Leitsatz (amtlich)

a) Bei einem Arbeitsunfall besteht für den Verletzten kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse, sofern sie als Folge des Arbeitsunfalls zu erbringen wären. Der Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger geht deshalb gem. § 116 Abs. 1 SGB X im Zeitpunkt des Unfalls insgesamt auf den Unfallversicherungsträger über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat.

b) Leistungen, die die Krankenkasse dem Verletzten tatsächlich erbracht hat, sind ihr von dem Unfallversicherungsträger nach den §§ 105 ff. SGB X zu erstatten. Die Krankenkasse wird weder - teilweise - Inhaber des dem Verletzten gegen den Schädiger zustehenden Schadensersatzanspruchs noch steht ihr gegen den Schädiger ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu.

c) Erbringt der Haftpflichtversicherer des Schädigers in der Annahme, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege, Ersatzleistungen an die Krankenkasse, so erfolgen diese regelmäßig ohne Rechtsgrund. Ein unter diesen Voraussetzungen zwischen dem Haftpflichtversicherer und der Krankenkasse geschlossener Abfindungsvergleich ist regelmäßig nach § 779 BGB unwirksam.

d) Der Bereicherungsanspruch des Haftpflichtversicherers kann ausgeschlossen sein, wenn sich die Krankenkasse im Hinblick auf die Versäumung der Fristen der §§ 111, 113 SGB X erfolgreich auf Entreicherung berufen kann (§ 818 Abs. 3 BGB) oder wenn der für die Folgen des Unfalls einstandspflichtige Haftpflichtversicherer durch die gestaffelte Rückabwicklung hinsichtlich der von der Krankenkasse erbrachten Leistungen grundlos entlastet würde (§ 242 BGB).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 677 ff., §§ 779, 812, 818 Abs. 3; SGB V § 11 Abs. 4; SGB X §§ 105, 116 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm

LG Dortmund

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des OLG Hamm v. 18.6.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der klagende Haftpflichtversicherer verlangt von der beklagten Krankenkasse die Rückzahlung von Leistungen, die er in Folge eines Verkehrsunfalls erbracht hat.

Im Jahr 1994 wurde R. auf dem Weg zur Schule durch ein bei der Klägerin haftpflichtversichertes Fahrzeug verletzt. R. war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie übernahm die unfallbedingten Heilbehandlungskosten. Die Klägerin erstattete ihr diese auf Grund eines zwischen den Parteien bestehenden Teilungsabkommens i. H. v. 52.590,44 DM. Am 25.10.1995 schlossen die Parteien einen Abfindungsvergleich, wonach mit der Zahlung eines Betrages von 65.000 DM sämtliche vergangenen und zukünftigen Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung abgegolten sein sollten.

Zuvor hatte R. der Klägerin mitteilen lassen, der Gemeindeunfallversicherungsverband (Streithelfer der Klägerin) habe durch Bescheid v. 15.8.1995 Entschädigungsansprüche mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Allerdings hatte R. gegen den ablehnenden Bescheid des Streithelfers Widerspruch eingelegt und anschließend Klage vor dem SG erhoben; die Kenntnis der Klägerin davon ist zwischen den Parteien streitig. Am 28.10.1997 erkannte der Streithelfer den Unfall als entschädigungspflichtigen Wegeunfall i. S. d. gesetzlichen Unfallversicherung an. Er zeigte der Klägerin den Übergang der Ansprüche des Geschädigten auf sich an und bat um Bestätigung ihrer Einstandspflicht. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung der von ihr gezahlten Beträge auf.

Das LG hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte (auf den von der Beklagten anerkannten Hilfsantrag der Klägerin) verurteilt werde, an die Klägerin sämtliche Erstattungsansprüche gegen den Gemeindeunfallversicherungsverband abzutreten, die aus ihren Aufwendungen für den Geschädigten herrührten; die Zahlungsklage hat es abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in RuS 2002, 460 f. abgedr. ist (dazu Lemcke, RuS 2002, 441 ff.), hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch, weil die Beklagte nicht ungerechtfertigt bereichert sei, die Klägerin ihre Leistungen vielmehr mit Rechtsgrund erbracht habe und der Rechtsgrund auch nicht später entfallen sei. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten R. gegen die Klägerin sei gem. § 116 Abs. 1 SGB X auf die Beklagte übergegangen.

