Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich. Herabsetzung. Trennungszeit. Betreuung gemeinsamer Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei einem sehr kurzen Zusammenleben der Eheleute rechtfertigt allein eine lange Trennungszeit den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs i.d.R. nicht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Trennungszeit mit der Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder eine wesentliche aus der Ehe herrührende Aufgabe allein übernommen hat (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 12.11.1980 - IVb ZB 503/80, FamRZ 1981, 130; Beschl. v. 12.12.1984 - IVb ZB 928/80, MDR 1985, 829 = FamRZ 1985, 280).

 

Normenkette

BGB § 1587c Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.08.2000; Aktenzeichen 1 UF 59/99)

AG Offenbach

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt v. 17.8.2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der weiteren Beschwerde - an das OLG zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 4.500 EUR

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) haben am 18.9.1981 die Ehe geschlossen; aus der Ehe ist eine am 14.1.1982 geborene Tochter hervorgegangen. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau am 15.10.1994 zugestellt; das am 22.1.1999 verkündete Verbundurteil des AG - FamG - ist zum Scheidungsausspruch rechtskräftig.

Während der gesetzlichen Ehezeit (1.9.1981 bis 30.9.1994, § 1587 Abs. 2 BGB) haben die Parteien folgende Versorgungsanrechte erworben:

Der 1926 geborene Ehemann war als Hochschullehrer für medizinische Psychologie tätig und ist mittlerweile emeritiert. Er erwarb beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften auf Emeritenbezüge, deren ehezeitanteilige Höhe auf der Grundlage einer Auskunft des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen mit monatlich 2.181,89 DM ermittelt wurde.

Die 1943 geborene Ehefrau ist als Lungenfachärztin tätig. Sie hat Versorgungsanwartschaften bei der Landesärztekammer Hessen erworben, deren ehezeitanteilige Höhe sich nach einer Auskunft des Versorgungsträgers auf einen Nominalbetrag von monatlich 1.942,10 DM beläuft. Daneben hat die Ehefrau eine weitere Anwartschaft auf Zahlung des Mindestbetrages der Versorgungsrente bei der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände in Darmstadt erworben; die Höhe dieser Versorgung wurde auf der Grundlage der Auskunft des Versorgungsträgers mit einem Nominalbetrag von monatlich 339,38 DM ermittelt.

Im Jahre 1981 hatte der Ehemann ein Haus in A. als Familienheim gekauft. Zu einem Zusammenleben der Parteien kam es lediglich im Dezember 1981 für einige Tage. Danach kehrte die Ehefrau gemeinsam mit ihrer in O. lebenden Mutter in deren Wohnung nach O. zurück, wo sie auch nach der Geburt der gemeinsamen Tochter verblieb und ab Oktober 1982 eine Stelle in den Städtischen Kliniken annahm. Dort blieb sie - von einer zweijährigen Beurlaubung abgesehen - in der Folgezeit durchgehend auf einer Vollzeitstelle und seit 1993 auf einer Teilzeitstelle als Ärztin beschäftigt.

Im Jahre 1984 stellte der Ehemann einen Scheidungsantrag, den er später wieder zurücknahm. Im gleichen Jahr wurde wegen der elterlichen Sorge für die gemeinsame Tochter ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet, welches im Jahre 1988 mit der Übertragung der Alleinsorge auf die Ehefrau endete. Seit dem Jahre 1985 zahlte der Ehemann Kindesunterhalt; Trennungsunterhalt wurde von der Ehefrau nicht geltend gemacht. Im Jahre 1993 erhob der Ehemann eine Eheaufhebungsklage, die in der Berufungsinstanz rechtskräftig abgewiesen wurde.

Das AG - FamG - hat die von der Ehefrau erworbenen Versorgungsanwartschaften bei der Landesärztekammer Hessen als teildynamisch und die Versorgungsanwartschaften bei der Zusatzversorgungskasse als statisch angesehen. Auf der Grundlage der Barwert-Verordnung in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung hat es diese Anrechte in volldynamische Anwartschaften i.H.v. monatlich 671,61 DM bzw. 73,35 DM umgerechnet. Den Wertunterschied zwischen den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten der Parteien hat das AG danach mit 1.436,93 DM ermittelt und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass zu Lasten der beamtenrechtlichen Versorgung des Ehemannes zu Gunsten der Ehefrau Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 718,47 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.9.1994, begründet wurden.

