Entscheidungsstichwort (Thema)

Ende des Ausbildungsverhältnisses einer Krankenschwester mit dem Zeitpunkt der Prüfung. Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Ausbildungsverhältnis einer Krankenschwester, die vor Ablauf der nach § 9 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes vorgesehenen dreijährigen Lehrgangsdauer die Abschlußprüfung nach § 13 des Krankenpflegegesetzes erfolgreich bestanden hat, endet gem. § 14 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes mit dem Zeitpunkt der Prüfung.

 

Normenkette

KrPflG i.d.F.v. 20.9.1965 § 9 Abs. 1; KrPflG i.d.F.v. 20.9.1965 § 9 Abs. 13; BBiG § 14 Abs. 2, § 107 Abs. 1

 

Tenor

Das Ausbildungsverhältnis einer Krankenschwester, die vor Ablauf der nach § 9 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes vorgesehenen dreijährigen Lehrgangsdauer die Abschlußprüfung nach § 13 des Krankenpflegegesetzes erfolgreich bestanden hat, endet gemäß § 14 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes mit dem Zeitpunkt der Prüfung.

 

Gründe

I.

1.

Die Klägerin fordert von der Beklagten den Differenzbetrag zwischen einer ihr gezahlten Ausbildungsvergütung und dem Tarifgehalt einer ausgebildeten Krankenschwester für die Zeit vom 18. Februar bis 31. März 1978.

Nach dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Ausbildungsvertrag vom 20. März 1975 sollte die Klägerin in der von der Beklagten betriebenen Krankenpflegeschule zur Krankenschwester ausgebildet werden. Die Ausbildung begann vertragsgemäß am 1. April 1975 und sollte nach dem Vertragsinhalt am 31. März 1978 enden. Die Klägerin bestand bereits am 17. Februar 1978 die vorgesehene Prüfung als Krankenschwester und war im Anschluß daran weiter im Krankenhaus der Beklagten tätig. Am 20. April 1978 erteilte die zuständige Bezirksregierung der Klägerin die förmliche Erlaubnis, die Krankenpflege unter der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" mit Geltung ab 1. April 1978 auszuüben. Von diesem Zeitpunkt an zahlte die Beklagte der Klägerin das vorgesehene Tarifgehalt, für die Zeit vom 18. Februar bis 31. März 1978 jedoch nur die vereinbarte Ausbildungsvergütung.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin den unstreitigen Differenzbetrag zwischen der für die Zeit vom 18. Februar bis 31. März 1978 ausbezahlten Ausbildungsvergütung und dem für denselben Zeitraum zustehenden Tarifgehalt einer Krankenschwester nach Vergütungsgruppe (VergGr) Nr. III der Anlage 1 b zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zu zahlen (1.048,61 DM brutto nebst Zinsen). Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es ist - wie das Arbeitsgericht - als unstreitig davon ausgegangen, daß die Klägerin in der Zeit vom 18. Februar 1978 bis 31. März 1978 im Krankenhaus Arbeiten verrichtet hat, die denen einer Krankenschwester mit staatlicher Erlaubnis gleichwertig waren, und daß das Ausbildungsverhältnis der Klägerin überwiegend betrieblicharbeitsrechtlich ausgestaltet gewesen ist. Der Zahlungsanspruch der Klägerin rechtfertige sich aus § 612 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), da das Ausbildungsverhältnis gemäß § 14 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) mit Ablegung der Prüfung am 17. Februar 1978 beendet gewesen und folglich gemäß § 17 BBiG ein Arbeitsverhältnis entstanden sei. Die Anwendung des § 14 Abs. 2 BBiG sei nicht durch § 107 Abs. 1 BBiG, wonach bundesgesetzliche Regelungen über die Berufsbildung in Heil- und Heilhilfsberufen unberührt bleiben, ausgeschlossen, da hinsichtlich der Wirkungen einer vorzeitigen Beendigung der Ausbildung durch Ablegen der Prüfung insoweit kein Widerspruch zu dem einschlägigen Krankenpflegegesetz (KrPflG) bestehe.

2.

Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) möchte der von der Beklagten eingelegten Revision stattgeben und die Klage abweisen. Seiner Auffassung nach hat die Klägerin bis 31. März 1978 nur Anspruch auf die vereinbarte Ausbildungsvergütung. § 107 Abs. 1 BBiG schließe nämlich die Anwendung des § 14 Abs. 2 BBiG aus, weil nach dem Krankenpflegegesetz für - wie hier - überwiegend arbeitsrechtlich betrieblich ausgestaltete Ausbildungsverhältnisse von Lernschwestern zwingend eine dreijährige Ausbildungszeit vorgeschrieben sei; Lohnansprüche kämen danach nicht in Betracht. Der 5. Senat des BAG sieht sich an dieser Entscheidung durch das Urteil des 7. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. März 1976 - 7 RAr 67/74 - gehindert. Darin habe das BSG einen wegen beruflicher Umschulung nach § 47 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auch für die Zeit zwischen vorzeitiger Prüfung als Krankenschwester und vereinbartem Ende der Ausbildung erhobenen Anspruch auf Unterhaltsgeld (§ 44 AFG) mit der Begründung verneint, daß das Ausbildungsverhältnis für die Krankenpflege nach den Vorschriften des Krankenpflegegesetzes mit dem Tag der vorzeitigen Ablegung der Prüfung ende.

Der 5. Senat des BAG hat deshalb mit Beschluß vom 17. März 1982 das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung über die Rechtsfrage vorgelegt,

"ob ein Ausbildungsverhältnis einer Krankenschwester gemäß § 107 Abs. 1 BBiG in Verbindung mit § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 1 KrPflG erst mit Ablauf der dreijährigen Lehrgangsdauer endet (Abweichung von der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11. März 1976 - 7 RAr 67/74 -)".

