Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Arbeitsrecht Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs legt die Frage, ob die kirchensteuerrechtliche Behandlung konfessionsverschiedener Ehen in § 6 Abs. 2 und 4 des Gesetzes Nr. 587 über die Verwaltung von Kirchensteuern im Landesbezirk Württemberg vom 1. April 1952 (BStBl 1952 II S. 129) mit dem GG vereinbar ist, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 1, Art. 31, Art. 99, Art. 140; EStG § 26 a. F.; StAnpG § 7 Abs. 3 a. F. und n. F.; Gesetz Nr. 587 über die Verwaltung von Kirchensteuern im Landesbezirk Württemberg

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4, 6 Abs. 1, Art. 31, 99, 140; EStG § 26; StAnpG § 7 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Tatbestand

Der Bf. gehört keiner Kirche an, während seine Ehefrau Angehörige der katholischen Kirche ist. Von dem Gehalt des Bf. hat sein Arbeitgeber für die Ehefrau Kirchenlohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Die Kirchenlohnsteuer wurde aus der Hälfte der auf das Gehalt des Bf. einbehaltenen Lohnsteuer berechnet. Die Ehefrau hat im Streitjahr 1954 keine eigenen Einkünfte gehabt.

Der Bf. beantragte beim Finanzamt, ihm die Kirchenlohnsteuer zu erstatten. Nach seiner Auffassung widerspricht es dem Grundgesetz (GG), die Kirchensteuer einer Ehefrau nach dem Einkommen ihres Ehemannes zu bemessen und den Ehemann, der keiner Kirche angehört, für die Kirchensteuer seiner Ehefrau heranzuziehen.

Das Finanzamt lehnte die Erstattung ab. Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzamt und das Finanzgericht halten die Heranziehung des Bf. für die Kirchensteuer seiner Ehefrau für verfassungsrechtlich einwandfrei.

Mit der Rb. macht der Bf. geltend, die gesetzliche Regelung sei mit den Grundrechten der Art. 3, 6 und 14 GG unvereinbar.

Das Finanzministerium Baden-Württemberg, das dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten ist, hält diese Bedenken für unbegründet. Das Gesetz entspreche der Auffassung der Kirche vom Wesen der Ehe als einer unauflösbaren Gemeinschaft auf allen Gebieten des Lebens. Eine derartige Auffassung widerspreche dem GG nicht. Das Finanzministerium stützt sich vor allem auf das von Prof. Dr. Hans Peters erstattete Rechtsgutachten, das die Verfassungsmäßigkeit der kirchensteuerrechtlichen Regelung bejaht.

 

Entscheidungsgründe

II. Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs zur Sachentscheidung

Es haben sich auf Grund des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 143/55 U vom 14. Juni 1956 (BStBl 1956 III S. 214, Slg. Bd. 63 S. 48) Zweifel ergeben, ob der Bundesfinanzhof in Kirchensteuersachen der vorliegenden Art, bei denen es um die Auslegung von Landesrecht geht, überhaupt angerufen werden kann. Die Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs ist jedoch gegeben.

Nach § 1 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes über die Anwendung bundesrechtlicher Vorschriften des allgemeinen Abgabenrechts vom 27. Juni 1955 (BStBl 1955 II S. 128) finden die AO und das Gesetz über den Bundesfinanzhof (BFHG) auf solche öffentlich-rechtlichen Abgaben Anwendung, die der Gesetzgebung des Bundes nicht unterliegen und von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Diese Voraussetzungen sind bei der Kirchenlohnsteuer in Baden-Württemberg erfüllt; denn die Kirchenlohnsteuer unterliegt nicht der Gesetzgebung des Bundes, und ihre Verwaltung ist durch die Verwaltungsanordnung betreffend die übertragung der Verwaltung der katholischen Kirchenlohnsteuer auf die staatlichen Finanzbehörden vom 15. April 1952 (BStBl 1952 II S. 55) den staatlichen Finanzbehörden übertragen.

