Leitsatz (amtlich)

a) Der Zeitpunkt der Anmeldung der Marke ist im Eintragungs- und Löschungsverfahren für die Prüfung maßgeblich, ob das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden ist, wenn der Anmelder sich nicht mit einer Zeitrangverschiebung nach § 37 Abs. 2 MarkenG einverstanden erklärt hat.

b) Liegt der Prüfung der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG im Eintragungs- oder Löschungsverfahren ein Meinungsforschungsgutachten zugrunde, ist bei einer statistisch ausreichend großen Stichprobe vom ermittelten Durchschnittswert ohne Berücksichtigung der Fehlertoleranz auszugehen.

c) Wird die Streitmarke zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) nicht mehr isoliert, sondern nur noch als Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens benutzt, kann aufgrund der Verwendung des zusammengesetzten Zeichens auf eine fortbestehende Verkehrsdurchsetzung der Streitmarke nur geschlossen werden, wenn diese in dem zusammengesetzten Zeichen nicht dergestalt aufgeht, dass sie nicht mehr als Herkunftshinweis wahrgenommen wird.

 

Normenkette

MarkenG § 8 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3, § 50 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 27.06.2012; Aktenzeichen 29 W(pat) 22/11)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 29. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG vom 27.6.2012 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufgehoben, soweit auf die Beschwerde gegen die Anordnung der Löschung der Marke Nr. 303 20 703 für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen; Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen" zum Nachteil der Antragstellerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 10.1.2004 mit Priorität vom 24.4.2003 die nachfolgend dargestellte (rot-weiße) Wort-Bild-Marke Nr. 303 20 703 als verkehrsdurchgesetztes Zeichen eingetragen. Die Eintragung bezieht sich nach Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Rahmen des vorliegenden Löschungsverfahrens nur noch auf folgende Waren und Dienstleistungen:

Klasse 16 Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen; Klasse 41 Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Klasse 42 Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen; Information über Rechts- und Steuerfragen.

Rz. 2

Seit Mai 2008 verwendet die Markeninhaberin zur Kennzeichnung ihrer Publikationen das nachfolgend dargestellte Kennzeichen (weiße Schrift auf rotem und grauem Hintergrund):

Rz. 3

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt, weil die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung der nicht unterscheidungskräftigen und freihaltebedürftigen Marke nicht vorlägen. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Löschung der Marke angeordnet.

Rz. 4

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das BPatG den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben, soweit die Löschung der Marke für die vorstehend angegebenen Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 41 und 42 angeordnet worden ist (BPatG GRUR 2013, 388).

Rz. 5

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde. Die Markeninhaberin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Rz. 6

II. Das BPatG hat angenommen, Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 und 2 Satz 1 MarkenG lägen nicht vor. Für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" bestehe kein Schutzhindernis. Der Marke könne nicht jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für diese Dienstleistungen abgesprochen werden und es bestehe insoweit auch kein Freihaltebedürfnis i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Im Hinblick auf die weiteren Waren und Dienstleistungen liege zwar das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft vor. Dieses sei aber jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag aufgrund von Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden.

Rz. 7

III. Die Rechtsbeschwerde hat zum Teil Erfolg. Zu Recht hat das BPatG die Löschungsanordnung des Deutschen Patent- und Markenamts für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" aufgehoben. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung dagegen nicht stand, soweit das BPatG die Voraussetzungen der Schutzentziehung für die Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen; Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen" verneint hat.

Rz. 8

1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass dieses auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6.7.1995 - I ZB 27/93, BGHZ 130, 187, 191 - Füllkörper; Beschl. v. 16.7.2009 - I ZB 53/07, BGHZ 182, 325 Rz. 14 - Legostein).

Rz. 9

2. Das BPatG hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (dazu III 2a) und eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (dazu III 2b) für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" verneint.

