Leitsatz (amtlich)

Das Klageverbindungsverbot des § 640 c ZPO läßt es nicht zu, mit einer Klage auf Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft eine Klage auf rückständigen Unterhalt für die Zeit bis zum Wirksamwerden des Beitritts nach Maßgabe der Richtlinie Nr. 18 des Plenums des Obersten Gerichts der DDR über die Bemessung des Unterhalts für minderjährige Kinder vom 14. April 1965 (GBl. II 331) und der Unterhaltsrichtlinie des Plenums dieses Gerichts vom 16. Januar 1986 (GBl. I 41) zu verbinden.

Zur Verjährung der dem Recht der früheren DDR unterliegenden und bis zum 31. Dezember 1985 entstandenen Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder.

 

Normenkette

ZPO §§ 640c, 643; DDR: OGRiLi 18; EGBGB 1986 Art. 234 § 1; DDR: FGB § 108; ZGB DDR § 472 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Jever

OLG Oldenburg (Oldenburg)

 

Tenor

Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Revision im Ergebnis keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

I.

Einen Anspruch auf rückständigen Unterhalt für die Zeit von ihrer Geburt (10. Januar 1981) bis zum 31. Dezember 1985 kann die nichtehelich geborene Klägerin schon wegen der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht durchsetzen.

Ihre vor dem Wirksamwerden des Beitritts entstandenen Unterhaltsansprüche richten sich materiell-rechtlich nach dem Recht der früheren DDR, da alle Beteiligten im maßgeblichen Zeitraum dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (vgl. Art. 234 § 1 EGBGB). Den Verjährungsvorschriften des BGB und damit auch der Bestimmung des § 204 Satz 2 BGB unterliegen diese Ansprüche nur in ihrem unverjährten Bestand. Für die Zeit vor dem Beitritt richtet sich ihre Verjährung gemäß Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB nach DDR-Recht (vgl. BGHZ 126, 87, 91), gegen dessen Verjährungsvorschriften im Hinblick auf rechtsstaatliche Grundsätze keine Bedenken bestehen (vgl. BGHZ aaO, 93).

Nach § 108 FGB verjährten Unterhaltsforderungen des nichtehelichen Kindes in vier Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem sie entstanden waren. Für sie galt die kurze Frist des § 20 Abs. 2 FGB (mangels Verweisung in § 46 Abs. 1 Satz 3 FGB) ebensowenig wie die dem § 204 BGB vergleichbare Regelung des § 109 Abs. 1 FGB (siehe § 109 Abs. 2 FGB). Damit waren bei Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 grundsätzlich alle bis zum 31. Dezember 1985 entstandenen Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder, soweit die Verjährung nicht im Einzelfall gehemmt oder unterbrochen war, verjährt.

Auch § 472 Abs. 2 ZGB durchbricht die eingetretene Verjährung nicht. Diese Vorschrift ist hier weiterhin so anzuwenden, wie sie von den Gerichten der DDR angewendet worden wäre (vgl. BGHZ 126 a.a.O. 91 und 102). Nach den strengen Anforderungen der Rechtsprechung der DDR kommt eine Durchbrechung der Verjährung aber nicht schon aus allgemeinen Billigkeitserwägungen, sondern nur dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Schuldners und seines Verhaltens zwingend geboten ist, um eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse des Gläubigers zu vermeiden (vgl. BGHZ a.a.O. 103 m.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Allein der Grundsatz der Gleichbehandlung nichtehelicher Kinder, die in der früheren DDR aufgewachsen sind, mit solchen in den alten Bundesländern gebietet keine verfassungskonforme Auslegung des § 472 Abs. 2 ZGB dahin, daß auch in Fällen, in denen der Schuldner seine späte Heranziehung zu Kindesunterhalt nicht zu verantworten hat, die Verjährung generell durchbrochen wird und Unterhalt rückwirkend seit der Geburt zuzuerkennen ist (vgl. Maurer FamRZ 1994, 337, 343; Lingelbach NJ 1994, 204, 205 f; a.A. OLG Naumburg FamRZ 1993, 1470, 1471).

 

Entscheidungsgründe

II.

