Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausstellung eines Erbscheins. Erbschein

 

Leitsatz (amtlich)

  1. § 568 Abs. 2 ZPO findet im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens in dem Zwischenverfahren über die Berechtigung eines Zeugen zur Aussageverweigerung keine Anwendung.
  2. Zu den Voraussetzungen für das Zeugnisverweigerungsrecht eines Arztes.
 

Normenkette

FGG §§ 15, 72; ZPO §§ 383, 568 Abs. 2; BGB § 2353

 

Tenor

  1. Die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 9. September 1983 wird zurückgewiesen. Die dem Beteiligten zu 1) notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten hat der Beteiligte zu 3) zu tragen.
  2. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,- DM festgesetzt.
 

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1), Großneffe der am 5. Februar 1982 verstorbenen Erblasserin, hält sich für deren Alleinerben und wünscht einen entsprechenden Erbschein; dabei stützt er sich auf das Testament vom 9. Februar 1974. Dem Antrag steht das weitere Testament vom 6. November 1981 entgegen. Dort hat die Erblasserin verfügt, die Inhaberin des privaten Altenheims, in dem sie bis zu ihrem Tode gelebt hat, die Beteiligte zu 2), solle das ganze Vermögen erhalten.

Im Hinblick auf die äußere Form dieser letztwilligen Verfügung hat der Nachlaßrichter Bedenken, ob die Erblasserin bei der Errichtung testierfähig war. Hierüber will er deshalb den Arzt, den Beteiligten zu 3), als Zeugen vernehmen, der die Erblasserin zuletzt behandelt hat.

Der Beteiligte zu 3) verweigert die Aussage unter Berufung auf seine ärztliche Schweigepflicht. Das Nachlaßgericht hat diese Weigerung, "zur Frage der geistigen Verfassung der Verstorbenen in den letzten Wochen vor ihrem Ableben" Auskunft zu geben, für nicht rechtmäßig erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Frankfurt möchte § 568 Abs. 2 ZPO anwenden und die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) als unzulässig verwerfen. Daran sieht es sich jedoch durch die auf weitere Beschwerde ergangenen in BayObLGZ 1956, 389; KGJ 50, 6 und OLGZ 1966, 587 abgedruckten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Kammergerichts gehindert, in denen die gegenteilige Auffassung vertreten wird. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist zulässig.

Mit Recht geht das Oberlandesgericht davon aus, daß § 28 Abs. 2 FGG auch in einem Zwischenverfahren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 387 ZPO eingreift. Die Beweisaufnahme und der dabei auftretende Streit über die Berechtigung eines Zeugen zur Verweigerung seiner Aussage stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Erbscheinsverfahren (§§ 2353 ff. BGB, § 72 FGG) und betreffen dementsprechend eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von §§ 1, 28 FGG. Das ist hier nicht anders als bei der Prüfung des Armenrechts (der Prozeßkostenhilfe) für ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BGHZ 53, 369, 371), bei der Kostengrundentscheidung gemäß § 13 a Abs. 1 FGG und bei der Kostenfestsetzung nach § 13 a Abs. 2 FGG (BGHZ 31, 92, 94; 33, 205, 206). Da auch die übrigen Voraussetzungen der Vorlegung erfüllt sind, hat nunmehr der Bundesgerichtshof über die weitere Beschwerde zu entscheiden (§ 28 Abs. 3 FGG).

III.

Die weitere Beschwerde ist zulässig; § 568 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

Das vorlegende Oberlandesgericht stützt sich für seine gegenteilige Auffassung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in BGHZ 53, 369 und 33, 205. Für § 14 FGG habe der Bundesgerichtshof entschieden, daß diese Bestimmung auf sämtliche Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Armenrecht verweise; damit (§ 127 Satz 3 ZPO a.F. = § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO n.F.) sei auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine weitere Beschwerde gegen den das Armenrecht versagenden Beschluß des Amtsgerichts unzulässig. Es sei kein Grund erkennbar, aus dem der Gesetzgeber das Armenrechtsverfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit höheren Rechtsschutzgarantien hätte ausstatten wollen als in der streitigen Gerichtsbarkeit. Das müsse - jedenfalls für den Zwischenstreit über die Zeugnisverweigerung - in gleicher Weise für § 15 FGG gelten.

