Leitsatz (amtlich)

Die ergänzende Vertragsauslegung kommt zur Ausfüllung einer nachträglich entstandenen Vertragslücke nicht in Betracht, wenn sich das eingetretene Ereignis infolge einer Veränderung der allgemeinen Verhältnisse und der Rechtsanschauung einer Beurteilung nach dem Vertragswillen entzieht.

 

Normenkette

BGB § 157

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 19.07.1955)

OLG Hamburg

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das am 19. Juli 1955 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Hanse- atischen Oberlandesgerichts zu Hamburg, soweit es zum Nachteil der Beklagten erlassen ist, aufgehoben und die Klage abgewiesene

Auf den Antrag der Beklagten aus § 717 ZPO wird der Kläger verurteilte an die Beklagte weitere 25.180,07 DM nebst 4 % Zinsen von 5.976,92 DM seit dem 14. August 1953; von 523,13 DM seit dem 19. August 1953 und von 18.680,02 DM seit dem 2. September 1953 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der am 23. November 1904 geborene Kläger wurde Bilde 1934 zum Mitdirektor der beklagten Sparkasse berufene Durch Vertrag vom 25. August 1936 wurde er für die Zeit vom 1. August 1936 bis zum 31. Juli 1946 zum alleinigen Direktor bestellte Sein Gehalt sollte sieh nach dem „jeweiligen Gehalt des Präsidenten einer h. Behörde (z.Zt. des der Grupue 25 der Besoldungsordnung) einschließlich aller gesetzlichen Zuschläge” richten und den für die h. Staatsbeamten und für die Reichsbeamten maßgebenden Gehaltskürzungen unterliegen. Der Vertrag sollte gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grunde gekündigt werden können und gewährte dem Kläger und seiner Familie unter näher aufgezeigten Voraussetzungen eine Pension. Der Vertrag sollte sich um jeweils 5 Jahre verlängern, falls er nicht binnen einem Jahre vor seinem Ablauf gekündigt würde. Unter dem 17. Januar 1941 wurde ein neuer Dienstvertrag geschlossen. In ihm wurde das Gehalt ohne jede Bezugnahme auf beamtenrechtliche Vorschriften auf 24.500 RM jährlich festgesetzt. Der Vertrag sollte mit dem 1. Januar 1941 in Kraft treten und fest auf zehn Jahre geschlossen sein. Der Kläger sollte ruhegehaltsberechtigt sein, falls der Vertrag nicht verlängert würde. Für die Berechnung des Ruhegehalts ist auf bestimmte beamtenrechtliche Bestimmungen des hamburgischen Staates verwiesene Der Beginn der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit wurde auf den 1. April 1923 festgesetzte. Für den Fall des Todes des Klägers war für seine Familie die Fortzahlung des vollen Gehalts für den Sterbemonat und die darauf folgenden drei Monate und eine Pension vorgesehene, die „sich nach den jeweils für die Beamten geltenden Vorschriften richten” sollte.

Mit Schreiben vom 11. Mai 1945 sprach der Senator V., der Stadtkämmerer des Hansestadt H. und Mitglied des Verwaltungsrats war, dem Kläger gegenüber die Entlassung aus. Er berief sich hierfür auf eine Anordnung der Militärregierung und auf die NSDAP- und SS-Zugehörigkeit des Klägers.

Der Kläger ist der Ansicht, daß sich Velthuysen in diesem Schreiben als Stadtkämmerer und nicht als Mitglied des Verwaltungsrats geäußert habe. Im übrigen enthalte das Schreiben nur eine Suspension. Das Dienstverhältnis habe erst mit dem 31. Dezember 1950 sein Ende gefunden und dann, einem Ruhegehaltsverhältnis Platz gemacht.