Weil die AO und das BFHG auf Fälle der vorliegenden Art für anwendbar erklärt sind, sind auch die in der AO und dem BFHG vorgesehenen Rechtsmittel gegeben. Das Finanzgericht hat das Berufungsverfahren demnach mit Recht für zulässig gehalten. Das erwähnte Gesetz vom 27. Juni 1955 entspricht dem in Art. 99 GG vorgesehenen Weg für die übertragung der letzten Entscheidung auf den Bundesfinanzhof. In dem Urteil VI 205/60 U vom 23. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 248, Slg. Bd. 74 S. 672) hat der Senat auch seine Zuständigkeit für Hamburger Kirchensteuersachen, für die die Rechtslage ähnlich ist, bejaht.

III. Rechtsgrundlagen und Entscheidungserheblichkeit der Streitfrage

Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 587 über die Verwaltung von Kirchensteuern im Landesbezirk Württemberg vom 1. April 1952 (BtBl 1952 II S. 129) wird die Kirchensteuer der Lohnsteuerpflichtigen, soweit sie in einem Hundertsatz der Einkommensteuer zu erheben ist, "durch Steuerabzug vom Arbeitslohn erhoben". Der Kirchenlohnsteuer unterliegen nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes "alle Arbeitnehmer im Sinne des Einkommensteuerrechts, wenn sie oder ihr Ehegatte nach dem Religionsvermerk auf der Lohnsteuerkarte einer steuerberechtigten kirchlichen Körperschaft angehören, ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Landesbezirk Württemberg haben und wenn ihre Lohnsteuerberechnung von einer innerhalb des Landesbezirks Württemberg gelegenen Betriebstätte vorgenommen wird". Bei Arbeitnehmern, die in glaubensverschiedenen Ehen leben, wird nach § 6 Abs. 4 des Gesetzes "die Kirchenlohnsteuer für jede Kirche aus der Hälfte der einbehaltenen Lohnsteuer berechnet".

Die streitige Kirchenlohnsteuer ist diesen Vorschriften entsprechend erhoben worden. § 6 Abs. 4 des Gesetzes spricht zwar nur von Arbeitnehmern "in glaubensverschiedener Ehe". Dazu gehören aber auch Ehen, in denen der Arbeitnehmer selbst keiner Kirche angehört, sondern nur sein Ehegatte. Das ergibt sich aus § 6 Abs. 2 des Gesetzes, wonach der Kirchenlohnsteuer alle Arbeitnehmer unterliegen, wenn "sie oder ihr Ehegatte" einer kirchensteuerberechtigten kirchlichen Körperschaft angehören.

Nach § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO kann ein Steuerpflichtiger die Erstattung von Kirchenlohnsteuer beantragen, wenn sie für seine Rechnung und ohne seine Mitwirkung "zu Unrecht entrichtet worden ist". Hier ist zweifelhaft, ob die Kirchenlohnsteuer "zu Unrecht" entrichtet worden ist. Dies ist der Fall, wenn § 6 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 587 (a. a. O.) wegen Verstoßes gegen das GG rechtsungültig ist. Die Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 4 des Gesetzes ist also entscheidungserheblich, weil der Erstattungsantrag des Bf. nur bei Nichtigkeit der Vorschrift Erfolg haben kann.