Gegen diese Entscheidung hat der Ehemann Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Versorgungsausgleich insgesamt auszuschließen. Das OLG hat seine Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt der Ehemann das Ziel eines vollständigen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

1. Die weitere Beschwerde ist insgesamt zulässig. Das OLG hat die Zulassung zwar damit begründet, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Barwert-Verordnung in der bei Verkündung der Beschwerdeentscheidung geltenden Fassung grundsätzliche Bedeutung habe. Damit hat das OLG die Zulassung jedoch nicht begrenzt, sondern die weitere Beschwerde im Tenor des angefochtenen Beschlusses vielmehr uneingeschränkt zugelassen.

2. Ohne Rechtsfehler hat das OLG allerdings angenommen, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleiches gem. § 1587c Nr. 1 BGB nicht vorliegen.

a) Das OLG hat dazu ausgeführt, dass auch dann, wenn die Ehegatten keine Lebens- und Versorgungsgemeinschaft gebildet hätten, es im Einzelfall für die Durchführung des Versorgungsausgleiches sprechen könne, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind betreut habe. Dies müsse insb. dann gelten, wenn dieser Ehegatte seine Erwerbstätigkeit als Folge der Kinderbetreuung habe einschränken müssen, was hier in Ansehung der zweijährigen Beurlaubung der Ehefrau zwischen 1987 und 1989 sowie der Beschränkung auf eine Halbtagstätigkeit seit 1993 der Fall gewesen sei. Wenn die Ehefrau ihre Berufstätigkeit trotz der Kinderbetreuung in den übrigen Zeiten nicht eingeschränkt habe, so habe sie dafür finanzielle Mittel für die Fremdbetreuung des Kindes eingesetzt oder die Hilfe ihrer Verwandten in Anspruch genommen, woraus der Ehemann keine Vorteile für sich herleiten könne. Weiterhin sei in die Erwägung einzustellen, dass der Ehemann bereits seit 1991 Versorgungsempfänger und vor einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge solange geschützt sei, bis die weitaus jüngere Ehefrau ihrerseits die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit erfülle.

Auch ein persönliches Fehlverhalten der Ehefrau rechtfertige den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht. Es könne der Ehefrau nicht vorgeworfen werden, die eheliche Lebensgemeinschaft schon nach wenigen Tagen des Zusammenlebens aufgekündigt zu haben, zumal es offenbar von Anfang an zwischen den Parteien Differenzen gegeben habe. Andererseits zeige der Briefwechsel zwischen den Parteien in den ersten Ehejahren, dass diese sich durchaus emotional zugetan gewesen seien, es ihnen aber nicht gelungen sei, eine vernünftige Basis für ihre Ehe zu finden. Auch aus den Vorgängen um die Finanzierung des von dem Ehemann zu Alleineigentum erworbenen Hauses lasse sich für den Ausschluss des Versorgungsausgleiches nichts gewinnen, da es allein Sache des Ehemannes gewesen sei, für eine vernünftige Finanzierung zu sorgen. Schließlich lasse sich ein Fehlverhalten der Ehefrau auch nicht darin sehen, dass diese im Jahre 1984 damit gedroht habe, sich selbst und das Kind umzubringen, wenn der Ehemann sich scheiden lassen wolle. Dies erscheine als Ausdruck einer psychischen Notlage und sei nicht geeignet gewesen, den Ehemann im Hinblick auf das von ihm betriebene Scheidungsverfahren in unzumutbarer Weise in seiner Handlungsfreiheit zu beeinträchtigen.

b) Gegen diese Beurteilung durch das OLG wendet sich die weitere Beschwerde ohne Erfolg. Die Abwägung aller für oder gegen die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs sprechenden Gründe ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Dessen Entscheidung kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur darauf überprüft werden, ob sie auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (BGH, Beschl. v. 12.11.1986 - IVb ZB 67/85, FamRZ 1987, 362 [364]). Solche Rechtsfehler zu Lasten des Ehemannes lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

Die Anwendung der Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB setzt voraus, dass auf Grund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs dessen Grundgedanken in unerträglicher Weise widerspricht und daher zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde.