Er verlangte zunächst Zahlung bestimmter Beträge als Gehalt und Ruhegehalt und die Feststellung, daß er schon jetzt und im Falle seines Todes auch, seine Familienangehörigen in bestimmter Weise pensionsberechtigt seien.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die von der Beklagten, erhobene, in der Revisionsinstanz jedoch nicht mehr interessierende Widerklage bis auf einen Betrag von 1.256,08 DM abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung und der Kläger unselbständige Anschlußberufung angebracht. Beide Parteien haben ihre erstinstanzlichen. Anträge erweiterte

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zur Zahlung von 60.179,12 DM, und zwar 14.026,62 DM als aktives Gehalt für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1950 und den Rest als Pension für die Zeit vom 1. Januar 1951 bis zum 31. Juli 1954 zu verurteilen,
  2. die Beklagte ab 1. August 1954 bis zum Tode des Klägers zur Zahlung von monatlich 952,78 DM zu verurteilen,
  3. festzustellen, daß der Kläger berechtigt ist, ab 1. August 1954 eine Erhöhung seines Ruhegehalts von monatlich 952,78 DM zu beanspruchen entsprechend der Ruhegehaltserhöhug, die hamburgischen Beamten seit dem 1. Mai 1944 zugebilligt werden wird,
  4. festzustellen, daß es zugunsten der Hinterbliebenen des Klägers bei den Bestimmungen der §§ 7 Satz 3 und 8 Abs. 1 und 2 des Anstellungsvertrages vom 17. Juni 1941 mit der Maßgabe verbleibt, daß an die Stelle des 1. April 1923 der 23. November 1925 tritt.

Die Beklagte hat beantragt,

den Kläger auf Grund des § 717 ZPO zur Erstattung von 44.842,01 DM nebst bestimmten Zinsen zu verurteilen und auf die Widerklage festzustellen, daß der Kläger nicht berechtigt ist, über die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche hinaus weitere Ansprüche gegen die Beklagte zu erheben.

Das Berufungsgericht hat das Dienstverhältnis als mit dem 31. Mai 1945 beendet angesehen und deshalb den Anspruch des Klägers auf aktives Gehalt abgewiesen. Es hat darüber hinaus den Eintritt eines vertraglich geregelten Pensionsfalls verneint, jedoch angenommen, daß dem Kläger nicht jeder Pensionsanspruch versagt werden könne, und ihm die Hälfte der „für einen Fall der Dienstunfähigkeit errechneten Versorgung” zuerkannte Demzufolge hat es in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Zahlung von 22.995,30 DM Pension für die Zeit vom 1. Juni 1950 bis zum 31. Juli 1954 verurteilt und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, zu zahlen:

  1. an den Kläger:

    mit Wirkung ab 1. August 1954, jeweils monatlich im voraus, weiterhin bis einschließlich des Monats seines Todes als Ruhegeld die Hälfte des Ruhegehalts, das nach der jeweils gültigen Ruhegehaltsregelung einem h. Beamter des höheren Dienstes gebührt, der mit Ablauf des 31. Mai 1945 zu dem einer Dienstzeit von 13 vollen Dienst jähren entsprechenden Hundertsatz von 57 des ruhegehaltsfähigen – Grundgehalt und Wohnungsgeldzuschuß umfassenden – Dienstgehalts von 24.500 RM in den Ruhestand. getreten ist (zurzeit monatlich 763,05 DM);

  2. nach dem Tode des Klägers an seine Witwe und/ oder Kinder aus der zur Zeit bestehenden Ehe für die drei dem Sterbemonat unmittelbar folgenden Kalendermonate das Ruhegehalt des Verstorbenen sowie mit Beginn des vierten auf den Sterbemonat folgenden Kalendermonats das Witwenund/öder Waisengeld, das nach den für die Versorgung der Hinterbliebenen hamburgischer Ruhestandsbsamten jeweils gültigen Vorschriften auf der Grundlage der Feststellung vorstehend unter a) in Betracht kommt mit der Maßgabe, daß dem Verwaltungsrat der Beklagten die verbindliche Bestimmung zusteht, an wen unter mehreren uneinigen empfangsberechtigt erscheinenden Hinterbliebenen Zahlung zu leisten und wie unter sie ein umstrittener Versorgungsbetrag zu verteilen ist.