IV. Stellungnahme des Senats Der Senat teilt die vom Bf. erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken.

§ 6 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 587 unterwirft nach seinem Wortlaut auch Arbeitnehmer der Kirchenlohnsteuer, die keiner steuerberechtigten Kirche angehören. Nach Art. 140 GG, der auf Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Verfassung Bezug nimmt, sind Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, berechtigt, "auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben". In dem dritten Entwurf der Weimarer Verfassung war ausdrücklich hervorgehoben, daß die Religionsgesellschaften nur "ihre Mitglieder" besteuern dürften. Durch die Streichung dieser Worte sollte klargestellt werden, daß die Religionsgesellschaften auch juristische Personen, z. B. Kapitalgesellschaften, heranziehen könnten (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl., Bem. 11 zu Art. 137, S. 648). Nicht sollte aber etwa den Religionsgesellschaften allgemein gestattet werden, auch natürliche Personen zu besteuern, die nicht ihre Mitglieder sind. Tatsächlich sollen auch in Baden-Württemberg nur die Kirchenangehörigen besteuert werden, wie sich aus dem die Steuerpflicht regelnden § 27 des württembergischen Gesetzes über die Kirchen vom 3. März 1924 (Regierungsblatt für Württemberg 1924 S. 93) ergibt, auf das sich das Gesetz Nr. 587 stützt (siehe § 1). Landeskirchensteuerpflichtig und damit ortskirchensteuerpflichtig ist nämlich nach § 27 a. a. O. nur, "wer der besteuernden Kirche angehört". Wenn nach § 6 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 587 gleichwohl auch ein Arbeitnehmer, der keiner Kirche angehört, auf dessen Lohnsteuerkarte aber ein den Ehegatten betreffender Religionsvermerk eingetragen ist, zur Kirchenlohnsteuer herangezogen wird, so beruht die Heranziehung offenbar auf der Vorstellung, daß die Kirchenlohnsteuer zwar von dem der Kirche angehörenden Ehegatten erhoben werde, daß aber der der Kirche nicht angehörende Ehegatte - der Arbeitnehmer - die Kirchenlohnsteuer für den anderen Ehegatten zu entrichten habe. Die gleiche Vorstellung liegt auch dem § 5 des Gesetzes Nr. 587 betreffend die Kirchensteuer für zusammen veranlagte Personen zugrunde. Danach bemißt sich, wenn nicht beide Ehegatten der steuerberechtigten Kirche angehören, die Kirchensteuer für jeden Ehegatten nach der Hälfte der maßgeblichen Einkommensteuer. Damit stimmt auch § 34 Abs. 2 des erwähnten Gesetzes über die Kirchen vom 3. März 1924 in der Fassung des änderungsgesetzes zum Kirchensteuergesetz vom 17. Februar 1927 (Regierungsblatt für Württemberg 1927 S. 117) überein, in dem bestimmt ist: "Sind Ehegatten nicht derselben Kirche steuerpflichtig, so erhebt die besteuernde Kirche oder Kirchengemeinde von dem pflichtigen Teil die Hälfte der Kirchensteuer, die auf beide Gatten entfiele, wenn der andere Teil derselben Kirche angehörte. Für den Zuschlag haftet auch der andere Ehegatte als Gesamtschuldner".

Für die Prüfung, ob diese kirchensteuerrechtliche Regelung mit der Verfassung in Einklang steht, müssen zwei Fragen unterschieden werden:

Ist es zulässig, die Kirchensteuer eines der Kirche angehörenden Ehegatten nach dem Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten zu bemessen?

Ist es zulässig, einen der Kirche nicht angehörenden Ehegatten für die Kirchensteuer seines der Kirche angehörenden Ehegatten heranzuziehen?

Wie über diese beiden Fragen zu entscheiden ist, wenn beide Ehegatten verschiedenen steuerberechtigten Kirchen angehören, kann dahingestellt bleiben. Denn die Fälle, in denen beide Ehegatten steuerberechtigten Kirchen angehören, sind möglicherweise anders zu beurteilen als die Fälle der vorliegenden Art, in denen nur ein Ehegatte einer steuerberechtigten Kirche angehört.

Ist es zulässig, die Kirchensteuer eines der Kirche angehörenden Ehegatten nach dem Einkommen seines keiner Kirche angehörenden Ehegatten zu bemessen?

