Leitsatz (amtlich)

Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB).

 

Normenkette

BGB § 1595 Abs. 1-2, § 1596 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Beschluss vom 26.01.2023; Aktenzeichen 1 W 67/22)

AG Schweinfurt (Entscheidung vom 01.12.2022; Aktenzeichen 5 UR III 14/22)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 26. Januar 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 1. Dezember 2022 zurückgewiesen wurde.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 1. Dezember 2022 wie folgt abgeändert:

Auf den Antrag der Antragstellerin wird das Standesamt der Stadt Bad Brückenau angewiesen, die Vaterschaftsanerkennung vom 8. Oktober 2021 zum Geburtseintrag Nr.         des Standesamtes Bad Brückenau zu beurkunden.

In allen Instanzen werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin werden der Staatskasse auferlegt.

Wert: 5.000 €

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Antragstellerin begehrt die Beurkundung einer Vaterschaftsanerkennung im Geburtenregister.

Rz. 2

Für die im Jahr 1963 geborene Antragstellerin ist im Geburtenregister kein Vater eingetragen. Ihre Mutter verstarb im Jahr 2004. Mit notarieller Urkunde vom 8. Oktober 2021 erkannte der im Jahr 2022 verstorbene Dr. H. die Vaterschaft an. Mit notarieller Urkunde vom 12. November 2021 erteilte die Antragstellerin ihre Einwilligung in die Vaterschaftsanerkennung. Das Standesamt äußerte im Hinblick auf die Regelung in § 1595 Abs. 1 BGB Zweifel an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und legte die Sache gemäß § 49 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht vor.

Rz. 3

Das Amtsgericht hat angeordnet, dass in dem „Geburtenbuch/-registereintrag [...] die Vaterschaftsanerkennung nicht beizuschreiben“ ist. Die Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Rz. 5

1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2023, 708 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Rz. 6

Nach dem Tod der Kindesmutter komme eine Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in Betracht. Die Argumentation der Gegenauffassung, eine zeitnahe Vaterschaftsanerkennung sei im Interesse des Kindes einem langwierigen Gerichtsverfahren vorzuziehen, beinhalte eine Wertung, die dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Ausweislich des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz solle beim Tod der Mutter gerade keine Anerkennung mehr möglich sein; vielmehr sei ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger. Hätte der Gesetzgeber für den Todesfall eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis vorsehen wollen, hätte dies im Gesetz Niederschlag finden müssen. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift verbiete sich, da der Zweck der Regelung nicht primär im Schutz der Mutter liege, sondern auch und gerade in der Gewährleistung der Statuswahrheit. Dies gelte umso mehr, als das Kind aus seinem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Kenntnis der eigenen biologisch-genetischen Abstammung habe. Die Argumentation, dass auch im Fall einer Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter die biologische Vaterschaft nicht geprüft werde, greife insofern zu kurz, als die Zustimmung der Mutter zumindest eine höhere - wenn auch nicht absolute - Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung biete als der bloße positive Wille von Anerkennendem und Kind. Die Ermöglichung von Abstammungsverhältnissen ohne hinreichend sichere Feststellung der biologischen Vaterschaft stelle keinen legitimen Zweck des Abstammungsrechts dar, sondern sei letztlich an den Regeln der Adoption zu messen.

Rz. 7

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.Das Standesamt hat die von der Betroffenen beantragte Folgebeurkundung nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtenregister vorzunehmen, weil die Anerkennung der Vaterschaft wirksam ist.

Rz. 8

a) Nach § 1595 Abs. 1 BGB bedarf die Anerkennung der Vaterschaft der Zustimmung der Mutter. Ob das Zustimmungserfordernis auch dann noch gilt, wenn die Mutter - wie im vorliegenden Fall - bereits verstorben ist, ist umstritten.

