Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Unterhaltszuschüsse an Referendare sind Arbeitslohn. Sie sind nicht als steuerfreie Bezüge anzusehen, die aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zum Zwecke der unmittelbaren Förderung der Ausbildung bewilligt werden.

 

Normenkette

EStG § 3 Ziff. 10, § 3/11, § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStDV § 6 Ziff. 8, § 6/9

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die dem Beschwerdegegner (Bg.) in den Jahren 1950 und 1951 in seiner Eigenschaft als Gerichtsreferendar im Bezirk des Kammergerichts in Berlin gezahlten Unterhaltszuschüsse (monatlich 200 DM, in einem Monat 133,33 DM) lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn oder steuerfreie Bezüge aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 3 Ziff. 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1950 Teil I S. 183 ff.) = § 6 Ziff. 8 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind. Das Finanzamt hatte, gestützt auf Abschn. I, 2 Abs. 1 Ziff. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1950 (Verordnungsblatt für Groß- Berlin Teil II S. 1315), Arbeitslohn angenommen und dementsprechend den Antrag des Beschwerdeführers (Bf.), ihm die in den Jahren 1950 und 1951 einbehaltene Lohnsteuer zu erstatten, abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht gab dagegen dem Erstattungsantrage statt. Es vertrat den Standpunkt, daß zwar keine Unterstützung für Hilfsbedürftigkeit vorliege, wohl aber eine Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Ausbildung im Sinne von § 3 Ziff. 10 EStG. Das Gutachten des Reichsfinanzhofs VI D 1/27 vom 12. August 1927, Slg. Bd. 21 S. 349 ff., habe zwar im Gegensatz zu einem kurz zuvor ergangenen Urteil VI A 618/26 vom 2. Februar 1927, Steuer und Wirtschaft 1927 Nr. 56, die Lohnsteuerpflicht der Bezüge der Gerichtsreferendare bejaht. Es träfe aber wegen der inzwischen veränderten Verhältnisse nicht mehr zu.

Das Gutachten habe damals folgendes ausgeführt: Bei der Beurteilung der Natur der Zuschüsse sei vor allem ein entscheidendes Gewicht darauf zu legen, daß bei allen Anwärtern für den Staatsdienst einschließlich der Referendare gleichmäßig anzunehmen sei, daß auch die von ihnen zum Zwecke der Ausbildung geleistete Arbeit im staatlichen Interesse liege und daß, wenn ein Anwärter in solchen Fällen eine Vergütung erhalte, diese als Entgelt nicht allein für die im Vorbereitungsdienste geleistete Arbeit, sondern nach der Verkehrsanschauung gewissermaßen als eine vorweggenommene Vergütung dafür anzusehen sei, daß der Anwärter nach Abschluß seiner Ausbildung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Gemeinde, Staat, Reich) seine Dienste als Beamter widme. Dann aber trete der an sich richtige Gesichtspunkt, daß die Zuschüsse im Interesse der Ausbildung den Referendaren gewährt werden, naturgemäß so stark in den Hintergrund, daß nicht mehr davon die Rede sein könne, daß mit den Zuschüssen eine unmittelbare Förderung der fachlichen Ausbildung bezweckt werden solle. Somit bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen den Zuschüssen für die Referendare und denen für die Beamtenanwärter der Reichsfinanzverwaltung, bei welchen das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 293/22 vom 28. Juni 1922, Slg. Bd. 10 S. 30, die ihnen gewährten Unterhaltszuschüsse als Arbeitslohn angesehen habe. Dafür spreche insbesondere noch, daß sie regelmäßig in der ersten Zeit des Vorbereitungsdienstes nicht gezahlt werden, daß sie in unmittelbare Beziehung zu der Beschäftigung im Staatsdienst gesetzt seien und nach besoldungsrechtlichen Grundsätzen mit der Dauer des Vorbereitungsdienstes stiegen.