In der gewählten Verbindung mit der Klage auf Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft des Beklagten kann die Klägerin mit ihrem Begehren auch insoweit keinen Erfolg haben, als sie für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 monatlichen Unterhalt auf der Grundlage der Richtsätze der Richtlinie Nr. 18 des Plenums des Obersten Gerichts der DDR über die Bemessung des Unterhalts für minderjährige Kinder vom 14. April 1965 (GBl. II 331) und der Unterhaltsrichtlinie des Plenums dieses Gerichts vom 16. Januar 1986 (GBl. I 41) verlangt. Dies gilt auch dann, wenn mit der Berufung nur noch die Verurteilung zur Unterhaltsleistung, nicht aber die Feststellung der Vaterschaft angefochten wird (vgl. BGH, Beschluß vom 19. September 1979 – IV ARZ 61/79 – FamRZ 1980, 48, 49).

1. Mit der Klage auf Feststellung der Vaterschaft kann nach §§ 640 c, 643 ZPO nur die Klage auf Leistung des Regelunterhalts, nicht aber eine Klage anderer Art verbunden werden.

Ob ein Antrag auf Regelunterhalt möglich ist, wenn der Unterhaltsanspruch nach einem fremden Unterhaltsrecht zu beurteilen ist, welches ein dem deutschen Regelunterhalt entsprechendes System kennt (vgl. MünchKomm/Coester-Waltjen, ZPO § 643 Rdn. 5), steht hier nicht zur Entscheidung. Denn das Recht der ehemaligen DDR kannte keine dem Regelunterhalt vergleichbare, standardisierte Unterhaltsfestsetzung (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 656; OLG Celle FamRZ 1975, 509, 510; a.A. OLG Stuttgart DAVorm 1971, 412, 415). Dies ergibt sich auch aus der Regelung der Anlage I, Kap. III, Sachgebiet A, Abschnitt III, Nr. 5 Maßgabe e des Einigungsvertrages, nach der das Verfahren über den Regelunterhalt nichtehelicher Kinder erst stattfindet, wenn die in § 1615 f BGB vorgesehenen Verordnungen in Kraft getreten sind. Ihr ist zu entnehmen, daß die Vertragspartner des Einigungsvertrages dieses Verfahren nicht für Ansprüche auf rückständigen Unterhalt aus der Zeit vor dem Wirksamwerden des Beitritts, die sich nach früherem DDR-Recht richten, zur Verfügung stellen wollten (vgl. die Erläuterungen vom 23. September 1990 – BGBl. II 885 – zu dieser Maßgabe).

Ebenso bedarf es keiner Stellungnahme zu der Frage, ob in einem Fall, in dem der Unterhaltsanspruch nicht dem Recht der Bundesrepublik unterliegt und das anzuwendende fremde Statut Regelungen, wie sie in §§ 1615 f, 1615 h BGB für den Regelunterhalt vorgesehen sind, nicht kennt, gleichwohl zur Leistung von Unterhalt in der Recheneinheit Regelunterhalt verurteilt werden kann, um den Zugang zu den verfahrensrechtlichen Erleichterungen gemäß §§ 642 ff ZPO zu ermöglichen (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 21. Aufl. § 643 Rdn. 6; OLG Stuttgart a.a.O. 413; Brüggemann DAVorm 1993, 818, 820).

Die Ausnahmeregelung des § 643 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll es dem Kind ermöglichen, zugleich mit der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft einen vorläufigen Unterhaltstitel zu erlangen, und so die zeitliche Verzögerung vermeiden, die eintreten würde, wenn das Kind erst nach Rechtskraft der Vaterschaftsfeststellung auf Unterhalt klagen könnte.

Allein um eines Unterhalts für die Vergangenheit willen erscheint eine analoge Erweiterung der Ausnahme von dem Klageverbindungsverbot des § 640 c ZPO nicht erforderlich (vgl. Brüggemann a.a.O. 818).

Sie ist wegen der vorgenannten Regelung des Einigungsvertrages auch nicht möglich, wenn rückständiger Unterhalt für die Zeit vor dem Beitritt – unbeziffert – nach Maßgabe der Richtlinien des OG geltend gemacht wird (a.A. OLG Naumburg a.a.O. 1471 f).