Rz. 10

a) Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.1.2010 - Rs. C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rz. 33 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; Urt. v. 12.7.2012 - Rs. C-311/11, GRUR-Int. 2012, 914 Rz. 23 - Smart/[WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH]; BGH, Beschl. v. 13.9.2012 - I ZB 68/11, GRUR 2013, 522 Rz. 8 = WRP 2013, 503 - Deutschlands schönste Seiten; Beschl. v. 22.11.2012 - I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rz. 11 = WRP 2013, 909 - Kaleido). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v. 24.6.2010 - I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rz. 10 = WRP 2010, 1504 - TOOOR!; Beschl. v. 4.4.2012 - I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rz. 7 = WRP 2012, 1396 - Starsat).

Rz. 11

Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Maßgeblich ist die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH, Urt. v. 8.5.2008 - Rs. C-304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rz. 67 - EUROHYPO; BGH, Beschl. v. 8.3.2012 - I ZB 13/11, BGHZ 193, 21 Rz. 9 - Neuschwanstein; BGH GRUR 2013, 522 Rz. 8 - Deutschlands schönste Seiten). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, Beschl. v. 21.12.2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rz. 12 = WRP 2012, 337 - Link economy).

Rz. 12

aa) Von diesen Grundsätzen ist auch das BPatG ausgegangen und hat angenommen, zu den angesprochenen Verkehrskreisen zähle das allgemeine Publikum, an das sich die fraglichen Waren und Dienstleistungen richteten. Dem Markenwort "Test" komme die Bedeutung eines nach einer genau durchdachten Methode vorgenommenen Versuchs oder einer Prüfung zur Feststellung der Eignung, der Eigenschaften oder der Leistung einer Person oder Sache zu. Nichts anderes habe zu gelten, wenn der Prüfung das englische Substantiv "test" zugrunde gelegt werde. Dieses werde vom inländischen Publikum mit "Test, Prüfung, Klassenarbeit oder Klausur" übersetzt. Bei diesem Bedeutungsgehalt weise die angegriffene Marke die erforderliche Eigenart auf, um vom Verkehr als Unternehmenshinweis für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" aufgefasst zu werden. Das Markenwort sei für diese Dienstleistung nicht beschreibend, weil die "Information über Rechts- und Steuerfragen" weder selbst eine Prüfung darstelle noch ihr ein Eignungs-, Eigenschafts- oder Leistungstest zugrunde liege.

Rz. 13

bb) Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg mit der Rüge, das BPatG habe die Bedeutung des Begriffs "test" auf die Auswahl der Testobjekte, Testkriterien und Testmaßnahmen beschränkt und nicht die Mitteilung der Auswertung und der Testergebnisse in die Beurteilung einbezogen. Eine Vielzahl von Testmaßnahmen oder -ergebnissen umfasse zugleich Informationen über Rechts- oder Steuerfragen.

Rz. 14

Das Markenwort "test" weist für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" keine für den inländischen Verkehr auf der Hand liegende Bedeutung auf. Zu dem gegenteiligen Schluss ist die Rechtsbeschwerde nur durch eine unzulässige analysierende Betrachtungsweise gelangt. Die Bedeutung des Markenworts "test", die in der Durchführung und Auswertung von Untersuchungen liegt, wird der Verkehr nicht ohne Weiteres, sondern allenfalls aufgrund weiterer gedanklicher Zwischenschritte mit der Information über Rechts- und Steuerfragen in Verbindung bringen. Dies reicht für einen beschreibenden Bezug von "test" für die fragliche Dienstleistung nicht aus.

Rz. 15

b) Das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist für die Dienstleistung "Information über Rechts- und Steuerfragen" ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der Dienstleistungen dienen können. Um eine solche Angabe handelt es sich bei dem Markenwort "test" nicht, weil es für die fragliche Dienstleistung keinen beschreibenden Gehalt hat.