Zwar sei die Beklagte unzuständiger Sozialleistungsträger gewesen, da gem. § 11 Abs. 4 SGB V allein der Gemeindeunfallversicherungsverband zur Tragung der Heilungskosten verpflichtet gewesen sei. Die Voraussetzungen für einen Anspruchsübergang auf die Beklagte seien deshalb nach dem Wortlaut des § 116 Abs. 1 SGB X nicht erfüllt gewesen. Infolgedessen bestehe auch gem. § 105 SGB X eine interne Ausgleichspflicht zwischen der Beklagten und dem Streithelfer.

Doch wirke dies sich nicht auf das Außenverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin aus. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Erstattungspflicht des Haftpflichtversicherers davon abhängen solle, ob der Krankenversicherer auf Grund eines Kompetenzkonfliktes zwischen ihm und dem Unfallversicherungsverband nur vorläufig leiste oder aber in einer rechtlich unklaren Situation irrtümlich die eigene Zuständigkeit annehme. Daher sei § 116 Abs. 1 SGB X dahin auszulegen, dass ein Anspruchsübergang auch dann stattfinde, wenn der Sozialleistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit Leistungen auf Grund eines zwar rechtswidrigen, ihn selbst jedoch bindenden Verwaltungsakts erbringe. Dadurch werde eine ausreichende Leistungspflicht i. S. d. § 116 Abs. 1 SGB X geschaffen. Dem entspreche es, dass nach § 107 SGB X der Anspruch des Leistungsberechtigten unabhängig von der Zuständigkeit des leistenden Trägers als erfüllt gelte. Der Erstattungsanspruch gehe erst im Zeitpunkt der Anerkennung der Leistungspflicht durch den Unfallversicherungsträger auf diesen über. Die Beklagte habe von der Klägerin mithin Zahlung verlangen und auch den Abfindungsvergleich mit ihr schließen können.

II.

Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen die Klägerin nicht auf die Beklagte übergegangen.

Nach § 1 Abs. 1 des zwischen den Parteien bestehenden Teilungsabkommens verzichtet die Klägerin als Haftpflichtversicherer auf die Prüfung der Haftungsfrage, wenn eine dem Abkommen beigetretene Krankenkasse gegen eine Person, die bei der Klägerin haftpflichtversichert ist, gem. § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadensfällen ihrer Versicherten geltend machen kann. Nach § 1 Abs. 5 des Abkommens gilt die Prüfung der Frage, ob ein Anspruch nach § 116 SGB X vorliegt, nicht als Prüfung der Haftungsfrage i. S. d. Abkommens. Damit ist klar gestellt, dass eine Zahlungspflicht der Klägerin den Übergang der Ansprüche des Geschädigten auf die Beklagte nach § 116 SGB X voraussetzt. Ein solcher Anspruchsübergang ist nach dem festgestellten Sachverhalt zu verneinen.

a) Liegen die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 SGB X vor, so geht der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger kraft Gesetzes, d. h. ohne weiteres Zutun des regreßberechtigten Sozialleistungsträgers, auf diesen über (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., § 116 SGB X S. 971b; Hauck-Haines, SGB X/3, K § 116 Rz. 23; Kater in Kasseler Kommentar, § 116 SGB X Rz. 141; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 116 SGB X Rz. 3a; Pickel, SGB X, § 116 SGB X Rz. 21; Gitter in SGB-SozVers-GesKomm, § 116 SGB X Anm. 9; Wannagat-Eichenhofer, SGB X, § 116 Rz. 13). Der Übergang auf einen Sozialversicherungsträger erfolgt dem Grunde nach bereits im Augenblick des schadensstiftenden Ereignisses, wenn eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt, also nicht völlig unwahrscheinlich ist (BGHZ 48, 181 [186 ff.]; BGH v. 20.9.1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120 [125] = MDR 1995, 366 und v. 17.4.1990 - VI ZR 276/89, MDR 1990, 811 = VersR 1990, 1028 [1029] m. w. N.).

b) Eine Leistungspflicht der Beklagten bestand im Streitfall nicht. Auch das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass nicht etwa eine zunächst bestehende Leistungsverpflichtung der Beklagten auf Grund der Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall nachträglich entfallen ist, sondern dass sie von Anfang an nicht bestanden hat. § 11 Abs. 4 SGB V begründet eine ausschließliche Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger. Beim Vorliegen eines Arbeitsunfalls besteht deshalb für den Verletzten kein Anspruch auf irgendeine Leistung aus der gesetzlichen Krankenkasse, sofern sie als Folge des Arbeitsunfalls zu erbringen wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verletzte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch tatsächlich erhält; aus § 11 Abs. 4 SGB V ergibt sich, dass bereits ein Anspruch auf Leistungen wegen des Arbeitsunfalls ausreicht, um die Leistungspflicht der Krankenkasse schlechthin auszuschließen (BSGE 81, 103 [108]).