Das Gutachten des Reichsfinanzhofs stütze sich danach, wie die Vorinstanz weiter ausführt, insbesondere auf folgende tatsächliche Voraussetzungen: Die Zuschüsse an die Referendare würden in der ersten Vorbereitungszeit nicht gezahlt, sie würden vor allem fachlich geeigneten Referendaren gewährt, sie stiegen mit der Dienstzeit und seien nach der Verkehrsanschauung vorweggenommene Vergütungen für den späteren Eintritt in den öffentlichen Dienst. Diese tatsächlichen Verhältnisse lägen aber heute nicht mehr vor. Die Zuschüsse würden schon bei Beginn des Vorbereitungsdienstes gezahlt. Für ihre Gewährung sei nicht die Eignung des Empfängers ausschlaggebend, sie erhöhten sich nicht mit dessen Dienstalter und könnten kaum noch als vorweggenommene Vergütung für den künftigen Eintritt in den öffentlichen Dienst angesehen werden; denn ihre Bewilligung hänge nicht mehr von der Verpflichtung ab, später in diesen Dienst zu treten oder Rechtsanwalt zu werden, weil die öffentliche Verwaltung nur etwa 10 v. H. der Referendare nach ihrer Ausbildung übernehmen könne. Danach sei es schon bedenklich, das Gutachten des Reichsfinanzhofs von 1927 noch heute zur Beurteilung der Steuerfrage heranzuziehen. Dagegen spreche außerdem, daß die Referendare weniger als früher die Gerichte entlasten und die Arbeitskraft höherer Angestellter ersetzen, weil ihre Vorbildung auf der Schule und die Fortbildung auf den Universitäten unter den Zeitverhältnissen gelitten habe, andererseits auch die Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung erheblich gewachsen seien. Die Vielzahl der zur Ausbildung überwiesenen Referendare bürde den Richtern oft zusätzliche Arbeit auf, statt sie zu entlasten. Die Justizverwaltung beschäftige deshalb die vielen Referendare nicht, um andere Angestellte zu ersparen, sondern zu ihrer Ausbildung. Dieser Gesichtspunkt trete heute mehr als je in den Vordergrund. Unter den jetzigen Wirtschaftsverhältnissen sollen die Unterhaltszuschüsse diese Ausbildung fördern, oft sogar erst ermöglichen, weil die Referendare - ohne sie - viel Zeit dem Broterwerb widmen müßten. Nach der neuen Lage seien die Unterhaltszuschüsse der Referendare als lohnsteuerfreie Zuschüsse zur unmittelbaren Förderung der fachlichen Ausbildung einkommensteuerfrei, der Erstattungsantrag des Bg. mithin berechtigt.

In seiner wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen Rechtsbeschwerde hält der Vorsteher des Finanzamts, vertreten durch das Landesfinanzamt, seine Rechtsauffassung aufrecht. Die Vorentscheidung verkenne, daß der Referendar im Gegensatz zum Studierenden an einer Hochschule Bediensteter der öffentlichen Verwaltung sei, weil er unstreitig mit Aufgaben der Justizverwaltung befaßt werde, in dieser Tätigkeit auch mit den Eigenschaften der im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen ausgestattet sei. Soweit er in dieser Eigenschaft von der Verwaltung einen Unterhaltszuschuß empfange, sei er steuerrechtlich Arbeitnehmer und der gezahlte Unterhaltszuschuß Arbeitslohn. Der Begriff Arbeitslohn umfasse nicht nur Gehälter, Besoldungen und Löhne im engeren Sinne, sondern auch geldwerte Vorteile und Entschädigungen jeglicher Art. Im übrigen widerspreche der Annahme einer steuerfreien Ausbildungsbeihilfe schon der Umstand, daß der Unterhaltszuschuß verschieden hoch bemessen sei, je nachdem ob der Referendar ledig oder verheiratet sei. Wenn der Familienstand des Empfängers mitbestimmend für die Höhe des Unterhaltszuschusses sei und bei dessen Bemessung die Unterhaltsrechte dritter Personen berücksichtigt würden, so könne nicht mehr davon gesprochen werden, daß der Zuschuß zur unmittelbaren Förderung der Ausbildung des Empfängers bestimmt sei.

