Entscheidungsstichwort (Thema)

Direkthaftung für Regressansprüche selbst haftpflichtiger Schädiger. Schutzbereich des Pflichtversicherungsgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

a) Eine Direkthaftung nach § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ist für Regressansprüche selbst haftpflichtiger Schädiger gegen ihnen zum Ausgleich verpflichtete Mitschädiger nicht gegeben.

b) Wird ein Schädiger über seine interne Haftungsquote hinaus von Geschädigten in Anspruch genommen, so stellt dies keinen Schaden dar, der den Schutz des Pflichtversicherungsgesetzes genießt. Er ist vielmehr auf einen Regress nach allgemeinen Regeln gegen den oder die Mitschädiger beschränkt (im Anschluss an BGH BGHZ 177, 141, 144 f.).

 

Normenkette

PflVG § 3 Nr. 1 a.F.

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Beschluss vom 26.06.2008; Aktenzeichen 15 W 4/08)

LG Hamburg (Entscheidung vom 07.02.2008; Aktenzeichen 331 O 182/07)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Hamburg vom 26.6.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien streiten über die Kostentragung nach Erledigung der Hauptsache.

Rz. 2

Am 28.9.2005 füllte der Fahrer eines Tanklastzuges an der E. Tankstelle in G. den angelieferten Dieselkraftstoff in den Erdtank für Superbenzin und das Superbenzin in den Tank für Dieselkraftstoff. Hierdurch kam es zu Motorschäden an Fahrzeugen von Tankstellenkunden. Für den Tankstellenbetrieb bestand bei der Klägerin eine Betriebshaftpflichtversicherung, die für die Schäden der Kunden aufkam. Der Tanklastzug war bei der Beklagten kraftfahrzeughaftpflichtversichert.

Rz. 3

Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten Ersatz der aufgewendeten rund 65.600 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden aus übergegangenem Recht verlangt, den Rechtsstreit aber nach Zahlung der Klagesumme für erledigt erklärt. Dem hat die Beklagte zugestimmt und um eine Kostenentscheidung (§ 91a ZPO) gebeten. Das LG und das OLG (OLGReport Hamburg 2008, 895) haben der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

II.

Rz. 4

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Rz. 5

1. Das Beschwerdegericht meint, der Klägerin stehe kein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 3 PflVG a.F. zu, weil der Schaden nicht "bei Betrieb" eines Kraftfahrzeugs im Sinne dieser Bestimmungen entstanden sei. Die Beklagte hafte auch nicht aus § 3 PflVG a.F. i.V.m. anderen Haftungsnormen, weil der eingetretene Schaden nicht unter § 10 AKB falle. Er sei nicht "durch den Gebrauch" des versicherten Kraftfahrzeugs "verursacht" worden. Beruhe nämlich der Schaden allein oder überwiegend auf einer unabhängig von der Funktionsfähigkeit oder Bedienung des Fahrzeugs liegenden Ursache, verwirkliche sich keine fahrzeugtypische Gefahr. Zur höchstrichterlichen Klärung sei aber die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Rz. 6

2. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat und das Rechtsbeschwerdegericht an diese Zulassung gebunden ist. Allerdings hätte es sie nicht zulassen dürfen, weil die Rechtsbeschwerde gegen Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO nicht geeignet ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es wie hier um Fragen des materiellen Rechts geht. Die Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung ergeht nach "billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes" und erfordert nur eine summarische Prüfung, bei der das Gericht auch im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache alle für den Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen abzuhandeln (BGH, Beschl. v. 17.3.2004 - IV ZB 21/02, VersR 2004, 1578 m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

Rz. 7

3. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat der Klägerin im Ergebnis zu Recht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil ihr etwaige Schadensausgleichsansprüche jedenfalls nicht gegen die Beklagte zustehen. Auf die Zulassungsfrage kommt es nicht an.

Rz. 8

a) Die Klägerin hat weder aus eigenem noch aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers einen Direktanspruch gem. § 3 Nr. 1 PflVG i.V.m. § 67 VVG in den jeweils anzuwendenden, bis zum 31.12.2007 geltenden Fassungen (künftig: a.F.) gegen die Beklagte.