Daß die Kirchensteuer eines der Kirche angehörenden Ehegatten nach dem Einkommen des der Kirche nicht angehörenden Ehegatten bemessen werden kann, beruht, wie das Finanzministerium Baden-Württemberg ausführt, auf der kirchlichen Auffassung vom Wesen der Ehe als einer unauflösbaren Gemeinschaft auf allen Gebieten des Lebens. Das Finanzministerium hebt auch hervor, daß nach allgemeiner Auffassung die Frau eines reichen Mannes, wenngleich sie selbst keine oder nur niedrige Einkünfte hat, darum nicht etwa "arm" sei, so daß es ungerecht wäre, ihr nur dieselben Beiträge aufzuerlegen wie einer alleinstehenden Frau, die keine oder nur niedrige Einkünfte hat. Diese Auffassung entspricht der früher allgemein anerkannten Vorstellung, daß zusammen lebende Ehegatten eine wirtschaftliche Einheit bilden, weil sie in einen Topf wirtschaften. Die streitige kirchensteuerrechtliche Regelung knüpft also offenbar an die Zusammenveranlagung des § 26 EStG alter Fassung an und stammt aus einer Zeit, als die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift noch nicht in Zweifel gezogen wurde. Das ergibt sich auch klar aus § 34 Abs. 1 des erwähnten Gesetzes vom 17. Februar 1927, nach dem, soweit Ehegatten zu einer bürgerlichen Steuer veranlagt werden, auch der kirchliche Zuschlag einheitlich festgesetzt wird und die Ehegatten für den gemeinschaftlichen Zuschlag als Gesamtschuldner haften, sowie aus § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes Nr. 587, wonach die Regelung, daß sich bei glaubensverschiedenen Ehegatten die Kirchensteuer eines jeden Ehegatten nach der Hälfte der maßgeblichen Einkommensteuer bemißt, dann nicht gilt, wenn die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer nicht gegeben sind. Nachdem aber § 26 EStG alter Fassung durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 6 S. 55, BStBl 1957 I S. 193) wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden ist, kann auch eine kirchensteuerrechtliche Regelung, die eindeutig an diese Vorschrift anknüpft, nicht aufrechterhalten werden. Wird die Kirchensteuer eines der Kirche angehörenden Ehegatten nach dem Einkommen seines der Kirche nicht angehörenden Ehegatten bemessen, so liegt darin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in der Ausprägung, die dieses Grundrecht durch Art. 6 Abs. 1 GG erhalten hat. Denn wenn eine Frau, die keine oder nur niedrige eigene Einkünfte hat und einer Kirche angehört, einen reichen Mann heiratet, der keiner Kirche angehört, so wird sie allein durch die Eheschließung zu einer höheren Kirchensteuer herangezogen als vorher. Dabei spielt das eheliche Güterrecht zwischen den Ehegatten keine Rolle. Die kirchensteuerrechtliche Regelung kann allerdings im umgekehrten Fall auch zu einer Ermäßigung der Kirchensteuer führen. Aber es ist doch zweifelhaft, ob damit die Mehrbelastung in den Fällen, in denen sie eintritt, gerechtfertigt werden kann.

Man könnte daran denken, die an § 26 EStG alter Fassung anknüpfende kirchensteuerrechtliche Regelung in der Weise verfassungskonform auszulegen, daß man sie an § 26 EStG in seiner jetzt gültigen Fassung anlehnt. Dann kommt man dazu, der neuen Fassung des § 26 EStG 1958 entsprechend die Kirchensteuer des der Kirche angehörenden Ehegatten nur dann nach dem Einkommen des der Kirche nicht angehörenden Ehegatten zu bemessen, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung beantragen. Eine derartige Auslegung scheint jedoch kaum vertretbar, weil sie in die Rechtsetzungsbefugnis des Gesetzgebers eingreifen würde, wie der Senat in seinem Vorlagebeschluß VI 180/59 U vom 4. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 329) - unter IV 10 - dargelegt hat. Im übrigen könnte für die Kirchenlohnsteuer diese verfassungskonforme Auslegung schon deswegen nicht angewandt werden, weil die Ehegatten im Steuerabzugsverfahren gar kein Wahlrecht hinsichtlich der Erhebung haben.

Die streitige kirchensteuerrechtliche Regelung ist also, weil sie an die überholte Vorschrift des § 26 EStG alter Fassung anknüpft, verfassungsrechtlich nicht mehr zu halten. Die Auffassung der Kirchen vom Wesen der Ehe kann nicht zur Rechtfertigung einer mit dem GG nicht zu vereinbarenden zusätzlichen Steuerbelastung der Ehegatten angeführt werden.