Ein in Verbindung mit der Vaterschaftsfeststellung ergehender Rahmentitel würde weder den Interessen des Kindes noch der Prozeßökonomie dienen, wenn nicht gleichzeitig nach §§ 643 Abs. 2, 642 a ZPO die vereinfachte Festsetzung des Betrages des Regelunterhalts erfolgen kann.

Die Bestimmung der Höhe des Unterhalts nach dem anzuwendenden Recht der DDR kann nicht durch eine Verurteilung zur Unterhaltszahlung „entsprechend den Richtlinien des OG” in das dem Rechtspfleger obliegende Festsetzungsverfahren nach § 642 a ZPO verlagert werden. Anders als die Regelunterhaltsverordnungen differenzieren diese Richtlinien nicht nur nach dem Alter des Kindes, sondern auch nach der Anzahl der Kinder, denen der Verpflichtete Unterhalt zu leisten hat, und insbesondere nach dessen Nettoeinkommen, das nach den Maßgaben dieser Richtlinien in jedem Einzelfall exakt zu ermitteln ist (vgl. OG NJ 1985, 117). Diese Einkommensermittlung im Festsetzungsverfahren würde zu einer sachfremden Erweiterung der Aufgaben des Rechtspflegers führen und die wesentlichen Vorteile dieses Verfahrens, nämlich seine schematische Einfachheit und Schnelligkeit, zunichte machen (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 983 zur Anwendung polnischen Unterhaltsrechts). Denn der Hinweis des OLG Naumburg (a.a.O. 1471), die Einkommensverhältnisse in der früheren DDR seien regelmäßig übersichtlich und ohne größere Schwierigkeiten einer Nachprüfung zugänglich, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Auch in der DDR gab es selbständige Einzelhandwerker, Inhaber von Gewerbebetrieben und freiberuflich Tätige, über deren Einkommen nach der Anregung in Abschnitt III Ziffer 4. lit. B und C der Richtlinie des OG von 1965 erforderlichenfalls Gutachten einzuholen waren. Bei abhängig Beschäftigten waren detaillierte Bestimmungen über die unterschiedliche Anrechenbarkeit einzelner Einkommensbestandteile zu beachten (Abschnitt III der Richtlinie von 1965 und Nr. 2 der Richtlinie von 1986), die weitreichende Kenntnisse des vielfältigen Prämien- und Zulagensystems der ehemaligen DDR voraussetzen. In Fällen der vorliegenden Art wird die Einkommensermittlung zusätzlich durch den inzwischen eingetretenen Zeitablauf erschwert; vielfach wird es kaum noch möglich sein, lückenlose Lohnauskünfte von inzwischen liquidierten Staatsbetrieben der DDR einzuholen.

2. Auch aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist eine verfahrensmäßige Gleichstellung nichtehelicher Kinder im Beitrittsgebiet mit solchen in den alten Bundesländern (vgl. Brüggemann a.a.O. 818) zumindest insoweit nicht geboten, als es um die Geltendmachung rückständigen Unterhalts geht.

Abgesehen von den weitgehend nicht miteinander vergleichbaren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die den Unterhaltsbedarf prägten, besteht ein maßgeblicher Unterschied zwischen nichtehelichen Kindern aus den alten und den neuen Bundesländern darin, daß sich ihr Unterhalt für die Zeit vor dem Beitritt nach unterschiedlichem materiellem Recht bemißt und das Verfahrensrecht – §§ 642 ff ZPO – untrennbar mit einer materiell-rechtlichen Regelung – Regelunterhalt – verbunden ist, die der einen Teilrechtsordnung fremd war (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 7. April 1994 – 1 BvR 419/94 – DAVorm 1994, 736 zur Anpassung von in der DDR errichteten Unterhaltstiteln im Vereinfachten Verfahren).

Nachdem in allen neuen Bundesländern Regelunterhaltsverordnungen in Kraft getreten sind, können dort lebende nichteheliche Kinder ihren laufenden Unterhalt in gleicher Weise verfolgen wie in den alten Bundesländern. Soweit sie für die Zeit vor dem Beitritt auf die Geltendmachung bezifferten Unterhalts im isolierten Verfahren verwiesen werden, sind gravierende Nachteile damit nicht verbunden.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Sprick

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128070

Nachschlagewerk BGH

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