscheint es gerechtfertigt, die zeitliche Unbegrenztheit für erforderlich zu halten, um das erworbene Teilunternehmen nicht schwer zu schädigen. Ob eine zeitliche Begrenzung angenommen werden müßte, wenn die Klägerin das gesamte Unternehmen der Otto M. KG übernommen hätte, wie die Revision meint, bedarf keiner abschließenden Entscheidung; jedenfalls wäre auch in einem solchen Falle das örtliche Verbot unverändert eng begrenzt und auch das gegenständliche Verbot ließe immer noch so viel Spielraum, daß unter Berücksichtigung des geforderten und gewährten Kaufpreises nicht ohne weiteres von einer unbilligen, die Grenzen des § 138 BGB überschreitenden Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Beklagten und ihrer Gesellschafter gesprochen werden müßte.

Die Auffassung der Revision, wenn die Vorteile der Beklagten aus der früheren Tätigkeit entfallen seien und wenn nicht mehr an alte geschäftliche Kontakte angeknüpft werden könnte, dann habe die Beklagte ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt und der Klägerin die Stellung verschafft, die sie innegehabt habe, es sei damit das schützenswerte Interesse an dem Wettbewerbsverbot entfallen, berücksichtigt nicht, daß von einem solchen Zustand im Streitfall eben deshalb nicht gesprochen werden kann, weil die Beklagte auf einem benachbarten Arbeitsgebiet weiter tätig war, ihre Geschäftsbeziehungen demnach auch weiter pflegte, die auch bei Aufgaben aus dem übertragenen Teil des Unternehmens sich auswirkten; das zeigt gerade der Umstand, der zu diesem Rechtsstreit geführt hat, daß nämlich die Stadt Lingen, bei der die Beklagte Container abholen darf, die Beklagte zu einem Angebot über die Abfuhr von Sperrmüll aufgefordert hat. Davon abgesehen darf das Wettbewerbsverbot in Fällen der hier vorliegenden Art nicht so begrenzt gesehen werden, wie es die Revision tut. Denn die Beklagte hat einen erheblichen Kaufpreis gezahlt, um ein Unternehmen zu erwerben, das umfangmäßig jedenfalls nicht der Gefahr ausgesetzt sein sollte, daß nach einigen Jahren der Veräußerer als Konkurrent auftritt; mögen dann auch die alten Beziehungen unterbrochen sein, als Konkurrent wird er jedenfalls seinem früheren Unternehmen sofort entgegentreten und damit den Wert dieses Unternehmen mindern; der gewissermaßen mit dem Unternehmen überlassene Markt war aber ein Hauptgegenstand des Vertrages. Eine solche fortdauernde Beschränkung führt auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zu einer unbilligen und gegen die Grundsätze des § 138 BGB verstoßenden Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit der Beklagten.

Die Parteien sind in den Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, daß der Kaufvertrag keine über den Austausch von Leistung und Gegenleistung hinausgehende Vereinbarung enthält; es bedarf daher keines Eingehens auf den erstmals in der Revisionsinstanz erhobenen Einwand, der Vertrag enthalte auch eine nach § 1 GWB unzulässige Marktaufteilung.

Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, die Klägerin nütze die übertragenen Möglichkeiten nicht voll aus, sie könne sich deshalb nach Treu und Glauben (§ 242) nicht auf das Wettbewerbsverbot berufen. In welchem Umfang der Käufer die Möglichkeiten der von ihm erworbenen Gegenstände nützt, ist seine Sache; es besteht auch kein Anhalt, daß die Klägerin sich etwa nur deshalb auf das Wettbewerbsverbot berufen würde, um der Beklagten zu schaden.

III. Da das Berufungsurteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen läßt, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Krüger-Nieland, Alff, Sprenkmann, Schönberg, v. Gamm

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1237594

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