3.

Aus den Stellungnahmen der Präsidenten der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu dem Vorlageverfahren gemäß § 12 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RsprEinhG) ergibt sich, daß diese Gerichtshöfe mit Ausnahme der in der Vorlage bezeichneten Senate die streitige Rechtsfrage bisher nicht entschieden haben, bzw. dort keine damit zusammenhängenden Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen.

4.

Beide Beteiligte des Verfahrens vor dem Gemeinsamen Senat haben ihr Einverständnis mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

II.

Die Vorlage ist zulässig.

1.

Die Voraussetzungen für eine Divergenz im Sinne § 2 Abs. 1 RsprEinhG sind gegeben. Der 7. Senat des BSG hat in dem in der Vorlage bezeichneten Urteil vom 11. März 1976 in einer für seine Entscheidung tragenden Weise die Rechtsauffassung vertreten, daß das Krankenpflegegesetz für die Krankenpflege eine Ausbildungszeit von drei Jahren nicht als Mindestdauer vorschreibe, und daß durch die erfolgreiche vorzeitige Abschlußprüfung wirksam eine Abkürzung dieser Ausbildungszeit eintrete. Wenngleich seine Entscheidung die für den Umfang einer Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz maßgebliche Dauer der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme betraf, liegt ihr eine rechtliche Wertung der Vorschriften des Krankenpflegegesetzes über die Dauer von überwiegend arbeitsrechtlich betrieblich ausgestalteten Ausbildungsverhältnissen in der Krankenpflege zugrunde, die der vorlegende Senat nicht teilt und von der er abweichen möchte.

2.

Die Antwort auf die Vorlagefrage ist für die Entscheidung des vorlegenden Senats im Ausgangsverfahren erheblich. Ihre Bejahung führt nach Auffassung des vorlegenden Senats ohne weiteres zur Klageabweisung, weil die Klägerin dann nur Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung habe, keine Lohnansprüche. Wird die Vorlagefrage verneint, kann die Klägerin mit einem ihr günstigen Verfahrensausgang rechnen. Zwar hat das Berufungsgericht für den streitigen Zeitraum eine Beschäftigung der Klägerin "wie eine Krankenschwester" angenommen. Ob sich allein hieraus der Klageanspruch rechtfertigen ließe (vgl. dazu BAG in AP Nr. 31 zu § 612 BGB m.w.N.), hat der Gemeinsame Senat im Rahmen der Prüfung der Erheblichkeit der Vorlagefrage nicht zu befinden. Insoweit hat der Gemeinsame Senat von der rechtlichen Wertung des Sachverhalts durch den vorlegenden Senat auszugehen. Welche Folgerungen dieser aus dem Sachverhalt für seinen Entscheidungsspielraum zieht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Es handelt sich dabei nämlich um die - wenn auch rechtliche - Beurteilung tatsächlicher Entscheidungsgrundlagen, die - je nach dem - erst die Voraussetzung für die Anwendung des maßgeblichen Rechts bildet, mithin um Vortragen, die selbst nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens sind (vgl. dazu BFHE 124, 43, 48; Gemeinsamer Senat in SozR 1500 § 164 Nr. 14 = BVerwGE 58, 359 = NJW 1980, 172 = HFR 1980, 108 = AP Nr. 3 zu § 164 SGG; Gemeinsamer Senat in NJW 1972, 2035 = JZ 1972, 741 = DÖV 1972, 820 = Buchholz BVerwG 406.11 § 2 BBauG Nr. 9 = AP Nr. 1 zu § 187 BGB; Großer Senat des BSG, BSGE 49, 175, 181).

III.

In der Sache verneint der Gemeinsame Senat die Vorlagefrage. Ein überwiegend arbeitsrechtlich betrieblich ausgestaltetes Ausbildungsverhältnis in der Krankenpflege endet bei vorzeitig abgelegter Prüfung nicht erst mit Ablauf der vereinbarten und nach dem Krankenpflegegesetz vorgesehenen dreijährigen Lehrgangsdauer, sondern bereits mit dem Zeitpunkt der Prüfung.

1.

Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 14 Abs. 2 BBiG. Nach dieser Vorschrift endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlußprüfung, wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung besteht. Der Gemeinsame Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Senats, daß das Berufsbildungsgesetz grundsätzlich auch auf Ausbildungsverhältnisse von Lernschwestern und Lernpflegern anzuwenden ist, wenn im Rahmen der Gesamtausbildung die praktische Ausbildung mit arbeitsrechtlich betrieblicher Ausgestaltung überwiegt, es sich mithin nicht um schulische oder eine sonst ausgeschlossene Ausbildung (§ 2 BBiG) handelt. Mit dem vorlegenden Senat ist ferner davon auszugehen, daß das Ausbildungsverhältnis der Klägerin, um dessen Ende es hier geht, überwiegend arbeitsrechtlich betrieblich ausgestaltet war.

2.

Die Anwendung des § 14 Abs. 2 BBiG wird im Bereich der Krankenpflegeausbildung nicht durch die Bestimmung des § 107 Abs. 1 BBiG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift bleiben bundesgesetzliche Regelungen über die Berufsbildung in Heil- und Heilhilfsberufen unberührt. Vorliegend geht es zwar um eine bundesgesetzliche Regelung dieser Art, nämlich um die Anwendung des Krankenpflegegesetzes vom 15. Juli 1957 (BGBl I 716) in der Fassung vom 20. September 1965 (BGBl I 1443); spätere Gesetzesänderungen (vom 3. September 1968 - BGBl I 989 -, vom 4. Mai 1972 - BGBl I 753 - und vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1568 -) können für die Beantwortung der Vorlagefrage außer Betracht bleiben, da sie nicht einschlägig sind. § 107 Abs. 1 BBiG steht der Anwendung des § 14 Abs. 2 BBiG gleichwohl nicht entgegen.

