Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich. hier: Ein Versorgungsausgleich wird zwischen im ehemaligen Jugoslawien vor dem 1. September 1986 geschiedenen Eheleuten nicht durchgeführt

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zwischen ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen, deren Ehe noch vor dem In-Kraft-Treten des neuen Kollisionsrechts zum 1.9.1986 im ehemaligen Jugoslawien geschieden wurde, findet kein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht statt.

b) Ein entgegen den Kollisionsregeln rechtskräftig durchgeführter Versorgungsausgleich kann im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 10a VAHRG nicht rückgängig gemacht werden.

 

Normenkette

EGBGB Art. 17 Abs. 3; EGBGB § 220 Abs. 2; BGB § 1587; VAHRG § 10a

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 31.07.2001; Aktenzeichen 15 UF 204/01)

AG Heilbronn

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Stuttgart v. 31.7.2001 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 595 EUR (= 1.163,16 DM).

 

Gründe

I.

Die beiden 1940 geborenen Ehegatten besaßen die frühere jugoslawische Staatsangehörigkeit und schlossen am 10.3.1962 miteinander die Ehe. Seit 1969 hatten sie ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland und erwarben hier Versorgungsanrechte. Ihre Ehe wurde am 7.10.1977 von einem Gericht im ehemaligen Jugoslawien rechtskräftig geschieden.

Auf den Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das AG - FamG - mit Beschluss v. 18.2.2000 den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt. Nach den Feststellungen des AG haben die Ehegatten in der Ehezeit, deren Ende (§ 1587 Abs. 2 BGB) das AG mit dem 30.4.1977 angenommen hat, gesetzliche Rentenanwartschaften erworben, und zwar die Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz i.H.v. (richtig:) 91,36 DM, der Ehemann (Antragsgegner) bei der Bahnversicherungsanstalt Abt. A i.H.v. 273,84 DM, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende. Außerdem hat der Ehemann danach bei der Zusatzversorgung der Bahnversicherungsanstalt Abt. B eine unverfallbare Anwartschaft auf die statische Versicherungsrente i.H.v. (richtig:) 88,44 DM, monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, erworben, die das AG in eine dynamische Anwartschaft i.H.v. 11,37 DM umgerechnet hat. Die Anwartschaft des Ehemannes auf eine Versorgungsrente der Zusatzversorgung war noch nicht unverfallbar.

Das AG hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Splittings gesetzliche Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesbahnversicherungsanstalt Abt. A i.H.v. monatlich 91,24 DM, bezogen auf das Ehezeitende, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz übertragen hat. Außerdem hat es durch analoges Quasi-Splitting zu Lasten des Versicherungskontos des Ehemannes bei der Bundesbahnversicherungsanstalt Abt. B gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 5,69 DM, bezogen auf das Ehezeitende, auf dem Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA Niederbayern-Oberpfalz begründet.

Das vorliegende Verfahren ist durch einen Antrag der Bahnversicherungsanstalt Abt. B eingeleitet worden, mit dem diese gem. § 10a VAHRG begehrt hat, das inzwischen unverfallbar gewordene Anrecht des Ehemannes auf Versorgungsrente in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen. Diesem Antrag hat sich die Ehefrau angeschlossen. Der Ehemann hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen, die Entscheidung des AG v. 18.2.2000 aufzuheben und auszusprechen, dass ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfinde.

Das AG hat den Antrag der Bahnversicherungsanstalt als unzulässig zurückgewiesen, da die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. unzulässig sei. Das OLG hat die Beschwerde des Ehemannes zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde des Ehemannes, mit der er sein Begehren, die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich aufzuheben und festzustellen, dass ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfinde, weiterverfolgt.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 614 veröffentlicht ist (OLG Stuttgart v. 31.7.2001 - 15 UF 204/01, FamRZ 2002, 614), geht davon aus, dass der Versorgungsausgleich zwischen den Parteien zu Unrecht durchgeführt wurde. Maßgebend sei insoweit das vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts geltende Kollisionsrecht (vgl. Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F.). Danach habe sich die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nach dem gemeinsamen - jugoslawischen - Heimatrecht der Parteien bestimmt. Dieses habe zwar den Versorgungsausgleich als Rechtsinstitut nicht gekannt. Die Unrichtigkeit der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich könne jedoch nicht im Wege der Abänderung nach § 10a VAHRG dahin korrigiert werden, dass nunmehr die Erstentscheidung aufgehoben werde und ein Versorgungsausgleich unterbleibe. Diese Vorschrift eröffne, wie ihr Abs. 1 verdeutliche, nur eine "entsprechende", d.h. eine den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfassten Umständen angepasste Abänderung der Erstentscheidung nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung neu ermittelten Wertunterschieds. Im Übrigen bleibe die Bestandskraft von Entscheidungen über den Versorgungsausgleich jedoch gewahrt.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Durchführung des Versorgungsausgleichs - hier: Der Abänderung der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich - ergibt sich aus § 606a Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

b) Die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich war unrichtig; denn zwischen den Parteien findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.