Rz. 9

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Zustimmungserfordernis über den Tod der Mutter hinaus gilt. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass der Zweck der Regelung nicht primär dem Schutz der Mutter diene, sondern gerade auch in der Gewährleistung der Statuswahrheit liege. Die alleinige Zustimmung des Kindes biete jedoch keine vergleichbare Garantie für die biologische Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses.Biologisch unzutreffende Abstammungsverhältnisse zu ermöglichen, sei kein legitimer Zweck des Abstammungsrechts. Außerdem fänden sich im Gesetzestext keine Anhaltspunkte dafür, dass das Erfordernis der Zustimmung der Mutter eingeschränkt sei. Schließlich verweise auch der Regierungsentwurf (BT-Drucks. 13/4899 S. 54) zum Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) das Kind für den Fall des Vorversterbens der Mutter auf das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600 d BGB (vgl. LG Koblenz StAZ 2003, 303; BeckOGK/Balzer [Stand: 1. August 2023] BGB § 1595 Rn. 13.1; BeckOK BGB/Hahn [Stand: 1. August 2023] § 1595 Rn. 4; Soergel/Schmidt-Recla BGB 13. Aufl. § 1595 Rn. 13; Hdb. FamR/Waruschewski 12. Aufl. Kap. 3 Rn. 143).

Rz. 10

Nach anderer Auffassung entfällt das Zustimmungserfordernis mit dem Tod der Mutter. Ein höchstpersönliches Beteiligungsrecht setze voraus, dass der Erklärungsbefugte am Leben sei. Auch gehe es nicht darum, die höchstpersönliche Erklärung der Mutter zu ersetzen, sondern diese sei schlicht entbehrlich geworden. Insofern habe der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage nicht geregelt. Es sei kein Grund ersichtlich, den Beteiligten in diesem Fall den Weg über die Anerkennung zu versagen. Auch nach früherem Recht sei eine Anerkennung nach dem Tod der Mutter möglich gewesen. Zudem spreche das Interesse des Kindes gerade nach dem Tod der Mutter eher für eine effiziente und zeitnahe Vaterschaftsfeststellung (vgl. KG StAZ 2017, 305, 306; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15; NK-BGB/Gutzeit 4. Aufl. § 1595 Rn. 5; Grüneberg/Siede BGB 82. Aufl. § 1595 Rn. 3; MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1595 Rn. 14; PWW/Schwonberg BGB 17. Aufl. § 1595 Rn. 1; Erman/Hammermann BGB 16. Aufl. § 1595 Rn. 8; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 7. Aufl. § 54 Rn. 35; Franck FamRZ 2023, 709 f.; Rauscher FPR 2002, 359, 363).

Rz. 11

b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1595 Abs. 1 BGB. Eine am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung der Vorschrift führt jedoch zu dem Ergebnis, dass nach dem Tod der Mutter deren Zustimmung zu der Vaterschaftsanerkennung entbehrlich ist.

Rz. 12

aa) § 1595 Abs. 1 BGB ist einer Auslegung zugänglich, weil die Vorschrift die Folgen, die der Tod der Mutter für das Zustimmungserfordernis hat, nicht ausdrücklich und zweifelsfrei regelt. Einerseits ist nach dem Gesetzestext die Zustimmung der Mutter zu der Vaterschaftsanerkennung uneingeschränkt erforderlich. Anderseits enthalten die § 1595 Abs. 2 und § 1596 Abs. 1 BGB verschiedene Regelungen für die Zustimmung, falls die Mutter nicht sorgeberechtigt (§ 1595 Abs. 2 BGB), geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig (§ 1596 Abs. 1 BGB) ist. Zu der hier entscheidenden Frage, welche Auswirkungen der Tod der Mutter auf das Vaterschaftsanerkennungsverfahren hat, verhalten sich diese Vorschriften indes nicht. Diese Frage muss daher im Wege der Auslegung der Vorschrift geklärt werden.

Rz. 13

bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts liegt der Zweck der Regelung des § 1595 Abs. 2 BGB nicht vorrangig in der Gewährleistung der Abstammungswahrheit. Durch die Einführung des § 1595 Abs. 1 BGB wollte der Reformgesetzgeber vielmehr die Rechtsstellung der Mutter bei der Anerkennung der Vaterschaft stärken, indem er ihr ein eigenes Zustimmungsrecht einräumt (BT-Drucks. 13/4899 S. 54).