§ 107 Abs. 1 BBiG enthält keinen absoluten Ausschluß der Anwendung von Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes auf bundesgesetzlich geregelte Berufsbildungen in Heil- und Heilhilfsberufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG - auch der des vorlegenden Senats - und der herrschenden Literaturmeinung beinhaltet der § 107 Abs. 1 BBiG lediglich, daß entsprechende bundesgesetzliche Regelungen dem Berufsbildungsgesetz vorgehen, wenn sie zu diesem im Widerspruch stehen, daß aber im übrigen das Berufsbildungsgesetz gilt (BAG 28, 269, 277 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis; BAG in AP Nr. 4 zu § 611 Ausbildungsverhältnis; BAG in AP Nr. 2 zu § 14 BBiG; Kerkert, Komm. z. Berufsbildungsgesetz, Stand April 1982, Anm. zu § 107; Knopp/Kraegeloh, Komm. z. Berufsbildungsgesetz, 2. Aufl. Anm. 1 zu § 107; Haase/Richard/Wagner, Berufsbildungsgesetz, 3. Aufl., Erläuterungen zu § 107; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl. S. 97; derselbe in Anm. zu BAG in AP Nr. 2 zu § 14 BBiG und zu BAG in AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis; Schneider, RdA 1978, 220, 222; derselbe in Anm. zu BAG in AP Nr. 2 zu § 14 BBiG; Bitter, Krankenpflege- und Heilhilfspersonal, Arbeitsrechts-Blattei I B III; Larenz, Deutsche Krankenpflegezeitschrift 1978, 41; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Aufl., § 173 II, 2). Der Gemeinsame Senat teilt diese Auffassung. Sie entspricht der grundsätzlichen Zielsetzung des Berufsbildungsgesetzes, eine möglichst umfassende und bundeseinheitliche Grundlage für die berufliche Bildung zu schaffen. Wesentlicher Zweck des Gesetzes ist es, die Rechtszersplitterung im Bereich des Berufsbildungsrechts zu beseitigen und Lücken zu schließen. Das Berufsbildungsgesetz ist so angelegt, daß seine Vorschriften grundsätzlich für die nicht rein schulische Berufsbildung in allen Berufs- und Wirtschaftszweigen gelten mit ausdrücklicher Ausnahme nur der in § 2 Abs. 2 BBiG geregelten Bereiche (vgl. BT-Drucks. V/4260, Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit unter A I 2).

Diese Grundsätze verdienen auch für den vom Krankenpflegegesetz bundesgesetzlich geregelten Bereich der arbeitsrechtlich betrieblich ausgestalteten Berufsausbildung Beachtung. Das BAG hat sich deshalb in den o.a. Entscheidungen zutreffend hiervon leiten lassen und die Anwendbarkeit von Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes auch hierfür mit Recht bejaht, wenn sich im Krankenpflegegesetz davon abweichende Regelungen nicht finden (ebenso: LAG Baden-Württemberg vom 15. November 1975 - 6 Sa 68/75 -, nachgewiesen bei Schneider, RdA 1978, 220; LAG Düsseldorf vom 22. Januar 1976 - 3 Sa 713/75 -, Der Betrieb 1976, 1112).

Nach Auffassung des Gemeinsamen Senats ist die Anwendung von Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes für die Berufsausbildung in der Krankenpflege wegen der allgemeinen Bedeutung dieses Gesetzes und der mit ihm vom Gesetzgeber verfolgten Zweckbestimmung nicht nur dann gerechtfertigt, wenn davon abweichende Bestimmungen im Krankenpflegegesetz fehlen, sondern auch dann, wenn Einzelvorschriften des Krankenpflegegesetzes nicht derart im Widerspruch zu Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes stehen, daß dieser offen und eindeutig zu Tage tritt und ihnen deshalb im Sinne von § 107 Abs. 1 BBiG unumgänglich der Vorrang gebührt. Das ist hinsichtlich der Anwendung des § 14 Abs. 2 BBiG nicht der Fall.

3.

Dem § 14 Abs. 2 BBiG liegt die Erwägung zugrunde, daß mit dem Bestehen der Abschlußprüfung grundsätzlich der Nachweis der mit der Berufsausbildung beabsichtigten beruflichen Qualifikation erbracht wird. In der Regel gibt es keinen vernünftigen Grund dafür, den Auszubildenden noch bis zum vereinbarten Ende der Ausbildung an das Ausbildungsverhältnis zu binden, wenn er die Abschlußprüfung bestanden hat. Der Zweck der Ausbildung ist damit erfüllt (vgl. dazu BT-Drucks. V/4260, Begründung zu § 14 Abs. 2 BBiG). Es handelt sich insoweit nicht um eine völlig neuartige Rechtsidee. Sie war in vergleichbarer Ausgestaltung und Motivation bereits in § 130a Abs. 2 der Gewerbeordnung von 1869 (vgl. Bekanntmachung vom 26. Juli 1900, RGBl I 871) angelegt, wurde in der Handwerksordnung (HandwO) vom 17. September 1953 (BGBl I 1411) zunächst mittelbar (§ 31 Abs. 2; vgl. Hartmann-Philipp, Komm. z. HandwO, 1954, Anm. 3 zu § 31), seit der Novelle vom 28. Dezember 1965 (BGBl I 1966 S. 2) in § 32 Satz 2 ausdrücklich verwirklicht, übrigens offenbar in Auswirkung einer Entscheidung des BAG (vgl. AP Nr. 1 zu § 28 HandwO; Eyermann-Fröhler, Komm. z. HandwO, 2. Aufl., Anm. 2 zu § 32). Nach Inhalt, Sinn und Bedeutung der Vorschrift könnte § 14 Abs. 2 BBiG als Folge von § 107 Abs. 1 BBiG für die streitige Berufsausbildung in der Krankenpflege infolgedessen nur dann ohne Wirkung bleiben, wenn im Krankenpflegegesetz hinsichtlich der maßgeblichen Ausbildungszeit abschließend eine gegenteilige Regelung getroffen wäre. Nach Überzeugung des Gemeinsamen Senats ist dies jedoch nicht der Fall.