Auf die Berufung der Beklagten, hat das Berufungsgericht den Kläger gemäß § 717 ZPO zur Rückzahlung von 19.661,94 DM nebst Zinsen verurteilt und auf die Widerklage festgestellt, daß der Kläger über die mit der Klage und Anschlußberufung geltend gemachten Ansprüche hinaus keine Ansprüche an die Beklagte habe.

Schließlich hat es die Klage und die Widerklage, soweit ihnen nicht stattgegeben wurde, abgewiesene

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihre Berufungsanträge, soweit ihnen nicht stattgegeben wurde, weiter. Der Kläger hat um Zurückweisung der Revision gebeten.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat recht, wenn es das Dienstverhältnis als durch die Erklärung vom 11. Mai 1945 vorzeitig beendet ansieht und keinen vertraglich geregelten Pensionsfall für gegeben hält.

1.) Der Senat hat mehrfach ausgesprochen, daß eine die Weiterbeschäftigung hindernde Zugehörigkeit zur NSDAP und ihren Gliederungen einen wichtigen. Grund zur Kündigung abgab (u.a. BGHZ 8, 363; 12, 339; WM 1955, 1222). Diese Voraussetzung ist beim Kläger gegeben, da er seit dem 1. Juli 1931 Mitglied der NSDAP seit dem 1. September 1938 ehrenhalber SS-Standartenführer und von einem nicht festgestellten Zeitpunkt ab ehrenhalber Kreisleiter war, deshalb nach Anordnung der Militärregierung in leitender Stellung nicht weiterbeschäftigt werden durfte und darüber hinaus längere Zeit zur Dienstleistung außer Stande war, weil er nach der Kapitulation rund 3 1/4 Jahre interniert gehalten wurde. Es kann ganz außer Betracht bleiben, daß er am 5. Juli 1948 durch das Spruchgericht in Bergedorf zu einer als mit der erwähnten Haft verbüßt erklärten Gefängnisstrafe von einem Jahr und 3.000 RM Geldstrafe verurteilt worden ist. Wenn auch am 11. Mai 1945 noch nicht feststand, wie lange der Kläger außerstande sein würde, Dienste zu leisten, so lag doch schon die Entlassungsanordnung der Militärregierung vor und außerdem stand bereits fest, daß er auf Grund seiner politischen Betätigung für die Beklagte untragbar war. Das allein rechtfertigte seine fristlose Entlassung (BGHZ 8, 363; 12, 339).

2.) Zu Unrecht vertritt der Kläger die Ansicht, er habe nicht entlassen werden dürfen, weil sein Dienstverhältnis infolge Angleichung an ein Beamtenverhältnis überhaupt nicht habe gekündigt werden können oder eine Kündigung auf die im Vertrage vom 25. August 1936 genannten Gründe beschränkt gewesen und hierunter seine Zugehörigkeit zur NSDAP nicht genannt sei.

a) Die Dienstverträge vom 25. August 1936 und 17. Januar 1941 haben dem Kläger nicht die Stellung eines Beamten gegeben. Soweit sie auf Vorschriften des Beamtenrechts Bezug nehmen, geschieht das nur zur Bemessung des Gehalts oder des Ruhegehalts. In einem solchen Falle sind für die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht beamtenrechtliche Bestimmungen sondern die Vorschriften des Dienstvertrages maßgebend.