Rz. 16

3. Die Beurteilung, mit der das BPatG die Voraussetzungen für eine Löschung der Eintragung der Marke "test" nach § 50 Abs. 1 und 2 Satz 1 MarkenG für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen; Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen"

verneint hat, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 17

a) Das BPatG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Eintragung der Marke das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen der hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen entgegensteht. Für "Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen" weise das Wort "test" auf deren Inhalt hin. Zwischen den Dienstleistungen "Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen" und "Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen" und den herauszugebenden "Testzeitschriften und Verbraucherinformationen" bestehe ein enger funktionaler Zusammenhang. In den werbeüblichen graphischen Elementen der Marke sehe der Verkehr ebenfalls keinen Herkunftshinweis. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 18

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend, die Marke "test" sei für die Dienstleistungen der Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen und der Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen hinreichend unterscheidungskräftig. Aus dem Umstand, dass der Wortbestandteil "test" der Marke den Themenkreis der Druckerzeugnisse erheblich einschränkt, folgt für die hier in Rede stehenden Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke. Regelmäßig wird sich der für Druckschriften beschreibende Begriffsinhalt gleichermaßen auf die Dienstleistung der "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckschriften" beziehen (vgl. BGH GRUR 2013, 522 Rz. 17 - Deutschlands schönste Seiten). Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem der beschreibende Inhalt schon durch die Bezugnahme der Dienstleistungen auf "Testzeitschriften", "Warentests" und "Dienstleistungsuntersuchungen" deutlich wird.

Rz. 19

In Anbetracht der fehlenden Unterscheidungskraft des Wortbestandteils "test" der angegriffenen Marke reichen einfache graphische Elemente nicht aus, das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH, Beschl. v. 28.6.2001 - I ZB 58/98, GRUR 2001, 1153 f. = WRP 2001, 1021 - anti KALK; Beschl. v. 14.1.2010 - I ZB 32/09, GRUR 2010, 640 Rz. 17 = WRP 2010, 891 - hey!). Dass die Wort-Bild-Marke nur einfache graphische Elemente aufweist, hat das BPatG rechtsfehlerfrei festgestellt.

Rz. 20

b) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das BPatG die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung der Marke "test" für die fraglichen Waren und Dienstleistungen angenommen hat.

Rz. 21

aa) Nach § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG kann eine Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft nur gelöscht werden, wenn die Marke entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist und - von dem hier nicht interessierenden Fall des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG abgesehen - das Schutzhindernis im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht. Daraus folgt, dass eine Löschung der Marke nicht mehr in Betracht kommt, wenn die fehlende Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch eine nachträgliche Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag überwunden worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 2.4.2009 - I ZB 94/06, GRUR 2009, 954 Rz. 12 und 18 = WRP 2009, 1250 - Kinder III).

Rz. 22

bb) Das BPatG hat offengelassen, ob die Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG zu dem nach § 50 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Zeitpunkt gegeben waren. Das ist vorliegend der Zeitpunkt der Anmeldung der Marke am 24.4.2003. Dieser Zeitpunkt ist nicht nur für die Beurteilung im Eintragungs- und Löschungsverfahren maßgeblich, ob das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorlag (vgl. BGH, Beschl. v. 18.4.2013 - I ZB 71/12, GRUR 2013, 1143 Rz. 15 = WRP 2013, 1478 - Aus Akten werden Fakten), sondern auch für die Prüfung, ob das Schutzhindernis durch Verkehrsdurchsetzung i.S.v. § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden ist. Das folgt aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 Abs. 3 MarkenG. Die Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 MarkenRL. Nach Satz 1 dieser Bestimmung wird eine Marke nicht gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, c und d MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG) von der Eintragung ausgeschlossen oder für ungültig erklärt, wenn sie vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MarkenRL können die Mitgliedstaaten darüber hinaus vorsehen, dass die vorliegende Bestimmung auch dann gilt, wenn die Unterscheidungskraft erst nach der Anmeldung oder Eintragung erworben wurde. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Option des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 MarkenRL durch § 37 Abs. 2 MarkenG Gebrauch gemacht. Danach setzt die Eintragung einer Marke, bei der ein am Anmeldetag bestehendes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, bis 3 MarkenG später entfallen ist, ein Einverständnis des Anmelders zur Zeitrangverschiebung voraus. Zu den Gründen für einen Fortfall eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 MarkenG zählt eine nach dem Anmeldetag erlangte Verkehrsdurchsetzung der Marke. Daraus folgt, dass die Eintragung eines originär nicht unterscheidungskräftigen Zeichens mit der Priorität des Anmeldetags eine Verkehrsdurchsetzung zu diesem Zeitpunkt erfordert. Andernfalls ist die Marke entgegen § 8 Abs. 2 und 3 MarkenG eingetragen worden. Da das BPatG keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob im Anmeldezeitpunkt die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke vorlagen, ist zugunsten der Rechtsbeschwerde zu unterstellen, dass die Marke "test" für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen (Aufzählung oben Rz. 16) entgegen § 8 Abs. 2 und 3 MarkenG eingetragen worden ist.

