Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

In Ergänzung des zur Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 ergangenen Urteils III 9/55 U vom 15. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 423, BStBl 1955 III S. 162) wird zur Vermögensabgabe ausgesprochen:

Auch soweit das Recht des überlebenden Ehegatten auf die Verwaltung und Nutznießung des Erbhofes nicht auf Grund einer Anordnung des Erblassers (ß 26 RErbhG vom 29. September 1933 - RGBl I S. 685 -), sondern kraft Gesetzes (ß 7 der Erbhoffortbildungsverordnung - EHFV - vom 30. September 1943 - RGBl I S. 549 -) entstanden ist, ist sein Wert von dem vermögensabgabepflichtigen Vermögen des Anerben abzugsfähig.

Die Verpflichtung des Anerben gegenüber seinen Geschwistern aus § 30 RErbhG (Unterhalt und Erziehung bis zur Erreichung ihrer Volljährigkeit, Berufsausbildung, Ausstattung usw.) sind von dem vermögensabgabepflichtigen Vermögen des Anerben insoweit abzugsfähig, als sie um die Zeit des Stichtages als tatsächliche und wirtschaftliche Belastung bestanden haben.

 

Normenkette

BewG § 67 Ziff. 4, § 110/1/4, § 74/1/2, § 118/1/2; LAG § 21 Abs. 1 Ziff. 1, § 24 Ziff. 6

 

Tatbestand

Auf den am 28. Januar 1929 geborenen Beschwerdeführer (Bf.) als Anerben ging der Hof seines Vaters bei dessen Ableben am 28. März 1940 über. Nach § 7 in Verbindung mit § 19 und § 50 Abs. 3 der Erbhoffortbildungsverordnung (EHFV) vom 30. September 1943 (Reichsgesetzblatt - RGBl - 1943 I S. 549 ff.) stand der Mutter des Bf., die ihren Ehemann überlebte, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Bf. - also ab Entstehung des Rechts 14 Jahre lang - die bäuerliche Verwaltung und Nutznießung an dem Erbhof zu. Der Abzug dieser Last vom vermögensabgabepflichtigen Vermögen des Bf. ist streitig.

Ferner ist in Streit befangen der Abzug der Verpflichtungen des Bf. aus § 30 des Reichserbhofgesetzes (RErbhG) gegenüber seinen Geschwistern (bezüglich ihres Unterhalts und ihrer Erziehung bis zur Erreichung ihrer Volljährigkeit, ihrer Berufsausbildung, ihrer Ausstattung usw.).

Nach der Ablehnung des Antrages des Bf., die Abzüge zuzulassen, ist auch seine Sprungberufung ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat ausgeführt, kraft Gesetzes entstandene Verwaltungs- und Nutznießungsrechte seien als Verpflichtungen nicht abzugsfähig. Sie seien nicht verkehrs- und bewertungsfähig. Dies gelte auch von dem Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des überlebenden Ehegatten im Falle des § 7 EHFV. Bei den Verpflichtungen des Bf. aus § 30 RErbhG handle es sich dem Wortlaut und dem Wesen nach um nicht abzugsfähige gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen.

 

Entscheidungsgründe

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Bf.

Er hat zwar beantragt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung über die Rb. anzuberaumen. Der Senat erachtet es indessen für angemessen, zunächst auf Grund des § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) einen Vorbescheid zu erlassen.

Der erkennende Senat hat, was zunächst das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht angeht, in seinem Urteil III 9/55 U vom 15. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 423, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 162) in einem Erbhoffalle, in dem durch Ehe- und Erbvertrag zugunsten der Witwe das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht an der Hofstelle für die Zeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des männlichen Anerben bestellt war, den Abzug der Verpflichtung vom Vermögen des Anerben bei der Veranlagung zur Vermögensteuer 1949 zugelassen. Die Vorschriften des BGB über das elterliche Verwaltungs- und Nutznießungsrecht am Kindesvermögen ließen sich nicht ohne weiteres auf das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht an einem Erbhof übertragen. Im letzteren Falle handle es sich um ein Recht besonderer Art. Durch die Regelung des § 26 RErbhG, der zu dem mit "Erbfolge kraft Anerbenrechts" überschriebenen Abschnitt des Gesetzes gehöre, habe dem überlebenden Ehegatten eine angemessene Stellung auf dem Erbhof gesichert werden sollen. Ferner unterscheide sich das Recht aus § 26 RErbhG von dem allgemeinen elterlichen Verwaltungs- und Nutznießungsrecht durch seine längere Dauer. In der damaligen Entscheidung ist die Frage der Abzugsfähigkeit von gesetzlichen Verwaltungs- und Nutznießungsrechten im Falle des § 7 EHFV ausdrücklich offengeblieben.

