Leitsatz (amtlich)

Auch im gewerblichen Mietrecht verbleiben bei einem Eigentumswechsel für die bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs abgelaufenen Abrechnungsperioden die Pflicht zur Abrechnung der Nebenkosten und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten beim früheren Eigentümer und Vermieter (im Anschluss an BGH, Urt. v. 3.12.2003 - VIII ZR 168/03, BGHReport 2004, 431 = MDR 2004, 388 = NJW 2004, 851).

 

Normenkette

BGB § 571 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Aktenzeichen 6a S 165/01)

AG Bernau

 

Tenor

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht rückständige Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend.

Mit schriftlichem Vertrag v. 14.7.1997 mietete die Beklagte von der damaligen Eigentümerin Gewerberäume in Bernau. Vereinbarungsgemäß leistete sie für die Nebenkosten monatliche Vorauszahlungen.

Die Vermieterin veräußerte das Grundstück an den Kläger, der auf Grund der Auflassung v. 2.11.1999 am 5.5.2000 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

Mit Schreiben v. 31.8.2000 rechnete die Hausverwalterin der Vermieterin die Nebenkosten für die Jahre 1997 und 1998 ab, wobei sich zu Gunsten der Beklagten ein Guthaben i.H.v. 3.098,62 DM ergab. Mit dem Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages rechnete die Beklagte gegen rückständige Mieten für die Monate August 2000 bis April 2001 auf.

Der Kläger hat zunächst 6.444,47 DM an rückständigen Mieten geltend gemacht. Nach übereinstimmender Erledigterklärung des Rechtsstreits i.H.v. 1.903,68 DM hat das AG der Klage i.H.v. 1.340,16 DM stattgegeben. Es hat die Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Auszahlung des Guthabens i.H.v. 3.058,62 DM als wirksam angesehen und einen Betrag von 142,01 DM als unbegründet erachtet. Die Berufung, mit der der Kläger die Unwirksamkeit der Aufrechnung geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendete sich der Kläger mit der vom LG zugelassenen Revision, mit der er die Verurteilung der Beklagten in der zuletzt beantragten Höhe von 4.398,78 DM samt Zinsen erstrebte.

Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Klageforderung bezahlt hat.

II.

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist gem. § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie ohne Erledigung im Rechtsstreit unterlegen wäre.

1. Das LG hat ausgeführt, i.H.v. 3.058,62 DM sei der Klageanspruch erloschen, weil die Beklagte mit dem der Höhe nach unstreitigen Nebenkostensaldo der Jahre 1997 bis 1998 wirksam aufgerechnet habe. Die im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Rückzahlungsansprüche seien zum 1.1.1999 entstanden, aber erst mit der Abrechnung v. 31.8.2000, somit nach Eintragung des Klägers im Grundbuch (5.5.2000) fällig geworden. Deshalb sei der Kläger als Erwerber gem. § 571 BGB a.F., § 566 Abs. 1 BGB zum Ausgleich des Nebenkostensaldos verpflichtet. Zwar sei die Frage, ob der Mieter Nebenkostensalden aus Abrechnungsperioden vor der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer, die erst nach dessen Eintragung abgerechnet worden seien, dem neuen Eigentümer gegenüber geltend machen könne, sehr umstritten. Allein die hier vertretene Lösung sei aber interessengerecht. Sinn und Zweck des § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) sei es nämlich ausschließlich, den Mieter vor Rechtsnachteilen durch den Eigentumsübergang zu schützen. Dieser Schutz sei nur gewährleistet, wenn eine Verpflichtung des Erwerbers auf Auszahlung von Nebenkostensalden bestehe. Nur dann habe der Mieter die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Auszahlung des Nebenkostensaldos im Wege der Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts seinem jetzigen Vermieter entgegenzusetzen. Dass nach vorherrschender Auffassung ausschließlich der Voreigentümer zur Abrechnung von bei Eigentumsübergang bereits abgeschlossenen Abrechnungsperioden berechtigt bzw. verpflichtet sei, führe bei wertender Betrachtungsweise zu keiner anderen Rechtsauffassung. Dem Erwerber entstehe kein unzumutbarer Nachteil, da er auf Grund vertraglicher Nebenpflichten vom Veräußerer die Überlassung der Abrechnungsunterlagen oder aber die Durchführung der Abrechnung verlangen könne. Damit sei der Erwerber ausreichend davor geschützt, dass der Voreigentümer die Abrechnung nicht vornehme oder ihm die Unterlagen zur Überprüfung bereits erstellter Nebenkostenabrechnungen nicht zur Verfügung stelle.

Die Entscheidung des BGH (BGH ViZ 2000, 734) könne keine Anwendung finden. Grundlage dieser Entscheidung sei nämlich nicht ein rechtsgeschäftlicher Eigentumsübergang i.S.v. § 566 Abs. 1 BGB, sondern eine Eigentumsübertragung gem. § 17 VermG. In diesem Fall sei der Mieter jedoch, worauf der BGH ausdrücklich hinweise, bereits in hinreichendem Maße durch die Schutzvorschrift des § 16 Abs. 2 S. 1 VermG geschützt.