Diese Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung besteht vom ersten Tag an. Für die Anwendung des § 11 Abs. 4 SGB V ist allein der Eintritt des Versicherungsfalls und somit die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers dem Grunde nach maßgebend. Diese Verpflichtung entsteht nach § 40 Abs. 1 SGB I, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Verwaltungsakte (Anerkennungsbescheide) über derart entstandene Ansprüche haben deshalb nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BSGE 81, 103 [108]; BSG, SozR 3-1300 § 111 SGB X Nr. 4; USK 89145).

Danach war im Streitfall der zuständige Sozialversicherungsträger nicht die Beklagte, sondern der Gemeindeunfallversicherungsverband. Mithin ging der Ersatzanspruch des Geschädigten R. gegen den Schädiger und damit gegen die Klägerin gem. § 116 SGB X bereits im Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht auf die Beklagte, sondern auf den Streithelfer über (ebenso Lemcke, RuS 2002, 441 [442]).

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass die beklagte Krankenversicherung dem Geschädigten tatsächlich Leistungen erbracht hat, zu keiner anderen Beurteilung.

Das Berufungsgericht geht selbst nicht davon aus, dass die beklagte Krankenkasse durch die Leistungsgewährung zum zuständigen Leistungsträger wurde. Es ist jedoch der Meinung, dass eine für den Anspruchsübergang ausreichende Leistungspflicht i. S. d. § 116 SGB X dadurch geschaffen werde, dass der Sozialleistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit Leistungen auf Grund eines zwar rechtswidrigen, ihn selbst aber bindenden Verwaltungsakts erbringe (ebenso ohne nähere Begründung: Kater in Kasseler Kommentar, SGB X, § 116 Rz. 159).

Dem kann nicht gefolgt werden. Es kann dahinstehen, ob diese Ansicht zutraf, solange neben dem Unfallversicherungsträger - subsidiär - auch die Krankenkassen zuständig waren. Nach In-Kraft-Treten des § 11 Abs. 4 SGB V und in Anbetracht der damit eingeführten ausschließlichen Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers kann hiervon nicht mehr ausgegangen werden. Wie ausgeführt, hatten sowohl der die Leistungspflicht anerkennende Bescheid des Unfallversicherungsträgers als auch Übernahmeerklärungen der beklagten Krankenkasse im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 4 SGB V lediglich deklaratorischen Charakter. Sie sind deshalb für den Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X ohne Bedeutung (vgl. auch Lemcke, RuS 2002, 441 [442 f.]).

Eine abweichende Betrachtungsweise stünde nicht nur im Widerspruch zu den vom Gesetz getroffenen Zuständigkeitsregelungen, sondern auch zu den in den §§ 102 ff. SGB X enthaltenen Ausgleichsregelungen, hier zu der in § 105 SGB X getroffenen Regelung über den Ausgleichsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers, der tatsächlich Leistungen erbracht hat. Diese Regelungen schließen die Annahme aus, ein unzuständiger Leistungsträger könne durch eigenes Handeln auf den Anspruchsübergang bzw. seinen Zeitpunkt Einfluss nehmen mit der Folge, während der Zeit seiner Inhaberschaft zulasten des zuständigen Leistungsträgers über den Anspruch verfügen zu können, etwa - wie hier - einen wirksamen Abfindungsvergleich zu schließen.

Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht lässt sich nicht aus einer ergebnisorientierten Wertung der Sachlage rechtfertigen. Der Fall, dass nach einem Unfall die Heilbehandlungskosten des Geschädigten von der Krankenkasse übernommen werden, weil zunächst das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht erkannt wird oder streitig ist (vgl. § 43 SGB I), tritt in der Rechtspraxis durchaus nicht selten auf (vgl. z. B. Marburger, SozVers 1992, 127 ff.). Für die Lösung dieser Konfliktfälle enthält das Sozialgesetzbuch klare Regelungen, die eine allein am Ergebnis orientierte Betrachtung entbehrlich machen.

d) Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 107 SGB X, wonach unabhängig von der Zuständigkeit des leistenden Trägers durch dessen Leistung der Anspruch des Leistungsberechtigten als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht, überzeugt nicht. Mit der Erfüllungsfiktion in § 107 Abs. 1 SGB X hat der Gesetzgeber sich aus Gründen der Rechtsklarheit und der Verwaltungsökonomie für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden, die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen vorleistendem Träger und Leistungsberechtigtem (§ 50 SGB X) sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen leistungspflichtigem Träger und Leistungsberechtigtem ausschließen soll; die Regelung ist bindend, d. h., es besteht kein Wahlrecht des erstattungsberechtigten Trägers, auf seinen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff. SGB X und damit auf die Erfüllungsfiktion zu verzichten und sich stattdessen nach den §§ 45, 48, 50 SGB X an den Versicherten zu halten (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 107 SGB X Nr. 10; SozR 3-2600 § 93 SGB VI Nr. 4; BVerwG v. 18.10.1990 - 5 C 51/86, BVerwGE 87, 31 [35]; BVerwG, Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 22 S. 28). Für die Frage des Anspruchsübergangs lässt sich aus § 107 SGB X danach allenfalls herleiten, dass das Gesetz den Sozialversicherungsträger zwingend auf die Ausgleichsregelungen der §§ 102 ff. SGB X verweist. Dies spricht aber gegen die Möglichkeit jeder Manipulation der bestehenden Zuständigkeitsregelungen und des daran anknüpfenden Anspruchsübergangs durch die außerhalb der Zuständigkeit erfolgende Erbringung von Leistungen.

e) Die Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 116 Abs. 1 SGB X rechtfertigen. Ziel der Vorschrift, die es dem Sozialleistungsträger ermöglicht, bei dem Schädiger Regress zu nehmen, ist es zu vermeiden, dass der Schädiger durch die dem Geschädigten zufließenden Sozialleistungen haftungsfrei gestellt oder aber der Geschädigte doppelt entschädigt (bereichert) wird (so bereits zu § 1542 RVO: BVerfGE 21, 362 [375 f.]; BGHZ 9, 179 [187 ff.]; BGHZ 27, 107 [116]; BGHZ 54, 377 [382]; BGH v. 29.11.1977 - VI ZR 222/74, BGHZ 70, 67 [69] ; v. 29.10.1968 - VI ZR 280/67, VersR 1968 1182 [1185]; v. 27.10.1970 - VI ZR 47/69, VersR 1971, 149 [150]; v. 11.5.1976 - VI ZR 51/74, VersR 1976, 756; zum weiteren Zweck der Vorschrift, den Sozialversicherungsträger wirtschaftlich zu entlasten, BGHZ 19, 177 [183]; BGH v. 29.11.1977 - VI ZR 222/74, BGHZ 70, 67 [70 ff.]). Dieses Ziel wird durch die gesetzliche Regelung, wonach der Regressanspruch dem zuständigen Sozialleistungsträger zusteht und dieser dem unzuständigen Sozialleistungsträger von diesem erbrachte Leistungen zu erstatten hat, ohne weiteres erreicht. Die Auffassung des Berufungsgerichts führt dazu, dass die unzuständige Krankenkasse einerseits aus übergegangenem Recht den Schädiger in Anspruch nehmen kann, ihr andererseits aber auch ein Anspruch auf Erstattung gem. § 105 SGB X gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger zusteht, der sich seinerseits an den Schädiger halten könnte (vgl. auch Lemcke, RuS 2002, 441 [443]). Eine solche Lösung wird durch die beschriebene Zielrichtung des § 116 Abs. 1 SGB X weder gefordert noch gerechtfertigt, zumal auch nicht ersichtlich ist, dass sie gegenüber der vom Gesetz vorgezeichneten Art der Abwicklung der infrage stehenden Fallgestaltungen nennenswerte rechtliche oder praktische Vorteile bieten könnte.

2. Der danach nicht aus § 116 SGB X herzuleitende Rechtsgrund ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht deshalb, weil ein Anspruch der Beklagten aus Geschäftsführung ohne Auftrag bejaht werden könnte.