b) Selbst wenn dem Vertrage vom 17. Januar 1941 zu entnehmen wäre, daß sogar die Kündigung aus wichtigem Grunde ausgeschlossen sein sollte, und dieser Vertrag gänzlich an die Stelle des Vertrages vom 25. August 1936 getreten wäre, der die Kündigung aus § 626 BGB ausdrücklich unberührt läßt und bei unverschuldetem wichtigen Grunde nur an eine Dreimonatsfrist knüpft, so war doch eine fristlose Kündigung, die darauf beruhte, daß der Kläger infolge seiner Zugehörigkeit zur NSDAP erwartungsgemäß an der Arbeitsleistung gehindert sein würde, nicht ausgeschlossen. Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Lehrmeinung den Standpunkt vertreten, daß das Recht einer Aktienge-sellschaft zu fristloser Entlassung ihrer Vorstandsmitglieder im Einblick auf § 75 Abs 3 AktG im voraus weder ausgeschlossen noch auf bestimmte Gründe beschränkt werden dürfe (BGHZ 8, 361). Es kann dahingestellt bleiben, ob dasselbe auch für den Direktor einer Sparkasse zu gelten hat, die unter staatlicher Aufsicht in Form einer privatrechtlichen Stiftung (RGZ 117, 257) betrieben wird, wie das nach dem Vortrag des Klägers bei der Beklagten der Fall sein solle Denn eine private Vereinbarung hat, wie der Senat bereits in seinem urteil vom 11.7.55 (WM 1955, 1222) ausgesprochen hat, nicht die Macht, Besatzungsrecht von vornherein unanwendbar zu machen. Darauf liefe es aber hinaus, sollte die Entlassungsanordnung der Besatzungsmächte für untragbar gewordene Mitglieder der NSDAP und eine sich auf diese Weise ergebende Arbeitsbehinderung kraft einer früher getroffenen Vereinbarung zu einer Entlassung untauglich sein.

Soweit der Kläger aber durchblicken läßt, bei Vertragsschluß habe niemand damit gerechnet, daß er einmal wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP an der Ausübung seiner Punktionen bei der Beklagten gehindert sein und deshalb von ihr entlassen werden konnte, ist ihm entgegenzuhalten, daß dann gar nicht vereinbart sein kann, daß er aus diesem Grunde nicht entlassen werden dürfe.

3.) Die Erklärung vom 11. Mai 1945 stellt, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, eine Entlassung aus wichtigem Grunde dar. Damit steht es nicht in Widerspruch, daß das Berufungsgericht die Kündigungserklärung erst auf den 31. Mai 1945 hat wirken lassen. Ob die Annahme dieses Zeitpunkts richtig ist oder nicht auf Grund des Vertrages vom 25. August 1936 eine dreimonatige Frist hatte eingehalten werden müssen, bedarf im Rahmen der gestellten Anträge keiner Entscheidung.

4.) Das Berufungsgericht stellt fest, daß der Senator Velthuysen die Erklärung vom 11. Mai 1945 nicht als Stadtkämmerer, sondern als Verwaltungsratsmitglied der Beklagten in Vollzug des Befehls der Militärregierung abgegeben hat. Das entspricht durchaus der Sachlage und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

5.) Nach dem Statut der Beklagten konnte das. Dienstverhältnis des Klägers an sich nur vom Verwaltungsrat gekündigt werden. Der Kläger hat selbst vorgetragen, daß der Verwaltungsrat der Beklagten seinerzeit funktionsunfähig gewesen sei. Unter diesen Umständen war aber Velthuysen berechtigt, die rechtlich notwendig gewordene Entlassung des Klägers allein auszusprechen. Insoweit liegt es nicht wesentlich anders als in den vom Senat entschiedenen Fällen des Aktienrechts, in denen NSDAP-Mitglieder infolge besatzungsrechtlicher Anordnung daran gehindert waren, ihr Amt als Vorstandsmitglieder weiterhin auszuüben und ein der Aufsichtsratsmitglied oder der Allein- oder Hauptaktionär anstelle des zur Entlassung berufenen, aber funktionsunfähig gewordenen Aufsichtsrats die Entlassung ausgesprochen hat.

6.) Weil das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet worden ist und der Vertrag für diesen fall keine Pensionsberechtigung vorsicht, hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht schon kraft Vertrages.