Rz. 14

Nach der bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 geltenden Fassung des § 1600 c BGB aF war zur Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nur die Zustimmung des Kindes erforderlich. Diese wurde im Rahmen der gesetzlichen Amtspflegschaft nach §§ 1706 ff. BGB aF durch das Jugendamt abgegeben. Bei einem Kind, das im Zeitpunkt der Anerkennung bereits mindestens 14 Jahre alt war, hatte das Jugendamt die in diesem Fall vom Kind selbst zu erteilende Zustimmung zu genehmigen (§ 1600 d Abs. 2 BGB aF). Eine Mitwirkung der Mutter am Zustandekommen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung war vom Gesetz nicht vorgesehen. Da die Rechtsstellung der Mutter von der Anerkennung betroffen werden kann, etwa wegen der Umgangsrechte des Vaters (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 54), wollte der Reformgesetzgeber der Mutter mit dem Zustimmungserfordernis ein eigenes Mitwirkungsrecht an der Vaterschaftsanerkennung einräumen, statt sie - wie nach bisherigem Recht - auf das Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu verweisen.

Rz. 15

Weil aber die Mutter die ihr zustehenden Rechte nach ihrem Tod nicht mehr ausüben kann, wirkt sich eine nach ihrem Tod anerkannte Vaterschaft auf ihre Rechtsstellung insoweit nicht mehr aus, so dass der primäre Zweck des Zustimmungserfordernisses mit dem Tod der Mutter entfällt (vgl. KG StAZ 2017, 305, 306; Rauscher FPR 2002, 359, 363).

Rz. 16

cc) Der Auffassung, dass nach dem Tod der Mutter eine Vaterschaftsanerkennung noch möglich ist, kann auch nicht entgegengehalten werden, aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergebe sich, dass der Reformgesetzgeber das Kind im Fall des Vorversterbens der Mutter allein auf das Vaterschaftsanerkennungsverfahren habe verweisen wollen (so etwa BeckOGK/Balzer [Stand: 1. August 2023] BGB § 1595 Rn. 13.1.; BeckOK BGB/Hahn [Stand: 1. August 2023] § 1595 Rn. 4). Zu Recht führt die Rechtsbeschwerde hierzu aus, dass ein entsprechender Wille des Gesetzgebers im Wortlaut der Vorschrift nicht zum Ausdruck kommt (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15).

Rz. 17

Zwar wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, bei einer Verweigerung der Zustimmung der Mutter sei es sinnvoll, diese Zustimmung nicht durch eine gerichtliche Entscheidung zu ersetzen, sondern ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchzuführen. Dasselbe gelte auch, wenn die Mutter tot oder unbekannten Aufenthalts sei. Auch in diesen Fällen sei ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren für das Kind wegen der größeren Sicherheit günstiger (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 54). Um die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der Mutter geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, sondern um die Frage, ob mit dem Tod der Mutter das Zustimmungserfordernis entfällt, weil die Mutter dieses Recht nicht mehr ausüben kann. Hiermit befasst sich die Gesetzesbegründung nicht ausdrücklich.

