Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nur der Steuerschuldner erlangt unmittelbar durch die Abgaben- und Steuerhinterziehungen ersparte Aufwendungen in Höhe nicht gezahlter Steuern und Abgaben. Dementsprechend unterliegt das durch die Taten erlangte Etwas schon von vornherein beim ihm der Einziehung von Wertersatz, weil sich ersparte Aufwendungen als nicht gegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen.

 

Normenkette

StGB § 73 Abs. 1, § 73c S. 1; AO § 370

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 11.03.2021; Aktenzeichen 2 KLs 2/20 – 366 Js 39263/17)

 

Tenor

Auf die Revision der Einziehungsbeteiligten wird der Ausspruch über die Einziehung, soweit er sie betrifft, aufgehoben. Diese Einziehungsanordnung entfällt.

Die Staatskasse hat die insoweit angefallenen Kosten des Verfahrens und die der Einziehungsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat die Angeklagten S. und W. wegen Abgaben- und Steuerhinterziehungsdelikten jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und einen Teil der Strafen wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt. Gegen den Angeklagten S. hat es zudem die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.051.857,09 Euro angeordnet, weil er durch die Taten als Steuerschuldner Aufwendungen für Abgaben und Umsatzsteuern erspart habe. Gegen den Angeklagten W. hat das Landgericht hingegen keine Einziehungsanordnung getroffen. Er sei nicht Steuerschuldner und habe daher keine Abgaben und Umsatzsteuern erspart. Dass er aus den Taten des Angeklagten S. Vermögensvorteile für die Taten erlangt habe, gegebenenfalls in welcher Höhe, sei nicht nachweisbar gewesen.

Rz. 2

Der Senat hat die Revisionen der Angeklagten S. und W. mit Beschluss vom heutigen Tag gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Rz. 3

Gegen die Schwester der beiden Angeklagten hat das Landgericht als Einziehungsbeteiligte die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 201.000 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision der Einziehungsbeteiligten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Sie führt (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO) zur Aufhebung und dem Entfallen der gegen sie ergangenen Einziehungsanordnung.

Rz. 4

1. Nach den Urteilsfeststellungen ersparten sich die Angeklagten S. und W. durch die unterbliebenen, zu niedrigen und verspäteten Steuererklärungen „derart viele Vergnügungssteuern und Umsatzsteuern”, dass sie nach Anlagemöglichkeiten für das vereinnahmte Bargeld suchten. Der Angeklagte W. fasste den Entschluss, drei Immobilien zu erwerben. Den Erwerb der Immobilien tätigte er nicht im eigenen Namen, sondern in Vollmacht und namens der Einziehungsbeteiligten als „Strohfrau”. Die Kaufpreise für die Immobilien in Höhe von insgesamt 172.000 Euro bezahlte der Angeklagte entweder im Notartermin in bar oder ließ diese von „Strohleuten aus seinem nicht um Vergnügungssteuern und Umsatzsteuern verminderten Vermögen entrichten”. Zwei der drei Immobilien wurden auf Veranlassung des Angeklagten W. renoviert, wodurch sich die Einziehungsbeteiligte nach Auffassung des Landgerichts 29.000 Euro für den Wert der verwendeten Baumaterialien erspart hat und insoweit bereichert ist.

Rz. 5

2. Das Landgericht hat die Einziehungsentscheidung gegen die Einziehungsbeteiligte auf § 73b Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt. Ihr sei das von den Angeklagten S. und W. durch die Taten Erlangte unentgeltlich übertragen worden.

Rz. 6

3. Die Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligte begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Rz. 7

Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, erlangte nur der Angeklagte S. als Steuerschuldner unmittelbar durch die Abgaben- und Steuerhinterziehungen ersparte Aufwendungen in Höhe nicht gezahlter Steuern und Abgaben. Dementsprechend unterlag das durch die Taten erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB schon von vornherein beim Angeklagten S. der Einziehung von Wertersatz nach § 73c Satz 1 StGB, weil sich ersparte Aufwendungen als nicht gegenständliche Vorteile bereits mit ihrer Inanspruchnahme verbrauchen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 17 ff. mwN). Der Angeklagte W. hat aus den Taten selbst – wovon auch das Landgericht ausgeht – keine eigenen Aufwendungen erspart. Ihm war auch nicht nachzuweisen, dass er vom Angeklagten S. für die Taten etwas, gegebenenfalls in welcher Höhe erlangt hat. Die vom Angeklagten W. der Einziehungsbeteiligten unentgeltlich zugewendeten finanziellen Mittel für den Erwerb der Immobilien bzw. für die Baumaterialien zu deren Renovierung unterliegen daher bereits aus diesem Grund nicht der Einziehung. Diese hat daher zu entfallen.

 

Unterschriften

Jäger, Bellay, Fischer, Hohoff, Pernice

 

Fundstellen

wistra 2022, 510

StRR 2022, 23

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