Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Maßnahme der Sicherungsvollstreckung. Einstweilige Einstellung der Sicherungsvollstreckung

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist die Vollstreckbarkeit des Titels im Hinblick auf die Vollstreckungsmaßnahme „Abgabe der eidesstattlichen Versicherung” so lange für die Zukunft entfallen, bis der Einstellungsbeschluss wieder abgeändert oder in der Hauptsache ein bestätigendes Endurteil erlassen wird.

 

Normenkette

ZPO § 720a

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 15.08.2003)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 81. Zivilkammer des LG Berlin v. 15.8.2003 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.500 EUR

 

Gründe

I.

Mit Teilurteil v. 12.3.2002 (LG Berlin, Urt. v. 12.3.2002 - 2 O 394/01) hat das LG Berlin den Schuldner verurteilt, an den Gläubiger 1.154.304,73 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Aus dem Urteil betreibt der Gläubiger gegen den Schuldner ohne Sicherheitsleistung die Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO. Auf seinen Antrag hat die zuständige Gerichtsvollzieherin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmt. Den dagegen vom Schuldner erhobenen Widerspruch hat das AG Berlin-Charlottenburg mit Beschluss v. 7.2.2003 verworfen und einen Antrag auf Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle im Rahmen der Sicherungsvollstreckung eine zulässige Zwangsvollstreckungsmaßnahme dar, die Voraussetzungen des § 765a ZPO lägen nicht vor.

Gegen diese am 18.2.2003 zugestellte Entscheidung hat der Schuldner mit Schriftsatz des Rechtsanwalts Dr. K. v. 3.3.2003, eingegangen beim AG am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Unterschrieben ist er von der in ihm als Sachbearbeiterin bezeichneten Rechtsanwältin B. , die mit Rechtsanwalt Dr. K. in einer Innensozietät zusammengeschlossen war. Im Kopf der Beschwerdeschrift sowie in der vom Schuldner unterzeichneten Vollmachtsurkunde ist nur Rechtsanwalt Dr. K. benannt.

Auf Antrag des Schuldners hat das KG mit Beschluss v.21.3.2003 (KG, Beschl. v. 21.3.2003 - 21 U 92/02) die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des LG Berlin v. 12.3.2002 gem. §§ 719, 707 ZPO "ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt, soweit der Gläubiger die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung i. S. v. §§ 807, 900 f. ZPO ... betreibt". Der Schuldner hat daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt und hilfsweise beantragt, die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufzuheben. Der Gläubiger hat eine Erledigung bestritten. Das LG Berlin hat auf die sofortige Beschwerde den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Gläubigers.

II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das LG hat die sofortige Beschwerde als zulässig angesehen. Rechtsanwältin B. habe als Mitglied der Innensozietät mit Rechtsanwalt Dr. K. wirksam Beschwerde einlegen können, weil gem. §§ 80, 84 ZPO regelmäßig alle Mitglieder einer örtlichen Sozietät vom Mandanten bevollmächtigt seien. Es hat gemeint, eine Verfahrenserledigung sei durch den Einstellungsbeschluss des KG nicht eingetreten, weil dadurch das Verfahren nicht beendet sei und sofort nach Aufhebung des Beschlusses oder nach Bestätigung des der Vollstreckung zu Grunde liegenden Urteils weiterbetrieben werden könne. Bei der Sicherungsvollstreckung des § 720a ZPO könne die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verlangt werden. Dies folge aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem großen wirtschaftlichen Schaden, der beim Schuldner durch diese härteste Vollstreckungsmaßnahme entstehen könne.

Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Beschluss des AG wegen Versäumung der Beschwerdefrist rechtskräftig. Die von Rechtsanwältin B. unterzeichnete Beschwerde sei mangels Vollmacht nicht wirksam eingelegt. Da die Sozietät nach außen nicht erkennbar gewesen sei, sei nur Rechtsanwalt Dr. K. vom Schuldner als Einzelanwalt bevollmächtigt gewesen und hätte den Beschwerdeschriftsatz unterschreiben müssen. Der Gläubiger dürfe bei der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO nach deren Sinn und Zweck auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen.

2. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde hat der Schuldner gegen den Beschluss des AG Berlin-Charlottenburg v. 7.2.2003 frist- und formgerecht (§ 569 ZPO) sofortige Beschwerde eingelegt, weil Rechtsanwältin B. zur Einlegung der Beschwerde bevollmächtigt war.

