Leitsatz (amtlich)

Der sich aus § 103 und § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebende Grundsatz, daß die Verzinsung der festgesetzten Kosten einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel voraussetzt, wird nicht durch die weitere Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO durchbrochen, daß im Falle des § 105 Abs. 2 ZPO die Kosten von der Verkündung des Urteils ab zu verzinsen sind.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 104 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, Kostengläubigerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) begehrte eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides für 1964 und obsiegte durch Urteil des FG vom 14. Januar 1971. Das FG erlegte darin die Kosten des Verfahrens dem Beklagten, Kostenschuldner und Beschwerdeführer (FA) auf, setzte den Streitwert auf 66 424 DM fest, unterließ es aber, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Das Urteil wurde dem FA am 8. April 1971 zugestellt. Durch Beschluß vom 21. April 1971 erklärte das FG die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig. Mit Schreiben vom 6. Mai 1971, das am 11. Mai 1971 beim FG einging, beantragte die Klägerin, ihr die Kosten und die Auslagen des Vor- und des Klageverfahrens gemäß § 135 Abs. 1 FGO in Höhe von 3 403,43 DM und 44,40 DM zu erstatten. Die vom FA gegen das FG-Urteil eingelegte Revision wies der BFH durch Urteil vom 11. April 1973 als unbegründet zurück. Dabei wurden dem FA auch die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt. Am 30. Mai 1973 wiederholte die Klägerin ihren Erstattungsantrag vom Juni 1971 und erweiterte ihn um einen Betrag von 2 152,62 DM für das Revisionsverfahren. Zugleich beantragte sie, die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen für das Vor- und das Klageverfahren nach § 104 Abs. 1 ZPO vom 11. Mai 1971 an mit 4 % zu verzinsen.

Der Kostenbeamte des FG setzte die zu erstattenden Kosten durch Beschluß vom 22. Juni 1973 auf 5 203,66 DM fest. Die Kosten des Vor- und Klageverfahrens in Höhe von 3 051,05 DM wurden vom 11. April 1973, vom Zeitpunkt der Anbringung des (zweiten) Festsetzungsantrages beim Gericht, jedoch frühestens ab Rechtskraft des BFH-Urteils vom 11. April 1973 mit 4 % für verzinslich erklärt.