Rz. 23

cc) Die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) hat das BPatG rechtsfehlerhaft bejaht.

Rz. 24

(1) Das BPatG hat angenommen, es sei durch Vorlage von Titelblättern, "test"-Heften und "test"-Sonderpublikationen belegt und im Übrigen allgemein bekannt, dass der Wortbestandteil der angegriffenen Marke seit 1968 als Titel eines monatlich erscheinenden Verbrauchermagazins sowie für Sonderpublikationen der Markeninhaberin im Bundesgebiet benutzt worden sei. Allerdings sei die Marke in der eingetragenen Form nur bis April 2008 verwendet worden. Die seit Mai 2008 benutzte Form weise aber nur geringfügige Abweichungen gegenüber der eingetragenen Marke auf, die als Zweitmarke oder Dachmarke weiter wahrgenommen werde. Die Markeninhaberin sei mit ihrem mit der Marke oder der nur geringfügig abgewandelten Kennzeichnung versehenen Testmagazin seit 1968 Marktführer unter den Test- und Verbraucherzeitschriften mit weitem Abstand vor konkurrierenden Titeln. 2011 habe sich die jährlich verkaufte Druckauflage auf 5.724.000 Exemplare belaufen. Die Internetseite der Markeninhaberin sei 2011 von 37,4 Mio. Besuchern aufgerufen worden. Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse weise für 2009 einen Bekanntheitsgrad der Zeitschrift "test" i.H.v. 60 % nach. Zudem bewerbe die Markeninhaberin die Testmagazine in erheblichem Umfang. Zwischen 1987 und 2005 habe die Markeninhaberin fast 44 Mio. EUR für Direct-Mailing-Aktionen für die "test"-Hefte aufgewandt. Die Markeninhaberin nehme auch eine einzigartige Sonderstellung unter den Herausgebern von Verbrauchermagazinen ein, weil es sich bei ihr um eine staatlich gegründete und aus Steuermitteln finanzierte Verbraucherschutzorganisation handele, die mit ihren Publikationen unter der streitgegenständlichen Marke einen hohen Bekanntheitsgrad und eine hohe Wertschätzung in der Bevölkerung erfahren habe. Die hohe Bekanntheit des Kennzeichens in einem erheblichen Teil der Gesamtbevölkerung sei dem erkennenden Senat bekannt und mithin gerichtskundig.

Rz. 25

Schließlich ergäben sich aus dem von der Markeninhaberin eingeholten demoskopischen Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach vom 11.1.2010 für die Marke ein Bekanntheitsgrad von 77 %, ein Kennzeichnungsgrad von 47 % und ein Zuordnungsgrad von 43 % in der Bevölkerung. Die Fehlertoleranz von 3,3 % könne im Löschungsverfahren allenfalls zugunsten der Markeninhaberin berücksichtigt werden, so dass von einem Durchsetzungsgrad von 46,3 % auszugehen sei, der nur unwesentlich unterhalb von 50 % liege.

Rz. 26

Bei einer Gesamtschau sämtlicher Umstände sei für die Waren "Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen" von einer Verkehrsdurchsetzung auszugehen. Dies rechtfertige auch den Schluss auf die Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen "Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen". Diese Dienstleistungen stünden in einem so engen funktionalen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit Testmagazinen und Verbraucherinformationen, dass die Verkehrsdurchsetzung der Marke für diese Dienstleistungen Folge der Verkehrsdurchsetzung der Marke für die fraglichen Waren sei.

Rz. 27

Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden.

Rz. 28

(2) Das BPatG ist allerdings mit Recht davon ausgegangen, dass die Markeninhaberin das Zeichen "test" nicht nur titel-, sondern auch markenmäßig benutzt hat.