Rz. 9

Eine Direkthaftung nach § 3 Nr. 1 PflVG a.F. ist für Regressansprüche selbst haftpflichtiger Schädiger gegen ihnen zum Ausgleich verpflichtete Mitschädiger nicht gegeben. Das Pflichtversicherungsgesetz dient, insb. durch Gewährung des Direktanspruchs, dem Schutz von Unfallopfern, nicht dem der Schädiger. Letztere sind daher nicht Dritte im Sinne dieser Vorschrift. Wird ein Schädiger über seine interne Haftungsquote hinaus von Geschädigten in Anspruch genommen, so stellt dies keinen Schaden dar, der den Schutz des Pflichtversicherungsgesetzes genießt. Er ist vielmehr auf einen Regress nach allgemeinen Regeln gegen den oder die Mitschädiger beschränkt (BGHZ 177, 141, 144 f. m. zahlr. N.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Huber, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht § 115 Rz. 26). Dies gilt entsprechend für einen hinter dem Mitschädiger stehenden Versicherer.

Rz. 10

b) Auch gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche kann die Klägerin weder aus eigenem noch aus übergegangenem Recht geltend machen.

Rz. 11

aa) Zwischen der Betriebshaftpflichtversicherung einerseits und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung andererseits kam kein Gesamtschuldverhältnis zustande. Selbst wenn beide Versicherer den Schaden der Geschädigten zu ersetzen und damit eine identische Leistung zu erbringen hätten, würden sie nicht demselben Gläubiger, sondern jeweils ihren Versicherungsnehmern aufgrund der Versicherungsverträge leisten. Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob ein Gesamtschuldverhältnis zwischen zwei Direktansprüchen ausgesetzten Versicherern entsteht (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 3 Nr. 1, 2 PflVersG Rz. 11; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 15 Rz. 37; Lemke, r + s 2009, 45, 56), denn gegen die Betriebshaftpflichtversicherung ist gesetzlich kein Direktanspruch eingeräumt.

Rz. 12

bb) Ebenso wenig kam zwischen der Tankstellenbetreiberin und der Beklagten ein Gesamtschuldverhältnis zustande. Zwar haftet der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer nach § 3 Nr. 2 PflVG a.F. (§ 115 Abs. 1 VVG 2008) neben dem Versicherungsnehmer bzw. Versicherten gesamtschuldnerisch. Dies gilt aber nicht hinsichtlich außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehender weiterer Gesamtschuldner, wie hier der Tankstellenbetreiberin (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, a.a.O., Rz. 4, 10 m.w.N.). Ihnen gegenüber fehlt die für eine Gesamtschuld zu fordernde Gleichstufigkeit der Verpflichtungen (BGH, Urt. v. 28.11.2006 - VI ZR 136/05, VersR 2007, 198, 199; Schwintowski/Brömmelmeyer, a.a.O., Rz. 28; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 421 Rz. 7).

Rz. 13

cc) Es bestehen auch keine gem. §§ 412, 401 BGB analog übergegangenen Ausgleichsansprüche. Zwar kommt zwischen Mitschädigern ein Gesamtschuldverhältnis zustande, so dass bei Übergang der Gläubigerforderung nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB auch §§ 412, 401 (analog) BGB anzuwenden sind. Die Versicherungsansprüche des Tanklastzughalters bzw. -fahrers gegen die Beklagte stellen jedoch keine Nebenrechte i.S.d. § 401 BGB (analog) dar, die zusammen mit den Ansprüchen der Geschädigten gegen Halter und Fahrer gem. § 426 Abs. 2 BGB auf die Tankstellenbetreiberin und über § 67 VVG a.F. auf die Klägerin hätten übergehen können. Es handelt sich vielmehr um selbständige Rechte, die zudem nicht aus demselben Schuldverhältnis stammen, da die Versicherungsansprüche in den Versicherungsverhältnissen, die Ausgleichsansprüche nach § 426 BGB in einer gesamtschuldnerischen Verantwortlichkeit für die Schäden wurzeln.

Rz. 14

Zwar hat der Senat im Urteil vom 28.11.2006 (- VI ZR 136/05 -, a.a.O.) einen Übergang gesamtschuldnerischer Verpflichtungen entsprechend § 401 BGB bei einem Schadensausgleichsanspruch eines Versicherers nicht ausgeschlossen. Wie bereits ausgeführt (s. II. 2. b) bb)) ordnet § 3 Nr. 2 PflVG a.F. eine Gesamtschuld zwischen Halter bzw. Fahrer einerseits und der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung andererseits aber nur im Verhältnis zu den Geschädigten, nicht aber zu außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehenden Mitschädigern an. Jedenfalls dies stünde einem Anspruchsübergang nach §§ 412, 401 BGB analog auf Mitschädiger entgegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2379673

EBE/BGH 2010

NJW-RR 2010, 1471

DAR 2010, 639

DAR 2010, 698

DAR 2011, 305

MDR 2010, 1322

NZV 2010, 560

VRS 2010, 327

ZfS 2010, 611

VRR 2010, 421

ZGS 2010, 511

r+s 2010, 433

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