Die beklagte Krankenkasse hat die Heilbehandlungskosten - jedenfalls in Erster Linie - in Erfüllung der ihr vermeintlich auferlegten Pflicht zu deren Übernahme gezahlt. Dies schließt es zwar nicht unbedingt aus, dass sie zugleich auch die privatrechtliche Schuld der Klägerin tilgen und somit auch deren Geschäfte besorgen wollte (vgl. BGHZ 30, 162 [167] m.w.N). In Fällen der vorliegenden Art scheidet ein Rückgriff auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag indes aus, weil die Rückgriffsfrage im Gesetz bereits geordnet ist (vgl. dazu BGHZ 30, 162 [169 ff.]; BGHZ 33, 243 [245 f.]; BGH, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 322/98, MDR 2000, 77 = NJW 2000, 72 f.). § 116 Abs. 1 SGB X sieht den Übergang der Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger auf den zuständigen Sozialleistungsträger vor. Die Erstattungsansprüche des unzuständigen Sozialleistungsträgers, der Leistungen erbringt, sind abschließend in § 105 SGB X geregelt. Dem nicht zuständigen Sozialleistungsträger darüber hinaus einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Schädiger zuzubilligen, erscheint als systemwidrig.

Darüber hinaus besorgt die Krankenkasse, die dem Geschädigten die Heilbehandlung in Form von Sachleistungen gewährt (§§ 2, 11 ff., insb. § 13 SGB V), i. d. R. kein Geschäft des zum Schadensersatz verpflichteten Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers i. S. des § 677 BGB (vgl. auch BGHZ 33, 243 [246]). Es handelt sich um ein objektiv eigenes Geschäft, das seinen Fremdcharakter allenfalls durch den Willen des Geschäftsführers (auch) zu einer Fremdgeschäftsführung erhält; dafür besteht grundsätzlich keine tatsächliche Vermutung. Der Wille, ein solches Geschäft zugleich für einen anderen zu führen, muss hinreichend nach außen in Erscheinung treten (BGH, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 322/98, MDR 2000, 77 = NJW 2000, 72 f. [73], m. w. N.); diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht vorgetragen.

3. Danach besteht grundsätzlich ein Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung der auf Grund des Teilungsabkommens geleisteten Beträge. Ein solcher Anspruch besteht auch hinsichtlich der auf Grund des Abfindungsvergleichs geleisteten Zahlungen; auch diese hat die Klägerin ohne Rechtsgrund i. S. d. § 812 Abs. 1 BGB erbracht. Denn der Vergleich ist gem. § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Voraussetzung ist danach, dass die Parteien sich beim Abschluss über tatsächliche Gegebenheiten geirrt haben, die sich außerhalb des Streits oder der Ungewissheit befanden (vgl. BGHZ 25, 390 [394]; BGH, Urt. v. 14.1.1998 - XII ZR 113/96, BGHR § 779 Abs. 1 BGB "Schiedsgutachtervergleich 1"). Ob darüber hinaus auch ein Rechtsirrtum zur Unwirksamkeit eines Vergleichs führen kann, ist umstritten (vgl. Pecher in MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 779 Rz. 64 m. w. N.), kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen.

b) Nach dem Inhalt des Vergleichs, wonach mit der Zahlung eines Betrages von 65.000 DM sämtliche zukünftige Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung abgegolten sein sollten, gingen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte die Klägerin wegen der Ersatzansprüche des Geschädigten in Anspruch nehmen konnte. Diese Beurteilung betraf nicht lediglich eine Rechtsfrage, sondern erforderte die umfassende Wertung der tatsächlichen Umstände. Insbesondere die Frage, ob es sich in Anbetracht der Umstände des Falls um einen Arbeitsunfall handelte, ist (auch) tatsächlicher Natur. Das Gleiche gilt für die Vorstellung der Parteien, hinsichtlich der vergangenen und zukünftigen unfallbedingten Heilungskosten eine abschließende Regelung treffen zu können (vgl. auch Pecher in MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 779 Rz.. 29, 62 f.). Ihre übereinstimmende Beurteilung der Sachlage, aus der sich ergab, dass die Beklagte leistungspflichtig und die Klägerin ersatzpflichtig seien und dass eine über die Vergleichssumme hinaus gehende Inanspruchnahme der Klägerin wegen der unfallbedingten Heilungskosten ausgeschlossen sei, haben die Parteien bei Abschluss des Vergleichs als einen Sachverhalt i. S. d. § 779 BGB zugrunde gelegt. Dafür, dass sie seinerzeit von einer abweichenden Beurteilung ausgegangen wären, ist nichts ersichtlich; davon auszugehen, wäre in Anbetracht der Funktion der Parteien als Haftpflichtversicherer und Krankenversicherungsträger auch lebensfremd.