2. Dem ist nicht zu folgen.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass sich die Frage, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten infolge eines Eigentumsübergangs nach § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) dem Veräußerer und welche dem Erwerber zuzurechnen sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Entstehens bzw. der Fälligkeit des Anspruchs beantwortet. Vor dem Eigentumswechsel entstandene und fällig gewordene Ansprüche verbleiben dem bisherigen Vermieter, danach fällig gewordene Forderungen stehen dem (nunmehrigen) Grundstückseigentümer zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche des Mieters dann gegen den Erwerber, wenn sie erst nach dem Eigentumswechsel entstehen und fällig werden (BGH, Urt. v. 19.10.1988 - VIII ZR 22/88, MDR 1989, 247 = NJW 1989, 451 [452]). Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass der Anspruch des Mieters auf Auszahlung des Nebenkostenguthabens für die Jahre 1997 und 1998 erst mit Erteilung der Nebenkostenabrechnung v. 31.8.2000 fällig geworden ist (vgl. BGH v. 19.12.1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188 [194] = MDR 1991, 524).

b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht aber, das Urteil des BGH v. 14.9.2000 (BGH, Urt. v. 14.9.2000 - III ZR 211/99, ViZ 2000, 734 = WM 2000, 2509) sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der III. Zivilsenat hat dort entschieden, dass im Falle eines Eigentumswechsels nach § 17 VermG der frühere Eigentümer gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundstückseigentum bereits abgelaufenen Abrechnungsperiode zur Abrechnung der Nebenkosten verpflichtet und zur Erhebung etwaiger Nachzahlungen berechtigt bzw. zur Erstattung von Überzahlungen verpflichtet ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Entscheidung beruhe auf Besonderheiten des Vermögensgesetzes und könne deshalb auf einen rechtsgeschäftlichen Erwerb gem. § 571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) keine Anwendung finden, ist unzutreffend.

Mit Urt. v. 3.12.2003 (BGH, Urt. v. 3.12.2003 - VIII ZR 168/03, BGHReport 2004, 431 = MDR 2004, 388 = NJW 2004, 851) ist nämlich der VIII. Zivilsenat der Auffassung des III. Zivilsenats gefolgt. Danach ist im Bereich des Wohnraummietrechts bei einem Eigentumswechsel nicht der Erwerber, sondern der Veräußerer gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundstückseigentum abgelaufenen Abrechnungsperioden zur Abrechnung der Nebenkosten und zur Auszahlung eines etwaigen Guthabens verpflichtet. Nach Auffassung des VIII. Zivilsenats kommt es nicht darauf an, wann der Zahlungsanspruch fällig geworden ist. Das strikte Festhalten am so genannten Fälligkeitsprinzip würde die Abrechnung der Nebenkosten im Regelfall erschweren, da sich der Erwerber die nötigen Unterlagen vom Veräußerer unter Umständen erst beschaffen müsste und sich erhebliche Hindernisse ergeben könnten, wenn er für bereits vor seinem Eigentumswechsel abgeschlossene Abrechnungsperioden abrechnen solle. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass der Erwerber für die nun abzurechnende Periode die Vorauszahlungen nicht erhalten habe. Er müsste sich dann an den Veräußerer wenden und eventuelle Ansprüche möglicherweise gerichtlich durchsetzen. Auch stünde im Falle geschuldeter Nachzahlungen ein hierauf gerichteter Anspruch dem Erwerber selbst nicht zu, nachdem der Veräußerer die Aufwendungen für die abgelaufenen Abrechnungsperioden getragen und deshalb Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen habe. Soweit den Mietern danach Nachteile entstehen könnten, weil es ihnen verwehrt sei, mit ihnen zustehenden Rückzahlungsforderungen gegenüber Mietzinsforderungen des Erwerbers aufzurechnen, sei dies die Folge des Erwerbs ihres Vertragsgegners und von ihnen hinzunehmen.

Der erk. Senat schließt sich der Auffassung des VIII. Zivilsenats für den Bereich des gewerblichen Mietrechts an. Diese Lösung sorgt für Rechtsklarheit und vermeidet insb. das ungerechte Ergebnis, dass eine vor dem Eigentumswechsel fällig gewordene Abrechnungspflicht beim bisherigen Vermieter verbleibt, während Nachzahlungen und Erstattungen, deren Vorbereitung und Berechnung die Abrechnung dient, dem Erwerber zustehen bzw. von ihm zu erbringen sind (BGH, Urt. v. 14.9.2000 - III ZR 211/99, ViZ 2000, 734 = WM 2000, 2509).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1261662

DB 2005, 223

NWB 2005, 17

BGHR 2005, 227

DWW 2004, 329

NJW-RR 2005, 96

NZM 2005, 17

ZAP 2005, 63

ZMR 2005, 37

ZfIR 2005, 56

DNotZ 2005, 131

MDR 2005, 136

NJ 2005, 124

WuM 2005, 147

GuT 2005, 12

Info M 2005, 34

RdW 2005, 124

ZNotP 2005, 65

IWR 2005, 73

JWO-MietR 2004, 385

MK 2005, 8

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