Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gläubiger kann im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO von dem Schuldner auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO verlangen.

 

Normenkette

ZPO §§ 720a, 807

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Beschluss vom 28.09.2005; Aktenzeichen 7 T 459/05)

AG Gießen (Entscheidung vom 02.09.2005; Aktenzeichen 42 M 20979/05)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des LG Gießen - 7. Zivilkammer - vom 28.9.2005 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

[1] I. Die Gläubigerin hat gegen den Schuldner das gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbare Urteil des LG B. vom 24.9.2004 (Aktenzeichen: 8 O 501/98) erwirkt. Sie betreibt aus der vollstreckbaren Ausfertigung dieses Urteils gegen den Schuldner, der Rechtsanwalt ist, die Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO. Die Gläubigerin hat beantragt, den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO zu laden. Dieser hat gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Widerspruch erhoben, den er im Wesentlichen damit begründet hat, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Verfahren der Sicherungsvollstreckung nicht verlangt werden könne.

[2] Das AG (Vollstreckungsgericht) hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben.

[3] Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Widerspruch gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weiter. Die Gläubigerin hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.

[4] II. Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Gläubigerin ist berechtigt, gegen den Schuldner das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO zu betreiben.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO für zulässig erachtet. Es hat seine Annahme im Wesentlichen aus der Entstehungsgeschichte des § 720a ZPO hergeleitet. Darüber hinaus hat das Beschwerdegericht angenommen, der Zweck der Sicherungsvollstreckung, dem Gläubiger bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Titels eine Sicherung zu verschaffen, könne nur erreicht werden, wenn der Gläubiger die Möglichkeit habe, im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung das zur Sicherung seiner Forderung vorhandene Vermögen zu ermitteln. Der Beruf des Schuldners rechtfertige keine andere Beurteilung. Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg.

[6] 2. a) Die Vorschrift des § 720a ZPO dient den Interessen des Gläubigers. Sie räumt ihm die Möglichkeit ein, aus einem auf Zahlung von Geld lautenden Urteil, das nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, schon vor Erbringung der Sicherheit die Vollstreckung einzuleiten (§ 720a Abs. 1 ZPO). Die Bestimmung erlaubt dem Gläubiger zwar keine Befriedigung, wohl aber die Pfändung mit Rang wahrender Wirkung. Damit vervollständigt die Norm den Schutz des Gläubigers vor wirtschaftlichen Verlusten, die ihm durch ein Beiseiteschaffen der Haftungsmasse durch den Schuldner oder durch einen Vermögensverfall des Schuldners drohen (vgl. MünchKomm/ZPO/Krüger, 2. Aufl., § 720a Rz. 1).

[7] Die Frage, ob der Gläubiger aufgrund eines gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils im Rahmen der Sicherungsvollstreckung nach § 720a Abs. 1 ZPO ohne Sicherheitsleistung auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner gem. § 807 ZPO verlangen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (die Frage bejahend: OLG Stuttgart NJW 1980, 1698; OLG Düsseldorf NJW 1980, 2717; OLG Hamm MDR 1982, 416; KG MDR 1989, 745; OLG Koblenz v. 30.8.1990 - 4 W 423/90, MDR 1991, 63, unter Aufgabe von NJW 1979, 2521; OLG Frankfurt Rpfleger 1996, 468; OLG Hamburg v. 10.11.1998 - 6 W 70/98, MDR 1999, 255; MünchKomm/ZPO/Krüger a.a.O. § 720a Rz. 4; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 720a Rz. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 720a Rz. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 720a Rz. 5; Wieczorek/Schütze/Heß, ZPO, 3. Aufl., § 720a Rz. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 720a Rz. 8; Hölk, MDR 2006, 841; die Frage verneinend: LG Mainz JurBüro 1987, 926; LG Berlin Rpfleger 1980, 352; Fahlbusch, Rpfleger 1979, 248).

[8] b) Wie der BGH nach Erlass der angefochtenen Entscheidung im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach Art. 46 EuGVVO entschieden hat (Beschl. v. 2.3.2006 - IX ZB 23/06, BGHReport 2006, 749 = MDR 2006, 892 = Rpfleger 2006, 328 = MDR 2006, 892), kann der Gläubiger im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gem. § 720a ZPO von dem Schuldner die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO verlangen, ohne selbst Sicherheit leisten zu müssen. Das folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift, die dem Gläubiger den Zugriff auf das Schuldnervermögen im Wege der Sicherungsvollstreckung eröffnet. Dem Gläubiger soll eine dem Arrest vergleichbare Sicherung verschafft werden, indem er auch vor einer Schmälerung der Haftungsmasse durch den Schuldner geschützt wird (BT-Drucks. 7/2729, 21, 45, 109 f.; 7/5250, S. 16). Dieser Zweck ist aber nur dann sicher zu erreichen, wenn der Schuldner auch im Rahmen der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO die eidesstattliche Versicherung abgeben muss. Denn nur auf diesem Wege kann der Gläubiger zuverlässig ermitteln, ob der Schuldner Vermögen besitzt, auf das er im Wege der Sicherungsvollstreckung zugreifen kann (BGH, Beschl. v. 2.3.2006 - IX ZB 23/06, BGHReport 2006, 749 = MDR 2006, 892 = Rpfleger 2006, 328, 329; OLG Hamburg v. 10.11.1998 - 6 W 70/98, MDR 1999, 255; MünchKomm/ZPO/Krüger a.a.O. § 720a Rz. 4). Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist eine zweckgerichtete Maßnahme zur Vorbereitung zulässiger, hier auf Sicherung beschränkter, Vollstreckungszugriffe. Aus vergleichbaren Erwägungen ist allgemein anerkannt, dass der dingliche Arrest ein zur Herbeiführung der Offenbarungsversicherung genügender Titel ist (BGH, Beschl. v. 2.3.2006 - IX ZB 23/06, BGHReport 2006, 749 = MDR 2006, 892 = Rpfleger 2006, 328, 329, m.w.N.).

[9] Den Eintritt eventueller Nachteile kann der Schuldner dadurch abwenden, dass er Schutzanträge nach §§ 712, 714 ZPO stellt. Darüber hinaus kann er von der Abwendungsbefugnis gem. § 720a Abs. 3 ZPO Gebrauch machen und im Übrigen bei einer entsprechenden Sachlage ggf. auch darlegen, dass das Verlangen des Gläubigers nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung rechtsmissbräuchlich sei, weil dieser bereits in anderer Weise hinreichend gesichert sei (OLG Hamburg v. 10.11.1998 - 6 W 70/98, MDR 1999, 255; Hölk a.a.O. S. 842). Für einen weitergehenden Schuldnerschutz besteht keine Notwendigkeit. Dementsprechend unterliegt die Vorschrift des § 720a ZPO auch keinen ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Hölk a.a.O. S. 842).

[10] III. Danach war die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1641428

BGHR 2007, 176

FamRZ 2007, 210

NJW-RR 2007, 416

EWiR 2007, 287

JurBüro 2007, 155

WM 2007, 405

DGVZ 2007, 13

InVo 2007, 166

MDR 2007, 486

MDR 2008, 548

Rpfleger 2007, 88

FoVo 2009, 13

VE 2007, 83

VE 2009, 1

ZBB 2007, 202

ZVI 2007, 67

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