aa) Solche im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1587c Nr. 1 BGB besonders zu berücksichtigenden Umstände können darin bestehen, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft wegen der außergewöhnlichen Kürze des Zusammenlebens nicht entstanden ist (BGH, Urt. v. 24.6.1981 - IVb ZR 513/80, FamRZ 1981, 944 [945]) oder durch eine lange Trennung der Ehegatten aufgehoben wurde (BGH v. 7.11.1979 - IV ZB 159/78, BGHZ 75, 241 [269 f.] = MDR 1980, 292; Beschl. v. 15.2.1984 - IVb ZB 577/80, MDR 1984, 829 = FamRZ 1984, 467 [469 f.]; Beschl. v. 12.12.1984 - IVb ZB 928/80, MDR 1985, 829 = FamRZ 1985, 280 [281]; Beschl. v. 19.5.2004 - XII ZB 14/03, BGHReport 2004, 1281 = MDR 2004, 1185 = FamRZ 2004, 1181 [1183], m.w.N.). In diesen Fällen fehlt dem Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage, denn jede Ehe ist infolge der auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft schon während der Phase der Erwerbstätigkeit im Keim eine Versorgungsgemeinschaft, die der beiderseitigen Alterssicherung dienen soll. Soweit die weitere Beschwerde aus dieser Rechtsprechung für den vorliegenden Fall herleitet, dass das lediglich wenige Tage währende Zusammenleben der Parteien im Dezember 1981 den Versorgungsausgleich für eine Ehezeit von dreizehn Jahren nicht legitimieren könne, vermag sie damit unter den obwaltenden Umständen allerdings nicht durchzudringen. Denn die Ehefrau hat im Zeitraum zwischen der Geburt der Tochter im Januar 1982 und dem Ende der Ehezeit im September 1994 die Pflege und Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes übernommen. Der Senat hat in den Trennungsfällen bereits mehrfach dargelegt, dass bei der Beurteilung der Zeitdauer einer Trennung diejenigen Zeiten nicht berücksichtigt werden können, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemeinschaftliche Kinder betreut (BGH, Beschl. v. 12.11.1980 - IVb ZB 503/80, FamRZ 1981, 130 [132]; Beschl. v. 12.12.1984 - IVb ZB 928/80, MDR 1985, 829 = FamRZ 1985, 280 [282]; vgl. weiterhin: OLG Frankfurt v. 13.1.2003 - 3 UF 248/96, FamRZ 2004, 28 [30]; OLG Brandenburg v. 29.1.2003 - 9 UF 272/01, FamRZ 2004, 118; Palandt/Brudermüller, BGB, 64. Aufl., § 1587c Rz. 18; RGRK/Wick, BGB, 12. Aufl., § 1587c Rz. 54; Staudinger/Rehme, BGB, 2004, § 1587c Rz. 44; Dörr in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1587c Rz. 30; Erman/Klattenhoff, BGB, 11. Aufl., § 1587c Rz. 18; Bamberger/Roth/Bergmann, BGB, § 1587c Rz. 14; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587c Rz. 26). Der Versorgungsausgleich findet in diesen Fällen seine Legitimation nicht in dem gemeinsamen Streben nach Aufbau einer Alterssicherung als Lebensleistung der ehelichen Gemeinschaft, sondern darin, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder auch ohne eine gemeinsame Lebensführung mit dem anderen Ehegatten eine der wesentlichen aus der Ehe herrührenden Aufgaben allein übernimmt. Dies rechtfertigt schon für sich genommen das Vertrauen des die gemeinschaftlichen Kinder betreuenden Ehegatten auf Teilhabe an den in dieser Zeit von dem anderen Ehegatten erwirtschafteten Versorgungswerten im Rahmen des Versorgungsausgleichs.

So ist auch der vorliegende Fall zu beurteilen, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob und inwiefern die Ehefrau durch die Kindererziehung im Zeitraum zwischen 1982 und 1994 tatsächliche Nachteile beim Aufbau ihrer eigenen Altersversorgung hinnehmen musste. Der Sinn des Versorgungsausgleichs erschöpft sich nicht darin, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten (lediglich) die Versorgungsnachteile zu ersetzen, die ihm als Folge der Erfüllung ehelicher Aufgaben entstanden sind, so dass allein das Fehlen solcher Nachteile es nicht rechtfertigt, den Ehegatten mit den wertgeringeren Versorgungsanrechten von der Teilhabe an den werthöheren Anrechten des anderen Ehegatten auszuschließen (BGH, Beschl. v. 9.11.1988 - IVb ZB 53/87, FamRZ 1989, 492 [493]; Dörr in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1587c Rz. 20; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587c Rz. 21). Im Übrigen ist die Beurteilung des OLG, dass die Ehefrau ihre eigenen Versorgungsanrechte in der Ehezeit größtenteils nur durch die Ausübung einer unzumutbaren Erwerbstätigkeit erwirtschaften konnte, ersichtlich zutreffend; auch die weitere Beschwerde zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf.