4.

Die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis einer Lernschwester bei vorzeitiger Ablegung der Abschlußprüfung mit diesem Zeitpunkt enden soll oder erst mit Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit, ist im Krankenpflegegesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es bestimmt in § 9 Abs. 1 lediglich, daß die Lehrgänge in der Krankenpflege und in der Kinderkrankenpflege je drei Jahre dauern. Weder ist hier noch an anderer Stelle von einer Mindestdauer die Rede, noch spricht das Gesetz überhaupt von einer bestimmten Dauer des einzelnen Ausbildungsverhältnisses (ebenso Schneider, Anm. zu BAG in AP Nr. 2 zu § 14 BBiG). Eine zeitliche Mindestanforderung an die Lehrgänge findet sich lediglich in § 11 Satz 2 KrPflG, wenn es dort heißt, daß der Unterricht mindestens 1200 Unterrichtsstunden umfaßt (vgl. entsprechend § 14g KrPflG für Lehrgänge in der Krankenpflegehilfe).

Auch der Hinweis des vorlegenden Senats auf § 10 KrPflG über die Anrechnung bestimmt bezeichneter Unterbrechungszeiten auf die Lehrgangsdauer nach § 9 KrPflG vermag bei näherer Betrachtung als Argument für seine Auffassung nicht zu überzeugen. Zunächst enthält diese Anrechnungsbestimmung nur eine die Vorschrift des § 9 KrPflG modifizierende Aussage über die dann maßgebliche Lehrgangsdauer, Dies zwingt weder zur Annahme einer abschließenden Festlegung auch der Dauer des einzelnen Ausbildungsverhältnisses, noch läßt sich dem § 10 KrPflG entnehmen, daß eine vorzeitig abgelegte und bestandene Abschlußprüfung für das Ende des betreffenden Ausbildungsverhältnisses gänzlich unbeachtet bleiben muß. Es erscheint bereits fraglich, ob Vorschriften über eine Verkürzung der Lehrgangsdauer während eines laufenden Lehrgangs wegen Nichtberücksichtigung bestimmter Unterbrechungszeiten überhaupt als Maßstab dafür dienen können, wann im Einzelfall eine Ausbildung abgeschlossen ist (vgl. dazu Schneider aaO). Zudem wird die Anrechnungsregelung des § 10 KrPflG keineswegs als absolute, weitere Ausnahmen völlig ausschließende Bestimmung verstanden. So ist anerkannt, daß ein kurzfristiges Fernbleiben des Teilnehmers vom Lehrgang, z.B. aus besonderen persönlichen Gründen, nicht zu einer Verlängerung der Lehrgangsdauer führen muß (vgl. Kilian, Komm. z. Krankenpflegegesetz, Anm. II zu § 10; Eichholz/Bernhardt, Komm. z. Krankenpflegegesetz, 4. Aufl., Anm. 1 zu § 10; Theobald/Erdle, Das Recht der Heilberufe, Hebammen und Heilpraktiker, 40.1, Erl. zu § 10 KrPflG). Nach dem Sinn von § 10 KrPflG sollen Unterbrechungen von einem bestimmten zeitlichen Umfang deshalb nicht auf die Lehrgangsdauer angerechnet werden, weil sonst erfahrungsgemäß die Erreichung des Ausbildungszieles gefährdet sein könnte. § 10 KrPflG stimmt in dieser Idee mit der Regelung in § 29 Abs. 3 BBiG überein, wonach die zuständige Stelle auf Antrag die Ausbildungszeit zu verlängern hat, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Nach § 29 Abs. 2 BBiG ist bei entsprechender Sachlage die Ausbildungszeit zu verkürzen. Seiner Funktion nach enthält § 10 KrPflG mithin nicht eine abschließende Regelung über die Bewertung von Zeiten nach Ablegung der Prüfung, also nach Erreichen des Ausbildungszieles.

5.

Der Gemeinsame Senat vermag auch dem § 2 Abs. 1 KrPflG die abschließende Festlegung einer vom vorzeitigen Bestehen der Abschlußprüfung unabhängigen Dauer des einzelnen Ausbildungsverhältnisses nicht zu entnehmen. Nach dieser Vorschrift wird u.a. die Erlaubnis, die Krankenpflege unter der Bezeichnung "Krankenschwester" auszuüben (§ 1 Abs. 1 KrPflG), an Personen erteilt, die nachweisen, daß sie

"1.

an dem Lehrgang (§§ 8 bis 11) teilgenommen und

2.

die Prüfung (§ 13) bestanden haben."