Mit dieser Auffassung setzt sich das vorlegende Gericht in bewußten Gegensatz zu der bisherigen Praxis der Oberlandesgerichte (aus neuerer Zeit vgl. auch: zur Ablehnung des Rechtspflegers BayObLGZ 1971, 358 und OLG Braunschweig RPfleger 1970, 167; zur Ablehnung eines Sachverständigen KG OLGZ 1966, 587, jeweils m.w.N.), die im Schrifttum einhellig gebilligt wird (Jansen, FGG 2. Aufl. § 15 Rdn. 47; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 21; Bumiller/Winkler, FGG 3. Aufl. § 15 Anm. 2 c bb; Bassenge/Herbst, FGG 2. Aufl. § 15 Anm. I 1 c; Schlegelberger, FGG 7. Aufl. § 15 Rdn. 17). Lediglich das Oberlandesgericht Hamburg hat sich einmal (NJW 1963, 722) dafür ausgesprochen, § 568 Abs. 2 ZPO in einem Fall anzuwenden, in dem ein Rechtsanwalt gemäß § 13 a Abs. 2 FGG, § 102 ZPO a.F. in die Kosten eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit verurteilt worden war (vgl. die ablehnende Anmerkung von Jansen in NJW 1963, 1162).

Der erkennende Senat schließt sich der herrschenden Meinung an.

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält keine eigenen Vorschriften über die Beweisaufnahme, Stattdessen begnügt es sich mit einer Verweisung auf Vorschriften der Zivilprozeßordnung. § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG bestimmt hierzu unter anderem, daß die "Vorschriften über den Zeugenbeweis" im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden sind. Die entsprechende Anwendung führt aber nicht dahin, daß die allgemeinen Vorschriften der §§ 1 ff. FGG für diesen Bereich bedeutungslos wären. Das zeigt sich beispielsweise daran, daß über die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung nach allgemeiner Meinung nicht, wie im Erkenntnisverfahren, gemäß § 387 ZPO durch Zwischenurteil, sondern in der Form zu entscheiden ist, die das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit dafür bereit hält, nämlich durch Beschluß. Dementsprechend hat auch das vorlegende Oberlandesgericht mit Recht nicht gezögert, die dem Beweisaufnahmeverfahren der Zivilprozeßordnung fremde Verfahrensvorschrift des § 28 Abs. 2 FGG hier anzuwenden und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Aber auch sonst bleiben - trotz der Verweisung in § 15 FGG - die allgemeinen Verfahrensvorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich auch für den Bereich der Beweisaufnahme maßgebend. Dazu gehören z.B. § 12 FGG und, wie Jansen (NJW 1963, 1162) zutreffend hervorgehoben hat, auch §§ 16 und 22 FGG.

Entsprechendes gilt auch für § 27 FGG. Ob die weitere Beschwerde gegen die hier angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts zulässig und wie dieses Rechtsmittel ausgestaltet ist, beurteilt sich nicht nach §§ 567 ff. ZPO; auf diese Vorschriften ist in § 15 FGG auch nicht mittelbar verwiesen. Maßgebend ist insoweit vielmehr ausschließlich das Rechtsmittelsystem, das das Gesetz für die freiwillige Gerichtsbarkeit zur Verfügung stellt.

