Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des anwaltlichen Verfahrenspflegers nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Berufsmäßigkeit der Verfahrenspflegschaft. Erlöschen des Vergütungsanspruches nach Ablauf der Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der anwaltliche Verfahrenspfleger kann gem. § 1835 Abs. 3 BGB eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (im Anschluss an BGH v. 17.11.2010 - XII ZB 244/10, FamRZ 2011, 203 Rz. 13 m.w.N.).

b) Dieser Aufwendungsersatzanspruch erlischt gem. § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung gerichtlich geltend gemacht wird.

 

Normenkette

BGB § 1835 Abs. 1-3; VBVG §§ 1-2; FamFG § 277; RVG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Beschluss vom 23.11.2011; Aktenzeichen 3 T 96/11)

AG Chemnitz (Entscheidung vom 10.02.2011; Aktenzeichen 3 XVII 4921)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 23.11.2011 wird auf Kosten des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.444 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Beteiligte zu 2) verlangt als anwaltlicher Verfahrenspfleger des mittlerweile verstorbenen Betroffenen weitere Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Rz. 2

Das Betreuungsgericht bestellte den Beteiligten zu 2) zum Verfahrenspfleger für die Vertretung des Betroffenen in einem Genehmigungsverfahren betreffend den Verkauf und die Abtretung der Geschäftsanteile an den Gesellschaften des Betroffenen und stellte die Berufsmäßigkeit der Verfahrenspflegschaft fest. Der Verfahrenspfleger rechnete am 30.6.2009 seine Tätigkeit für den Zeitraum von April 2009 bis Juni 2009 nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz i.H.v. 388,69 EUR ab. Dieser Betrag wurde festgesetzt und von der Staatskasse ausgezahlt.

Rz. 3

Im Januar 2011 hat der Verfahrenspfleger die Festsetzung einer weiteren Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für denselben Zeitraum i.H.v. 2.833,15 EUR beantragt, die das Betreuungsgericht i.H.v. 2.444,46 EUR, also in der beantragten Höhe abzgl. der bereits ausgezahlten 388,69 EUR, gegen die Staatskasse festgesetzt hat. Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors hat das LG den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Verfahrenspflegers, der die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehrt.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das LG sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Rz. 5

1. Das LG hat ausgeführt, dass der Vergütungsanspruch des Verfahrenspflegers nach Ablauf der 15-monatigen Ausschlussfrist des § 2 VBVG erloschen sei. Der Verfahrenspfleger erhalte nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG Ersatz seiner Aufwendungen gem. § 1835 Abs. 1 und 2 BGB; nach § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG daneben auch eine Vergütung nach §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG, sofern die Verfahrenspflegschaft wie hier berufsmäßig geführt werde. Auf § 1835 Abs. 3 BGB werde zwar nicht verwiesen, jedoch sei anerkannt, dass diese Norm auch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden sei. Danach könne dieser eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verlangen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen habe, für die ein Laie vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Der Vergütungsanspruch sei jedoch erloschen, da er nicht binnen 15 Monaten geltend gemacht worden sei. Anderes könne allenfalls dann gelten, wenn, wie bei der Verjährung, deren Beginn wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben würde, da bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage selbst ein rechtskundiger Dritter diese nicht einzuschätzen vermocht habe. Es habe jedoch keine unklare Rechtslage bestanden, die erst mit der Entscheidung des BGH vom 17.11.2010 (XII ZB 244/10, FamRZ 2011, 203) geklärt worden wäre, sondern es sei bereits zuvor in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur anerkannt gewesen, dass § 1835 Abs. 3 BGB auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden sei.

Rz. 6

2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Zutreffend hat das Beschwerdegericht darauf abgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Verfahrenspflegers erloschen ist, da er nicht innerhalb von 15 Monaten geltend gemacht wurde.

Rz. 7

a) Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gemäß § 277 Abs. 2 Satz 2 FamFG hat er daneben Anspruch auf eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG, wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG zwar nicht. § 1835 Abs. 3 BGB ist gleichwohl auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Danach kann der anwaltliche Verfahrenspfleger eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH v. 17.11.2010 - XII ZB 244/10, FamRZ 2011, 203 Rz. 13 m.w.N.).

Rz. 8

Bei der Prüfung des Anteilsübereignungsvertrages handelt es sich um eine rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit. Grundsätzlich stand dem Verfahrenspfleger daher ein Vergütungsanspruch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu.

Rz. 9

Dem steht auch § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG nicht entgegen, nach dem das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht für eine Tätigkeit als Verfahrenspfleger gilt. Damit soll nur verdeutlicht werden, dass die Führung einer Verfahrenspflegschaft allein nicht als Erbringung anwaltlicher Dienste in diesem Sinne angesehen werden kann. § 1 Abs. 2 Satz 2 RVG, wonach § 1835 Abs. 3 BGB unberührt bleibt, stellt demgegenüber klar, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger, der für den Betroffenen Dienste erbringt, für die ein nichtanwaltlicher Verfahrenspfleger einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, insoweit Aufwendungsersatz nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verlangen kann (BGH v. 17.11.2010 - XII ZB 244/10, FamRZ 2011, 203 Rz. 14; vgl. auch BVerfG FamRZ 2000, 1280, 1282).