§ 2 Abs. 1 KrPflG ist - im Zusammenhang mit § 1 - Ausdruck des öffentlich-rechtlichen Charakters des Krankenpflegegesetzes als eines Berufsbezeichnungsgesetzes. Das Krankenpflegegesetz ist kein Berufszulassungsgesetz; denn es regelt nicht die Voraussetzungen über die Ausübung der Krankenpflege als solche, sondern beschränkt sich auf eine Regelung der Berechtigung zur Führung bestimmter Berufsbezeichnungen auf dem Gebiet der Krankenpflege. Es enthält weder Vorschriften über die Zulassung zur Krankenpflege noch solche über das Verbot der Berufsausübung (vgl. dazu die ausführlichen Darstellungen bei Kilian, aaO, B. Vorbemerkungen III - S. 27 ff - und IV - S. 30 ff; derselbe in DVBl 1966, 432; Eichholz/Bernhardt, aaO, Einführung S. 2 ff; Rachold-Raps, Komm. z. Krankenpflegegesetz, 6. Aufl., Einführung S. 14 ff; Theobald/Erdle, aaO, Anm. 2 und 3 zu § 1; s. auch Begründung zum Entwurf eines Krankenpflegegesetzes vom 4. September 1964, BT-Drucks IV/2550, S. 5). Entsprechendes galt übrigens schon für das Krankenpflegegesetz i.d.F. vom 15. Juli 1957 (BGBl I 716) und seine Vorläuferregelungen (vgl. Koch, Komm. z. Krankenpflegegesetz 1957, 2. Aufl. Einführung S. 7 ff, insbesondere S. 11 ff; s. auch Begründung zum Entwurf eines Krankenpflegegesetzes vom 18. Januar 1957, BT-Drucks. 2/3107, S. 6).

Es fragt sich deshalb, ob dem § 2 Abs. 1 KrPflG überhaupt eine arbeitsrechtliche Bedeutung in bezug auf die Dauer des einzelnen Ausbildungsverhältnisses entnommen werden kann. Dies kann aber dahinstehen. Jedenfalls enthalten § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG und die dort getroffene Verweisung u.a. auf die Teilnahme an dem Lehrgang im Sinne der §§ 8 bis 11 KrPflG nicht zwingend die Aussage, daß die Ausbildungszeit im Einzelfall - von Verkürzungs- und Anrechnungszeiten abgesehen - stets volle drei Jahre betragen muß.

Im übrigen verlangt § 2 Abs. 1 KrPflG in seiner Nr. 2 ferner, daß die Prüfung gemäß § 13 KrPflG bestanden worden ist. Nach § 13 KrPflG ist die erfolgreiche Teilnahme an dem Lehrgang durch eine Prüfung vor staatlichen Prüfungsausschüssen nachzuweisen. Es ist nicht ersichtlich, daß hier mit den Worten "Teilnahme an dem Lehrgang" etwas anderes - insbesondere eine andere Zeiteinheit - gemeint sein kann, als mit den Worten "an dem Lehrgang (§§ 8 bis 11) teilgenommen" in § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG. Wäre deshalb der Ansicht zu folgen, daß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KrPflG mit "Lehrgangsteilnahme" stets den unverkürzten Lehrgangsbesuch (i.d.R. über volle drei Jahre) verlangt, dann dürfte die bestandene Prüfung auch nur den Nachweis über dieselbe zeitliche Lehrgangsteilnahme erbringen. Beide Merkmale - Teilnahme am Lehrgang als solche und Nachweis der erfolgreichen Teilnahme durch Prüfung - sind nämlich gleichwertige Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis im Sinne des § 2 Abs. 1 KrPflG. Bei einer derartigen Gesetzeslage wäre es folglich nicht zugelassen, die Prüfung überhaupt vor Ablauf des letzten Tages der vollen Lehrgangsdauer im Sinne des Wortlautes von § 9 KrPflG abzulegen. Der Gemeinsame Senat ist der Auffassung, daß den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes ein solches Verständnis nicht beizulegen ist. Eine solche Handhabung ist auch nach den Regelungen der mit Zustimmung des Bundesrates nach § 14 KrPflG ergangenen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankenschwestern, Krankenpfleger und Kinderkrankenschwestern vom 2. August 1966 (BGBl I 462 - APrO) nicht vorgesehen (vgl. insbes. §§ 6, 7 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 2 APrO).

Die Regelungen des Krankenpflegegesetzes enthalten mithin keine abschließend geregelte und eindeutige Aussage über die Dauer der Ausbildung im Sinne der Vorlagefrage, nämlich derart, daß danach zwingend eine grundsätzlich volle dreijährige Ausbildungszeit vorgeschrieben sei, die nicht durch das vorzeitige Bestehen der Abschlußprüfung beendet werden könnte. Aus dem Zusammenhang der Regelungen ist vielmehr der Schluß gerechtfertigt, daß es sich bei den gesetzlichen Festlegungen der Lehrgangsdauer (§§ 9 ff, § 14 f KrPflG) um Regeldauerbestimmungen handelt, die hinsichtlich einer früheren Beendigung des Ausbildungsverhältnisses durch vorzeitiges Ablegen der vorgeschriebenen Prüfung kein rechtliches Hindernis enthalten. Das Krankenpflegegesetz stimmt insoweit inhaltlich mit den Begriffen der Regelausbildungszeit überein, wie sie mit denselben oder vergleichbaren Formulierungen praktisch in allen Berufsordnungsregelungen enthalten sind und die auch dort nicht als Festlegung einer Mindestausbildungszeit verstanden werden, übrigens schon nicht in Zeiten vor Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes (vgl. z.B. §§ 30, 31 HandwO i.d.F. vom 17. September 1953 - BGBl I 1411 - und § 32 HandwO i.d.F. vom 28. Dezember 1965 - BGBl I 1966 S. 2 -).