Der Bg. bestreitet die Rechtserheblichkeit dieser Ausführungen und verweist zusätzlich auf die geplante Neuregelung der Ausbildungsbeihilfen in Berlin. In einem Verordnungsentwurf des Senators für Justiz über die Neuregelung der Zahlung von Ausbildungsbeihilfen und Vergütungen an die im Justizdienst befindlichen Referendare werde die Ausbildungsbeihilfe ausdrücklich für lohnsteuerfrei erklärt im Gegensatz zu der lohnsteuerpflichtigen Vergütung, die der Referendar dann erhalte, wenn er ausnahmsweise außerhalb der Ausbildung als Ersatz einer Arbeitskraft verwendet werde. Sachlich stehe der jetzt noch mit "Unterhaltszuschuss" bezeichnete Zuschuß der künftigen Ausbildungsbeihilfe gleich. Er werde im übrigen nach Massgabe der zur Verfügung stehenden Mittel an bedürftige Referendare bereits vom Beginn des Vorbereitungsdienstes ab ohne Berücksichtigung ihrer Leistungen mit der alleinigen Differenzierung zwischen Verheirateten und Ledigen gezahlt. Aus der Anstellung im öffentlichen Dienst allein könne auch noch nicht auf einen Bezug von Arbeitslohn geschlossen werden. Auch Blümich-Falk rechne in Anm. 9 zu § 3 EStG Unterhaltszuschüsse zu den steuerfreien Bezügen ohne Rücksicht auf die Art der Ausbildung. Ebenso betrachte das Bundesversorgungsrecht die Unterhaltszuschüsse der Referendare nicht als Einkommen. Schließlich greife auch die Steuerfreiheit wegen Hilfsbedürftigkeit durch, weil der Unterhaltszuschuß schon jetzt ausschließlich an bedürftige Referendare nach einer eingehenden individuellen Prüfung der wirtschaftlichen Notlage des Einzelnen gezahlt werde.

Der Senat hat im Hinblick auf die erhebliche rechtliche Bedeutung der Streitfrage den Bundesminister der Finanzen um Beteiligung am Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) ersucht. Der Bundesminister der Finanzen hat zwar davon abgesehen, dem Verfahren förmlich beizutreten, hat jedoch ausführlich zur Streitfrage im Sinne der Rechtsbeschwerde Stellung genommen: Hilfsbedürftigkeit scheide als Befreiungsgrund aus, weil diese nicht die entscheidende Veranlassung für die Bewilligung der Bezüge sei. Für die Frage der Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Ausbildung sei weder die Bezeichnung der Bezüge noch die Meinung der bewilligenden Behörde maßgebend. Trotz der starken Zersplitterung in der Regelung der Unterhaltszuschüsse seitens der einzelnen Länder müsse auf die im wesentlichen einheitliche Behandlung aller Beamtenanwärter abgestellt werden. Bei allen Anwärtern werde die Ausbildung im Rahmen des Dienstbetriebs der Behörde durch Einschaltung in die praktische Behördenarbeit durchgeführt. Für alle solche Fälle könne § 3 Ziff. 10 EStG 1950 nicht angewendet werden. Die Beihilfe sie hier immer im Ergebnis eine Vergütung für diese Arbeitsleistung. Dabei sei die Beamtenausbildungszeit als Einheit zu behandeln. Eine Zuwendung verliere den Charakter der "reinen Ausbildungsbeihilfe", wenn ihr zwar vielleicht nicht zur Zeit der Gewährung, aber im Laufe der weiteren Ausbildung eine Arbeitsleistung gegenüberstehe. Auch die Gewährung von Kinderzuschlägen in den meisten Länderregelungen spreche gegen die Steuerfreiheit, da diese Zuschläge ausdrücklich nicht unter die Befreiungsvorschrift fielen. Daß Zuschüsse nur nach Massgabe der vorhandenen Mittel und nicht gleichmäßig an alle Referendare gezahlt würden, stehe der Annahme von Arbeitslohn nicht entgegen. Eine Verneinung der Steuerpflicht der Unterhaltszuschüsse an Referendare müßte zu erheblichen Einbrüchen in den geltenden steuerlichen Begriff des Arbeitslohns führen.

