Leitsatz (amtlich)

Eine innerhalb der Berufungsfrist mangels Unterschrift nicht wirksam eingelegte Berufung muß mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung als Prozeßhandlung nicht nachgeholt werden, wenn aus der vorliegenden Berufungsbegründung klar ersichtlich ist, welches Urteil von welcher Partei angefochten wird.

 

Normenkette

ZPO § 236 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 3 O 1981/97)

Thüringer OLG (Aktenzeichen 3 U 1523/98)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 2. August 1999 aufgehoben.

Dem Kläger wird wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 14. September 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Beschwerdewert: 39.697 DM.

 

Gründe

1. Der Kläger hat gegen das ihm am 21. September 1998 zugestellte Urteil am 1. Oktober 1998 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist vom Rechtsanwalt nicht unterzeichnet worden. Die Berufungsbegründung ist am 3. November 1998 bei Gericht eingegangen.

Auf den telefonischen Hinweis des Vorsitzenden vom 15. Juli 1999 hatte der Kläger am 20. Juli 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Eine Berufungsschrift war nicht beigefügt.

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt sei im Sinne des § 236 Abs. 2 ZPO.

3. Die gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Frist auch dann in Frage kommt, wenn die fristgebundene Prozeßhandlung zwar rechtzeitig, jedoch unwirksam vorgenommen worden ist. Es macht für die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Unterschied, ob die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist überhaupt oder in wirksamer Weise einzuhalten (BGH, Beschluß vom 2. Mai 1962 – V ZB 10, 11/96, NJW 1962, 1248).

Nicht beigetreten werden kann seiner Ansicht, die Wiedereinsetzung sei deshalb zu versagen, weil die versäumte Prozeßhandlung der wirksamen Berufungseinlegung nicht nachgeholt sei.

Von einer erneuten, formgerechten Einlegung der Berufung konnte der Kläger absehen, weil mit der dem Gericht vorliegenden ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsbegründung zugleich die Prozeßhandlung der Berufung erklärt ist. Die versäumte Prozeßhandlung ist dann nicht nachzuholen, wenn sie bereits vor Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenüber dem Gericht vorgenommen worden ist (BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 – VIII ZB 34/91, VersR 1992, 1023). Aus dem Antrag der Berufungsbegründungsschrift ist klar ersichtlich, welches Urteil angefochten wird, von welcher Partei und mit welchem Ziel. Die Berufungsbegründung enthält damit zugleich eine Wiederholung der Berufung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 1958 – VI ZB 20/57, VersR 1958, 180; vom 8. Januar 1962 – VII ZB 14/61, VersR 1962, 218). Es bedeutete eine überflüssige Förmelei, eine Prozeßhandlung nachzuholen, wenn der hierauf bezogene Schriftsatz dem Gericht bereits vorliegt (BGH, Beschluß vom 7. Januar 1958, aaO).

4. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist auch begründet. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, daß die zuverlässige und erfahrene Bürokraft R. die unterschriebene Urschrift und die Abschrift vertauscht hat und somit versehentlich das für die Handakten vorgesehene Exemplar ohne Unterschrift dem Gericht zugeleitet hat. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Einreichung des nicht unterschriebenen Berufungsschriftsatzes bei Gericht sonach nicht zu vertreten (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO).

 

Unterschriften

Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Wendt

 

Fundstellen

Haufe-Index 539046

BB 2000, 1701

HFR 2001, 510

BauR 2000, 1525

Nachschlagewerk BGH

MDR 2000, 1092

SGb 2001, 20

ZfBR 2000, 435

ZfBR 2000, 537

MittRKKöln 2000, 325

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