6.

a)

Dieses Ergebnis wird nicht von der gesetzlichen Entwicklungsgeschichte widerlegt. Zwar enthielten schon die reichs- und länderrechtlichen Regelungen vor Inkrafttreten des Krankenpflegegesetzes vom 15. Juli 1957 unterschiedliche Vorschriften über die Dauer von Lehrgängen in der Krankenpflege. Im Vordergrund stand jedoch regelmäßig die öffentlich-rechtliche Ordnung der Erlaubniserteilung in Form des Berufsbezeichnungsschutzes (vgl. die ausführliche Darstellung bei Kilian, aaO, B. Vorbemerkungen II S. 18 ff). Auch das Krankenpflegegesetz vom 15. Juli 1957 wird von dieser Grundidee beherrscht. Hinsichtlich der Lehrgangsdauer enthält es in §§ 9 bis 12 terminologisch gleichartige Bestimmungen wie in der Novelle vom 20. September 1965; dasselbe gilt für Erlaubnisregelungen in §§ 1 ff. Die Motive beider Gesetze enthalten keine verwertbare Aussage über den Inhalt der Lehrgangsdauerbestimmungen im Sinne der Vorlagefrage (vgl. BT-Drucks. 2/3107 und IV/2550). Nach § 9 Abs. 1 KrPflG 1957 dauerten die Lehrgänge in der Krankenpflege und in der Kinderkrankenpflege je zwei Jahre. § 9 Abs. 2 und § 10 KrPflG 1957 sahen ebenfalls bereits Verkürzungs- und Anrechnungsmöglichkeiten vor, wenn auch mit zum geltenden Recht verschiedenem Umfang. In § 12 KrPflG 1957 war eine zusätzliche praktische Tätigkeit von einem Jahr vorgeschrieben, die in der Regel im Anschluß an den Lehrgang beginnen sollte. Für die Dauer der praktischen Tätigkeit wurde im Gesetz keine Regelung über die Anrechnung von Unterbrechungszeiten (Ferien, Krankheitszeiten) getroffen, weil die Auszubildenden in dieser Zeit als Praktikanten gelten sollten (vgl. § 12 Abs. 3 KrPflG 1957), so daß sich auch insoweit die Gestaltung ihres Praktikums nach den einschlägigen arbeits- und tarifrechtlichen Bestimmungen richten konnte (vgl. Koch, Komm. z. Krankenpflegegesetz 1957, Anm. 1 zu § 12). Eine Prüfung war nach § 13 KrPflG 1957 grundsätzlich nur zum Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an dem Lehrgang erforderlich, der theoretischen und praktischen Unterricht enthalten sollte (§ 11 Abs. 3 Satz 1 KrPflG 1957); es konnte gestattet werden, sie erst nach Ableistung der praktischen Tätigkeit abzulegen. Ähnlich wie die geltende APrO sah aber bereits die aufgrund § 14 KrPflG 1957 ergangene Prüfungsordnung für Krankenschwestern (Krankenpfleger) und Kinderkrankenschwestern vom 22. April 1959 (BGBl I 236 - PrO 1959 -) in § 4 die Einreichung des Zulassungsantrags acht Wochen vor Beendigung des Lehrgangs vor, ebenso mußte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Bescheinigung über die Lehrgangsteilnahme beigefügt werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Pro 1959). Bei Ablegung der Prüfung "nach Ableistung der praktischen Tätigkeit" sollte der Zulassungsantrag ebenfalls acht Wochen vorher eingegangen sein (§ 4 Satz 2 PrO 1959) unter Beifügung einer Bescheinigung über die Ableistung der praktischen Tätigkeit.

Diese Regelungen weisen hinsichtlich der Frage der Ausbildungsdauer keine wesensfremden Elemente gegenüber dem geltenden Recht auf. Die Zulassungsbestimmungen erhellen vielmehr, daß auch danach die Dauer von Lehrgang und Praktikum keine Mindestausbildungszeiten festschrieben. Wie dort war hier lediglich für die abzuleistenden Unterrichtsstunden eine Mindestbestimmung getroffen worden (vgl. §§ 11 Abs. 3, 12 Abs. 3 KrPflG 1957). Im übrigen weisen die Vorschriften auch hier darauf hin, daß die Dauer von Lehrgang und Praktikum lediglich als Regelbestimmungen zu verstehen sind, eine erst im Anschluß an das Praktikum geplante aber bereits vor seinem vorgesehenen zeitlichen Ablauf abgelegte Prüfung die Ausbildung beendete.

b)

