Leitsatz (amtlich)

a) Gibt der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft gegenüber einer Sozialkasse für rückständige Sozialabgaben der Gesellschaft zu Sicherungszwecken ein konstitutives Schuldanerkenntnis ab, haften die Gesellschaft und der organschaftliche Vertreter für die Sozialabgaben als Gesamtschuldner i.S.v. § 421 BGB.

b) Zahlt die Gesellschaft die rückständigen Abgaben, kann sie von ihrem organschaftlichen Vertreter keinen Gesamtschuldnerausgleich nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) verlangen. Dem steht § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB entgegen. Im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem organschaftlichen Vertreter ist allein die Gesellschaft als Arbeitgeberin zahlungspflichtig.

 

Normenkette

BGB §§ 421, 426 Abs. 1 S. 1 2. Halbs., § 781; SGB IV § 28e Abs. 1

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen 1 U 192/04)

LG Erfurt (Urteil vom 29.01.2004; Aktenzeichen 2 HKO 163/01)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Jena vom 21.10.2004 aufgehoben und das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Erfurt vom 29.1.2004 - dieses im Kostenpunkt und soweit der Klage stattgegeben worden ist - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH G. (nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte hält 50 % der Gesellschaftsanteile und war einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Mitte des Jahres 1999 war die Schuldnerin mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen ggü. der Innungskrankenkasse W. in Rückstand. Diese unternahm daraufhin am 25.8.1999 einen Pfändungsversuch, der fruchtlos verlief. Am selben Tag gab der Beklagte ggü. der Innungskrankenkasse ein mit "unwiderrufliches Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB)" überschriebenes Anerkenntnis seiner persönlichen Haftung für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten i.H.v. 165.404,24 DM ab und verpflichtete sich, beginnend mit dem 30.9.1999, diesen Betrag in monatlichen Raten von 30.000 DM zu zahlen. In der Zeit vom 23.9.1999 bis einschließlich 22.12.1999 zahlte die Schuldnerin auf die Rückstände 120.000 DM. Bis November 1999 leistete sie darüber hinaus die monatlich fälligen Sozialversicherungsbeiträge; jedenfalls bis zum 31.1.2000 verfügte sie zudem auf einem Geschäftskonto bei der C. bank - bis auf eine Ausnahme im November 1999 - über nicht unerhebliche Haben-Salden.

[2] In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 28.1.2000 wurde beschlossen, die Schuldnerin mit sofortiger Wirkung aufzulösen und den Geschäftsbetrieb zum 29.1.2000 einzustellen. Auf einen von der Innungskrankenkasse W. gestellten Insolvenzantrag wurde am 24.5.2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

[3] Mit der auf eine Anfechtung aus § 135 InsO, §§ 32a, 32b GmbHG gestützten Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 120.000 DM in Anspruch genommen und hierzu behauptet, die Schuldnerin habe sich im Zeitpunkt der Sicherheitengewährung durch den Beklagten und seines Freiwerdens von der Schuld ggü. der Innungskrankenkasse durch die Zahlungen aus ihrem Vermögen in einer Krise befunden.

[4] Hilfsweise hat er Zahlung von 60.000 DM begehrt mit der Begründung, im Hinblick auf das Schuldanerkenntnis seien der Beklagte und die Schuldnerin Gesamtschuldner i.S.d. § 421 BGB gewesen, so dass wegen der aus dem Vermögen der Schuldnerin geleisteten Zahlungen ein hälftiger Ausgleichsanspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten bestehe.

[5] Das LG hat zu der Behauptung des Klägers, die Schuldnerin sei am 25.8.1999 und bei den Zahlungen an die Innungskrankenkasse W. zwischen September und Dezember 1999 kreditunwürdig gewesen, die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Der Sachverständige hat sich zu einer Beantwortung der Beweisfrage nicht in der Lage gesehen, da der Kläger ihm keine aussagekräftigen Unterlagen über die finanzielle Situation der Schuldnerin im Zeitraum von Mitte August bis Ende 1999 ausgehändigt hat. Das LG hat darauf den Hauptantrag mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei beweisfällig für das Vorhandensein der Voraussetzungen für eine Rückgewährpflicht des Beklagten nach den Eigenkapitalersatzregeln. Es hat den Beklagten jedoch auf den Hilfsantrag zur Zahlung von 30.677,51 EUR (60.000 DM) gem. § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 InsO verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