Der Bg. bekämpft diese Ausführungen als hinsichtlich der Referendare sachlich nicht zutreffend. Rein fiskalische Erwägungen, die letztlich ausschlaggebend für die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen gewesen seien, müßten bei der Auslegung einer Rechtsvorschrift ausgeschaltet bleiben. Auch nach der Auffassung des Bundesministers der Finanzen könne eine zum Zwecke der Sicherstellung der persönlichen Lebensführung gegebene Ausbildungsbeihilfe unter § 3 Ziff. 10 EStG 1950 fallen. Das treffe bei den Unterhaltszuschüssen der Referendare zu. Die Gerichtsreferendare würden zum Zwecke der Ausbildung beschäftigt. Im Schrifttum sei wiederholt die Klage laut geworden, daß die Tätigkeit des Referendars jeder Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ermangele. Die Referendare würden nirgendwo zu einer nennenswerten Arbeitsleistung herangezogen, sondern ausschließlich mit übungen zum Zwecke der Ausbildung beschäftigt. Von einer im staatlichen Interesse geleisteten Arbeit könne nicht die Rede sein. Die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse lägen bei den Referendaren keineswegs gleich mit denen anderer Beamtenanwärter, sondern seien wesentlich verschieden. Die Tätigkeit der übrigen Beamtenanwärter sei überwiegend praktischer Natur. Sie sei an die Dienstzeit gebunden, die Anwärter würden als Zuarbeiter der ausbildenden Beamten verwendet und seien wirkliche Anwärter auf die von ihnen zu erlernende Tätigkeit. Dagegen seien die Gerichtsreferendare keine Richteranwärter, ihre Tätigkeit diene nur der Vertiefung und Erweiterung des juristischen Studiums und sei nicht an die Dienstzeit gebunden. Sie hätten in erheblichem Masse freie Zeit zu ihrer selbständigen fachlichen Weiterbildung, die auch für die Assessorenprüfung erforderlich sei. Die Tätigkeit der Studienreferendare unterscheide sich von der der Gerichtsreferendare durch die in erheblichem Ausmaß verlangte und geübte eigenverantwortliche Tätigkeit der Studienreferendare im Schulbetrieb und die damit verbundene Arbeitsleistung. Im übrigen erhielten die anderen Beamtenanwärter stets Zuschüsse ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Bg. weist weiter auf die neue Berliner Ausbildungsordnung für Juristen (JAO) vom 24. Januar 1953 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin S. 77) hin, womit auch äußerlich die Verschiedenartigkeit der an Gerichtsreferendare und der an andere Anwärter gewährten Zuschüsse hervorgehoben werde. Denn § 30 Abs. 3 JAO bestimme, daß die Gewährung von Unterhaltszuschüssen an Referendare durch Rechtsverordnung zu regeln sei. Sachlich bestimme § 32 JAO: "Allein das Ziel der Ausbildung bestimmt Maß und Art der dem Referendar zu übertragenden Arbeiten". Schließlich meint der Bg., die Erklärung des Bundesministers der Finanzen sei verfahrensrechtlich nicht zu beachten, weil der Bundesminister der Finanzen den Beitritt zum Verfahren abgelehnt und somit im Sinne des § 288 AO nicht beteiligt sei. Seine Eingabe, die unmittelbare Beeinflussung der Entscheidung in einer fremden Rechtssache erstrebe, dürfe im Verfahren weder Beachtung noch Verwertung finden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Nach § 3 Ziff. 10 EStG 1950 sind von der Einkommensteuer befreit Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Ausbildung unmittelbar zu fördern. Darunter fallen nicht Kinderzuschläge und Kinderbeihilfen, die auf Grund der Besoldungsgesetze, besonderer Tarife oder ähnlicher Vorschriften gewährt werden. Der Senat glaubt, im Gegensatz zur Vorbehörde, das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Befreiungsvorschrift bei dem Bg. in übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesministers der Finanzen verneinen zu sollen. Er verkennt dabei nicht, daß beachtliche Gründe auch für eine Bejahung der Frage sprechen, ist jedoch der Meinung, daß den dagegen sprechenden Gründen der Vorrang einzuräumen ist.