Rz. 29

Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG ist die Verwendung des Zeichens als Marke (vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - Rs. C-353/03, Slg. 2005, I-6135 = GRUR 2005, 763 Rz. 26, 29 - Nestlé/Mars zu Art. 3 Abs. 3 MarkenRL; BGH, Beschl. v. 9.7.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rz. 33 = WRP 2010, 260 - ROCHER-Kugel zu § 8 Abs. 3 MarkenG). Eine rein beschreibende oder titelmäßige Verwendung des Zeichens genügt nicht. Werktitel i.S.d. § 5 Abs. 3 MarkenG dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werks von anderen. Einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werks stellen sie regelmäßig nicht dar (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2012 - I ZR 102/10, GRUR 2012, 1265 Rz. 23 = WRP 2012, 1526 - Stimmt's?). Allerdings kann der Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden. Dies ist in der Rechtsprechung für bekannte Titel regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften anerkannt (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.1999 - I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 72 f. = WRP 1999, 1279 - SZENE). Die Bekanntheit eines solchen Titels und das regelmäßige Erscheinen im selben Verlag legen die Schlussfolgerung nahe, dass er im Verkehr jedenfalls teilweise auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird.

Rz. 30

Nach diesen Grundsätzen hat das BPatG mit Recht angenommen, die Markeninhaberin habe das angegriffene Kennzeichen markenmäßig benutzt. Die vom BPatG festgestellte Dauer, Reichweite und Regelmäßigkeit der Benutzung des Zeichens rechtfertigen den Schluss, dass Teile des Verkehrs mit dem Werktitel "test" die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden.

Rz. 31

(3) Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme des BPatG, das angegriffene Zeichen habe sich infolge seiner Benutzung in den Verkehrskreisen durchgesetzt.

Rz. 32

Die Frage, ob eine Marke sich infolge ihrer Benutzung im Verkehr i.S.v. § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat, ist aufgrund einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte zu beurteilen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese damit von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH, Urt. v. 4.5.1999 - Rs. C-108 und 109/97, Slg. 1999, I-2779 = GRUR 1999, 723 Rz. 54 - Windsurfing Chiemsee; BGH, Beschl. v. 19.1.2006 - I ZB 11/04, GRUR 2006, 760 Rz. 20 = WRP 2006, 1130 - LOTTO). Die Verkehrsbefragung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur eines von mehreren möglichen Mitteln zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung. Daneben können auch der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung, die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern und von anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden (EuGH GRUR 1999, 723 Rz. 51 - Windsurfing Chiemsee; BGH, Beschl. v. 21.2.2008 - I ZB 24/05, GRUR 2008, 710 Rz. 28 = WRP 2008, 1087 - VISAGE). Wenn die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung besondere Schwierigkeiten bereitet, verbietet es das Unionsrecht nicht, die Frage der Unterscheidungskraft der Marke durch eine Verbraucherbefragung klären zu lassen (EuGH GRUR 1999, 723 Rz. 53 - Windsurfing Chiemsee; BGH, GRUR 2010, 138 Rz. 38 - ROCHER-Kugel), die häufig das zuverlässigste Beweismittel zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung darstellt.

Rz. 33

(4) Von diesen Maßstäben ist im Ansatz zwar auch das BPatG ausgegangen. Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch mit Erfolg, dass die Feststellungen des BPatG die Annahme nicht tragen, das angegriffene Zeichen habe sich im Verkehr durchgesetzt.

