Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Nacherbfolge durch Erbschein

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nacherbfolge bedarf gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO des Nachweises durch Erbschein auch dann, wenn das Recht des Nacherben gemäß § 51 GBO im Grundbuch eingetragen ist und eine Sterbeurkunde des Vorerben vorgelegt wird.

 

Normenkette

GBO § 35 Abs. 1 S. 1, § 51

 

Verfahrensgang

LG Stade

OLG Celle

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. Dezember 1980 wird auf Kosten des Beteiligten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Als Eigentümer des oben bezeichneten Grundbesitzes ist im Grundbuch auf Grund Erbscheins vom 9. Januar 1968 nach dem Kaufmann Otto Friedrich E… dessen Witwe Erna E… eingetragen. Der Erbschein beruht auf einem privatschriftlichen Testament des Erblassers vom 1. August 1960. In Abteilung II des Grundbuchs ist in Übereinstimmung mit dem Erbschein ein Nacherbenvermerk für den Beschwerdeführer eingetragen mit der Angabe, daß der Nacherbfall mit dem Tode der Vorerbin eintrete.

Unter Bezugnahme auf diesen Nacherbenvermerk und Vorlegung einer Sterbeurkunde, wonach die Vorerbin Erna E… am 13. August 1980 verstorben ist, hat der Beschwerdeführer seine Eintragung als Eigentümer beantragt. Durch Zwischenverfügung vom 6. Oktober 1980 hat der Rechtspfleger die Vorlegung eines Erbscheins verlangt, da der Erbschein hinsichtlich des Vorerben zur Grundbuchberichtigung nicht ausreiche.

Rechtspfleger und Richter haben der dagegen eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen. Das Landgericht hat den nunmehr als Beschwerde geltenden Rechtsbehelf als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

Das Oberlandesgericht Celle möchte auch die weitere Beschwerde zurückweisen. Es sieht sich daran jedoch gehindert durch die Beschlüsse des Kammergerichts vom 31. August 1922, JFG 1, 366, und vom 10. Mai 1954, DNotZ 1954, 389, woran auch der Beschluß des Kammergerichts vom 1. Dezember 1955, DNotZ 1956, 195, nichts ändere. Das Oberlandesgericht hat deshalb gemäß § 79 Abs. 2 GBO die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die in § 79 Abs. 2 Satz 1 GBO für die Vorlegung an den Bundesgerichtshof aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt. Das vorlegende Gericht meint, auf Grund der Vorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO, wonach der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden könne, bedürfe es hinsichtlich der Erbfolge durch einen Nacherben auch dann des Nachweises durch einen ihm erteilten Erbschein, wenn das Recht des Nacherben gemäß § 51 GBO im Grundbuch eingetragen sei und der Eintritt des Nacherbfalles in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werde. Damit will es bei Auslegung der das Grundbuchrecht betreffenden Vorschriften der §§ 35, 51 GBO von den auf der gegenteiligen Ansicht beruhenden, auf weitere Beschwerde ergangenen Beschlüssen des Kammergerichts vom 31. August 1922 und vom 10. Mai 1954 abweichen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschlusses des Kammergerichts vom 1. Dezember 1955. Denn in diesem Beschluß hat das Kammergericht seinen Rechtsstandpunkt lediglich dahin klargestellt, daß der im Grundbuch auf Grund eines dem Vorerben erteilten Erbscheins eingetragene Nacherbenvermerk beim Eintritt des Nacherbfalles allerdings nur dann eine geeignete Grundlage für die Umschreibung eines für den Vorerben eingetragenen Rechts auf den Nacherben sei, wenn keine Bedenken gegen das unveränderte Fortbestehen des Rechts des Nacherben bestünden. Derartige Bedenken sind indes im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

III.

