Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des Urteilstenors durch Tatbestand und Entscheidungsgründe

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Tenors eines Urteils auf Zustimmung zur Erhöhung der Wohnraummiete, in dem der Monat, ab dem die erhöhte Miete geschuldet ist, nicht genannt ist.

 

Normenkette

BGB § 558b Abs. 1; ZPO § 894

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 5 S 170/09)

AG Marburg/Lahn (Entscheidung vom 20.11.2009; Aktenzeichen 9 C 560/09 (2))

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Marburg vom 14.7.2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in M. . Mit Schreiben vom 29.8.2005, zugegangen am 31.8.2005, forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Mieterhöhung ab November 2005 von 550 EUR auf 655 EUR zuzustimmen. Nachdem die Beklagte der Erhöhung nicht zugestimmt hatte, erhob die Klägerin in einem Vorprozess Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung. Mit rechtskräftigem Urteil des AG Marburg vom 7.5.2007 wurde die Beklagte verurteilt, einer Erhöhung der Miete auf 606,64 EUR zuzustimmen; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Ein Zeitpunkt, ab dem die Miete sich erhöhte, war in der Urteilsformel nicht genannt.

Rz. 2

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Zahlung des Mieterhöhungsbetrags von monatlich 56,64 EUR für den Zeitraum von November 2005 bis Juli 2007, insgesamt 1.189,44 EUR nebst Zinsen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil des AG abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 1.132,80 EUR nebst Zinsen verurteilt; im Übrigen hat das LG die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 3

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 5

Die Klägerin habe gem. § 558b BGB einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete i.H.v. monatlich 56,64 EUR, insgesamt 1.132,80 EUR, für den Zeitraum von November 2005 nicht bis Juli, sondern nur bis Juni 2007. Sie habe zum 1.11.2005 die zu einer entsprechenden Mieterhöhung notwendigen Voraussetzungen herbeigeführt. Das rechtskräftige Urteil des AG Marburg vom 7.5.2007 habe gem. § 894 ZPO zur Folge, dass die Zustimmungserklärung der Beklagten zu einer Erhöhung der monatlichen Miete auf netto 606,64 EUR als abgegeben gelte. Dies bewirke, dass der Mieter nach § 558b Abs. 1 BGB die erhöhte Miete für die Zeit ab dem dritten auf das Erhöhungsverlangen des Vermieters folgenden Kalendermonats schulde.

Rz. 6

Der Tenor des Urteils vom 7.5.2007 zwinge nicht dazu, die Mieterhöhung auf den Zeitpunkt der Rechtskraft zu beziehen. Es sei durch Auslegung zu ermitteln, zu welchem Erhöhungsverlangen des Vermieters der Mieter die Zustimmung erteilen solle. Insoweit ergebe sich aus dem Urteil vom 7.5.2007 deutlich, dass die Klägerin von der Beklagten die Zustimmung zu ihrem Erhöhungsverlangen vom 29.8.2005 begehrt habe und das Gericht nach Beweisaufnahme genau über dieses Begehren entschieden habe.

II.

Rz. 7

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Klägerin stehen für den Zeitraum von November 2005 bis Juni 2007 die geltend gemachten Erhöhungsbeträge zu. Mit der Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils des AG Marburg vom 7.5.2007 gilt die Zustimmung der Beklagten zu der im Erhöhungsverlangen der Klägerin vom 29.8.2005 begehrten Mieterhöhung als abgegeben. Damit schuldet die Beklagte, wie im Erhöhungsverlangen gefordert, die erhöhte Miete ab dem 1.11.2005, dem dritten Kalendermonat nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens der Klägerin (§ 558b Abs. 1 BGB).

Rz. 8

1. Der Anspruch auf Zahlung der erhöhten Miete setzt gem. § 558b BGB eine entsprechende Änderung des Mietvertrags voraus. Stimmt der Mieter dieser Änderung aufgrund des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nicht zu, muss der Vermieter auf Zustimmung klagen; mit Rechtskraft des Urteils, durch das der Mieter zur Zustimmung verpflichtet wird, gilt dessen Zustimmungserklärung gem. § 894 ZPO als abgegeben, d.h., die erforderliche Vertragsänderung tritt ein. Sie bewirkt, dass der Mieter nach § 558b Abs. 1 BGB den erhöhten Mietzins für die Zeit ab dem dritten auf das Erhöhungsverlangen des Vermieters folgenden Kalendermonat schuldet (BGH, Urt. v. 4.5.2005 - VIII ZR 94/04, NJW 2005, 2310 unter II 2b aa).

Rz. 9

2. Der Umstand, dass im Tenor des Zustimmungsurteils vom 7.5.2007 der Monat, ab dem die erhöhte Miete geschuldet ist, nicht genannt ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung und führt nicht dazu, dass die erhöhte Miete erst ab Rechtskraft des Zustimmungsurteils geschuldet wäre (a.A. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 10. Aufl., § 558b BGB Rz. 72). Denn zur Ermittlung des Inhalts der insoweit auslegungsbedürftigen Urteilsformel sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, insb. auch der dort in Bezug genommene Parteivortrag im Prozess samt Antrag heranzuziehen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1961 - III ZR 16/60, BGHZ 34, 337, 339). Aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils vom 7.5.2007 ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klägerin im Vorprozess die Zustimmung zu ihrem Erhöhungsverlangen vom 29.8.2005 begehrt hat, in dem sie eine Erhöhung der Miete ab November 2005 gefordert hatte, und dass das AG diesem Begehren - mit Abstrichen lediglich hinsichtlich der Höhe der verlangten Miete - stattgegeben hat.

Rz. 10

3. Dass die Klägerin im Klageantrag des Vorprozesses keinen Zeitpunkt angegeben hat, ab dem die Mieterhöhung geschuldet sein sollte, ist ebenfalls unschädlich. Denn dieser Zeitpunkt ergab sich aus ihrem Erhöhungsverlangen vom 29.8.2005, dem das Urt. v. 7.5.2007 - von einer betragsmäßigen Reduzierung der verlangten Miete abgesehen - entsprochen hat, und ergäbe sich im Übrigen, wenn im Erhöhungsverlangen kein Zeitpunkt genannt wäre, aus dem Gesetz (§ 558b Abs. 1 BGB).

Rz. 11

Zwar ist der Vermieter nicht gehindert, eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren als dem in § 558b BGB bestimmten Zeitpunkt geltend zu machen (Artz in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 558b Rz. 8 und 16; Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, 2. Aufl., § 558b Rz. 15; Müller/Walther/Schneider, Miet- und Pachtrecht, Band 1, Stand Juli 2009, § 558b Rz. 108). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Klägerin hat, wie ausgeführt, in ihrem Erhöhungsverlangen in Übereinstimmung mit § 558b Abs. 1 BGB die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der Miete ab November 2005 und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt gefordert. Insoweit ist der Klägerin das zugesprochen worden, was sie beantragt hat, so dass - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht - kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorliegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2712715

EBE/BGH 2011, 227

NJW-RR 2011, 1382

JurBüro 2011, 613

NZM 2012, 112

ZMR 2011, 790

MDR 2011, 839

WuM 2011, 423

Info M 2011, 322

MietRB 2011, 237

MK 2012, 9

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