Rz. 18

Ob die in der Gesetzesbegründung geäußerte Vorstellung von der Wirkungsweise der Vorschrift tatsächlich einen für die Gesetzesanwendung verbindlichen Willen des Gesetzgebers dahingehend, dass nach dem Tod der Mutter die Möglichkeit eines Vaterschaftsanerkennungsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, repräsentieren kann, erscheint insbesondere im Hinblick auf die bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes geltende Rechtslage fraglich. Nach früherem Recht waren der Mutter im Vaterschaftsanerkennungsverfahren keinerlei Beteiligungsrechte eingeräumt. Die „biologische Wahrheit“ der Vaterschaftsanerkennung wurde nur durch die Beteiligung des Jugendamts im Rahmen der gesetzlichen Amtspflegschaft nach §§ 1706 ff. BGB aF gewährleistet, das bei einem minderjährigen Kind die Zustimmung zu erklären bzw. bei einem Kind, das im Zeitpunkt der Anerkennung bereits mindestens 14 Jahre alt war, die vom Kind selbst zu erteilende Zustimmung zu genehmigen hatte (§ 1600 d Abs. 2 BGB aF). Bei volljährigen Kindern war hingegen nach früherem Recht für eine Vaterschaftsanerkennung nur die Erklärung des Vaters und die Zustimmung des Kindes erforderlich. Die Mutter hatte lediglich die Möglichkeit, die Vaterschaft anzufechten (§ 1600 g Abs. 1 BGB aF). Deshalb war bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes unstreitig eine Anerkennung der Vaterschaft auch nach dem Tod der Mutter möglich (vgl. MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1595 Rn. 14; Frank StAZ 2013, 133, 135). Dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Zustimmungserfordernisses in § 1595 Abs. 1 BGB diese bis zum Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes geltende Rechtslage ändern und nach dem Tod der Mutter ein Vaterschaftsanerkennungsverfahren generell ausschließen wollte, ist zweifelhaft und hat jedenfalls im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden.

Rz. 19

dd) Einer Auslegung des § 1595 Abs. 1 BGB in dem vorgenannten Sinn steht auch nicht die Erwägung des Beschwerdegerichts entgegen, dass die Zustimmung der Mutter eine höhere Gewähr für die biologische Richtigkeit der Anerkennung biete als der übereinstimmende Wille von Anerkennendem und Kind, weil das Kind regelmäßig keine vergleichbare Kenntnis von seiner Abstammung habe (so auch LG Koblenz StAZ 2003, 303; BeckOGK/Balzer [Stand: 1. August 2023] BGB § 1595 Rn. 13.1.). Denn der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, dass die erforderliche Zustimmung des Kindes aufgrund dessen sozialer Beziehung zu Mutter und Vater auch eine gewisse Gewähr für die biologische Abstammung bietet.

Rz. 20

Auch wenn das Abstammungsrecht grundsätzlich darauf abzielt, die biologische Abstammung abzubilden, räumt das Gesetz der „biologischen Wahrheit“ bei der Abstammung keinen unbedingten Vorrang ein. So knüpft das Gesetz in § 1592 Nr. 1 und 2 BGB für die abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zum (rechtlichen) Vater nicht an die biologische Abstammung, sondern mit der Geburt während einer bestehenden Ehe (Nr. 1) und der Vaterschaftsanerkennung (Nr. 2) an objektive Tatbestände an, die aufgrund sozialer Beziehungen auf die Richtigkeit des Abstammungsverhältnisses schließen lassen sollen. Auch im Fall der Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmung der Mutter wird die biologische Vaterschaft nicht geprüft. Dem deutschen Abstammungsrecht sind daher Vater-Kind-Zuordnungen geläufig, die zwar auf einer typisierten Vaterschaftswahrscheinlichkeit beruhen, aber fehlerhafte Zuordnungen vorbehaltlich bestehender Anfechtungsmöglichkeiten bewusst in Kauf nehmen (Senatsbeschluss vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16 - FamRZ 2016, 1847 Rn. 15). Zudem zeigen auch die Regelungen in § 1600 Abs. 2 BGB, wonach der leibliche Vater nur dann zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt ist, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht, und in § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach ein Samenspender unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nicht als Vater festgestellt werden kann, dass das Abstammungsrecht der biologischen Vaterschaft keinen zwingenden Vorrang einräumt (vgl. Franck FamRZ 2023, 709, 710).