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das vorlegende Gericht geht zu Recht davon aus, daß es für die vom Beschwerdeführer beantragte Grundbucheintragung der Vorlegung eines auf ihn als (Voll-) Erben ausgestellten Erbscheins bedarf (ebenso OLG Hamm Rpfleger 1980, 347 = DNotZ 1981, 57; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 6. Aufl. Rdnr. 1793 unter ausdrücklicher Aufgabe der in den Vorauflagen vertretenen gegenteiligen Ansicht; Jauernig/Schlechtriem/Stürner/Teichmann/Vollkommer, BGB 2. Aufl. § 2363 Anm. 2 unter Berufung auf OLG Hamm DNotZ 1981, 57, fälschlich zitiert als Entscheidung des BayObLG; Hefelmann, DNotZ 1937, 111 ff.; Bokelmann, Rpfleger 1971, 337, 340; ders., Rpfleger 1974, 1 f.; wohl auch Herrmann in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht 2. Aufl. § 35 Anm. 21 und Horber, Grundbuchordnung 15. Aufl. § 35 Anm. 2 B b; a. A. dagegen, und zwar unter Berufung auf die Entscheidungen des Kammergerichts, die überwiegende Meinung: Güthe/Triebel, GBO 6. Aufl. § 35 Rdnr. 48 und § 51 Rdnr. 20; Hesse/Saage/Fischer, GBO 4. Aufl. § 35 Anm. I.1. a; Meikel/Imhof/Riedel, Grundbuchrecht 6. Aufl. § 35 Rdnr. 26 und § 51 Rdnr. 19; Thieme, Grundbuchordnung 4. Aufl. § 35 Anm. 2 und § 51 Anm. 4; Brand/Schnitzler, Die Grundbuchsachen in der gerichtlichen Praxis, 9. Aufl. S. 535; Palandt/Keidel, BGB 41. Aufl. § 2139 Anm. 5; Ripfel, BWNotZ 1959, 177, 186; Haegele, Rpfleger 1971, 121, 130; ders., Rpfleger 1976, 73, 82; unentschieden OLG Frankfurt NJW 1957, 275 sowie Rpfleger 1977, 171).

1. Abgesehen von den hier nicht einschlägigen Sonderfällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GBO (Erbfolge, die auf einer in öffentlicher Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen beruht, sowie geringer Wert der betroffenen Grundstücke oder Grundstücksteile) kann gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO der Nachweis der Erbfolge nur durch Erbschein geführt werden. Dies gilt auch für Fälle der Grundbuchberichtigung – um eine solche handelt es sich bei der hier beantragten Eigentumsumschreibung nach Eintritt eines Nacherbfalles –, da § 35 GBO gegenüber § 29 GBO die speziellere Vorschrift ist (Senatsbeschluß vom 20. Mai 1981, V ZB 25/79, LM BGB § 1353 Nr. 21 = NJW 1982, 170; vgl. auch OLG Köln, MDR 1965, 993). Jedenfalls im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist daher, wie in dem zitierten Senatsbeschluß ebenfalls ausgeführt, der Nachweis der Erbfolge durch andere öffentliche Urkunden als den Erbschein nicht ausreichend. Hieran hält der Senat fest.

2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob gleichwohl auch im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO die in § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO enthaltene Ausnahmeregelung für offenkundige (vgl. dazu OLG Köln MDR 1965, 993) Eintragungsvoraussetzungen angewendet werden kann und es danach hinsichtlich der Erbfolge des Beschwerdeführers eines Nachweises überhaupt nicht bedürfte, wenn diese Erbfolge beim Grundbuchamt offenkundig wäre. Denn es fehlt hier bereits an einer solchen Offenkundigkeit.

Der für einen Vorerben ausgestellte Erbschein weist nur diesen als Erben aus; die in einem solchen Erbschein gemäß § 2363 BGB enthaltenen Angaben, daß Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer Nacherbe ist, sind nur hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Erben (Vorerben) von Bedeutung (BayObLG JFG 6, 135; BGB-RGRK 12. Aufl. § 2365 Anm. 5; Staudinger/Firsching, BGB 12. Aufl. § 2353 Rdnr. 80). Vor Eintritt, des Nacherbfalles ist eine angeordnete Nacherbschaft der Bezeugung in einem Erbschein (als einem Zeugnis über ein Erbrecht) nicht fähig (Senatsbeschluß vom 31. Januar 1980, V BLw 29/79, WM 1980, 1042 = Rpfleger 1980, 182). Dementsprechend gilt die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB (und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB) positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, daß andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen (so schon die Motive zum BGB, Band V, Erbrecht, Amtl. Ausgabe 1888, S. 566 f.); eine positive Vermutung dafür, wer Nacherbe ist, sieht dagegen das Gesetz nicht vor (BGB-RGRK a.a.O.; Staudinger/Firsching a.a.O. § 2363 Rdnr. 10; s. auch Scholz, Die Ausweisfunktion des Erbscheins, Diss. Köln 1967, S. 20 m. w. N.). Zur bindenden Feststellung des Nacherben ist der dem Vorerben erteilte Erbschein ohnehin nicht geeignet, da zur Zeit der Erteilung dieses Erbscheins noch nicht feststeht, ob der darin als Nacherbe Bezeichnete Nacherbe werden wird.