II. Ihm steht aber auch nicht der im Berufungsurteil zugebilligte Anspruch zu.

Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung mit den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben. Es führt hierzu aus: Die vom Kläger geleisteten Dienste rechtfertigten eine angemessene Versorgung. Es sei nichts hervorgetreten, was den Kläger einer Versorgung unwürdig erscheinen lasse. Es habe sich nicht feststellen lassen: daß der Kläger politisch mißliebige Angestellte aus freien Stücken und nicht bloß auf Befehl höheren Orts entlassen habe. Auch der Vorwürfe er habe Grundstücke der Beklagten an NSDAP-Mitglieder unter Wert verkauft und Staats-, Partei- und Wirtschaftsführern aus Mitteln der Beklagten unberechtigte Zuwendungen gemacht, habe sich nicht klären lassen. Die guten Parteibeziehungen des Klägers hätten der Beklagten Vorteile eingebracht, der Kläger habe seine Arbeit fachlich einwandfrei geleistet, die Interessen der Beklagten umsichtig wahrgenommen und das Unternehmen in mehrfacher Hinsicht gefördert. Es könne nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Beklagte zur stetigen Aufbringung angemessener Zahlungen an den Kläger imstande sei. Das habe die Beklagte auch nicht bestritten, sondern nur darauf hingewiesen, daß die vom Kläger begehrten Zahlungen in einem Mißverhältnis zu der Versorgung tarifvertraglich besoldeter Betriebsangehöriger ständen und daher eine soziale Ungerechtigkeit darstellten. Das beruhe aber auf einer unterschiedlichen Bewertung von tarifvertraglich abzugeltenden Arbeitsleistungen und von auf Grund Einzelverträgen geschuldeter Dienste. Dieser Gesichtspunkt könne nur für die Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Ansprüche berücksichtigt werden, Art und Hohe dieser Ansprüche seien aus den Elementen der im Vertrag vom 17. Januar 1941 vorgesehenen Dienstvergütung abzuleiten. Diese Elemente seien im wesentlichen beamtenrechtlicher Art. Lege man sie zugrunde, so ließen sich aus dem Vertragsverhältnis zugleich diejenigen Übersteigerungen ausmerzen, die „kaum anders als aus bedenklicher Ausnutzung enger Verbindung zu einflußreichen Stellen und Personen des nationalsozialistischen Regimes zu erklären” seien. Hierzu gehöre insbesondere die Festsetzung des Beginns der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit auf den 1. April 1923. Dieser Zeitpunkt müsse durch die dem § 81 Abs. 1 Ziff 4 DBG entsprechende Vollendung des 27. Lebensjahres ersetzt werden. Alsdann ergebe sich bei Kriegsende eine Pension von 57 % der Dienstvergütung. Da keine durch Gebrechlichkeit bedingte Versorgungsnotwendigkeit eingetreten sei, der Kläger vielmehr bei seiner Entlassung kaum 40 1/2 Jahre alt und von altermäßiger Gesundheit, Arbeits- und Anpassungsfähigkeit gewesen sei, könne von der sich im Falle der Dienstunfähigkeit errechnenden Versorgung nur die Hälfte in Betracht kommen. Nach Lage der Dinge sei es unbillig, dem Kläger nur eine seinen jeweiligen Verhältnissen entsprechende Fürsorge zu gewähren. Abgesehen davon, daß sich die Voraussetzungen für eine bloße Fürsorge für sämtliche Wechselfälle des Lebens nicht umschreiben ließen, könne dein Kläger und seinen Angehörigen in Anbetracht seiner bei der Beklagten eingenommenen Stellung und seiner Leistungen nicht zugemutet werden, von Fall zu Fall eine Fürsorgebedürftigkeit darzulegen und notfalls um Zuwendungen zu streiten. So ergebe sich „eine Versorgung, die gemessen an der damaligen Stellung und der 1945 noch möglich gewesenen Alterssteigerung nur mäßig ist, dafür aber seit Juni 1950 ohne Rücksicht auf anderweite Verdienste durchläuft”.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind in mehrfacher Hinsicht rechtlich verfehlt.