Rz. 21

Bei der Vaterschaftsanerkennung wird dem Gesichtspunkt der Abstammungswahrheit nur insoweit Rechnung getragen, als durch die Zustimmungserfordernisse in § 1595 Abs. 1 und 2 BGB die Erklärung des Anerkennenden der Kontrolle durch andere Beteiligte unterworfen wird. Mutter und Kind brauchen sich einen Vater nicht aufdrängen lassen, wenn das Kind nicht leiblich von ihm abstammt (Grüneberg/Siede BGB 82. Aufl. § 1595 Rn. 1; vgl. auch Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15). Ist die Mutter bereits verstorben und kann sie daher nicht mehr darüber entscheiden, ob sie die Zustimmung erteilt oder ablehnt, wird zur Wirksamkeit der Anerkennungserklärung die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB erforderlich (vgl. KG StAZ 2017, 305, 306; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15; NK-BGB/Gutzeit 4. Aufl. § 1595 Rn. 5). Durch die Zustimmung des volljährigen Kindes oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 BGB), wird die Statuswahrheit hinreichend gewahrt. Zwar werden das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter meist nicht über die gleichen Kenntnisse wie die verstorbene Mutter über die biologische Abstammung des Kindes verfügen. Hat das Kind oder dessen gesetzlicher Vertreter Zweifel an der biologischen Vaterschaft, kann die Zustimmung jedoch verweigert und damit der Anerkennende auf das Vaterschaftsfeststellungsverfahren verwiesen werden, in dem dann die biologische Abstammung geklärt werden kann. Somit bietet das Erfordernis der Zustimmung nach § 1595 Abs. 2 BGB ausreichenden Schutz vor unzutreffenden Vaterschaftsanerkennungen.

Rz. 22

ee) Schließlich spricht auch das Interesse des Kindes dafür, dass nach dem Tod der Mutter die Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung bestehen bleibt. Nimmt man mit dem Beschwerdegericht an, dass nach dem Tod der Mutter dem Anerkennenden und dem Kind die Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung verschlossen ist, wäre das Kind zur Herstellung einer rechtlichen Vater-Kind-Beziehung auch in unproblematischen Abstammungssituationen stets auf die Durchführung des aufwändigen und regelmäßig zeitintensiven gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens angewiesen (Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15; vgl. auch DIJuF-Rechtsgutachten JAmt 2004, 298, 300). Möglicherweise bliebe das Kind auch gegen seinen Willen und den des anerkennungsbereiten Mannes ohne Vater, wenn sich die biologische Vaterschaft des Anerkennenden nicht feststellen (KG StAZ 2017, 305, 306) und sich nach dem Tod der Mutter auch kein anderer biologischer Vater ermitteln lässt. Gerade nach dem Tod der Mutter besteht aber ein Interesse des Kindes an einer effizienten und zeitnahen Möglichkeit, einen rechtlichen Vater zu erhalten (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1595 Rn. 15). Dass sich bei fortbestehender Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung über den Tod der Mutter hinaus im Einzelfall eine Vater-Kind-Beziehung ergeben kann, die nicht der biologischen Abstammung entspricht, fällt demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Denn auch bei einer Vaterschaftsanerkennung, die mit Zustimmung der Mutter erfolgt, ist die Abstammungswahrheit nicht gewährleistet.

Rz. 23

3. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Nach den getroffenen Feststellungen liegt eine wirksame Vaterschaftsanerkennung vor. Der Anerkennende hat mit notarieller Urkunde vom 8. Oktober 2021 die Vaterschaft anerkannt und die volljährige Antragstellerin hat mit notarieller Urkunde vom 12. November 2021 der Anerkennung zugestimmt. Beide Erklärungen wahren damit auch die nach § 1597 Abs. 1 BGB erforderliche Form. Das Standesamt ist daher anzuweisen, die von der Antragstellerin beantragte Folgebeurkundung nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtenregister vorzunehmen.

Guhling     

Klinkhammer     

Günter

Nedden-Boeger      

Botur      

 

Fundstellen

Haufe-Index 15989285

BGHZ 2024, 170

NJW 2023, 3726

NJW 2023, 8

FuR 2023, 4

FuR 2024, 3

FuR 2024, 50

ZEV 2024, 136

ZEV 2024, 6

DNotZ 2024, 122

JA 2024, 340

JZ 2023, 644

JZ 2024, 12

JZ 2024, 49

JuS 2024, 76

ErbR 2024, 162

FF 2023, 510

FF 2024, 71

FamRB 2023, 5

RNotZ 2024, 36

NZFam 2023, 1121

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