Dem vorlegenden Oberlandesgericht ist zuzugeben, daß der vom Kammergericht (KGJ 50, 6) hierfür angeführte Gesichtspunkt, auch im Armenrechtsverfahren gebe es eine weitere Beschwerde, seit BGHZ 53, 369 überholt ist. Das steht der Auffassung des Senats aber nicht entgegen, weil § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, der die weitere Beschwerde ausschließt, kraft der Verweisung in § 14 FGG als Sondervorschrift der allgemeinen Regelung in § 27 FGG vorgeht. Entsprechendes gilt auch für § 568 Abs. 3 ZPO: Diese Bestimmung ist als Sondervorschrift für Streitigkeiten über Prozeßkosten über § 13 a FGG auch im Kostenfestsetzungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden.

Unter diesen Umständen erscheint es geboten, für die hier entscheidende Frage an der ganz herrschenden Auffassung festzuhalten. Das entspricht dem Grundsatz der Rechtssicherheit - hier in Form der Rechtsmittelsicherheit -, dem der Bundesgerichtshof auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit besondere Bedeutung beigemessen hat (Beschluß vom 15.2.1978 - IV ZB 76/77 = NJW 1978, 1260; vgl. auch BGHZ 85, 64, 66).

IV.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

Das Landgericht meint, die ärztliche Schweigepflicht erlösche grundsätzlich nicht mit dem Tode des Patienten; sie bestehe aber nicht mehr in demselben Umfang wie vorher. Die Rücksichtnahme auf seine Persönlichkeitsinteressen verliere an Bedeutung. Die uneingeschränkte Bejahung eines Zeugnisverweigerungsrechts liege weder in seinem Interesse noch in demjenigen seiner Angehörigen. Auch bestehe die Gefahr, daß wichtige Interessen der Hinterbliebenen oft durch Rücksicht auf verhältnismäßig unbedeutende oder nur vermeintliche Belange des Verstorbenen geschädigt würden. Wenn es darum gehe festzuhalten, ob ein Erblasser bei der Errichtung seiner Verfügung von Todes wegen testierfähig gewesen sei oder nicht, müsse ein objektiver Anhalt dafür vorliegen, daß ein vernünftiges Interesse an der Geheimhaltung der betreffenden Tatsache bestehe. Das sei hier nicht der Fall. Eine etwaige Testierunfähigkeit könne das Andenken des Verstorbenen nicht gefährden. Daß die in dem Testament bedachten Personen einen Nachteil erlitten, wenn die Ungültigkeit festgestellt werde, sei ohne Bedeutung. Das Gesetz ordne die Nichtigkeit des Testaments eines Testierunfähigen vor allem auch zu seinem eigenen Schutz an.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung durch den Senat (§ 27 FGG) jedenfalls im Ergebnis stand.

1.

Die allgemein jedermann auferlegte öffentlich-rechtliche Pflicht, als Zeuge vor Gericht auszusagen (§§ 380, 390 ZPO), unterliegt nach dem Gesetz gewissen Einschränkungen. So sind Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses über solche Tatsachen berechtigt, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht. Zu diesen Personen gehören unbestrittenermaßen auch Ärzte. Die hohe Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht wird in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausdrücklich anerkannt (BGH, Urteil vom 31.5.1983 - VI ZR 259/81 - NJW 1983, 2627, 2628). Nach dieser Entscheidung soll ihr auch gegenüber einem vertraglichen Auskunftsanspruch regelmäßig Vorrang zukommen.

2.

Das Nachlaßgericht hatte ein Zeugnisverweigerungsrecht des Beteiligten zu 3) verneint, weil dieser über Tatsachen vernommen werden sollte, die die Erblasserin ihm "nicht anvertraut" habe; vielmehr habe jeder verständige Mensch aus der Umgebung der Verstorbenen in gleicher Weise entsprechende Feststellungen treffen können. Daß gerade der behandelnde Arzt als Zeuge herangezogen werde, beruhe nur darauf, daß dem Gericht ein anderer Unbeteiligter, der damals mit der Erblasserin gesprochen habe, nicht bekannt sei. Dieser Auffassung ist das Landgericht mit Recht nicht gefolgt. Wie der Bundesgerichtshof bereits in BGHZ 40, 288, 293 f. im Anschluß an das Reichsgericht entschieden hat, muß der Begriff der "anvertrauten Tatsachen" vielmehr weit gefaßt werden; darunter sind auch solche Umstände zu verstehen, die ein Arzt aufgrund seiner Vertrauensstellung oder im Zusammenhang damit in dieser seiner Eigenschaft und Tätigkeit erfahren hat, gleichgültig ob diese Kenntnis auf einem besonderen Vertrauensakt beruht oder nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 20.4.1983 - VIII ZR 46/82 - ZIP 1983, 735). Das hat das Landgericht zutreffend erkannt; dementsprechend hat es seine Entscheidung anders begründet.