Was zunächst den verfahrensrechtlichen Vorgang der schriftlichen Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen auf Ersuchen des Senats um Beitritt zum Verfahren anlangt, so stellt die äußerung allein aus dem Grunde, weil der Bundesminister der Finanzen davon abgesehen hat, dem Verfahren beizutreten, noch keinen Versuch dar, das gerichtliche Verfahren in unzulässiger Weise zu beeinflussen, der unbeachtet bleiben müßte. Der äußerung kommt vielmehr verfahrensrechtlich die Bedeutung eines Gutachtens zu, dessen Verwertung bei der Urteilsfällung schon deswegen nichts im Wege steht, weil das Ersuchen des Senats an den Bundesminister der Finanzen darauf abzielte, gerade eine Stellungnahme der für die Durchführung der Steuergesetze verantwortlichen Stelle der Verwaltung zum Sachstreit herbeizuführen. Im übrigen gilt im Steuerprozeßverfahren die Offizialmaxime (vgl. §§ 243, 244 AO); es steht den Gerichten frei, über die Anhörung anderer Personen, auch von Behörden, zu entscheiden. Dem Bg. ist auch ausreichend Gelegenheit gegeben worden, sich zu der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen zu äußern.

Der dem Bg. gewährte Unterhaltszuschuß ist kein Bezug wegen Hilfsbedürftigkeit. Die Unterhaltszuschüsse werden den Referendaren wie auch sonst Beamtenanwärtern nicht wegen der persönlichen wirtschaftlichen Notlage der Empfänger gegeben, wie etwa die Leistungen der öffentlichen Fürsorge, sondern wegen der von den Empfängern gewählten Berufsart. Daß die Zuschüsse mit Rücksicht auf die Begrenztheit der den Ländern zur Verfügung stehenden Mittel in erster Linie oder ausschließlich solchen Referendaren gewährt werden, deren wirtschaftliche Lage eine derartige Erleichterung geboten erscheinen läßt, verändert den der Leistung zugrunde liegenden Zweck umsoweniger, als in manchen Ländern von einem tieferen Eindringen in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Einzelnen bei der Prüfung der Frage der Bedürftigkeit abgesehen wird und so je nach den verfügbaren Mitteln auch solche Referendare bzw. Beamtenanwärter in den Genuß der Zuschüsse kommen können, bei denen von einer wirtschaftlichen Notlage ernstlich nicht mehr gesprochen werden kann.

Der Senat sieht in dem Unterhaltszuschuß auch keine Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Ausbildung. Es ist zwar richtig, daß die gewährten Beträge im Hinblick auf die Ausbildung gewährt werden, daß auch ein sehr großer Teil der Referendare später nicht die Beamtenlaufbahn ergreift, der Tatbestand insoweit also nicht mit den Beamtenanwärtern des gehobenen, mittleren und einfachen Behördendienstes übereinstimmt, eine vorweggenommene Vergütung für spätere Dienstleistungen mithin nicht gut angenommen werden kann. Richtig ist ferner, daß die Zuschüsse auch in den Zeiträumen gewährt werden, in denen die Referendare bei dritten Personen beschäftigt sind (z. B. Anwalts- und Verwaltungsstation). Indessen ist der Senat mit dem Bundesminister der Finanzen der Meinung, daß die wirtschaftliche Bedeutung der nach dem ersten Weltkrieg geschaffenen Einrichtung der Unterhaltszuschüsse nicht getrennt nach einzelnen Gruppen der im Vorbereitungsdienst befindlichen Personen betrachtet werden darf, sondern ihrem Wesen nach eine für alle Gruppen gleichartige Einrichtung ist. Daß die Betätigung je nach dem Zweck der Ausbildung erheblich voneinander abweichende äußere Formen aufweist und daß die Ausgestaltung der Zuschüsse nach Voraussetzungen und Höhe in den einzelnen Ländern nicht einheitlich ist, sondern zahlreiche Abwandlungen enthält, ändert an dem grundlegenden wirtschaftlichen Wesen noch nichts. Dasselbe gilt von dem zeitlichen Wechsel des äußeren Bildes der Zuschußgestaltung, das hauptsächlich beeinflußt wird durch die allgemeine wirtschaftliche Lage, die finanzielle staatliche Leistungsfähigkeit und die jeweilige Auffassung über allgemeine Staatsaufgaben, und das zum Teil dazu geführt hat, jedem "Anwärter" unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage einen Zuschuß zuzubilligen (vgl. Einzelzeiten in Ambrosius, Das Besoldungsrecht der Beamten, 5. Auflage 1954 Teil 2 Anm. 14 zu § 1 des Besoldungsgesetzes, und Teil 4 S. 426, 462, 493, 544, 583, 597, 652 und 672).

