Leitsatz (amtlich)

Der in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren gem. § 49a GKG bestimmte Streitwert entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer des Rechtsmittelführers.

Wird mit der gegen einen Wohnungseigentümer gerichteten Klage die Beseitigung einer baulichen Veränderung verlangt, bemisst sich der Streitwert gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse der Beklagen, keinen Rückbau vornehmen zu müssen; daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten.

 

Normenkette

EGZPO § 26 Nr. 8; GKG § 49a

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 29.02.2016; Aktenzeichen 36 S 15947/15 WEG)

AG München (Entscheidung vom 18.08.2015; Aktenzeichen 484 C 5329/15 WEG)

 

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des LG München I - 36. Zivilkammer - vom 29.2.2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 13.000 EUR.

 

Gründe

Rz. 1

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den gem. § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Betrag von 20.000 EUR.

Rz. 2

a) Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1971 - VIII ZR 80/71, BGHZ 57, 301, 302 m.w.N.). Nichts anderes gilt in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren. Das Änderungsinteresse des Rechtsmittelführers erhöht oder ermäßigt sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Streitwerts auch eine Reihe von anderen Kriterien Berücksichtigung findet; infolgedessen entspricht der gem. § 49a GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer (vgl. auch Senat, Beschl. v. 9.2.2012 - V ZB 211/11, ZWE 2012, 224 Rz. 4; Suilmann in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 49a GKG Rz. 24 ff.).

Rz. 3

b) Wird der Beklagte zur Beseitigung einer baulichen Veränderung (hier: Swimmingpool) verurteilt, bemisst sich seine Beschwer grundsätzlich nach den Kosten einer Ersatzvornahme des Abrisses, die ihm im Falle des Unterliegens drohen (st.Rspr., vgl. Senat, Beschl. v. 15.1.2015 - V ZB 135/14, NJW-RR 2015, 337 Rz. 3 m.w.N.). Daran gemessen wird der Betrag von 20.000 EUR überschritten, weil die Beklagten durch Vorlage eines Kostenvoranschlags glaubhaft gemacht haben, dass die zu erwartenden Rückbaukosten über dieser Summe liegen werden. Ob der Wert der Beschwer noch höher anzusetzen ist, wenn das Interesse am Erhalt des Bauwerks die Kosten eines Abrisses übersteigt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. Senat, Beschl. v. 29.1.2009 - V ZR 152/08, GE 2009, 514 Rz. 4; Beschluss vom 15.1.2015 - V ZB 135/14, a.a.O., Rz. 4).

Rz. 4

2. Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

III.

Rz. 5

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert ist gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen festzusetzen. Wird - wie hier - mit der gegen einen Wohnungseigentümer gerichteten Klage die Beseitigung einer baulichen Veränderung verlangt, bemisst sich der Streitwert nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse der Beklagen, keinen Rückbau vornehmen zu müssen (vgl. zu Letzterem BayObLG WuM 1994, 565, 566; Suilmann in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 49a GKG Rz. 11; s. auch BT-Drucks. 16/887, 42 und 54). Die genannten Interessen der Parteien sind nicht identisch, da sie eine unterschiedliche Zielrichtung haben (so auch BayObLG WuM 1994, 565 f.; insoweit a.A. Suilmann in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 49a GKG Rz. 11). Maßgeblich ist das jeweilige wirtschaftliche Interesse, das das Gericht ggf. schätzen muss. Das Gesamtinteresse der Parteien schätzt der Senat hier auf 26.000 EUR (Kläger: 5.000 EUR; Beklagte: 21.000 EUR). Der Streitwert beträgt 50 % hiervon, also 13.000 EUR. Daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten; diese sind eingehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10127464

NJW 2017, 10

BauR 2017, 777

NJW-RR 2017, 584

JurBüro 2017, 83

NZM 2017, 371

ZMR 2017, 11

ZMR 2017, 256

ZfIR 2017, 78

JZ 2017, 155

MDR 2017, 203

WuM 2017, 62

ZWE 2017, 101

ZfBR 2017, 239

MietRB 2017, 137

NJW-Spezial 2017, 227

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