Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung. Einstellung. Revision

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO scheidet aus, soweit es der Schuldner im Berufungsverfahren versäumt hat, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen oder bei Nichtberücksichtigung durch das Berufungsgericht entsprechende Urteilsergänzung zu beantragen. Dies gilt auch, wenn es das Berufungsgericht versäumt hat, über eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO zu entscheiden, und der Schuldner daraufhin keinen Antrag auf Urteilsergänzung stellt.

 

Normenkette

ZPO § 719 Abs. 2, § 544 Abs. 5 S. 2, § 712

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 05.03.2008; Aktenzeichen 3 S 4221/07)

AG Laufen (Urteil vom 13.11.2007; Aktenzeichen 3 C 258/07)

 

Tenor

Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 5. März 2008 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 13. November 2007 wird abgelehnt.

 

Gründe

1

Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO in dem hier gegebenen Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbar ist, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine solche Einstellung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht in Betracht, wenn der Schuldner es im Berufungsverfahren versäumt hat, einen Vollstreckungsschutzantrag (§ 712 ZPO) zu stellen oder bei einem Übergehen eines derartigen Antrags durch das Berufungsgericht Urteilsergänzung gemäß §§ 716, 321 ZPO zu beantragen (Senatsbeschluss vom 9. August 2004 – VIII ZR 178/04, WuM 2004, 553; BGH, Beschluss vom 27. August 1998 – XII ZR 167/98, NJW-RR 1998, 1603; Beschluss vom 24. November 1999 – XII ZR 69/99, NJW-RR 2000, 746). Dasselbe gilt, wenn das Berufungsgericht es versäumt hat, über eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO zu entscheiden, und der Schuldner daraufhin keinen Antrag auf Urteilsergänzung stellt (Senatsbeschluss vom 9. August 2004, aaO; BGH, Beschluss vom 16. Februar 1984 – III ZR 87/83, NJW 1984, 1240).

2

So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit allein auf § 708 Nr. 10 ZPO gestützt und somit eine Entscheidung über die Abwendungsbefugnis nicht getroffen. Hiergegen hätte die Beklagte Urteilsergänzung beantragen können. Ein Fall des § 713 ZPO, in dem eine Schuldnerschutzanordnung gemäß §§ 711 oder 712 ZPO unterbleiben soll, lag nicht vor, weil gegen das Berufungsurteil das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde gegeben ist. Die Beschwer der Beklagten durch den Räumungsausspruch bemisst sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Jahreswert der Miete, so dass der Zulässigkeitsstreitwert für die Nichtzulassungsbeschwerde von mehr als 20.000 EUR gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht ist.

3

Ein unersetzlicher Nachteil der Beklagten ist mithin schon deshalb zu verneinen, weil sie keinen Antrag auf Ergänzung des Berufungsurteils im Hinblick auf die darin unterbliebene Entscheidung über die Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO gestellt hat.

4

Über den am 26. Juni 2008 außerdem hilfsweise gestellten Antrag auf Verlängerung der am 30. Juni 2008 ablaufenden Räumungsfrist hat der Senat nicht zu entscheiden. Ein Antrag auf Verlängerung einer bewilligten Räumungsfrist ist bei dem gemäß § 721 Abs. 4 ZPO zuständigen Gericht – hier dem erstinstanzlichen Gericht – zu stellen.

 

Unterschriften

Ball, Wiechers, Dr. Frellesen, Hermanns, Dr. Milger

 

Fundstellen

Haufe-Index 2055387

WuM 2008, 613

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