3.

Zu den Tatsachen, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach geboten ist und die der Arzt daher grundsätzlich verschweigen muß, gehören auch solche Umstände, die darauf hindeuten, daß der Patient in seiner Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 2 BGB) beschränkt sein könnte. Derartige Anzeichen weisen vielfach auf dauernde Persönlichkeitsdefekte hin (Störungen der Geistestätigkeit und damit zusammenhängende Beeinträchtigungen der freien Willensbestimmung, der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit), deren Bekanntwerden für den Patienten schwere Nachteile mit sich bringen kann. Der Arzt darf sie daher keinesfalls beliebig verbreiten.

4.

Wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, reicht die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod des Patienten hinaus (vgl. § 203 Abs. 4 StGB); sie gewährleistet damit, daß geheimhaltungsbedürftige Tatsachen aus seinem Lebensbereich auch nach seinem Ableben nicht oder jedenfalls nicht weiter als nötig aufgedeckt werden. Allerdings können frühere Geheimhaltungswünsche des Erblassers infolge der durch sein Ableben veränderten Sachlage inzwischen überholt sein. So mag ein Patient ein berechtigtes Interesse daran haben, daß die ungünstige Prognose seiner Krankheit und damit seine geringe Lebenserwartung vor seinem Tode nicht bekannt wird. Wie der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes a.a.O. zutreffend hervorgehoben hat, erledigt sich jedenfalls ein derartiges Geheimhaltungsinteresse in der Regel mit dem Ableben. Entsprechendes mag auch sonst vorkommen. In diesem Sinne ist es zutreffend, wenn das Landgericht in Übereinstimmung mit mehreren veröffentlichten Entscheidungen annimmt, der Umfang der ärztlichen Schweigepflicht könne mit dem Tode des Patienten abnehmen. Maßgebend für die Frage, ob und wie weit der Arzt von seiner Schweigepflicht nunmehr freigestellt ist, muß aber grundsätzlich der erklärte oder der mutmaßliche Wille dessen sein, der den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden kann (§ 385 Abs. 2 ZPO), also im allgemeinen derjenige des Patienten (BGH NJW 1983, 2627).

5.

Die Natur der ärztlichen Schweigepflicht bringt es mit sich, daß bei Lebzeiten des Patienten grundsätzlich nur dieser den Arzt von seiner Verschwiegenheit entbinden kann (§ 385 Abs. 2 ZPO). Das Reichsgericht hat dieses Befreiungsrecht des Patienten als höchstpersönlich und unvererblich bezeichnet (RGSt 71, 21). Dagegen hält der VI. Zivilsenat es in der bereits mehrfach genannten Entscheidung NJW 1983, 2627 für möglich, daß das Recht des Patienten auf Einsicht in die Krankenpapiere "gegebenenfalls ... in gewissem Umfang übergangsfähig" ist; dabei ist, soweit es um eine Vermögensrechtliche Komponente geht, an einen Übergang auf die Erben (§ 1922 BGB) gedacht, und soweit es sich um die Wahrnehmung nachwirkender Persönlichkeitsbelange handelt, an einen Übergang auf Angehörige. Indessen bedarf es hier keiner Vertiefung dieser Fragen, weil sich die Entscheidung des Landgerichts bereits aus anderen Gründen jedenfalls im Ergebnis als zutreffend erweist.

