Leitsatz

Die Wohnungseigentümer haben Beschlusskompetenz für den Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als teilrechtsfähigen Verband zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6, 21 Abs. 3, Abs. 7 WEG; § 311b BGB

 

Das Problem

Wohnungseigentümer W wendet sich gegen 3 auf einer Versammlung im Mai 2013 gefasste Beschlüsse. Zum einen wird beschlossen, das Nachbargrundstück zu erwerben. Dieses soll als Parkplatz für Wohnungseigentümer (bzw. deren Mieter) gebraucht werden. Zum anderen wird beschlossen, den Kaufpreis durch eine Sonderumlage aufzubringen. Diese sollen nur die Wohnungseigentümer bedienen, denen es ermöglicht wird, auf dem Grundstück zu parken. Ob Wohnungseigentümer daran kein Interesse haben, wird nicht berücksichtigt. Schließlich wird dem Verwalter eine Sondervergütung für Tätigkeiten im Rahmen der Verhandlung und Abwicklung eines Grundstückskaufvertrags gewährt.

 

Entscheidung

I. Grundstückserwerb

  1. Der Beschluss zum Erwerb des Parkplatzgrundstücks sei nicht zu beanstanden. Es fehle für den Beschluss nicht an der erforderlichen Beschlusskompetenz. Dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst teilrechtsfähig und damit auch grundbuchfähig sei, werde von den Parteien nicht in Abrede gestellt. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei es damit grundsätzlich möglich, selbst Grundeigentum zu erwerben.
  2. Die Beschlusskompetenz zum Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als teilrechtsfähigem Verband folge aus § 21 WEG und sei bei ordnungsmäßiger Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss möglich. Das Gericht stelle nicht in Abrede, dass möglicherweise die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums dann verlassen werden könnte, wenn Grundstücke als Renditeobjekte erworben werden. Zwar möchte das Gericht nicht ausschließen, dass auch der Erwerb von Renditeobjekten in Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens im Interesse der Gemeinschaft sein könne. Primärer Zweck einer Wohnungseigentümergemeinschaft sei jedoch kein gewerblicher oder renditeorientierter. Es stehe der individuelle Zweck der Wohnungsnutzung durch die Eigentümer im Vordergrund. Der Zweck der Wohnungseigentümergemeinschaft "bleibe daher auf Verwaltung im Innern und die Erleichterung des Rechtsverkehrs nach außen beschränkt". Auf der anderen Seite könne ein Grundstückserwerb dem Zweck, individuelle Wohnungsnutzung zu ermöglichen, unmittelbar dienlich sein.
  3. Als Grenzziehung biete es sich an, darauf abzustellen, ob der Grundstückserwerb in einem räumlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehe (Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl. 2012, § 10 Rn. 67a). Dagegen spreche nicht der vermeintliche Widerspruch zu den Regeln in § 16 WEG, wonach für bestimmte, weniger weitreichende Maßnahmen wie eine bauliche Veränderung sogar höhere Quoren bei der Beschlussfassung vorgesehen seien. Der Gesetzgeber habe in § 21 Abs. 3 WEG für eine Beschlussfassung über die ordnungsgemäße Verwaltung (bei Nichtvorhandensein einer anderen Regelung durch Vereinbarung) lediglich Stimmenmehrheit vorgesehen und in § 21 Abs. 1 WEG bestimmt, dass davon nur in den durch Gesetz und Vereinbarung bestimmten Fällen abzuweichen sei. Eine Vereinbarung existiere für den hier relevanten Fall ebenso wenig wie eine abweichende gesetzliche Regelung. Für eine teleologische Reduktion des § 21 Abs. 3 WEG oder für eine entsprechende Anwendung des § 16 WEG bzw. von dessen Wertungsgesichtspunkten sei schon deswegen kein Raum, weil es an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe insbesondere in der umfangreichen Novelle in 2007, aber auch später, von einer Ausnahmeregel zum Erwerb von Grundeigentum abgesehen, obwohl nach der Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und deren Übernahme nach § 10 Abs. 6 WEG über die Frage des Grunderwerbs bereits diskutiert wurde. Zudem handle es sich bei dem Zuerwerb eines Grundstücks auch nicht um eine bauliche Umgestaltung der Anlage. Nicht gefolgt werden könne zudem der klägerischen Auffassung, dass der Erwerb von Grundeigentum so wesentlich in das Kernrecht der Wohnungseigentümer eingreife, dass zwingend eine Vereinbarung erforderlich sei. Die Eigentümer würden in ihrer rechtlichen Stellung oder in der Ausübung der ihnen zustehenden Rechte im Verband durch den Erwerb eines Grundstücks in keiner Weise berührt.
  4. Aus dieser Grenzziehung folge die Beschlusskompetenz im hier in Rede stehenden Fall. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer möchte kein Grundstück als Renditeobjekt erwerben. Es bestehe vielmehr ein direkter räumlicher Zusammenhang beim Erwerb eines unmittelbaren Nachbargrundstücks. Auch der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehe nicht in Zweifel. Das Grundstück soll als Parkplatz für Wohnungseigentümer (bzw. deren Mieter) genutzt werden und damit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Wohnzweck unmittelbar dienen. Zugleic...

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