Die Frage nach der Durchführbarkeit eines Versorgungsausgleichs bestimmt sich hier nach dem früheren, bis zum 31.8.1986 geltenden Kollisionsrecht. Das folgt aus Art. 220 Abs. 1 EGBGB. Danach bleibt das bisherige Internationale Privatrecht auf vor dem 1.9.1986 abgeschlossene Vorgänge weiterhin anwendbar. Ein solcher Vorgang liegt hier vor. Das Scheidungsverfahren der Parteien ist bereits 1977 rechtshängig geworden. Dementsprechend bestimmte sich das Scheidungsstatut nach dem bisherigen Kollisionsrecht. Dessen Anknüpfungsregeln gelten nicht nur für die Scheidung selbst, sondern, wie der Senat wiederholt entschieden hat, auch für die Frage, ob zwischen geschiedenen Ehegatten in Fällen mit Auslandsberührung ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist oder nicht (BGH, Beschl. v. 26.10.1989 - IVb ZB 179/88, MDR 1990, 321 = FamRZ 1990, 142; Beschl. v. 30.9.1992 - XII ZB 44/89, FamRZ 1993, 416). Der Versorgungsausgleich ist insoweit nicht als selbstständiger Vorgang anzusehen; Scheidung und Scheidungsfolgen stellen vielmehr einen umfassenden, in den Einzelheiten aufeinander abgestimmten Regelungskomplex dar, aus dem grundsätzlich nicht Einzelfolgen herausgenommen und anderen Statuten unterstellt werden dürfen. Der Versorgungsausgleich folgt deshalb in intertemporaler Hinsicht der Scheidung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versorgungsausgleich im Verbund mit der Scheidung oder, wie hier, in einem selbständigen Verfahren durchgeführt werden soll. Aus Art. 220 Abs. 2 EGBGB, der für die Wirkungen familienrechtlicher Rechtsverhältnisse auf das seit dem 1.9.1986 geltende neue Kollisionsrecht verweist, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor: Im Unterschied etwa zum Unterhalt, der als fortdauerndes familienrechtliches Rechtsverhältnis weitere Rechtswirkungen hervorbringt und daher ex nunc den neuen Vorschriften unterliegt, hat der Versorgungsausgleich als nur punktuelle Maßnahme keine von Art. 220 Abs. 2 EGBGB erfasste fortdauernde Wirkung (BGH, Beschl. v. 30.9.1992 - XII ZB 44/89, FamRZ 1993, 416 [417]).

Nach dem bis zum 31.8.1986 geltenden und - wie dargelegt - für den vorliegenden Fall weiterhin maßgebenden Kollisionsrecht beurteilt sich die Frage, ob zwischen Ehegatten in Fällen mit Auslandsberührung ein Versorgungsausgleich stattfindet, nach den Anknüpfungsregeln, die der Senat zur Ersetzung der geschlechtsbezogenen Anknüpfung des früheren Scheidungsstatuts entwickelt hat und auf die insoweit nach der Nichtigerklärung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. durch das BVerfG (BVerfG v. 8.1.1985 - 1 BvR 830/83, MDR 1985, 550 = FamRZ 1985, 463) weiter abgestellt werden kann (BGH, Beschl. v. 26.10.1989 - IVb ZB 179/88, MDR 1990, 321 = FamRZ 1990, 142; Beschl. v. 30.9.1992 - XII ZB 44/89, FamRZ 1993, 416 [417]). Danach ist für die Frage nach der Durchführbarkeit eines Versorgungsausgleichs ausschließlich das Recht des Staates maßgebend, dem beide Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören; für eine differenzierende Anknüpfung, wie sie nunmehr Art. 17 Abs. 3 EGBGB n.F. für den Versorgungsausgleich vorsieht, bleibt kein Raum. Da das jugoslawische Heimatrecht der Parteien einen Versorgungsausgleich nicht kennt, war im vorliegenden Fall zwischen den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Inwieweit sich durch die zwischenzeitlichen politischen Veränderungen in Jugoslawien Veränderungen in der Staatsangehörigkeit der Parteien und der Frage ihres Heimatrechts ergeben haben, kann offen bleiben, da ein etwaiger Statutenwechsel nach erfolgter Scheidung den hier zu beurteilenden abgeschlossenen Sachverhalt nicht mehr berühren kann (BGH, Beschl. v. 30.9.1992 - XII ZB 44/89, FamRZ 1993, 416 [417]).

c) Diese Unrichtigkeit der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich führt allerdings nicht dazu, dass diese Entscheidung, wie vom Antragsgegner begehrt, nunmehr im Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG aufgehoben und ausgesprochen werden könnte, dass ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht stattfindet.