Die ergänzende Vertragsauslegung kommt nur zur Schließung einer Vertragslücke in Betracht (RGZ 164, 202; BGHZ 9, 277 m w Nachw). Hier kann schon zweifelhaft sein, ob eine Vertragslücke oder nicht vielmehr eine gewünschte und daher nicht erweiterungsfähige Begrenzung der vertraglich geregelten Pensionsfälle vorliegt. Jedenfalls darf eine ergänzende Vertragsauslegung nur im Einklang mit den Grundsätzen von Treu und Glauben vorgenommen werden (BGHZ 12, 337). Der Kläger hat den Standpunkt vertreten, maßgebend hierfür seien die Rechtsanschauungen zur Zeit des Vertragsschlusses. Das ist rechtlich verfehlt (BGHZ 12, 343 ff). Grundsätzlich ist allerdings zu ermitteln, was die Vertragschließenden bestimmt haben würden, wenn sie den späteren Ablauf der Dinge vorausgesehen hätten (RGZ 164, 202), und außerdem darf die ergänzende Vertragsauslegung weder zu einer Abänderung, Einschränkung oder Ergänzung des erklärten Vertragswillens noch zu einer Umänderung des Vertrages, sondern bloß zu einer Ergänzung des Vertragsinhalts führen (RGZ 87, 211; 129, 88). Aber, wenn danach auch der Parteiwille so, wie er im Vertrage seinen Niederschlag gefunden, also zur Zeit des Vertragsabschlusses bestanden hat, zu berücksichtigen ist, kann doch in den Fällen, in denen die auszufüllende Vertragslücke nicht von Anfang an bestanden, sondern sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat, dieses Ereignis nicht außer Betracht bleiben (RG HRR 1932 Nr. 702; RGZ 164, 202/3). Handelt es sich dabei um einen durch die Veränderung der politischen Verhältnisse geprägten Vorgang oder um ein nach einer Veränderung der Rechtsanschauung eingetretenes Ereignis, so kann nur entweder die ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen sein, weil sich das Ereignis infolge der Änderung der Verhältnisse einer Beurteilung nach dem auf ganz anderen Verhältnissen und Rechtsanschauungen beruhenden Vertragswillen entzieht, oder die nach § 157 BGB auch für die ergänzende Vertragsauslegung gebotene Anwendung von Treu und Glauben muß dazu führen, der veränderten Rechtsanschauung Rechnung zu tragen.

Hier kommt nur die erste Möglichkeit in. Betrachte Das hat das Berufungsgericht verkannt. Der Kläger ist schon mit 30 Jahren Mitdirektor der Beklagten und noch nicht 32-jährig ihr alleiniger Direktor geworden. Für den Fall seiner Dienstunfähigkeit und seines Todes wurde ihm ohne jede Wartefrist eine Pension zugestanden. Das alles hätte er trotz seiner fachlichen Vorbildung ohne seine frühzeitige Zugehörigkeit zur NSDAP nicht erreicht. Bei seiner Entlassung stand er im 41. Lebensjahr und war, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, gesund und arbeitsfähige Infolge seiner politischen Belastung war er für die Beklagte untragbar und, wie die weitere Entwicklung gezeigt hat, über Jahre hinaus an der Dienstleistung gehindert. Die Stelle des Klägers mußte von der Beklagten mit einer anderen voll bezahlten Arbeitskraft ausgefüllt werden. Unter normalen Verhältnissen erscheint es ganz ausgeschlossen, daß dem Kläger für einen dem eingetretenen Ereignis ähnlichen Umstand ein Ruhegehalt zugestanden worden wäre, ohne daß er sich in einer Notlage befand. Würde mit dem Kläger unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ausdrücklich ein Ruhegehalt für den eingetretenen Pall vereinbart worden sein, so wäre es nicht durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt, sondern als eine über die Beklagte gewährte Belohnung für seinen nationalsozialistischen Einsatz zu werten. Denn eine Pension für einen gesunden, arbeitsfähigen Menschen, der im 41. Lebensjahr steht, ist – von einem außergewöhnlichen Verschleiß der Kräfte vielleicht abgesehen – bei einer Sparkasse dann nicht vertretbar, wenn die Pensionsberechtigung an eine vorzeitige Entlassung geknüpft ist, die auf einer in der Person des Dienstpflichtigen liegenden Arbeitsbehinderung beruht und die Besetzung des frei gewordenen Postens mit einer anderen voll bezahlten Kraft verlangt. Wäre dem Kläger für einen derartigen Fall Pension zugesagt worden, so würde er über die Herrschaft des Nationalsozialismus hinaus Vorteile für sich in Anspruch nehmen, die er ohne seine Verbindung mit dem Nationalsozialismus niemals erlangt haben würde. Eine derartige Vereinbarung wäre daher nach § 138 Abs. 1 BGB nichtige