Rz. 34

Für die Feststellung des im Einzelfall erforderlichen Durchsetzungsgrads ist nicht von festen Prozentsätzen auszugehen. Entscheidend ist, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise das Zeichen nicht mehr nur als beschreibende oder übliche Angabe, sondern zumindest auch als Herkunftshinweis ansieht (EuGH GRUR 1999, 723 Rz. 54 - Windsurfing Chiemsee). Deshalb kann - sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen - die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50 % angesetzt werden (BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - I ZB 54/98, GRUR 2001, 1042, 1043 = WRP 2001, 1205 - REICH UND SCHOEN; GRUR 2006, 760 Rz. 20 - LOTTO; GRUR 2008, 710 Rz. 26 - VISAGE). Die Anforderungen sind umso höher, je weniger sich das betreffende Zeichen nach seinem spezifischen Charakter als Herkunftshinweis eignet (EuGH GRUR 1999, 723 Rz. 50 - Windsurfing Chiemsee; BGH, GRUR 2010, 138 Rz. 41 - ROCHER-Kugel; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 8 Rz. 342; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rz. 509). Handelt es sich um einen Begriff, der die fraglichen Waren oder Dienstleistungen ihrer Gattung nach glatt beschreibt, kommt damit eine Verkehrsdurchsetzung erst bei einem höheren Durchsetzungsgrad in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - I ZB 48/07, GRUR 2009, 669 Rz. 25 = WRP 2009, 815 - POST II).

Rz. 35

Die Feststellungen des BPatG reichen für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung der Marke "test" nicht aus.

Rz. 36

Aus dem von der Markeninhaberin vorgelegten Verkehrsgutachten vom 11.1.2010 ergibt sich für Dezember 2009 lediglich ein Anteil von 43 % der maßgeblichen Verkehrskreise, die das Zeichen "test" im Zusammenhang mit Zeitschriften für Testberichte und Verbraucherinformationen als Herkunftshinweis ansehen und keinen Fehlzuordnungen zu anderen Unternehmen unterliegen (Durchsetzungsgrad). Nach dem Gutachten, dem die farblich gestaltete Marke zugrunde lag und für das 1788 Personen interviewt wurden, ist 77 % der Gesamtheit der Befragten das angegriffene Zeichen bekannt. 47 % der Gesamtheit der Befragten fassten das Zeichen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen auf. Davon haben 4 % der Befragten das Zeichen anderen Zeitschriften oder Verlagen zugeordnet. Diejenigen Befragten, die das Zeichen, dessen Verkehrsdurchsetzung in Rede steht, einem anderen ausdrücklich benannten Unternehmen zuordnen, haben außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 94/04, GRUR 2007, 1066 Rz. 36 = WRP 2007, 1466 - Kinderzeit; vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 Rz. 65 - Philips). Es verbleibt ein Durchsetzungsgrad von 43 %.

Rz. 37

Ausgehend von einer 95 %igen Wahrscheinlichkeit und einer Stichprobe von 1788 Befragten beträgt bei einem Durchsetzungsgrad von 43 % nach der dem Gutachten beigefügten Tabelle die Fehlertoleranz 2,3 %. Danach liegt der Durchsetzungsgrad mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit zwischen 45,3 % und 40,7 % (43 % +/- 2,3 %). Im Hinblick auf die Fehlertoleranzen hat das BPatG im Löschungsverfahren zugunsten der Markeninhaberin den oberen Wert seiner Beurteilung zugrunde gelegt, den es mit 46,3 % ermittelt hat, weil es von einer Fehlertoleranz von +/- 3,3 % ausgegangen ist.

Rz. 38

Der Senat hat bislang die Frage offengelassen, ob bei Verkehrsgutachten im Eintragungs- und im Löschungsverfahren Fehlertoleranzen durch Zuschläge oder Abschläge zu berücksichtigen sind. Die Frage ist nunmehr zu entscheiden. Danach sind sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Löschungsverfahren Fehlertoleranzen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, wenn eine ausreichend große Stichprobe (mindestens 1.000 Befragte) dem Verkehrsgutachten zugrunde liegt. Es handelt sich bei dem demoskopisch ermittelten Durchschnittswert um den statistisch wahrscheinlichsten Wert (Pflüger, GRUR-Prax. 2011, 51, 54). Die Berücksichtigung der Fehlertoleranz zugunsten des Markeninhabers im Löschungsverfahren würde die Beweisführung des Antragstellers unzumutbar erschweren und stünde dem vom Senat wiederholt hervorgehobenen Umstand entgegen, dass dem Antragsteller, den die Feststellungslast für die Voraussetzungen des Löschungstatbestands trifft, keine nahezu unüberbrückbaren Beweisanforderungen auferlegt werden dürfen (vgl. BGH GRUR 2009, 669 Rz. 31 - POST II; GRUR 2010, 138 Rz. 48 - ROCHER-Kugel).