a) Allerdings bestehen gegen die Begründung, mit der das LG von der Zulässigkeit der Beschwerde ausgegangen ist, durchgreifende rechtliche Bedenken. Zwar wird - auch wenn die Vollmacht nur auf ein einzelnes Mitglied einer örtlichen Anwaltssozietät ausgestellt ist - das Mandatsverhältnis in der Regel mit allen Angehörigen der Sozietät begründet, so dass gem. §§ 80, 84 ZPO alle ihre Mitglieder als bevollmächtigt anzusehen sind (vgl. BGH v. 5.11.1993 - V ZR 1/93, BGHZ 124, 47 [49] = MDR 1994, 308 m. w. N.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl, § 80 Rz. 6; Musielak/Weth, ZPO, 3. Aufl., § 80 Rz. 8). Dies gilt jedoch nicht ohne weiteres für den Fall, dass der Mandant einen Rechtsanwalt beauftragt, der nach außen als Einzelanwalt auftritt (vgl. BGH BGHZ 56, 355; und BGHZ 70, 247 [251]). Soweit eine Innensozietät nach außen nicht erkennbar wird, ist vielmehr nach der Verkehrsauffassung regelmäßig nur der in der Vollmachtsurkunde bezeichnete Einzelanwalt beauftragt und bevollmächtigt (vgl. Zugehör/Sieg, Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 349 ff., 354 ff., 369 ff.). Zu den Umständen der Mandatsaufnahme und der Vollmachtserteilung, nach denen ein Mandat und eine Bevollmächtigung auch für Rechtsanwältin B. in Betracht kommen kann, fehlt Vortrag des Schuldners.

b) Die sofortige Beschwerde erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als zulässig. Auch wenn Rechtsanwältin B. im Zusammenhang mit der Mandatserteilung unmittelbar vom Schuldner nicht bevollmächtigt worden sein sollte, konnte sie in dessen Namen Beschwerde einlegen. Denn ihr war vom Hauptbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. K. konkludent eine wirksame Untervollmacht erteilt worden, indem dieser ihr die Einlegung und Begründung der Beschwerde übertrug (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 81 Rz. 6 m. w. N.). Nach dem Inhalt der ihm vom Schuldner erteilten Vollmacht war Rechtsanwalt Dr. K. dazu befugt.

3. Die angefochtene Entscheidung hat Bestand, weil sie sich - unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Rechtsfrage, ob der Schuldner bei der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist (vgl. bejahend: OLG Hamburg v. 10.11.1998 - 6 W 70/98, MDR 1999, 255; OLG Koblenz v. 30.8.1990 - 4 W 423/90, MDR 1991, 63; OLG München v. 9.10.1990 - 25 W 1548/90, MDR 1991, 64; OLG Hamm v. 24.11.1981 - 7 U 93/81, MDR 1982, 416; OLG Düsseldorf v. 3.9.1980 - 3 W 237/80, NJW 1980, 2717; OLG Stuttgart v. 26.11.1979 - 8 W 521/79, MDR 1980, 409; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 720a Rz. 6; Krüger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 720a Rz. 4; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 720a Rz. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 720a Rz. 4; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 720a Rz. 4; verneinend: LG Berlin v. 12.12.1988 - 81 T 980/88, Rpfleger 1989, 206; LG Osnabrück v. 6.12.1988 - 4 T 91/88, MDR 1989, 463; LG Mainz DGVZ 1987, 61; Fahlbusch, Rpfleger 1979, 248) - mit anderer Begründung im Ergebnis als zutreffend erweist. Denn der Antrag des Gläubigers, gegen den Schuldner das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 899 ff. ZPO durchzuführen, ist jedenfalls mit dem Einstellungsbeschluss des KG v. 21.3.2003 unzulässig geworden.

a) Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Rahmen der Sicherungsvollstreckung die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§§ 807, 900 ff. ZPO) verlangt werden kann, lagen mit der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das KG dafür die Voraussetzungen nicht (mehr) vor. Denn mit dieser Entscheidung, die im Beschwerdeverfahren als neues Verteidigungsmittel zu berücksichtigen war (§ 571 Abs. 2 S. 1 ZPO), ist die Vollstreckbarkeit des Titels im Hinblick auf die Vollstreckungsmaßnahme "Abgabe der eidesstattlichen Versicherung" so lange für die Zukunft entfallen, bis das KG den Einstellungsbeschluss wieder abändert oder in der Hauptsache ein das Teilurteil des LG bestätigendes Endurteil erlässt. Somit durfte der Gläubiger das von ihm in Gang gesetzte Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 775 Nr. 2 ZPO nicht mehr fortsetzen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 719 Rz. 27, § 775 Rz. 27; Krüger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 707 Rz. 20; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 707 Rz. 20; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 775 Rz. 5; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 707 Rz. 15; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 707 Rz. 11). Das KG hat die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beschränkt (vgl. BAG NJW 1958, 1940 [1941]; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 707 Rz. 13; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 719 Rz. 6), weil die Befugnis, die Zwangsvollstreckung ganz einzustellen, auch die Möglichkeit einschließt, nur eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme zu untersagen.

Da sich der Gläubiger im Beschwerdeverfahren der Erledigterklärung des Schuldners nicht angeschlossen, sondern das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weiter betrieben hat, hätte das LG den Antrag wegen des Einstellungsbeschlusses als unzulässig zurückweisen müssen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 775 Rz. 32; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 719 Rz. 15), so dass die Beschwerde des Schuldners mit dieser Begründung Erfolg gehabt hätte. Der Schuldner allein konnte den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht wirksam für erledigt erklären, weil insoweit nur der Gläubiger verfügen kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a Rz. 52).

 

Fundstellen

BGHR 2004, 987

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