Rz. 10

b) Der Anspruch des Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung ist jedoch erloschen. Nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB sind Ansprüche auf Aufwendungsersatz binnen 15 Monaten nach Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend zu machen. Hierzu gehören auch Ansprüche nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, da es sich um Aufwendungsersatzansprüche i.S.d. § 1835 Abs. 3 BGB handelt (OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 1664 undNJW 2003, 3642, 3643; BayObLG FamRZ 2003, 1413 [1414]; vgl. auch Wagenitz in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1836 Rz. 17). Diese Ausschlussfrist war bei Eingang des Antrages im Januar 2011 bereits abgelaufen, nachdem der Anspruch im Zeitraum April bis Juni 2009 entstanden war.

Rz. 11

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war der Beginn der Ausschlussfrist auch nicht wegen einer unklaren Rechtslage hinausgeschoben. Ob die Grundsätze, die zum Beginn der Verjährung bei einer unklaren Rechtslage aufgestellt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 25.2.1999 - IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041, 2042; v. 23.9.2008 - XI ZR 262/07, NJW-RR 2009, 547 Rz. 14; v. 18.12.2008 - III ZR 132/08, NJW 2009, 984 Rz. 14), auch auf den Beginn einer Ausschlussfrist herangezogen werden können, oder ob sich Unterschiede daraus ergeben müssen, dass der Ablauf einer Ausschlussfrist anders als der Ablauf einer Verjährungsfrist nicht zu einer bloßen Einredebefugnis gegenüber einem fortbestehenden Recht führt, sondern den Untergang des Rechts zur Folge hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2006 - VIII ZR 94/05, NJW 2006, 903 Rz. 10 m.w.N.), braucht hier nicht entschieden zu werden.

Rz. 12

Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen, nach denen der Beginn einer Verjährungsfrist hinausgeschoben sein könnte, nicht vor. Erforderlich wäre hierzu nämlich, dass die Rechtslage so unübersichtlich oder zweifelhaft ist, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag, so dass es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung fehlt (BGH, Urt. v. 25.2.1999 - IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041, 2042). Dass ein anwaltlicher Verfahrenspfleger Vergütung nach der (damals noch gültigen) Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte für solche Tätigkeiten verlangen kann, bei denen ein Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde, hat bereits das BVerfG klargestellt (BVerfG FamRZ 2000, 1280, 1282). Dieser Rechtsprechung ist eine Vielzahl von OLG gefolgt (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 906; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 424; BayObLG FamRZ 2003, 1413 [1414]; OLG Frankfurt NJW 2003, 3642, 3643; OLG München FamRZ 2008, 2150 [2151]; OLG Schleswig NJW-RR 2009, 79). Auch wenn das für den Verfahrenspfleger zuständige OLG Dresden im Jahr 1999 noch entschieden hat, dass der anwaltliche Verfahrenspfleger nicht nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte liquidieren dürfe (JurBüro 2000, 74), war dieser dennoch gehalten, die Rechtsprechung des VerfG und die daran anschließenden Entscheidungen der OLG zur Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten darauf einzustellen. Eine unklare Rechtslage war nach den genannten Entscheidungen nicht mehr gegeben.

Rz. 13

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde änderte auch das Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl. I Seite 2586 - FamFG) nichts an der Rechtslage. § 67a FGG verwies ebenso wenig auf § 1835 Abs. 3 BGB wie jetzt § 277 FamFG.

Rz. 14

Demnach fehlte es insoweit schon im Abrechnungszeitraum an einer unklaren Rechtslage, die der Senat mit seinem Beschluss vom 17.11.2010 (XII ZB 244/10, FamRZ 2011, 203) hätte klarstellen müssen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum es dem Verfahrenspfleger nicht früher möglich gewesen sein sollte, seinen Vergütungsantrag nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu stellen. Die Ausschlussfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB war daher bei Eingang des Antrags im Januar 2011 bereits abgelaufen. Das Beschwerdegericht hat zutreffend ausgeführt, dass diese Ausschlussfrist von Amts wegen zu beachten ist und das Gericht auch keine Pflicht trifft, auf den bevorstehenden Ablauf dieser Frist hinzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3207281

NJW 2012, 3307

EBE/BGH 2012

FamRZ 2012, 1377

FuR 2012, 3

FuR 2012, 548

FGPrax 2012, 255

JurBüro 2012, 531

AnwBl 2012, 851

BtPrax 2012, 205

JZ 2012, 602

MDR 2012, 1066

FF 2012, 378

FamRB 2012, 339

HRA 2012, 1

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