bb) Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde, dass das OLG die näheren Umstände des Auszugs der Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung und damit die Trennungsursache nicht weiter aufgeklärt habe. Ein den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs rechtfertigender Härtegrund ist regelmäßig nicht darin zu sehen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte seinen Ehepartner verlassen hat (BGH, Beschl. v. 13.10.1982 - IVb ZB 781/80, MDR 1983, 211 = FamRZ 1983, 35 [36]; Beschl. v. 28.3.1984 - IVb ZB 64/82, MDR 1984, 1010 = FamRZ 1984, 662 [665]). Ein zur Trennung führendes Fehlverhalten des Berechtigten kann als Abwägungskriterium allenfalls bei der Beurteilung der Frage bedeutsam werden, ob wegen eines anschließenden längeren Trennungszeitraums die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleiches grob unbillig erscheint (OLG München v. 31.7.1984 - 26 UF 1212/84, FamRZ 1985, 79 [80]; jurisPK Bregger, BGB, 2. Aufl., § 1587c Rz. 25; zweifelnd: Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587c Rz. 25). Diese Frage stellt sich hier aber nicht, da nach den oben bereits dargestellten Maßstäben derjenige Zeitraum, in dem die Ehefrau nach Beendigung der häuslichen Gemeinschaft die ihr zugewiesene Aufgabe der Pflege und Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes erfüllt hat, im Rahmen der Billigkeitsabwägung nicht als Trennungszeit gilt.

cc) Es ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das OLG ein zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führendes persönliches Fehlverhalten der Ehefrau auch nicht darin gesehen hat, dass diese im Jahre 1984 damit gedroht habe, für den Fall der von dem Ehemann in Aussicht gestellten Scheidung sich selbst und das Kind umzubringen.

Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch ein persönliches Fehlverhalten des Ausgleichsberechtigten, das ohne wirtschaftliche Relevanz ist, zur Anwendung des § 1587c Nr. 1 BGB führen. Es ist jedoch nur dann geeignet, die Herabsetzung oder den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu begründen, wenn es wegen seiner Auswirkungen auf den Ehepartner ganz besonders ins Gewicht fällt; es muss für den anderen Ehegatten so belastend gewesen sein, dass die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs deshalb unerträglich erscheint.

Die Beurteilung des OLG, dass sich die Ehefrau zu jener Zeit in einer psychischen Notlage befunden habe, wird von der weiteren Beschwerde nicht angegriffen. Soweit das OLG daraus ersichtlich den Schluss gezogen hat, das Fehlverhalten erscheine wegen eines zufolge der psychischen Belastung geringeren Verschuldens der Ehefrau nicht als in besonderem Maße schwer wiegend, hält sich diese Würdigung im Rahmen tatrichterlichen Ermessens und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Senat hat mehrfach ausgesprochen, dass eine geringe persönliche Schuld auch bei objektiv gravierendem Fehlverhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten im Rahmen der Gesamtwürdigung der Annahme grober Unbilligkeit einer ungekürzten Durchführung des Versorgungsausgleichs entgegenstehen kann (vgl. hierzu: BGH, Beschl. v. 12.11.1986 - IVb ZB 67/85, FamRZ 1987, 362 [364]; Beschl. v. 9.5.1990 - XII ZB 76/89, MDR 1990, 1006 = FamRZ 1990, 985 [986]).

dd) Schließlich geben auch die weiter gehenden Erwägungen des OLG zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien in rechtlicher Hinsicht zu keinen Bedenken Anlass. Es stellt keinen im Rahmen der Billigkeitsabwägung zu Gunsten des Ehemannes zu berücksichtigenden Umstand dar, dass dieser nach der Trennung der Parteien die mit der Finanzierung des - in seinem Alleineigentum stehenden - Hauses verbundenen Darlehenskosten allein getragen hat, obwohl auch die Ehefrau im Außenverhältnis als Kreditnehmerin für diese Verbindlichkeiten mithaftete. Denn regelmäßig hat derjenige Ehegatte, in dessen Alleineigentum die Immobilie steht und der es nach der Trennung allein nutzt, auch für die Bedienung der gesamtschuldnerisch eingegangenen Verbindlichkeiten allein aufzukommen (BGH, Urt. v. 27.11.1996 - XII ZR 43/95, FamRZ 1997, 487 [488]). Im Übrigen hat das OLG mit Recht in die Gesamtbetrachtung einbezogen, dass die Ehefrau einerseits den Ehemann über einen Zeitraum von drei Jahren nicht auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen und andererseits während der Ehezeit keinen Trennungsunterhalt geltend gemacht hat. Soweit die weitere Beschwerde darauf abstellt, dass die Ehefrau durch ihre eigene Erwerbstätigkeit angeblich ein höheres Einkommen als der Ehemann erzielt habe, misst sie dabei dem Gesichtspunkt, dass sich die Erwerbstätigkeit der Ehefrau unterhaltsrechtlich als überobligatorisch dargestellt hat, zu Unrecht keine Bedeutung bei. Darüber hinaus hatte die Ehefrau selbst dann keinen Ehegattenunterhalt von dem Ehemann verlangt, als sie in den Jahren 1987 bis 1989 unstreitig keiner voll- oder teilschichtigen Erwerbstätigkeit nachging und sie grundsätzlich hierzu unterhaltsrechtlich auch nicht verpflichtet gewesen wäre, weil das zu betreuende Kind zu dieser Zeit noch nicht acht Jahre alt war (BGH, Urt. v. 21.12.1988 - IVb ZR 18/88, MDR 1989, 528 = FamRZ 1989, 487; Urt. v. 30.11.1994 - XII ZR 226/93, MDR 1995, 717 = FamRZ 1995, 291 [292]).