Alle diese Verschiedenheiten können das strukturelle Wesen der Einrichtung nicht entscheidend beeinflussen. Sie müssen zurücktreten gegenüber der grundlegenden Erscheinungsform, daß die Zuschußempfänger unselbständig in den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsapparat im weitesten Sinne eingegliedert sind und daß sie dort Leistungen verrichten sollen, die diesem Verwaltungsapparat eigen sind. Sie gleichen insofern den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes und werden im wesentlichen auch ähnlich wie diese behandelt. Daß die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu übungszwecken gestellt werden, ändert nicht den Charakter der Leistungen. Auch der Umstand, daß ihnen noch die zu einer theoretischen Weiterbildung erforderliche Zeit zur Verfügung gestellt, dabei auch eine gewisse persönliche Freiheit in der Zeiteinteilung gewährt und demgemäß auch das Ausmaß des ihnen zugewiesenen Aufgabenkreises mehr oder weniger erheblich eingeschränkt wird und sie besonderer sachlicher, ihrer Vorbildung angepaßter Anleitung bzw. überwachung unterliegen, beseitigt ebenfalls weder die Tatsache der unselbständigen Eingliederung noch die Leistungserfüllung als solche.

Diese charakteristische Grundform der Ausbildung ist nach Auffassung des Senats die ausschlaggebende Veranlassung gewesen, die Aufgabenerfüllung nach der Verschlechterung der wirtschaftlichen, insbesondere auch der Vermögens-Verhältnisse bei den meisten Bevölkerungsschichten seit 1918 durch eine gewisse finanzielle Hilfe zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen und dabei naturgemäß vor allem an solche auszubildende Personen zu denken, die persönlich der Unterstützung bedürfen. Es ist also nicht so sehr die Tatsache der Ausbildung als solcher, als vielmehr die Art und Weise, in der sich die Ausbildung vollzieht, von Bedeutung für die Zuschußgewährung.

Im Grunde genommen liegt die Sache wirtschaftlich und damit steuerlich (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) nicht entscheidend anders als bei der Tätigkeit der Lehrlinge im öffentlichen und privaten Sektor. Auch sie sind zu ihrer Ausbildung für den gewählten Beruf in den Organismus eines Unternehmens oder einer sonstigen Organisation eingegliedert und beziehen in dem, was sie erhalten, auch wenn ihnen ein Rechtsanspruch nicht zusteht, Arbeitslohn. Vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 63/24 vom 9. Mai 1924, Slg. Bd. 13 S. 287, Steuer und Wirtschaft 1924 Nr. 177.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Unterhaltszuschüsse an Referendare ebenso wie an sonstige Anwärter des öffentlichen Dienstes in erster Linie im Hinblick auf ihre Eingliederung in die staatliche Organisation und deshalb nicht unmittelbar im Sinne von § 3 Ziff. 10 EStG 1950, sondern nur mittelbar zur Förderung ihrer Ausbildung gewährt werden. Sie sind Bezüge für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst und gehören damit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG). Es sei hierzu noch auf die Ausführungen von Becker, Anm. 9 a zu § 36 EStG 1925 verwiesen.

Diesen Gedankengängen paßt sich auch reibungslos die Einrichtung der sogenannten Beschäftigungsvergütung an, deren Wesen als Arbeitslohn nicht in Zweifel steht. Sie ist wirtschaftlich kein echter Gegensatz zu den Unterhaltszuschüssen, sondern unterscheidet sich nur dem Grade nach von ihnen. Das ergibt sich schon daraus, daß die Ausbildungszeit während der Vollbeschäftigung mit Vergütungsanspruch nicht unterbrochen wird, sondern nur eine intensivere praktische Ausbildung darstellt.

Es kommt hinzu, daß es nach der Regelung in verschiedenen Ländern Fälle geben kann, in denen ein erhöhter Unterhaltszuschuß besonders an infolge des Krieges überalterte "Anwärter" gewährt wird, und zwar bis zu einer Höhe, die dem Gehalt eines entsprechenden außerplanmäßigen oder planmäßigen Beamten gleichkommt. Es wäre unverständlich, wenn man durch Anerkennung der Unterhaltszuschüsse als steuerfreie Ausbildungsbeihilfen die Anwärter in solchen Fällen wirtschaftlich günstiger stellen wollte als die Beamten, die ein gleich hohes Entgelt zu versteuern haben.

Die Auffassung des Senats wird bestärkt durch die auch in den meisten Ländern durchgeführte Anpassung an besoldungsrechtliche Grundsätze durch Staffelung der Unterhaltszuschüsse nach dem Familienstande, insbesondere auch durch die Gewährung von Kinderbeihilfen. Auch wenn in dieser Beziehung von einer ausdrücklichen Regelung abgesehen wird, wie es in dem vom Bg. angeführten Verordnungsentwurf für Berlin vorgesehen ist, so dürfte dennoch bei der praktischen Handhabung regelmäßig der Familienstand im Rahmen der Angemessenheit der Beihilfe berücksichtigt werden. Daß die Kinderbeihilfen nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 3 Ziff. 10 Satz 2 EStG nicht begünstigt sein sollen, würde freilich für sich allein noch nichts für die hier streitige Frage Entscheidendes besagen.

Weiter ist noch darauf hinzuweisen, daß die Rechtsprechung die Tätigkeit der Referendare auch nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich als solche von Arbeitnehmern angesprochen und dies deshalb auch in dem Falle der entgeltlichen Vertretung von Rechtsanwälten durch Referendare angenommen hat. Vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2207/30 vom 21. Januar 1931, Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 306, und IV 135/37 vom 18. November 1937, Steuer und Wirtschaft 1937 Nr. 615.

Wenn der Bg. sich für seine Rechtsauffassung auf Blümich-Falk beruft, so übersieht er deren gegenteilige Ausführungen gerade hinsichtlich der Unterhaltszuschüsse für Referendare in Anm. 9 (S. 57 unten) zu § 9 EStG.

Weiter ist gegenüber der Bezugnahme des Bg. auf Schieckel- Aichberger, Bundesversorgungsgesetz, Anm. 5 zu § 33 der ersten Auflage, darauf hinzuweisen, daß die für den Bg. günstige Bemerkung in der zweiten Auflage (1953) nicht mehr enthalten ist. Der Kommentar erwähnt an der gleichen Stelle nur noch allgemein die den Beamtenanwärtern gewährten Bezüge, zählte sie zum "sonstigen Einkommen" im Sinne des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes, das auf die Ausgleichsrente Schwerbeschädigter anzurechnen ist, und verweist dabei auf einen entsprechenden Erlaß des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge vom 12. März 1951.

Im übrigen würde die Handhabung im Rahmen des Bundesversorgungsgesetzes ebensowenig entscheidende Bedeutung für die Auslegung der hier streitigen einkommensteuerlichen Vorschrift haben können wie eine etwa abweichende Handhabung im Rahmen der Sozialversicherung. Bei dieser letzteren dürfte im übrigen, soweit die Entscheidungen erkennen lassen, noch die Erwägung mitwirken, daß ein Arbeitsentgelt in der Regel auf einem Anspruch des Arbeitenden beruht und daß freiwillige Leistungen mehr oder weniger die Vermutung in sich tragen, daß es sich nicht um einen Bezug handelt, der Maßstab für Versicherungsleistungen zu sein hat. Für die steuerlichen Belange kommt dieser Gedanke nicht zu Raum, da alles, was der Arbeitgeber leistet, im Zweifel Arbeitslohn ist.

Ob die strittige Frage im Rahmen einer Rechtsverordnung für Berlin selbständig mit bindender Wirkung für die Steuergerichte geregelt werden könnte, wie dies in § 12 des vom Bg. angeführten Verordnungsentwurfs für Berlin vorgesehen ist, bedarf keiner Entscheidung, weil eine solche besondere Verordnung für die Streitjahre jedenfalls nicht besteht.

Nach alledem verbleibt der Senat bei der Rechtsauffassung, wie sie im Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 12. August 1927 und im Anschluß daran seit jeher in den LStR (Abschn. 2 Abs. 1 Ziff. 4) festgelegt ist.

Somit war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben und die Berufung gegen die die Steuerpflicht bejahende Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407965

BStBl III 1955, 14

BFHE 1955, 36

BFHE 60, 36

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