Der Gemeinsame Senat sieht in seiner Auslegung des geltenden Rechts keine gegenüber dem früheren Recht unvertretbare Verkürzung der praktischen Ausbildung. Die praktische Tätigkeit nach altem Recht (nicht zu verwechseln mit dem praktischen Unterricht während des Lehrgangs, vgl. dazu Kilian aaO, Anm. II zu § 11) sollte ein Jahr dauern, maximal also höchstens 52 Wochen ohne Urlaubsunterbrechung. Das geltende Recht verlangt als Unterrichtsanteil mindestens 1200 Unterrichtsstunden in drei Jahren (§ 11 KrPflG); geht man von einer zur Verfügung stehenden 40-Stunden-Woche aus (vgl. § 1 Abs. 4 APrO), so erfordert der gesetzlich vorgeschriebene Unterricht einen Zeitaufwand von 30 Wochen innerhalb von drei Jahren. Mit durchschnittlich acht Stunden in der Woche übersteigt er folglich nicht den für den Berufsschulunterricht in der übrigen Berufsausbildung üblichen Rahmen (vgl. Heckel-Seipp, Schulrechtskunde, 3. Aufl. 1965 S. 57) und läßt Raum für eine überwiegend praktische Ausbildung (so auch BAGE 28, 269, 274). Selbst unter Berücksichtigung von Überschreitungen der Mindestunterrichtszeit und bei Hinzurechnung von Urlaubs- und rechtlich unschädlichen Krankheitszeiten ergibt sich, daß für die praktische Ausbildung immer noch ein wesentlich höherer Zeitanteil als - wie früher - ein Jahr zur Verfügung steht, rein rechnerisch mehr als 2 Jahre. Der praktische Anteil der Ausbildung überwiegt den theoretischen im geltenden Recht damit jedenfalls so eindeutig (vgl. dazu Schneider, R.d.A. 1978, 220, 221), daß eine Einbuße hieran von einigen Wochen als Folge einer vorzeitigen Prüfung nicht als eine Verminderung dieses Ausbildungsteils gegenüber der Regelung im Krankenpflegegesetz 1957 angesehen werden kann. War aber jene Ausbildung als ausreichend für die Gewährleistung sachgerechter Gesundheitspflege erachtet worden, kann eine nach geltendem Recht wegen vorzeitiger Prüfung zeitlich verkürzte Ausbildung dieser Anforderung schon deshalb genügen, weil sie eine immer noch längere praktische Ausbildung als die Regelausbildung des Vorläuferrechts gewährleistet.

7.

Schließlich vermitteln nach Auffassung des Gemeinsamen Senats die verschiedentlich beabsichtigten Änderungen des Krankenpflegegesetzes keine Erkenntnisse über den Inhalt des Krankenpflegegesetzes zu der streitigen Rechtsfrage. Sowohl in dem Entwurf eines Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege und den Beruf der Hebamme und des Entbindungshelfers vom 17. Januar 1979 (BT-Drucks. 8/2471), als auch in dem Entwurf eines Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. August 1982 (BT-Drucks. 9/1922) hatte die Bundesregierung Vorschriften vorgesehen, die unmittelbar oder mittelbar dem § 14 Abs. 2 BBiG entsprachen, also die Beendigung der Ausbildung bei vorzeitig bestandener Abschlußprüfung positiv regelten. Ziel beider Entwürfe war u.a. die Harmonisierung mit europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl. BT-Drucks. 8/2471, Begründung Allgemeiner Teil - S. 11 ff -; BT-Drucks. 9/1922, A. Zielsetzung - S. 1 -), insbesondere die Umsetzung der EG-Richtlinien 77/453/EWG vom 27. Juni 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 176/8 vom 15. Juli 1977) in innerstaatliches Recht. Dort wird in Artikel 1 Abs. 2 Buchst. b) von den Mitgliedstaaten verlangt, für Krankenschwestern und Krankenpfleger eine spezielle Voll-Berufsausbildung vorzusehen, die "drei Jahre oder 4600 Stunden theoretische und praktische Ausbildung umfaßt" (Textwiedergabe bei Theobald/Erdie aaO, 40.5.2 - S. 2 -).

Beide Gesetzesentwürfe folgten dieser Forderung. In der Zulassung der Beendigung der auf drei Jahre angelegten Ausbildung nach vorzeitiger erfolgreicher Prüfung sah die Bundesregierung, sofern mindestens 4600 Ausbildungsstunden stattgefunden hatten, keinen Widerspruch zum EG-Recht. Im übrigen hielt sie die ausdrückliche Übernahme des Grundgedankens aus § 14 Abs. 2 BBiG auf die Ausbildung in der Krankenpflege zur Klarstellung für notwendig, weil allein dieser dem Wesen von Ausbildung und Prüfung sachgerecht entspreche und er zum Zwecke der Gleichstellung mit Auszubildenden anderer Berufe auch hier erforderlich sei (vgl. BT-Drucks. 8/2471; Begründung im Besonderen Teil zu § 2 - S. 17 -; a.a.O. Anlage 3 - S. 26 -; BT-Drucks. 9/1922, Begründung zu § 2 Abs. 1 Satz 2 - S. 16 -; a.a.O. Anlage 3 - S. 28 -). Beide Gesetzesentwürfe gelangten bisher nicht zur Gesetzreife, offenbar wegen des Widerspruchs durch den Bundesrat. Dieser hatte vor allem wegen der zusammengefaßten Regelung des Krankenpflege- und Hebammenrechts im Entwurf vom 17. Januar 1979 Bedenken, wendete sich aber auch entschieden gegen die Zulassung der vorzeitigen Abschlußprüfung als Maßstab für das Ende der Ausbildung in der Krankenpflege. Er schlug zum Entwurf vom 16. August 1982 seinerseits eine Gesetzesfassung vor, wonach die Ausbildung in der Krankenpflege mit der staatlichen Prüfung abschließe, aber unbeschadet des Zeitpunktes der Prüfung drei Jahre dauere. Der Bundesrat hielt eine derartige Bestimmung zur Klarstellung für erforderlich (vgl. BT-Drucks. 9/1922, Anlage 2, Begründung zu a) bis e) - S. 23 -).