Rz. 39

Eine Berücksichtigung der Fehlertoleranz zu Lasten des Markeninhabers im Löschungsverfahren scheidet ebenfalls aus. Es besteht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass der Durchschnittswert abzgl. der Fehlertoleranz (vorliegend 43 % - 2,3 % = 40,7 %) der zutreffende Wert ist, weil die Werte innerhalb der Spanne von 40,7 % bis 45,3 % nicht gleich wahrscheinlich sind, sondern sich nach der Gauß'schen Normalverteilung aufteilen. Dass der untere Wert (hier 40,7 %) zutrifft, ist statistisch daher unwahrscheinlich. Die Berücksichtigung des unteren Werts würde daher in Fällen, in denen die ermittelten Werte in einem Grenzbereich liegen, zur unberechtigten Löschung von Marken führen. Ist die Fehlertoleranz im Löschungsverfahren daher regelmäßig - wenn nicht besondere Umstände vorliegen - außer Betracht zu lassen, kommt ihre Berücksichtigung im Eintragungsverfahren auch nicht in Betracht. Den gesetzlichen Vorschriften über das Eintragungs- und Löschungsverfahren ist nichts dafür zu entnehmen, dass für die Verfahren unterschiedliche Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen der Eintragungshindernisse zu stellen sind.

Rz. 40

(5) Ist danach von einem Durchsetzungsgrad von 43 % auf der Grundlage des Verkehrsgutachtens von Januar 2010 auszugehen, reicht dies - auch unter Berücksichtigung der weiteren vom BPatG getroffenen Feststellungen - nicht aus, um eine Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag (27.6.2012) zu bejahen.

Rz. 41

Die vom BPatG ermittelten Werbeaufwendungen für die mit der Marke gekennzeichneten Publikationen von 44 Mio. EUR betreffen den Zeitraum von 1987 bis 2005. Einen Rückschluss auf die Verkehrsdurchsetzung nahezu sieben Jahre später lassen diese Werbeanstrengungen nicht zu.

Rz. 42

Die Rechtsbeschwerde rügt auch mit Erfolg, das BPatG habe bei der Ermittlung der Verkehrsbekanntheit nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Markeninhaberin seit Mai 2008 das angegriffene Zeichen nicht mehr in der eingetragenen, sondern in einer abgewandelten Gestaltung benutzt. Insoweit liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die im Rahmen der Verkehrsbefragung aus dem Jahr 2009 ermittelten Werte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag im Jahr 2012 tatsächlich niedriger ausfallen als im Gutachten dargelegt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Markeninhaberin das angegriffene Zeichen nach den Feststellungen des BPatG weiterhin in Kombination mit anderen Kennzeichen nutzt. Die veränderte Form der Benutzung kann Auswirkungen auf den Grad der Verkehrsdurchsetzung des in Rede stehenden Zeichens in seiner eingetragenen Form haben. Mit diesem Gesichtspunkt hat sich das BPatG nicht hinreichend auseinandergesetzt. Dies gilt insb. vor dem Hintergrund, dass in dem von der Markeninhaberin vorgelegten demoskopischen Gutachten die Möglichkeit erörtert wird, die seit Mai 2008 geänderte Benutzung könne zu einer Verringerung der Bekanntheit der Marke im Zeitpunkt der Verkehrsbefragung im Dezember 2009 geführt haben. Ist aber nicht auszuschließen, dass bereits innerhalb des Zeitraums von 20 Monaten die Bekanntheit der Marke als Herkunftshinweis in den angesprochenen Verkehrskreisen signifikant nachgelassen hat, muss dies erst recht für den Zeitraum von weiteren zweieinhalb Jahren zwischen der Verkehrsbefragung im Dezember 2009 und der Entscheidung über den Löschungsantrag Ende Juni 2012 gelten.