aa) Als Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erwachsen Entscheidungen über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich sowohl in formelle wie in materielle Rechtskraft. Daran hat sich auch nach Einführung der Abänderungsmöglichkeit in § 10a VAHRG im Grundsatz nichts geändert. Allerdings erlaubt § 10a VAHRG eine weit gehende Durchbrechung der Rechtskraft, indem er - neben den anderen in Abs. 1 genannten Fällen - nach Abs. 1 Nr. 1 eine Abänderung immer dann zulässt, wenn ein im Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung ermittelter Wertunterschied der ausgleichspflichtigen Anrechte von dem in der abzuändernden Entscheidung zu Grunde gelegten Wertunterschied wesentlich abweicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unterschied auf einer erst nachträglich eingetretenen Wertveränderung beruht oder seine Ursache bereits in einem Ermittlungsfehler des Erstverfahrens hat. Vielmehr werden auch solche Abweichungen erfasst, die sich aus der Korrektur früherer Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler ergeben (sog. Totalrevision). Auch solche Fehler knüpfen aber an die in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen an, ermöglichen also eine Abänderung insb. nach Nr. 1, 2 nur dann, wenn sich durch ihre Berücksichtigung der dem Ausgleich bisher zu Grunde gelegte Wertunterschied der beiderseitigen Anrechte ändert (zum Ganzen ausführlich BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - XII ZB 95/93, MDR 1996, 386 = FamRZ 1996, 282 [283]).

bb) Dagegen werden Fälle von der Abänderungsmöglichkeit von vornherein nicht erfasst, in denen der Versorgungsausgleich ohne eine Ermittlung etwaiger auszugleichender Anrechte bereits dem Grunde nach ausgeschlossen wurde. So hat der Senat eine Abänderung in einem Fall versagt, in dem das AG den Versorgungsausgleich aus kollisionsrechtlichen Gründen zu Unrecht ausgeschlossen hatte (BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - XII ZB 95/93, MDR 1996, 386 = FamRZ 1996, 282 ff.). Hier liegen die Dinge zwar umgekehrt: Das AG hat im Erstverfahren - in fehlerhafter Anwendung des Kollisionsrechts - den Versorgungsausgleich zu Unrecht durchgeführt. Auch dieser Rechtsfehler kann jedoch nicht im Verfahren nach § 10a VAHRG korrigiert werden. Denn er beruht nicht auf einer veränderten oder fehlerhaften Ermittlung der in § 10a Abs. 1 genannten Umstände, die sich auf die Ermittlung des Wertunterschieds (Abs. 1 Nr. 1, 2) oder auf die Wahl der Augleichsform (Abs. 1 Nr. 3) in der Erstentscheidung auswirken (so auch Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 10a VAHRG Rz. 6; Wick, Der Versorgungsausgleich 2004, Rz. 292).

Der Umstand, dass im vorliegenden Fall möglicherweise - zusätzlich - die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Nr. 2 VAHRG erfüllt sind, weil das Anrecht des Ehemannes auf die Versorgungsrente nachträglich unverfallbar geworden ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Einbeziehung dieses nunmehr unverfallbaren Anrechts des Ehemannes und Beschwerdeführers kommt (losgelöst vom Verbot, die Erstentscheidung zu seinem Nachteil abzuändern) schon aus kollisionsrechtlichen Gründen nicht in Betracht: Da ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien nicht durchgeführt werden durfte, darf der der Ehefrau bereits gutgebrachte Ausgleichsbetrag jedenfalls nicht erhöht werden; das wäre aber der Fall, wenn der Versorgungsausgleich zu Gunsten der Ehefrau auf weitere, bislang nicht einbezogene Anrechte des Ehemannes - hier auf die Versorgungsrente - erstreckt und damit erweitert würde. Ebenso wenig kann aber die zwischenzeitlich eingetretene Unverfallbarkeit des Anrechts des Ehemannes auf Versorgungsrente dazu führen, dass die Erstentscheidung über den zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleich nunmehr vollends in Wegfall gerät. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 10a Abs. 1 VAHRG, der nur eine "entsprechende", d.h. den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Wertverschiebungen Rechnung tragende Abänderung der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich zulässt. Die vom Antragsgegner begehrte Aufhebung der Erstentscheidung "entspräche" der zwischenzeitlich eingetretenen Unverfallbarkeit seines Anrechts auf Versorgungsrente nicht; sie liefe ihr sogar zuwider. Für eine solche Abänderung bietet § 10a VAHRG keine Handhabe.

cc) Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 10a VAHRG, die dem Anliegen des Antragsgegners Rechnung tragen würde, kommt nach Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht in Betracht. Die im Senatsbeschluss v. 13.12.1995 (BGH, Beschl. v. 13.12.1995 - XII ZB 95/93, MDR 1996, 386 = FamRZ 1996, 282 [283 f.]) angestellten Überlegungen zu einer ausweitenden Handhabung gelten insoweit entsprechend. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zu einer solchen Handhabung, wie sie die weitere Beschwerde geltend macht, hält der Senat nicht für gegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1386081

BGHR 2005, 1324

FamRZ 2005, 1467

FamRBint 2005, 70

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