3. Dennoch kann die angefochtene Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt keinen Bestand mehr haben.

a) Das OLG hat die Umrechnung der nicht volldynamischen Anrechte der Ehefrau auf der Grundlage der Barwert-Verordnung in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung vorgenommen. Maßgebend ist nunmehr die durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung v. 26.5.2003 (BGBl. I, 728) geänderte Fassung der Barwert-Verordnung, gegen deren Anwendung derzeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen (BGH, Beschl. v. 23.7.2003 - XII ZB 152/01, BGHReport 2003, 1332 m. Anm. Gutdeutsch = FamRZ 2003, 1639 [1640]).

b) Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da die Einholung neuer Versorgungsauskünfte erforderlich ist.

Auf deren Grundlage kann die aktuelle Höhe des für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Ruhegeldes für den bereits im Versorgungsbezug stehenden Ehemann ermittelt werden. Hinsichtlich der Berechnung der jährlichen Sonderzahlung (§ 4a LBesG NW i.V.m. §§ 6, 7 des Gesetzes über die Gewährung einer Sonderzahlung an Beamte, Richter und Versorgungsempfänger für das Land Nordrhein-Westfalen v. 20.11.2003, GVBl. S. 696) wird zu beachten sein, dass es auf den Bemessungsfaktor im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ankommt (BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - XII ZB 130/98, BGHReport 2003, 69 = FamRZ 2003, 437 [438], m.w.N.).

Die Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände in Darmstadt hat - wie andere Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - mit Wirkung zum 1.1.2002 das bisherige Gesamtversorgungssystem durch ein "Punktemodell" abgelöst. Die Ehefrau gehörte bei Änderung der Satzung der Zusatzversorgungskasse zu den sog. rentennahen Jahrgängen, die nach Maßgabe des § 73 Abs. 2 der Satzung einen Besitzstandsschutz für die auf der Grundlage des alten Rechts erworbenen Anrechte genießen. Ausgangswert für die Berechnung der Startgutschrift an Versorgungspunkten ist danach grundsätzlich die bis zum 31.12.2001 in der Gesamtversorgung erworbene Anwartschaft bei (fiktivem) Eintritt des Versicherungsfalls am 31.12.2001, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Erreichens des 63. Lebensjahres. Anhand einer erneuten Auskunft des Versorgungsträgers wird zu überprüfen sein, ob sich hieraus eine geänderte Bewertung der bis zum 31.12.2001 erworbenen Versorgungsanwartschaften der Ehefrau ergibt. Im Übrigen sind die Anrechte bei Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes, die ihre Satzung nach der von einer Arbeitsgruppe der gemeindlichen Zusatzversorgungskassen erarbeiteten Mustersatzung geändert haben, nach der Neuregelung der Satzung im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium als volldynamisch anzusehen (BGH, Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 147 = FamRZ 2004, 1706, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden; Beschl. v. 23.3.2005 - XII ZB 255/03, BGHReport 2005, 1057 = MDR 2005, 1113 = FamRZ 2005, 878, Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg; Beschl. v. 20.7.2005 - XII ZB 209/03, FamRZ 2005, 1532, Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Thüringen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1446721

NJW 2005, 3572

NWB 2006, 14

BGHR 2006, 97

EBE/BGH 2005, 365

FamRZ 2005, 2052

FuR 2006, 23

ZAP 2006, 56

MDR 2006, 451

FamRB 2006, 40

ZFE 2006, 32

FK 2006, 37

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