Auf die Erinnerung der Klägerin hin stellte das FG mit Beschluß vom 8. August 1973 (veröffentlicht in EFG 1973, 600) fest, daß die Kosten des Vor- und Klageverfahrens von der Anbringung des ersten Gesuches an, also vom 11. Mai 1971 an, zu verzinsen seien. Das FG vertritt die Auffassung, der Wortlaut des § 104 Abs. 1 ZPO zwinge nicht zu der vom Kostenbeamten und auch vom Kammergericht (Beschluß vom 2. Februar 1967 1 W 3122/66, NJW 1967, 1569) vertretenen Ansicht, daß ein Anspruch auf Verzinsung festgesetzter Kosten erst dann bestehe, wenn ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliege, auch wenn das Festsetzungsgesuch vorher eingereicht worden sei. Im Gegenteil sei dem Wortlaut des Gesetzes eher zu entnehmen, daß der Gesetzgeber tatsächlich die Verzinsung der festgesetzten Kosten von der Anbringung des Gesuches ab - ohne Rücksicht auf Rechtskraft und vorläufige Vollstreckbarkeit des jeweiligen Urteils -, wolle, da andernfalls die weitere Bestimmung, daß im Falle des § 105 Abs. 2 ZPO die Verzinsung von der Verkündung des Urteils ab eintrete, überflüssig sei. Es spreche nichts gegen eine Verzinsung der für die erste Instanz zu erstattenden Kosten ab Anbringung des Gesuches bei Gericht, zumal da es anerkannt sei, daß der Kostenerstattungsanspruch bereits mit dem Erlaß der gerichtlichen Kostenentscheidung, die nach § 143 FGO Teil des gerichtlichen Urteils sei, unabhängig von der Rechtskraft des Urteils zur Entstehung gelange, wobei der Kostenerstattungsanspruch allerdings bis zur Rechtskraft des Urteils als auflösend bedingt anzusehen sei. Es müsse außerdem als grobe Unbilligkeit empfunden werden, wenn ein Steuerpflichtiger, der im Steuerprozeß nach § 151 Abs. 3 FGO im Urteil einen Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten erwirkt habe, besser behandelt würde als derjenige, der von der Stellung eines Antrags auf Vollstreckbarkeitserklärung Abstand genommen habe. Es spreche auch vieles dafür, daß die FG ohnehin jedes Gestaltungsurteil wegen der Kosten ohne Antrag und ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklären müßten (BFH-Entscheidung vom 18. Dezember 1970 VI R 248/69, BFHE 101, 478, BStBl II 1971, 426). Es sei durch nichts gerechtfertigt, einen Steuerpflichtigen, der auf eine vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten verzichte und auf diese Weise der Justizverwaltung Arbeit erspare, auch noch wegen der Verzinsung seines Kostenerstattungsanspruches schlechter zu stellen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die zugelassene Beschwerde des FA mit folgender Begründung: Das FG folgere aus dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 ZPO, daß die Pflicht zur Verzinsung mit der Anbringung des Gesuches beginne. Der Begriff Gesuch sei aber nicht in § 104, sondern in § 103 ZPO erläutert. § 104 ZPO könne nicht isoliert von § 103 ZPO betrachtet und ausgelegt werden. Die Voraussetzungen des § 103 ZPO, wonach ein Anspruch auf Verzinsung festgesetzter Kosten erst dann bestehe, wenn ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliege, gälten in gleichem Maße auch für den verfahrensmäßig daran anknüpfenden § 104 ZPO. Verfehlt sei die Folgerung des FG aus dem in § 104 erwähnten § 105 Abs. 2 ZPO. Die vereinfachte Kostenfestsetzung ohne besonderen Antrag müsse von einem bestimmten Zeitpunkt ab die Verzinsungspflicht festlegen und sei daher keinesfalls überflüssig. Im übrigen sei das Vorliegen eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels, nämlich ein vorläufig vollstreckbares Urteil, auch im Falle des § 105 Abs. 2 ZPO notwendig. Die Einreichung eines Kostengesuchs nach § 105 Abs. 2 ZPO vor Ergehen des Urteils komme in der Praxis selten vor und führe gegenüber § 104 ZPO lediglich dazu, daß die Verzinsung wenige Tage oder Wochen früher zu laufen beginne. Es könne auch bei einer Entscheidung nicht darauf abgestellt werden, ob ein Prozeßbeteiligter den Gerichten mit Anträgen Arbeit verursache oder nicht. Die vorläufige Vollstreckbarkeit sei immer mit dem Risiko der Urteilsänderung und der Ersatzpflicht gemäß § 717 ZPO verbunden. Außerdem könne die unterlegene Partei gemäß § 712 ZPO erreichen, daß die Entscheidung nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werde.