Auf die streitige Frage, ob die Regelung nicht auch gegen den verfassungsmäßig garantierten Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) verstößt, braucht nicht eingegangen zu werden, weil der Senat das geltende Recht schon als mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG für unvereinbar hält.

Ist es zulässig, einen der Kirche nicht angehörenden Ehegatten für die Kirchensteuer seines der Kirche angehörenden Ehegatten heranzuziehen?

Selbst wenn man die vorstehend erörterte Bemessung der Kirchensteuer eines der Kirche angehörenden Ehegatten nach dem Einkommen seines der Kirche nicht angehörenden Ehegatten für verfassungsrechtlich unbedenklich halten würde, wäre es doch verfassungsrechtlich bedenklich, den der Kirche nicht angehörenden Ehegatten für die Kirchensteuer seines der Kirche angehörenden Ehegatten wider seinen Willen in Anspruch zu nehmen.

Die kirchensteuerrechtliche Regelung, die das vorsieht, beruht ebenfalls offensichtlich auf § 26 EStG alter Fassung in Verbindung mit § 7 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) alter Fassung. Wie § 26 EStG alter Fassung ist aber auch § 7 Abs. 3 StAnpG den vom Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 17. Januar 1957 entwickelten Grundsätzen entsprechend im Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412) neu gefaßt und ergänzt worden. Nunmehr kann selbst bei Zusammenveranlagung kein Ehegatte gegen seinen Willen für die Einkommensteuerschuld des anderen Ehegatten in Anspruch genommen werden. Die kirchensteuerrechtliche Regelung, die noch eine uneinschränkbare Schuld des der Kirche nicht angehörenden Ehegatten vorsieht, steht damit nicht in Einklang.

Selbst wenn man die bisherige Regelung jetzt in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 3 StAnpG neuer Fassung dahin auslegen könnte, daß die Kirchensteuer des der Kirche angehörenden Ehegatten bei dem nicht der Kirche angehörenden Ehegatten nicht gegen dessen Willen beigetrieben werden könne, blieben doch die Fälle des Kirchenlohnsteuerabzugs bei Arbeitnehmern offen.

Die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten verstößt auch gegen den durch Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Ehe, weil erst die Eheschließung die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten ermöglicht.

Das Finanzministerium weist im Anschluß an das Gutachten von Peters darauf hin, daß sich durch die Eheschließung Unterhaltspflichten zwischen den Ehegatten ergäben und daß der Ehemann seiner Ehefrau die erforderlichen Mittel zur Zahlung ihrer Kirchensteuer zur Verfügung stellen müsse. Es erübrigt sich zu prüfen, ob und in welchem Umfang es zur gesetzlichen Unterhaltspflicht des Ehemanns gehört, für die Ehefrau Kirchensteuer zu zahlen. Denn auch wenn man die gesetzliche Unterhaltspflicht darauf erstrecken wollte, würde die Unterhaltspflicht doch nur im Innenverhältnis der Ehegatten Rechte und Pflichten begründen können, nicht aber eine Haftung des der Kirche angehörenden Ehegatten gegenüber der Kirche.

Die kirchensteuerrechtliche Regelung, die auf Landesrecht beruht, verstößt auch wohl gegen Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht. Denn sie ist unvereinbar mit der der Gesetzgebung des Bundes vorbehaltenen und von diesem abschließend geregelten Ordnung der vermögensrechtlichen Folgen in einer Ehe. Danach braucht aber der eine Ehegatte für die Schulden des anderen Ehegatten grundsätzlich nicht einzustehen.

V. Zusammenfassung Nach der Auffassung des Senats verstößt somit § 6 Abs. 2 und Abs. 4 des Gesetzes Nr. 587 vom 1. April 1952 gegen das GG.

Dieses Gesetz ist, auch wenn es auf dem Gesetz vom 3. März 1924 aufbaut, erst nach dem Inkrafttreten des GG erlassen worden und enthält deshalb nachkonstitutionelles Recht.

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG muß der Senat daher die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 481

BFHE 1963, 584

BFHE 75, 584

StRK, EStG Nr 587 Württ KirchStG:6 R 1

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