Leitsatz

Der in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren gemäß § 49a GKG bestimmte Streitwert entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer des Rechtsmittelführers.

Wird mit der gegen einen Wohnungseigentümer gerichteten Klage die Beseitigung einer baulichen Veränderung verlangt, bemisst sich der Streitwert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse der Beklagen, keinen Rückbau vornehmen zu müssen; daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Sätze 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten.

 

Normenkette

EGZPO § 26 Nr. 8; GKG § 49a

 

Das Problem

Wohnungseigentümer B wendet sich gegen seine Verurteilung, einen Swimmingpool entfernen zu müssen. Unklar ist, ob die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist.

 

Die Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere übersteige der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Betrag von 20.000 EUR.

Wert der Beschwer

  1. Der Wert der Beschwer bemesse sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse sei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Das Änderungsinteresse des Rechtsmittelführers erhöhe oder ermäßige sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Streitwerts auch andere Prüfsteine zu berücksichtigen seien. Infolgedessen entspreche der gemäß § 49a GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer (Hinweis unter anderem auf BGH v. 9.2.2012, ZB 211/11, ZWE 2012 S. 224 Rn. 4).
  2. Werde der Beklagte zur Beseitigung einer baulichen Veränderung (hier: Swimmingpool) verurteilt, bemesse sich seine Beschwer grundsätzlich nach den Kosten einer Ersatzvornahme des Abrisses, die ihm im Falle des Unterliegens drohten (Hinweis auf BGH v. 15.1.2015, V ZB 135/14, NJW-RR 2015 S. 337 Rn. 3). Daran gemessen werde im Fall der Betrag von 20.000 EUR überschritten. B habe durch Vorlage eines Kostenvoranschlags glaubhaft gemacht, dass die zu erwartenden Rückbaukosten über dieser Summe liegen werden. Ob der Wert der Beschwer noch höher anzusetzen sei, wenn das Interesse am Erhalt des Bauwerks die Kosten eines Abrisses übersteigt, bedürfe daher keiner Entscheidung (Hinweis auf BGH v. 29.1.2009, V ZR 152/08, GE 2009 S. 514 Rn. 4 und BGH v. 15.1.2015, V ZB 135/14, NJW-RR 2015 S. 337 Rn. 4).

Streitwert

Der Streitwert sei gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen festzusetzen. Werde mit der gegen einen Wohnungseigentümer gerichteten Klage die Beseitigung einer baulichen Veränderung verlangt, bemesse sich der Streitwert nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und dem (hälftigen) Interesse der Beklagten, keinen Rückbau vornehmen zu müssen. Die Interessen seien nicht identisch, da sie eine unterschiedliche Zielrichtung hätten. Maßgeblich sei das jeweilige wirtschaftliche Interesse, das das Gericht gegebenenfalls schätzen müsse. Das Gesamtinteresse der Parteien schätze der Senat hier auf 26.000 EUR (Kläger: 5.000 EUR; Beklagter: 21.000 EUR). Der Streitwert betrage 50 % hiervon, also 13.000 EUR. Daneben seien die Grenzen des § 49a Abs. 1 Sätze 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten; diese seien eingehalten.

 

Kommentar

Anmerkung

Für die Frage der Beschwer (dazu auch Zschieschack, NZM 2016, S. 20, 21 ff.) kommt es darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden worden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte. Maßgebend für die Beschwer des Berufungsklägers (oder Widerklägers) ist sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Ergibt der Vergleich der in der Klage aufgestellten Rechtsbehauptung mit dem Inhalt der ergangenen Entscheidung, dass dem Kläger das zuerkannt worden ist, was er begehrt hat, fehlt ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Abänderung der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz. Erhebt der Kläger mehrere Anträge, ist seine Beschwer nach § 5 ZPO durch eine Addition der Werte zu errechnen. Ohne Bedeutung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG berechtigt, im Namen aller Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie mit einem Rechtsanwalt wegen eines Rechtsstreits gemäß § 43 Nr. 1, Nr. 4 oder Nr. 5 WEG zu vereinbaren, dass sich die Gebühren nach einem höheren als dem gesetzlichen Streitwert, höchstens nach einem gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 des GKG bestimmten Streitwert bemessen. Er ist ferner berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie mit einem Rechtsanwalt wegen eines Rechtsstreits gemäß § 43 Nr. 2 oder Nr. 5 WEG eine...

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