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Sie führt aus, das FA verkenne die Unterscheidung zwischen der Entstehung des Anspruchs und seiner Geltendmachung, wenn es meine, daß nach den Voraussetzungen des § 103 ZPO ein Anspruch auf Verzinsung der Kosten erst bestehe, wenn ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliege. Der Anspruch könne lediglich erst bei Vorliegen dieses Titels geltend gemacht werden. Eine Partei sei nicht gehindert, das die Verzinsungspflicht begründende Kostenfestsetzungsgesuch vor Rechtskraft des ergangenen Urteils zu stellen. Der Anspruch stehe allerdings unter einer Bedingung, wenn das Kostenfestsetzungsgesuch vor Rechtskraft des Urteils bei Gericht eingehe. Der klare Aufbau der Zivilprozeßordnung in bezug auf das Kostenrecht, der zwischen Entstehung des Anspruchs und seiner Geltendmachung unterscheide, sei bezüglich des Verzinsungsanspruches verwischt worden. Gesetzessystematisch wäre diese durch das Änderungsgesetz vom 26. Juli 1957 eingefügte Bestimmung über die Verzinsung besser in die §§ 91 ff. ZPO und nicht in die §§ 103 ff. ZPO aufgenommen worden. Die Formulierung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO lasse die Auslegung des FG durchaus zu, daß unter "auf Antrag ist auszusprechen" im Sinne der herrschenden Meinung für die übrigen Kosten die Geltendmachung eines bereits bestehenden Anspruchs zu verstehen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist auf Antrag auszusprechen, daß die festgesetzten Kosten von der Anbringung des Gesuchs ab zu verzinsen sind. Das erste Gesuch der Klägerin ist am 11. Mai 1971 beim FG eingegangen. Damals konnte dem Gesuch nicht entsprochen werden, da das Urteil des FG mit der Revision angefochten und hinsichtlich der Kosten nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt worden war, also kein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel im Sinne des § 103 Abs. 1 ZPO vorlag. Das ist aber - entgegen der Ansicht des FG - Voraussetzung einer jeden Kostenfestsetzung (vgl. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 104 II 1; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., ZPO § 88 I 2; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 103 B II). Der Gesetzgeber geht zwar in § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO offensichtlich von dem Gesuch im Sinne des § 103 Abs. 2 ZPO aus. Dieses Gesuch erfüllt jedoch nur dann seinen Zweck, wenn die Voraussetzung des § 103 Abs. 1 ZPO erfüllt ist. Der Zinsanspruch wird also nur durch die wirksame Geltendmachung des Kostenanspruchs materiell-rechtlich begründet (Kammergericht, Beschluß 1 W 3122/66). Dem FG ist zuzugeben, daß § 104 Abs. 1 Satz 2 zweiter Fall ZPO sich bei richtiger Auslegung des Gesetzes von selbst ergeben hätte, diese Regelung also überflüssig war. Dem erkennenden Senat erscheint es aber nicht geboten, daraus den Schluß zu ziehen, daß der Gesetzgeber hier eine Ausnahme regeln wollte, sondern daß er die Regelung verdeutlichen wollte. Zunächst stellte er den allgemeinen Grundsatz auf, daß die Verzinsung mit dem Eingang des Gesuchs bei Gericht beginnt. Dann mußte der Fall des § 105 Abs. 2 ZPO geregelt werden, bei dem ein Gesuch nicht vorliegt. Aber auch § 105 ZPO setzte einen vollstreckbaren Titel voraus. Der sich aus § 103 und § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebende Grundsatz, daß die Verzinsung der festgesetzten Kosten einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel voraussetzt, wird somit nicht durch die weitere Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO durchbrochen, daß im Falle des § 105 Abs, 2 ZPO die Kosten von der Verkündung des Urteils ab zu verzinsen sind. Die Vorschrift des § 104 Abs, 1 Satz 2 ZPO ist nicht isoliert zu betrachten, auch wenn sie erst später in das Gesetz eingefügt worden ist. Mit ihrem Verweis auf § 105 ZPO und ihrem Einbau in § 104 Abs. 1 ZPO zeigt sie deutlich, daß sie im Zusammenhang der Vorschriften gesehen werden soll, bei denen sie steht, also auch § 103 Abs. 1 ZPO zur Voraussetzung hat. Der Hinweis des FG, daß ein Steuerpflichtiger, der durch seinen Verzicht auf die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Justizverwaltung Arbeit erspare, bezüglich der Verzinsung seines Kostenerstattungsanspruchs schlechtergestellt werde, geht fehl, da mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit für den Kostengläubiger die Gefahr der Ersatzpflicht gemäß § 717 Abs. 2 ZPO verbunden ist.

Nach allem konnte der Beschwerde der Erfolg nicht versagt werden, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Verzinsung der festgesetzten Kosten des Vorund Klageverfahrens vom Zeitpunkt der Rechtskraft des BFH-Urteils an, also vom 11. April 1973, zu Recht festgesetzt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71088

BStBl II 1975, 263

BFHE 1975, 326

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge