Leitsatz (amtlich)

Das Erfordernis, dass die nachzuweisenden besonderen praktischen Erfahrungen innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gesammelt sein müssen, ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

 

Normenkette

FAO § 5 S. 1 Buchst. c

 

Verfahrensgang

AGH Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 08.03.2004; Aktenzeichen 1 AGH 19/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des AGH Rheinland-Pfalz v. 8.3.2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit Juli 1999 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim AG und LG M. zugelassen. Zuvor war er als Rechtssekretär beim Deutschen bund angestellt und bearbeitete dort arbeitsrechtliche Angelegenheiten von Gewerkschaftsmitgliedern. Er übte diese Tätigkeit persönlich und weisungsfrei aus; sie entsprach hinsichtlich der Bearbeitungs- und Büroabläufe - ausgenommen die Abrechnung - einer anwaltlichen.

Mit Antrag v. 31.12.2002 hat der Antragsteller beantragt, die Bezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht" führen zu dürfen. Er hat zum Nachweis seiner praktischen Erfahrungen eine Liste mit 27 gerichtlichen und 43 außergerichtlichen Fällen, die er als Rechtsanwalt bearbeitet hat, aus der Zeit von Ende 1999 bis Ende 2002 vorgelegt, außerdem eine Liste mit 44 gerichtlichen und 26 außergerichtlichen Fällen aus seiner Zeit als Rechtssekretär. Die Antragsgegnerin hat den Antrag abgelehnt, weil der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen (§ 5 S. 1 Buchst. c FAO) nicht erbracht sei. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der AGH mit Beschluss v. 8.3.2004 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner zugelassenen sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 223 Abs. 3 S. 1 BRAO) und zulässig (§ 42 Abs. 4 S. 1 BRAO) - die Beschwerdefrist wurde durch Einlegung der sofortigen Beschwerde per Fax am 29.3.2004 gewahrt -; es hat jedoch keinen Erfolg.

1. Ob der Antrag nach der ab 1.1.2003 geltenden neuen oder der früheren Fassung des § 5 FAO zu beurteilen ist, hat keine Bedeutung.

Zwar unterscheiden sich das alte und das neue Recht dadurch, dass nach dem Wortlaut der früheren Fassung der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen "i.d.R." mit bestimmten Fallzahlen nachgewiesen war. Nach der neuen Fassung "setzt" der Erwerb diese Fallzahlen "voraus". Ob die Fallzahlen nunmehr einen absoluten Charakter haben, der eine abweichende Gewichtung zu Gunsten des Antragstellers - etwa bei einer einschlägigen Vortätigkeit als Syndikusanwalt oder Verbandssyndikus (vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschl. v. 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130 [3131]; v. 13.1.2003 - AnwZ (B) 25/02, MDR 2003, 659 = BGHReport 2003, 464 = NJW 2003, 883 [884]) - nicht mehr zulässt (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO Rz. 8), ist noch nicht abschließend geklärt. Im vorliegenden Fall braucht der Senat dazu nicht Stellung zu nehmen.

2. Denn die beiden Fassungen des § 5 FAO unterscheiden sich insoweit nicht, als die nachzuweisenden besonderen praktischen Erfahrungen jeweils "innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung" gesammelt sein mussten/müssen. Selbst wenn die Bearbeitung von Fällen als Rechtssekretär grundsätzlich geeignet wäre, zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu dienen, müsste die Fallbearbeitung innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums stattgefunden haben. Dieser Voraussetzung vermag der Antragsteller nicht zu genügen, weil seine Beschäftigung beim Deutschen bund Mitte 1999 geendet hat. Innerhalb des maßgeblichen Zeitraums war er ausschließlich als Rechtsanwalt tätig.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bestehen gegen die ausschließliche Beachtlichkeit der Fallbearbeitung innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums keine Bedenken, insb. keine verfassungsrechtlicher Art. Die Festlegung eines bestimmten Zeitraums ermöglicht eine eindeutige Überprüfung der Voraussetzungen (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO Rz. 2). Mit drei Jahren ist die Beurteilungszeit relativ lang bemessen; damit ist - entsprechend den Absichten der Satzungsversammlung (Protokoll der 1. Sitzung v. 7. bis 9.9.1999, S. 26) - die Zulassungsschranke leichter überwindbar als bei einem kürzeren Zeitraum (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO Rz. 2). Ihn noch weiter auszudehnen oder davon abzusehen, dass der Drei-Jahres-Zeitraum der Antragstellung unmittelbar vorausgehen muss, lässt sich nicht aus § 3 FAO begründen. Zwar ist danach Voraussetzung für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung "eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung". Selbst wenn der Antragsteller die letzten drei Jahre vor der Antragstellung nicht ununterbrochen als Rechtsanwalt zugelassen war, muss er doch die besonderen praktischen Erfahrungen, die nach § 5 S. 1 FAO nachzuweisen sind, innerhalb dieser drei Jahre gesammelt haben. Dies hat die Satzungsversammlung so gewollt (Protokoll der 7. Sitzung v. 18.9.2002 zu 4.2; ebenso Stobbe in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 3 FAO Rz. 9). Die gegenteilige Auffassung würde dem Bedürfnis nicht gerecht, über den Antrag auf Grund zeitnaher Erkenntnisse zu entscheiden. Im Interesse des rechtsuchenden Publikums darf davon nicht abgewichen werden. Praktische Erfahrungen können nicht nur mit der Intensität und Dauer der Berufsausübung wachsen (Stobbe in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 3 FAO Rz. 3); sie können, falls sie zu lange zurückliegen, auch "altern". Das rechtsuchende Publikum darf jedoch mit Recht erwarten, dass ein Rechtsanwalt, dem die Befugnis verliehen wird, sich als Fachanwalt auf einem bestimmten Gebiet zu bezeichnen, sich auch mit seinen Erfahrungen auf der Höhe der Zeit befindet. Wenn die Drei-Jahres-Frist nicht strikt beachtet werden würde, könnte die Beurteilungsgrundlage nicht mehr verlässlich eingegrenzt werden. Müssten auch praktische Erfahrungen aus dem vierten Jahr vor Antragstellung berücksichtigt werden, ließe sich nicht überzeugend begründen, warum dies nicht auch für solche aus dem Fünften usw. gelte.

In den Entscheidungen des BGH, die der Antragsteller für sein Begehren anführt (BGH, Beschl. v. 18.6.2001 - AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130 [3131]; v. 13.1.2003 - AnwZ (B) 25/02, MDR 2003, 659 = BGHReport 2003, 464 = NJW 2003, 883 [884]), hatte die anzurechnende Tätigkeit als Verbandssyndikus (mit oder ohne Anwaltszulassung) jeweils innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums stattgefunden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1349990

BB 2005, 1190

NJW 2005, 1943

Inf 2005, 442

BGHR 2005, 1018

NZA 2005, 710

AnwBl 2005, 501

WRP 2005, 888

FamRB 2005, 248

NJW-Spezial 2005, 335

VRR 2005, 228

BRAK-Mitt. 2005, 187

KammerForum 2005, 202

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