Bisher und zur Zeit stellt dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit kein Pensionsanspruch zu. Wie die Berichtigung des Berufungsurteils im Beschluß vom 1. November 1955 ergibt, bezieht der Kläger aus seinem jetzigen Anstellungsverhältnis ein jährliches Bruttoeinkommen von 25 – 30.000 DM. Würde er daneben noch Pension erhalten, so würde er besser dastehen, als wenn er in seiner Stellung bei der Beklagten hätte verbleiben können. Die Entmachtung des Nationalsozialismus würde daher für Ihn einen Vorteil über die ihm durch den Nationalsozialismus zugeflossenen Vorteile hinaus bedeutet haben. Es widerspricht der Billigkeit, ihm einen solchen Vorteil zu gewähren, während die Beklagte die Stellung durch eine andere bezahlte Kraft ausfüllen muß und der Kläger keinerlei Not leidet.

Es kann keine Rede davon sein, daß der Kläger beamtenähnliche Rechte eingebüßt habe und daher einem Beamten gleichgestellt werden müsse. Denn die Verträge vom 25. August 1936 und 17. Januar 1941 nehmen nur für die Bemessung von Gehalt oder Ruhegehalt auf Besoldungsvorschriften Bezüge

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte Pen- sionsbeträge für den Kläger aufbringen kann, sondern darauf, daß der Kläger nicht die Billigkeit für sich hat, wenn er nach einer Entlassung aus einem in seiner Person liegenden Grunde Pension neben einer ausreichenden Arbeitsvergütung für seine bei der Beklagten freigewordene Arbeitskraft erlangt, obwohl er unter normalen Verhältnissen niemals eine Pension unter den eingetretenen Umständen erlangt haben würde.

Das Berufungsgericht war auf dem richtigen Wege, als es der im Vertrage vom 25. August 1936 vorgenommenen Festlegung des Beginns der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit die rechtliche Anerkennung mit der Begründung versagte, insoweit sei die vertragliche Abmachung eine, bedenkliche Ausnutzung der engen Verbindung des Klägers zu einflußreichen Stellen und Personen des Naziregimes. Nicht anders liegt es jedoch mit der Stellung, der Pensionsberechtigung und der Höhe der dem Kläger in so jungen Jahren versprochenen Vergütung. Ein Ruhegehalt kommt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts anders als bei bloß tariflich bezahlten, jedoch invalide gewordenen Angestellten unter dem Gesichtspunkt nachträglich zu gewährender Fürsorge überhaupt nicht in Betrachte

Es kann nicht davon gesprochen werden, daß dem Kläger oder seinen Angehörigen unzumutbar sei, im Falle der Bedürftigkeit an die Beklagte heranzutreten und dann seine Verhältnisse offen zu legen. Bei der Länge der seit seiner Entlassung verstrichenen Zeit wird sich vielmehr, falls der Kläger in Not gerät, fragen, ob dann noch die Beklagte einzutreten hat oder ob er nicht in anderer Weise hätte Vorsorge treffen müssen, wie das bei anderen Menschen, die infolge des Krieges ganz ohne Rücksicht auf NSDAP-Zugehörigkeit ihre Stellung pensionslos verloren haben und gesund und arbeitsfähig waren, der Fall ist. Das kann aber dahingestellt bleiben, denn zu einer Entscheidung dieser Präge ist nach den gestellten Anträgen kein Raum.

Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.

III. Die Beklagte hat zur, Abwendung der Zwangsvollstreckung unstreitig insgesamt 44.842,01 DM gezahlt. In dem insoweit nicht angegriffenen Berufungsurteil ist der Kläger bereits zur Rückzahlung von 19.661,94 DM verurteilt worden. Auf den Antrag der Beklagten aus § 717 ZPO war daher der Kläger noch zur Differenz von 25.180,07 DM zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Canter, Dr. Selowsky, Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Dr. Nörr

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237619

BGHZ, 282

NJW 1957, 708

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