[6] Die Revision des Beklagten ist begründet und führt - da weitere tatrichterliche Feststellungen nicht in Betracht kommen - unter Aufhebung bzw. teilweiser Änderung der angefochtenen Urteile zur vollständigen Klageabweisung (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[7] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 80 InsO zu, da es sich bei der Erklärung des Beklagten um ein konstitutives Schuldanerkenntnis gehandelt habe mit der Folge, dass die Schuldnerin und der Beklagte als Gesamtschuldner ggü. der Innungskrankenkasse zur Zahlung der Beitragsrückstände verpflichtet gewesen seien. Im Innenverhältnis seien der Beklagte und die Schuldnerin daher einander zu gleichen Anteilen gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet mit der Folge, dass der Kläger hälftige Erstattung der von den Konten der Schuldnerin auf die Rückstände geflossenen Zahlungen verlangen könne. Die Frage, ob dem Kläger darüber hinaus auch ein Anspruch auf Rückgewähr nach den Eigenkapitalersatzregeln (§§ 32a, 32b GmbHG i.V.m. § 135 InsO) zustehe, hat das Berufungsgericht offen gelassen.

[8] II. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[9] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger vom Beklagten nicht Gesamtschuldnerausgleich nach Kopfteilen gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. Dem steht § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB entgegen. Schuldnerin der Sozialversicherungsabgaben ggü. der Innungskrankenkasse war im Innenverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten allein die Schuldnerin als Arbeitgeberin (§ 28e Abs. 1 SGB IV).

[10] 1. Noch zutreffend - und von der Revision nicht angegriffen - geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der Erklärung des Beklagten um ein konstitutives Schuldanerkenntnis gem. § 781 BGB handelt, das auch für eine fremde Schuld abgegeben werden kann (BGH, Urt. v. 4.4.2000 - XI ZR 152/99, MDR 2000, 840 = ZIP 2000, 972). Hierfür spricht nicht nur bereits die Überschrift des Anerkenntnisses, sondern insb., worauf das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat, die dem Beklagten erkennbare Interessenlage der Innungskrankenkasse. Dieser ging es ersichtlich darum, einen zweiten Schuldner für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge zu erhalten. Dass der Beklagte im Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses ggü. der Innungskrankenkasse bezogen auf die in den rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen enthaltenen Arbeitnehmeranteile aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB haftete, was insofern gegen ein konstitutives Schuldanerkenntnis sprechen würde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

[11] 2. Ebenfalls noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte aufgrund des Schuldanerkenntnisses neben der Schuldnerin originär zur Zahlung verpflichtet war mit der Folge, dass zwischen ihnen ein Gesamtschuldverhältnis gem. § 421 BGB bestand. Anders als die Revision meint, fehlte es nicht an der für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses erforderlichen Gleichstufigkeit der Verpflichtungen des Beklagten und der Schuldnerin (st.Rspr. s. nur BGH v. 26.1.1989 - III ZR 192/87, BGHZ 106, 313, 319 = MDR 1989, 798; 108, 179, 182 ff.; 120, 50, 56; 137, 76, 82 m.w.N.; MünchKomm/BGB/Bydlinski 4. Aufl., § 421 Rz. 12 m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Schuldanerkenntnis lediglich zu Sicherungszwecken abgegeben hat. Ebenso wie durch eine sicherungshalber abgegebene Patronatserklärung eine Gesamtschuld begründet wird (BGH v. 30.1.1992 - IX ZR 112/91, BGHZ 117, 127, 132 ff. = AG 1992, 447 = MDR 1992, 367), führt ein Schuldbeitritt zu einer Gesamtschuld, auch wenn der Beitretende ihn zu Sicherungszwecken erklärt und vollen Regress nehmen kann (h.A. seit RGZ 51, 120, 121, s. auch MünchKomm/BGB/Bydlinski, a.a.O., § 421 Rz. 15, 35; Erman/H. Ehmann, BGB 11. Aufl., § 421 Rz. 47 jew.m.w.N.). Der Sicherungszweck des Schuldanerkenntnisses ändert nichts daran, dass der Beklagte ebenso wie die Schuldnerin im Außenverhältnis zur Innungskrankenkasse zur Bewirkung der gesamten Leistung, d.h. zur Zahlung der Rückstände verpflichtet war und die Innungskrankenkasse nach ihrem Belieben von jedem der Schuldner die Leistung ganz oder zum Teil fordern konnte.