Die Entwicklung der Rechtsvorschriften über die Verwaltung und Nutznießung des überlebenden Ehegatten bei Erbhöfen ist dahin gegangen, daß sich die anfängliche gesetzliche Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Schaffung solcher Rechte zugunsten des überlebenden Ehegatten (ß 26 RErbhG, § 11 der Erbhofrechtsverordnung - EHRV -) zu ihrer automatischen gesetzlichen Begründung mit der Maßgabe verdichtet hat, daß die Beteiligten die Entstehung des Verwaltungs- und Nutznießungsrechts rechtsgeschäftlich ausschließen, begrenzen oder beschränken können (ß 7 EHFV). Der Zug der Gesetzgebung ist also in Richtung einer Verstärkung der Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten gegangen, ohne daß sich das Wesen des Verwaltungs- und Nutznießungsrechts gewandelt hat. Es ist deshalb nicht folgerichtig, wenn die Vorinstanz das verstärkte Recht beim Vermögen des Verpflichteten vom Abzuge ausschließt, während die Verpflichtung zur Duldung der Verwaltung und Nutznießung, wie sie nach § 26 RErbhG oder § 11 EHRV hat geschaffen werden können, als abzugsfähig anerkannt ist. Der Charakter des Zwecks der Bestimmungen - erbrechtlicher Ausgleich des Anerbenprivilegs zugunsten des überlebenden Ehegatten unter Verwendung seiner Erfahrungen - ist voll erhalten geblieben. Die Rechtsnatur des hier streitigen Verwaltungs- und Nutznießungsrechts ist deshalb auch im Sinne des § 7 EHFV von derjenigen, der nicht bewertungsfähigen familienrechtlichen Nutzungsrechte (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III A 848/31 vom 19. Januar 1934, Reichssteuerblatt - RStBl - 1934 S. 204), insbesondere des elterlichen Verwaltungs- und Nutznießungsrechts verschieden, das keinerlei erbrechtlichen Charakter besitzt, schlechthin - schon vor dem Ableben eines der Eheleute - besteht und zu einem anderen Zeitpunkt endet. Selbst der scheinbare formelle Wandel dahin, daß das Recht des überlebenden Ehegatten nach § 7 EHFV kraft Gesetzes entstanden ist, geht zwar, wie oben ausgeführt, in Richtung einer Verstärkung der Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten. Doch hängt sein Eintritt jedenfalls mittelbar nach wie vor von dem rechtsgeschäftlichen Willen der Beteiligten insofern ab, als sie es rechtsgeschäftlich ausschließen oder einschränken können.

Demgemäß steht der Senat auf dem Standpunkt, daß auch die Verpflichtungen zur Duldung der Verwaltung und Nutznießung auf Grund des § 7 EHFV Verpflichtungen eigener Art und trotz ihrer unmittelbaren Fundierung im Gesetz ihrer Wesensart und ihrem Rechtscharakter nach den inhaltlich gleichartigen und ihnen im § 17 EHFV ausdrücklich gleichgestellten Verpflichtungen aus § 26 RErbhG, die Gegenstand des Urteils III 9/55 U waren, steuerrechtlich gleichzubehandeln sind. Sie stehen nicht auf einer Stufe mit den im § 24 Ziff. 6 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) vom Abzug ausgeschlossenen Verbindlichkeiten auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht, wie sie im allgemeinen bürgerlichen Recht zwischen Eltern und Kindern, Eheleuten usw. bestehen, und sind, da sie nicht Bestandteil der elterlichen Gewalt sind, selbständig bewertungsfähig. Es kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die Verpflichtungen aus § 7 EHFV den gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen im Sinne des § 24 Ziff. 6 LAG gleichzustellen.

Der Senat gelangt also zu dem Ergebnis, daß die hier streitige Verpflichtung des Bf. zur Duldung der Verwaltung und Nutznießung abzugsfähig ist.

Was weiterhin den Abzug der Verpflichtungen des Bf. aus § 30 RErbhG gegenüber seinen Geschwistern (bezüglich ihres Unterhalts und ihrer Erziehung bis zur Erreichung ihrer Volljährigkeit, ihrer Berufsausbildung, ihrer Ausstattung usw.) betrifft, so handelt es sich auch hier um einen erbrechtlichen Ausgleich für die rechtlich privilegierte Stellung des Anerben zugunsten seiner Geschwister. Deshalb kann auch hier von einem bloßen gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 24 Ziff. 6 LAG keine Rede sein. Demnach können auch die Verpflichtungen des Anerben gegenüber seinen Geschwistern aus § 30 RErbhG bei seinem vermögensabgabepflichtigen Vermögen vom Abzug grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Voraussetzung ist, daß sie um die Zeit des Stichtages als tatsächliche und wirtschaftliche Belastung bestanden haben (vgl. § 74 Abs. 1 Ziff. 2 des Bewertungsgesetzes).

Daher unterliegt das angefochtene Urteil wegen Rechtsirrtums der Aufhebung. Die Sache geht an das Finanzgericht zur Ermittlung des Wertes der beiden streitigen Verpflichtungen aus § 7 EHFV und § 30 RErbhG und zum entsprechenden Ansatz im Sinne der vorstehenden Ausführungen bei der Berechnung der Vermögensabgabe zurück.

Die Entscheidung über die Kosten und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes wird nach § 318 Abs. 2 und § 320 Abs. 3 AO dem Finanzgericht übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408507

BStBl III 1956, 271

BFHE 1957, 192

BFHE 63, 192

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