Rz. 43

Dem steht - anders als das BPatG dies beurteilt hat - nicht der Umstand entgegen, dass die Marke in einem zusammengesetzten Zeichen seit Mai 2008 weiterverwendet worden ist. Das BPatG hat zwar angenommen, die seit Mai 2008 benutzte Gestaltung stelle nur eine geringfügige Abweichung von der angegriffenen Marke dar. Das Publikum werde die Marke als Zweit- oder Dachmarke wahrnehmen. Das BPatG hat aber rechtsfehlerhaft keine Feststellungen dazu getroffen, aufgrund welcher Anhaltspunkte der Verkehr Veranlassung hat, in dem aus den Zeichenbestandteilen "Stiftung Warentest", "test" und dem stilisierten "t" auf grauem und rotem Grund zusammengesetzten Zeichen mehrere selbständige Kennzeichen zu erkennen. Entsprechende Feststellungen sind aber erforderlich, um von der Benutzung des zusammengesetzten Zeichens darauf zu schließen, dass die Marke - obwohl sie in dem zusammengesetzten Zeichen aufgeht - weiterhin als Hinweis auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen wahrgenommen wird (vgl. EuGH, Urt. v. 18.4.2013 - Rs. C-12/12, GRUR 2013, 722 Rz. 27-35 = WRP 2013, 761 - Colloseum/Levi Strauss).

Rz. 44

(6) Da die tatsächlichen Feststellungen des BPatG die Annahme, die Marke habe sich hinsichtlich der Waren "Druckereierzeugnisse, nämlich Testmagazine und Verbraucherinformationen" im Verkehr durchgesetzt, nicht tragen, kann auch die weitere Annahme, eine Verkehrsdurchsetzung bestehe auch für die Dienstleistungen "Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen" keinen Bestand haben. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob aufgrund einer Verkehrsdurchsetzung für bestimmte Waren und Dienstleistungen auf eine Verkehrsdurchsetzung von damit in besonders engem tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Waren und Dienstleistungen geschlossen werden kann (dazu sogleich Rz. 47).

Rz. 45

(7) Im vorliegenden Verfahren stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Die im Streitfall maßgeblichen Kriterien für die Prüfung, ob die angegriffene Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, sind durch die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt. Die Beantwortung der Frage, ob die konkrete Streitmarke die entsprechenden Anforderungen erfüllt, ist Aufgabe der mit dem Eintragungs- und Löschungsverfahren befassten Ämter und Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 Rz. 51 ff. - Windsurfing Chiemsee; vgl. auch EuGH, Urt. v. 17.7.2008 - Rs. C-488/06, Slg. 2008, I-5725 = GRUR-Int. 2008, 830 Rz. 48-55 - Aire Limpio/MAGIQUE zur Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen).

Rz. 46

IV. Der angefochtene Beschluss des BPatG ist daher teilweise aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 MarkenG). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 47

Für den Fall, dass das BPatG im Beschwerdeverfahren erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Marke für die eingetragenen Waren der Klasse 16 das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kraft Verkehrsdurchsetzung überwunden hat, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, im Rahmen der dem BPatG nach § 78 Abs. 1 MarkenG obliegenden freien Beweiswürdigung aufgrund des besonders engen sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs eine Verkehrsdurchsetzung auch für die Dienstleistungen "Herausgabe von Testzeitschriften und Verbraucherinformationen; Veröffentlichung von Warentests und Dienstleistungsuntersuchungen" anzunehmen (vgl. zum Schluss vom Fehlen der Unterscheidungskraft für einen Zeitschriftentitel auf die korrespondierende Verlagsdienstleistung BGH GRUR 2013, 522 Rz. 17 f. - Deutschlands schönste Seiten).

 

Fundstellen

BlPMZ 2014, 259

EBE/BGH 2014

GRUR 2014, 483

ZIP 2013, 87

JZ 2014, 278

MDR 2013, 8

WRP 2014, 438

BPatGE 2016, 283

GRUR-Prax 2014, 128

IP kompakt 2014, 14

IPRB 2013, 242

MarkenR 2014, 165

Mitt. 2014, 173

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