Demgemäß lassen auch weder die angeführten Entscheidungen des Kammergerichts noch die Mehrzahl der Stimmen im Schrifttum, die diese Entscheidungen billigen, bereits den für den Vorerben unter Verlautbarung der angeordneten Nacherbschaft ausgestellten Erbschein in Verbindung mit dem Nachweis des Eintritts des Nacherbfalles in der Form des § 29 GBO zum Nachweis der Erbenstellung des Nacherben genügen (so allerdings wohl Ripfel, BWNotZ 1959, 177, 186), sondern stellen maßgebend darauf ab, ob nach § 551 GBO ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen ist.

Vermögen aber die gemäß § 2363 BGB in den Erbschein für den Vorerben aufgenommenen Angaben über eine angeordnete Nacherbschaft nicht das Nacherbenrecht als solches zu bezeugen (sondern nur die Beschränkungen, denen der Vorerbe unterliegt) so kann – angesichts des Fehlens einer eine solche Rechtsfolge vorsehenden Gesetzesbestimmung – auch dem auf diesen Angaben im Erbschein des Vorerben beruhenden, gemäß § 51 GBO im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk nicht diese Wirkung beigemessen werden. Allein daraus, daß § 51 GBO von dem „Recht des Nacherben” spricht, kann dies nicht hergeleitet werden; darunter ist nur das dem Nacherben zwischen Vor- und Nacherbfall zustehende Anwartschaftsrecht zu verstehen. Maßgebend ist der Zweck dieser Gesetzesvorschrift, nämlich Beschränkungen, denen der Vorerbe nach materiellem Recht in der Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück unterliegt, im Grundbuch für Dritte erkennbar zu machen und dadurch den Nacherben gegenüber den aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs sich ergebenden Gefahren zu sichern (vgl. Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung, Berlin 1897 S. 169; Horber a.a.O. § 51 Anm. 4 a). Dem im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk ist daher – in ähnlicher Weise wie den Angaben im Erbschein des Vorerben – keine andere Bedeutung beizumessen als die einer – im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs besonders bedeutsamen – Verlautbarung der Beschränkungen, denen der Vorerbe in Bezug auf die für ihn eingetragenen Rechte unterliegt; die Rechtsstellung des Nacherben als solche wird dagegen durch diesen Vermerk nicht ausgewiesen (s. auch hierzu OLG Hamm a.a.O.; weiter BGB-RGRK 12. Aufl. § 8091 Rdnr. Danach aber ist trotz des eingetragenen Nacherbenvermerks nicht „beim Grundbuchamt offenkundig”, wer Nacherbe ist; um eben diese Frage jedoch geht es bei der Berichtigung des Grundbuchs aus Anlaß des Nacherbfalles.

Schließlich liegt Offenkundigkeit beim Grundbuchamt auch insoweit nicht vor, als es um die Frage geht, ob der Nacherbfall eingetreten ist. Aus dem privatschriftlichen Testament vom 1. August 1960 und auf dem darauf beruhenden, im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk ist nur ersichtlich, daß der Nacherbfall mit dem Tod der Vorerbin eintritt. Dementsprechend geht auch der Beschwerdeführer selbst davon aus, daß es für den Eintritt dieser Voraussetzung noch des Nachweises bedarf. Der von ihm – in Übereinstimmung mit dem vom Kammergericht für eine solche Fallgestaltung aufgestellten Erfordernis – dafür gewählte Weg, nämlich die Vorlegung einer Sterbeurkunde der Vorerbin, ist indes, wie oben ausgeführt, durch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ausgeschlossen.

Sowohl im Hinblick auf die Frage nach der Person des Nacherben als auch der Frage des Eintritts des Nacherbfalles bedarf es somit des Nachweises, wofür ein dem Nacherben erteilter Erbschein auf den Nacherbfall erforderlich ist.

Nach alledem ist die weitere Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609397

BGHZ 84, 196

BGHZ, 196

NJW 1982, 2499

DNotZ 1983, 315

JZ 1983, 32

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