[12] 3. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es angenommen hat, der Beklagte und die Schuldnerin seien im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Hier ist vielmehr gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB im Innenverhältnis "etwas anderes bestimmt". Schuldnerin ggü. der Innungskrankenkasse für die Sozialversicherungsabgaben war gem. § 28e Abs. 1 SGB IV allein die Schuldnerin als Arbeitgeberin. Wäre der Beklagte von der Innungskrankenkasse aufgrund des Schuldanerkenntnisses persönlich in Anspruch genommen worden und hätte die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge ausgeglichen, hätte er damit zwar im Verhältnis zur Innungskrankenkasse eine eigene Schuld erfüllt, gleichzeitig aber auch gem. § 422 BGB die Schuldnerin von der sie gesetzlich treffenden Pflicht zur Zahlung der Sozialabgaben befreit, ohne aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt ihr gegenüber zu einer solchen Leistung verpflichtet zu sein. Er hätte daher gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB die geleisteten Zahlungen in voller Höhe im Wege des Innenausgleichs von der Schuldnerin ersetzt verlangen können. Daraus folgt umgekehrt, dass wegen der im Innenverhältnis allein die Schuldnerin treffenden Pflicht zur Zahlung von Sozialabgaben diese keinen Ausgleichsanspruch gegen den Beklagten hat, wenn sie, wie geschehen, ihrer Zahlungsverpflichtung ggü. der Innungskrankenkasse nachgekommen ist.

[13] III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

[14] Anders als die Revisionserwiderung meint, kommt - auch - keine Haftung des Beklagten aus § 135 InsO i.V.m. §§ 32a, 32b GmbHG in Betracht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass sich die Schuldnerin im Zeitpunkt der den Beklagten von seiner persönlichen Schuld befreienden Zahlungen an die Innungskrankenkasse in einer "Krise" i.S.v. § 32a Abs. 1 GmbHG befunden hat.

[15] Der Kläger hat sich in der Berufungsinstanz nicht gegen die Abweisung des auf Ersatz nach den Eigenkapitalersatzregeln gestützten Hauptantrags wegen Beweisfälligkeit gewandt. Die Abweisung der Klage im Hauptantrag durch das LG war im Übrigen entgegen der - als nicht geschrieben geltenden - nicht durch tatrichterlich festgestellte Tatsachen belegten reinen Meinungsäußerung des Berufungsgerichts hierzu und entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zutreffend. Insbesondere beruht sie nicht auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast. Verlangt der Insolvenzverwalter von einem Gesellschafter Rückzahlung einer Leistung nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes, muss er darlegen und beweisen, dass die Gesellschaft sich zu dem maßgeblichen Zeitpunkt in einer Krise i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG befunden hat (st.Rspr. s. nur BGH, Urt. v. 28.9.1987 - II ZR 28/87, GmbHR 1988, 58 = MDR 1988, 382 = ZIP 1987, 1541, 1542; v. 14.11.1988 - II ZR 115/88, GmbHR 1989, 154 = MDR 1989, 332 = ZIP 1989, 93, 94; v. 7.3.2005 - II ZR 138/03, MDR 2005, 935 = BGHReport 2005, 846 = GmbHR 2005, 617 m. Anm. Blöse = ZIP 2005, 807 f. m.w.N.). Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Die vom LG angeordnete Beweisaufnahme zur Krisensituation der Schuldnerin ist daran gescheitert, dass der Kläger dem Sachverständigen die in seinem Besitz befindlichen Unterlagen über die finanzielle Situation der Insolvenzschuldnerin im Umfang von 44 Ordnern auf dessen mehrfache Aufforderung hin nicht zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revisionserwiderung angeführten Indizien für die Annahme einer Krise rechtfertigten allenfalls den Erlass des Beweisbeschlusses; sie reichten hingegen keinesfalls bereits als Nachweis für das Bestehen einer Krise aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1781961

BB 2007, 1804

DB 2007, 1808

DB 2007, 303

DStR 2007, 1542

WPg 2007, 759

NWB 2007, 3015

BGHR 2007, 1127

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2007, 1407

NZG 2007, 674

StuB 2007, 917

WM 2007, 1613

WuB 2008, 23

ZIP 2007, 1602

DZWir 2007, 480

MDR 2007, 1201

NZI 2008, 43

VersR 2008, 95

ZInsO 2007, 888

GuT 2007, 333

InsbürO 2007, 438

SJ 2007, 43

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