c) Die Klägerin hat vorgetragen, bei Abschluss des Abfindungsvergleichs sei ihr nicht bekannt gewesen, dass das Anerkennungsverfahren durch den Streithelfer noch schwebte und somit eine Anerkennung als Arbeitsunfall noch möglich war. Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist das Vorbringen der Klägerin revisionsrechtlich als richtig zu unterstellen. Demgegenüber hat die Beklagte allerdings behauptet, die Klägerin habe beim Abschluss des Vergleichs Kenntnis von dem seitens des Geschädigten durchgeführten Widerspruchsverfahren gehabt. Dieses Vorbringen ist - worauf im Hinblick auf das weitere Verfahren hinzuweisen ist - unerheblich. Selbst wenn die für die Klägerin Handelnden derart informiert gewesen sein sollten, können sie dem keine Bedeutung beigemessen haben und - in Übereinstimmung mit den für die Beklagte Handelnden - von der Leistungspflicht der Beklagten, der Ersatzpflicht der Klägerin ihr gegenüber und der Wirkung des Vergleichs hinsichtlich künftiger unfallbedingter Heilungskosten ausgegangen sein. Die Voraussetzungen des § 779 BGB lägen nur dann nicht vor, wenn die mögliche Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers (anstelle der Beklagten) Gegenstand des Streits oder der Ungewissheit war und (auch) dieser Streit oder diese Ungewissheit durch den Vergleich beseitigt werden sollte. Dafür gibt der Vortrag der Beklagten indes nichts her.

d) Da es sich, was auf Grund des Anerkenntnisses des Streithelfers feststeht, bei dem Unfall des Geschädigten R. um einen Arbeitsunfall gehandelt hat, war die Beklagte nicht der zuständige Leistungsträger und damit nicht Inhaberin der Schadensersatzansprüche des Geschädigten. Deshalb wirkt der Vergleich auch nicht zulasten des Streithelfers, so dass die Klägerin von diesem über die vereinbarte und gezahlte Vergleichssumme hinaus in Anspruch genommen werden kann. Die gemeinsame Vorstellung der Parteien über die Vergleichsgrundlage erweist sich mithin als irrig, so dass der Vergleich gem. § 779 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

4. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB sind danach grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Leistungen der Klägerin auf Grund des Teilungsabkommens als auch der Leistungen auf Grund des Abfindungsvergleichs zu bejahen. Eine abschließende Entscheidung über den Klageanspruch hängt allerdings davon ab, ob und ggf. inwieweit sich die Beklagte zu Recht auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) beruft. Diese Einrede kann grundsätzlich auch ein in Anspruch genommener Sozialleistungsträger erheben (BGH, Urt. v. 8.10.1969 - IV ZR 633/68, VersR 1969, 1141 [1142]). Im vorliegenden Fall könnte sich die Entreicherung der Beklagten daraus ergeben, dass ihr Erstattungsanspruch gegen den Streithelfer aus § 105 SGB X wegen Versäumung der einzuhaltenden Fristen (§§ 111, 113 SGB X) ausgeschlossen ist, wobei möglicherweise die Ursache der Fristversäumung in Betracht gezogen werden muss (§§ 818 Abs. 4, 819 BGB).

Erheblich ist auch der Einwand der Beklagten, das Rückforderungsverlangen der Klägerin sei treuwidrig, weil sie, obwohl sie für die Folgen des Unfalls des R. umfassend einstandspflichtig sei, durch die gestaffelte Rückabwicklung hinsichtlich der von der Beklagten erbrachten Leistungen zumindest teilweise grundlos entlastet werde (§ 242 BGB). Dies kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin je nach den besonderen Umständen des Falls entgegenstehen. Die Grundsätze von Treu und Glauben beanspruchen gerade im Bereicherungsrecht unter dem Blickpunkt der Billigkeit in besonderem Maße Geltung (vgl. etwa BGH v. 21.3.1996 - III ZR 245/94, BGHZ 132, 198 [215]; Urt. v. 15.3.1978 - IV ZR 77/77, WM 1978, 708 [711]).

Zu diesen Punkten hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen, sodass der erk. Senat keine abschließende Entscheidung treffen kann. Insoweit kann auch der Sachvortrag des Unfallversicherungsträgers, dem erst im Revisionsverfahren der Streit verkündet worden ist und der dem Rechtsstreit nun auf Seiten der Klägerin beigetreten ist, weiteren Aufschluss geben.

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 971083

BGHZ 2004, 342

BB 2004, 164

NJW 2003, 3193

BuW 2003, 779

BGHR 2003, 1201

DAR 2003, 512

MDR 2003, 1230

NZV 2003, 463

VersR 2003, 1174

ZfS 2003, 542

GesR 2003, 364

SVR 2004, 74

LMK 2003, 207

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