Der Gemeinsame Senat kann dieser Kontroverse im Gesetzgebungsverfahren keinen deutlichen Hinweis auf den Inhalt des geltenden Rechts zu der streitigen Frage entnehmen. Eindeutig sind insoweit lediglich die unterschiedlichen Standpunkte von Bundesregierung und Bundesrat. Beide Organe gehen jedoch mit ihren Vorschlägen zu dessen Klarstellung davon aus, daß das geltende Recht in dieser Hinsicht unklar geblieben sei. Mithin zeigen auch diese Vorgänge nicht einen so offenkundigen Widerspruch zwischen den Regelungen des Krankenpflegegesetzes und dem Inhalt des § 14 Abs. 2 BBiG auf, daß dessen Geltung für die Berufsausbildung in der Krankenpflege durch § 107 Abs. 1 BBiG ausgeschlossen werden muß.

8.

Nach Auffassung des Gemeinsamen Senats ist die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 BBiG auch nicht durch das europäische Recht grundsätzlich ausgeschlossen; denn die EG-Richtlinien 77/453/EWG verlangen insoweit entweder eine nach Jahren bestimmte oder eine nach Mindeststunden theoretischer und praktischer Unterrichtung umrissen Ausbildungszeit, lassen also selbst eine Alternative zu. Ungeachtet der noch fehlenden Harmonisierung hinsichtlich der geforderten Zahl von Mindeststunden steht das europäische Recht damit im Grundsatz der Anwendbarkeit des Grundgedankens aus § 14 Abs. 2 BBiG nicht im Wege.

9.

Das vom Gemeinsamen Senat gefundene Ergebnis über die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 BBiG auch im Bereich der bundesgesetzlich geregelten Krankenpflegeausbildung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Ausübung der Krankenpflege unter der Bezeichnung "Krankenschwester" oder "Krankenpfleger" der Erlaubnis bedarf (§ 1 KrPflG). Auf diese Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn und sobald die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 KrPflG vorliegen (vgl. Eichholz/Bernhardt aaO, Anm. 1 zu § 2; Kilian, aaO, Anm. 5 zu § 2; Theobald/Erdle, aaO, 40.1, Anm. 1 zu § 2). Hat die oder der Auszubildende ordnungsgemäß an dem Lehrgang teilgenommen und die erfolgreiche Teilnahme durch die vorgesehene und bestandene Prüfung nachgewiesen, so sind die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis erfüllt. Die zuständige Behörde (§ 15 Abs. 1 KrPflG) hat deshalb die Erlaubnis nach § 1 KrPflG zu diesem Zeitpunkt zu erteilen. Es sind keine tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ersichtlich, die einer erforderlichenfalls rückwirkenden Erteilung der Erlaubnis zu diesem Zeitpunkt entgegenstehen. Eine Erlaubniserteilung mit Rückwirkung ist der Praxis schon bisher im Grundsatz nicht fremd; sie ist nicht zu beanstanden. Die erfolgreich geprüfte Krankenschwester kann deshalb keine Nachteile dadurch erleiden, daß sie erst zu einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Erteilung der (öffentlich-rechtlichen) Erlaubnis hätte als es dem (arbeitsrechtlichen) Ende ihres Ausbildungsverhältnisses entspricht.

10.

Auch die weiteren Bedenken des vorlegenden Senats gegen eine im Einzelfall mögliche Verkürzung der Ausbildung in der Krankenpflege als Folge der Anwendung von § 14 Abs. 2 BBiG teilt der Gemeinsame Senat nicht. In Anbetracht des Schwergewichts der praktischen Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz in der Fassung von 1965 kann eine Verkürzung um einige Wochen ganz allgemein nicht als schwerwiegend angesehen werden, zumal deshalb nicht, weil zur Prüfung nur zugelassen wird, wer die dafür erforderlichen Ausbildungsabschnitte nachweislich durchlaufen hat und für prüfungsgeeignet befunden worden ist. Im übrigen erbringt ja gerade die bestandene Prüfung den Nachweis der erfolgreichen Ausbildung. Die Ausbildungsstellen haben es zudem nach der Rechtslage in der Hand, die vorgesehene Regelausbildungsdauer weitgehend auszunutzen, wenn und soweit sie dies im Einzelfall für erforderlich halten. Der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 BBiG steht es ferner nicht entgegen, daß sich aus unterschiedlichen Prüfungsterminen für verschiedene Lernschwestern, bzw. Lernpfleger unterschiedliche Endzeitpunkte für den Abschluß der Ausbildung ergeben können. Diese Folge ist das Ergebnis unterschiedlicher Sachverhaltsgestaltungen und dem Prinzip des § 14 Abs. 2 BBiG immanent. Der Gemeinsame Senat sieht infolgedessen keine hinreichenden Gründe, diese Vorschrift, die mit offensichtlich breiter Akzeptanz für die ganz überwiegende Zahl arbeitsrechtlich betrieblich ausgestalteter Ausbildungsverhältnisse gilt, im Bereich der Krankenpflegeausbildung aus übergeordneten Gesichtspunkten für ausgeschlossen zu erachten. Soweit die Ausbildung in Heil- und Heilhilfsberufen auf landesrechtlichen Regelungen gemäß § 107 Abs. 2 BBiG unter Anwendung von § 25 Abs. 1 BBiG beruht, gilt § 14 Abs. 2 BBiG ohnedies (vgl. dazu Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe nach § 30 BBiG, Stand S. 82 ff; Herkert aaO, § 107 RdNr. 4; Fredebeul-Krebs, R[XXXXX] der Berufsbildung I Nr. 1201.1 - S. 6 -). Die Vorschrift nach allem deshalb auch für die Krankenpflege-Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetz zu beachten.

 

Unterschriften

List

Wannagat

Pfeiffer

Prof. Dr. Sendler ist an der Beifügung seiner Unterschrift durch Urlaub verhindert. List

Dr. Auffarth

Dr. Brocke

Dr. Thomas

Dr. Hennig

Dr. Heither

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456522

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