6.

Ob und in welchem Umfang der Arzt nach dem Tode des Patienten zum Schweigen verpflichtet ist, hängt, wie gesagt, in erster Linie von dem Willen des Patienten ab. Hat dieser sich hierüber bei Lebzeiten geäußert, sei es gegenüber dem Arzt oder gegenüber Dritten (vgl. hierzu BDH NJW 1960, 550), dann ist dieser Wille grundsätzlich maßgebend. Läßt sich dagegen eine positive Willensäußerung des Verstorbenen nicht feststellen, dann muß der mutmaßliche Wille des Patienten erforscht, also geprüft werden, ob er die konkrete Offenlegung durch den Arzt mutmaßlich gebilligt oder mißbilligt haben würde. Von der erkennbar gewordenen oder zu vermutenden Willensrichtung des Patienten nicht gedeckte Verweigerungsgründe sind sachfremd und daher unbeachtlich. Der Arzt wird den Willen des Patienten in vielen Fällen selbst am besten kennen. Auch aus diesem Grunde ist es sachgerecht, wenn der VI. Zivilsenat die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Schweigepflicht dem Arzt auferlegt hat.

Indessen kann der Arzt, wenn er in einem gerichtlichen Verfahren auf Aufdeckung von Umständen in Anspruch genommen wird, die an sich unter seine Schweigepflicht (fallen oder) fallen können, sich nicht darauf beschränken, die Offenlegung "aus grundsätzlichen Erwägungen" verweigern zu wollen. Vielmehr erwartet der VI. Zivilsenat von dem Arzt in einer solchen Lage die gewissenhafte Erfüllung strenger, ins einzelne gehender Prüfungspflichten und auch die Darlegung, auf welche Belange des Verstorbenen sich seine Weigerung stützt. Ohne eine derartige Prüfung und Darlegung durch den Arzt wäre die ihm hier eingeräumte weitgehende eigene Entscheidungsbefugnis auch nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht tragbar.

Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte zu 3) seine Weigerung lediglich mit nicht ausreichenden allgemeinen Erwägungen begründet. Seine Ausführungen lassen insbesondere nicht erkennen, daß die Erblasserin sich über die Geheimhaltung ihres Zustandes auch nach ihrem Tode geäußert hätte. Weiter ist nicht ersichtlich, daß der Wille der Erblasserin mutmaßlich dahin gegangen wäre, ihren Zustand auch im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlaßgericht zu verbergen. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, geht das Interesse des Erblassers im allgemeinen dahin, aufkommende Zweifel über seine Testierfähigkeit nach Möglichkeit auszuräumen. Das liegt für den testierfähigen Erblasser auf der Hand, gilt aber auch für den Testierunfähigen. Sein wohlverstandenes Interesse ist nicht darauf gerichtet zu verbergen, daß er testierunfähig ist; vielmehr würden damit umgekehrt die seinem Schutz dienenden Vorschriften über die Testierfähigkeit in vielen Fällen gerade unterlaufen.

Mit Recht weist das Landgericht ferner darauf hin, daß der Beteiligte zu 3) die Aussage nicht etwa aus Rücksicht auf die in dem fraglichen Testament bedachte Inhaberin des Altenheims verweigern darf, in dem die Erblasserin bis zu ihrem Tode gelebt hat.

Unter diesen Umständen ist die sofortige weitere Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 13 a Abs. 1 FGG zurückzuweisen. Das schließt nicht aus, daß bei der Vernehmung des Zeugen einzelne Fragen gestellt werden, auf die der Zeuge keine Antwort geben muß. Er würde eine erneute Verweigerung seiner Aussage allerdings näher begründen müssen. Alsdann stünde einem weiteren Zwischenverfahren über die Berechtigung der Aussageverweigerung nichts im Wege.

 

Unterschriften

Rottmüller,

Dehner,

Dr. Schmidt-Kessel,

Dr. Zopfs,

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456062

BGHZ, 392

JR 1985, 111

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